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Informationsmodelle und Integrationskonzepte für die Produktion elektrischer Traktionsmotoren

Eine Antwort auf volatile Märkte und Technologien
  • Nicolaus Klein

    Nicolaus Klein studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Darmstadt und ist seit 2022 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am wbk Institut für Produktionstechnik in der Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen tätig.

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    , Markus Herm

    Dr.-Ing. Markus Herm promovierte 2006 am wbk Institut für Produktionstechnik und ist Gründer und Geschäftsführer der FormiKa GmbH, einem IT-Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt System- und Anwendungsintegration, Datenbanken, Datenmanagement und Berichtswesen/Reporting sowie kundenindividueller Softwarelösungen.

    , Rainer Matussek

    Rainer Matussek ist IT-Consultant bei der FormiKa GmbH.

    , Felix Fraider

    Felix Fraider studierte Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie und ist seit 2020 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am wbk Institut für Produktionstechnik in der Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen tätig.

    , Florian Kößler

    Florian Kößler studierte Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie und ist seit 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am wbk Institut für Produktionstechnik in der Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen tätig. Seit 2023 leitet er die Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen.

    und Jürgen Fleischer

    Prof. Dr.-Ing. Jürgen Fleischer studierte Maschinenbau an der Universität Karlsruhe (TH) und promovierte 1989 am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik (wbk). Von 1992 an war er in mehreren leitenden Positionen in der Industrie tätig, ehe er im Jahr 2003 zum Professor und Leiter des wbk Institut für Produktionstechnik am heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berufen wurde. Dort leitet er den Bereich Maschinen, Anlagen und Prozessautomatisierung.

Veröffentlicht/Copyright: 21. Mai 2025
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Abstract

Die wandlungsfähige Produktion von elektrischen Traktionsantrieben lässt sich mithilfe modularer Produkt- und Produktionsbaukästen realisieren. Hierfür sind Informationsmodelle und Integrationskonzepte zu entwickeln. Dieser Beitrag thematisiert die Entwicklung und Implementierung der IT-Infrastruktur für ein agiles Produktionssystem von elektrischen Traktionsantrieben im Rahmen des Forschungsvorhabens AgiloDrive2. Um notwendige Traceability-Anforderungen sowie Transparenz und Flexibilität zu erreichen, wurde ein Integrationskonzept zur Verknüpfung unterschiedlicher in der Produktion vorliegender IT-Systeme erarbeitet und für Evaluierungszwecke umgesetzt.

Abstract

The adaptable production of electric traction drives can be realized using a modular product and production system. To achieve this, information models and integration concepts must be developed. This paper discusses the development and implementation of the IT infrastructure for an agile production system for electric traction drives within the research project AgiloDrive2. To meet necessary traceability requirements and ensure transparency and flexibility, an integration concept was developed to link various IT systems present in production and implemented for evaluation purposes.

Einleitung und Motivation

Vor dem Hintergrund der weltweiten Anstrengungen zur Reduktion von CO2-Emissionen im Verkehrssektor ist bereits bis in das Jahr 2030 von einem signifikanten Absatz elektrifizierter Mobilitätslösungen auszugehen, der zu einem tiefgreifenden Wandel der automobilen Wertschöpfungsketten führt [1, 2].

Im hybriden und vollelektrischen Antriebsstrang nimmt der elektrische Traktionsmotor eine leistungs- und effizienzbestimmende Rolle ein und muss qualitätsgerecht zu möglichst geringen Kosten produziert werden. Die E-Motorenproduktion steht vor dynamischen Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, der globalen Lieferketten und volatilen Marktszenarien, die eine Vorhersage von erwartbaren Stückzahlen und dem damit einhergehenden Einsatz von Produkt- und Produktionstechnologien komplex machen. Das hohe Investitionsrisiko, das durch eine hochproduktive, aber starre Auslegung des Produktionssystems entsteht, kann durch ein agiles Produktionssystem verringert werden. Dieses wird durch die Modularisierung auf System-, Maschinen- und Prozessebene sowie dem gezielten Einsatz moderner Methoden des Produkt-Produktions-Co-Designs ermöglicht. Nur so kann das Produktionssystem in seiner Komplexität und dynamischen Wandlungsfähigkeit wirtschaftlich betrieben werden. [3]

Eine besondere Herausforderung agiler Produktionssysteme besteht in der softwareseitigen Verkettung der einzelnen Produktionsmodule zum Produktionssystem, wozu insbesondere Informationsmodelle und ein IT-Integrationskonzept benötigt werden, welche unter anderem zur Erfüllung von Traceability-Anforderungen erforderlich sind. Die Analyse, Bereitstellung und Speicherung aller relevanten Informationen entlang der Prozesskette zur Produktion des elektrischen Traktionsmotors stellen hierbei zentrale Aufgaben dar, um diese Herausforderungen zu meistern. Dieser Beitrag thematisiert die Entwicklung und Implementierung von Informationsmodellen und IT-Integrationskonzepten für ein agiles Produktionssystem von elektrischen Traktionsantrieben.

Hintergründe und Problemstellung

Ausgehend vom etablierten Konzept der Automatisierungspyramide weichen im Zuge von Industrie 4.0 zunehmend die Hierarchien auf. Eine klare Trennung zwischen der Steuerungs-, Leit-, Betriebsleit- und Unternehmensebene ist nicht mehr zu identifizieren: Vielmehr liegt eine dezentrale Infrastruktur vor, welche die Grundlage für eine selbstorganisierte Produktion bildet. Für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen den bereits etablierten IT-Systemen (zunehmend auch cloudbasiert) werden standardisierte Schnittstellen auch über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus notwendig. [4]

Durch Auflösung der Automatisierungspyramide bildet das Informationsmodell die zentrale Komponente der Systemstruktur (Bild 1). Dieses Informationsmodell wird auf Basis von Ein- und Ausgangssignalen aus der Feldebene mit Daten vom Shopfloor versorgt. Umgekehrt stellt das Informationsmodell notwendige Daten zur Steuerung des Produktionssystems vom Materialfluss bis zum Prozess bereit und bildet die Basis zur Identifikation von Produkt-, Prozess- oder Produktionsdaten aus der Fertigung. Diese Informationen werden zudem über Human-Machine-Interfaces (HMI) bereitgestellt. Das Informationsmodell unterstützt die Datenverarbeitung, Kommunikation und Visualisierung des Produktionssystems. Daher sollte die Informationsmodell-Struktur mit dem Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI4.0) kompatibel sein (DIN SPEC 91345:2016-04). [4]

Bild 1 Die Automatisierungspyramide als Ausgangslage für ein herstellerübergreifendes Informationsmodell
Bild 1

Die Automatisierungspyramide als Ausgangslage für ein herstellerübergreifendes Informationsmodell

Für die Auslegung eines herstellerübergreifenden Informationsmodells zur Produktion elektrischer Traktionsmotoren bedarf es einer Analyse des agilen Produktionssystems und der Prozesskette. Ein agiles Produktionssystem zeichnet sich durch hohe Flexibilität bei gleichzeitig hoher Skalierbarkeit auf Grundlage modularer Funktionseinheiten aus. Eine funktionelle Einheit ist als funktionsfähiges Modul (z. B. Maschinenmodul, Montagemodul, Logistikmodul) des Produktionssystems definiert. Bei Bedarf können bestehende Funktionseinheiten ergänzt werden, um die Produktionskapazität skalieren zu können. Produktionssystemanpassungen für verschiedene Produktvarianten sind durch flexible Werkzeuge und Handhabungsmodule mit standardisierten physischen Schnittstellen sowie IT-Schnittstellen möglich. Somit ist ein agiles Produktionssystem sowohl in seiner systemischen Struktur als auch der spezifischen Ausprägung der Fertigungs-, Montage- und Prüfprozesse bedarfsgerecht wandlungsfähig. [5]

Stand der Technik

Seit den ersten Integrations- und Digitalisierungsansätzen für die Produktion (beginnend mit Computer Integrated Manufacturing; CIM) gab es eine Entwicklung über Konzepte wie Digitale Fabrik und Virtuelle Produktion zunehmend in Richtung flexibler Integrationsansätze [6]. Mit Beginn von Industrie 4.0 wurde die umfassende Vernetzung von Maschinen, Produkten und Menschen durch den Einsatz von cyber-physischen Systemen, dem Internet der Dinge (IoT) und der Echtzeitkommunikation entlang der Wertschöpfungskette weitergeführt. Voraussetzung hierfür sind Datenräume für den sicheren und standardisierten Datenaustausch (z. B. Catena-X als offenes Datenökosystem für die Automobilindustrie oder Manufacturing-X für die Fertigungsbranche). Weitere relevante Initiativen für spezifische Branchen sind Robot-X, Aerospace-X, Factory-X und Semiconductor-X. Hierbei sollen die Grundsätze der Gaia-X-Initiative gelten, die einen herstellerunabhängigen Cloud-Ansatz verfolgt und ein sicheres, interoperables Datenökosystem schaffen soll (Nachhaltigkeit, Souveränität und Interoperabilität). [7, 8]

Ein zentraler Bestandteil solcher Integrationsansätze ist das Konzept der Verwaltungsschale (VWS), die als digitaler Zwilling fungiert und die interoperable Darstellung von Produkt-, Prozess- und Produktionsassets ermöglicht und welche von der Plattform Industrie 4.0 veröffentlicht wurde. Projekte wie VWS4LS (VWS für den Leitungssatz) zeigen, wie dieser Ansatz in der Praxis angewendet wird. [9, 10]

Der IT-Integrationsgrad in der Produktion steigt zunehmend. Beginnend mit CSV-basierten Formaten (z. B. VDA-Empfehlungen zur Datenfernübertragung der 1980er-Jahre) erlauben beschreibende Formate wie XML flexiblere und strukturiertere Datenrepräsentationen, für die etablierte Bearbeitungstechnologien verbreitet sind. In jüngerer Zeit hat sich JSON als leichtgewichtige und effiziente Alternative für den Datenaustausch durchgesetzt. Neben diesen informationstechnischen Ansätzen gibt es spezifische Nachrichtenstrukturdefinitionen und Semantiken (z. B. VWS, ECLASS sowie branchenspezifische Nachrichtenformate, die von Organisationen wie dem VDMA und dem ZVEI koordiniert werden). Diese Standards sollen die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen und Unternehmen verbessern. [11, 12]

Parallel zum Aufkommen dieser Austauschformate haben sich Datenarchitekturen entwickelt. Dominierten hierfür anfänglich relationale Datenbankansätze, gewinnen heute nicht-relationale Datenbanken (NoSQL) wie Graph-Datenbanken an Bedeutung. Zudem finden zunehmend Cloud-Technologien Einsatz, sodass Produktionsdaten nicht mehr nur lokal (onpremise) gespeichert werden. Moderne Konzepte wie Data Lakes, die große Datenmengen in Formaten wie Parquet- oder Delta-Files speichern, tragen zur effizienten Analyse und Nutzung dieser Daten bei. [13, 14, 15]

Zusammenfassend ist eine Entwicklung dieser Produktionsintegration von zentralisierten Systemen hin zu vernetzten, flexiblen und datengetriebenen Ansätzen erkennbar. Aktuelle Initiativen, insbesondere im Rahmen von Industrie 4.0 und Manufacturing-X, zeigen, dass der Trend zu einer zunehmend digitalisierten und standardisierten Produktionslandschaft weiter anhält. Mit der weiteren Verbreitung von Datenräumen, standardisierten Schnittstellen und Cloud-basierten Lösungen wird sich dieser Wandel zunehmend weiter intensivieren.

Lösungsansatz und Herausforderungen

Gerade bei hochwertigen, qualitäts- und sicherheitskritischen Komponenten und Produkten wie elektrischen Traktionsmotoren stellen OEMs an die E-Motorenhersteller umfangreiche Anforderungen an Dokumentation und erweiterte Traceability über alle tangierten Produktionssystemmodule hinweg [16].

Doch gerade die maßgeblichen Dokumentations- und Traceability-Anforderungen erfordern konsequent durchgängige Datenerhebungs- und -auswertemöglichkeiten über die komplette Produktionskette, über alle ihre einzelnen Produktions- und Qualitätssicherungsprozesse und Transportübergänge hinweg. Im Produktionsumfeld der unternehmerischen Praxis besteht die Herausforderung der informationstechnischen Verknüpfung der nach wie vor häufig immer noch vorliegenden Insellösungen zu einem geeignet integrierten Produktionssystem. Dieses geeignet integrierte Produktionssystem ist Voraussetzung zur Erfüllung dieser Dokumentations- und Traceability-Anforderungen. Die von Lieferanten kommenden Daten zu Eingangsmaterialien, Komponenten sowie der Zuordnungsmöglichkeit dieser Daten auf das an Kunden übergebene Produkt auf Einzelinstanzebene müssen zugeordnet werden können. Dies ist insbesondere im Sinne einer fundierten Traceability notwendig, wie es unter anderem in der DIN 9001 aber auch durch spezifische Vorgaben, wie z. B. der ISO 26262 (ISO-Norm für sicherheitsrelevante elektrische/elektronische Systeme in Kraftfahrzeugen), gefordert ist. [16, 17, 18]

Im Rahmen des Forschungsprojekts AgiloDrive2 wurde anhand einer von einem Hersteller von elektrischen Traktionsmotoren errichteten Pilotanlage zur Herstellung für E-Motoren ein Integrationskonzept zur Erreichung einer solchen durchgängigen Datenbereitstellung zur Erfüllung dieser Traceability-Anforderungen entwickelt und in Form eines Demonstrators informationstechnisch realisiert.

Ausgehend von Daten zu qualtitätsrelevanten Merkmalen von Zuliefermaterialien, über Daten aus den einzelnen Produktionsprozessen und Qualitätssicherungstätigkeiten bis zur Einbindemöglichkeit von Produktionsplanungs- und -auftragsdaten wurde ein durchgängiges IT-Integrationskonzept ausgearbeitet, welches die bedarfsgerechte unternehmensinterne wie -externe Bereitstellung von Traceability-Daten ermöglicht.

Hierbei sollen alle gewachsenen und neu hinzukommenden relevanten IT-Systeme (Enterprise Resource Planning Systeme (ERP-Systeme), Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (PPS), CAQ-Systeme, Logistik-IT-Systeme) und Anwendungen konzeptionell wie auch technisch einbindbar sein. Die Verarbeitung, Speicherung und Bereitstellung der aus diesen Systemen und Anwendungen gelieferten Daten berücksichtigt hierbei die zeitliche wie auch inhaltliche Relevanz und erlaubt hierdurch die Beachtung wirtschaftlicher Aspekte hinsichtlich des IT-Integrationsumfangs. So werden regelmäßig genutzte Dateninhalte schnell auswertbar in hohem Strukturierungs- und Auswertegrad vorgehalten, wohingegen nur sporadisch notwendige Dateninhalte zwar ebenfalls zentral zugreifbar, jedoch nur in Zwischen-Datensystemen vorgehalten werden. Die Nutzung dieser Zwischen-Datensysteme ist mittels aktueller IT-Technologien effizient möglich, reduziert jedoch maßgeblich die IT-Integrationsaufwände und -kosten.

Bild 2 zeigt das in AgiloDrive2 fokussierte Umfeld sowie das hierfür erarbeitete IT-Integrations- und Datenbereitstellungskonzept und dessen Implementierung als Demonstrator sowie Überlegungen zu möglichen Erweiterungen (z. B. Generierung von VWS in Form von AASX-Dateien mittels Azure Functions und Ablage dieser Dateien in Data Lake-Strukturen) mit den dafür genutzten IT-Technologien.

Bild 2 Erarbeitetes IT-Integrationskonzept
Bild 2

Erarbeitetes IT-Integrationskonzept

Die Vorgehensweise zur Erarbeitung sowie Umsetzung dieses Ansatzes unter Nutzung aktuellster leistungsfähiger IT-Technologien wird nachfolgend beschrieben.

Vorgehensweise

Zum Erreichen eines strukturierten Informationsmodells ist die Kombination einer Implementierungsmethodik mit der Modellstruktur notwendig. Ziel des Informationsmodells ist die Ermöglichung der Rekonfigurierbarkeit, Skalierbarkeit und Flexibilität von Produktionsanlagen. Zudem unterstützt ein solches Informationsmodell die Traceabilityfähigkeit komplexer Prozesse, Produktverfolgung und Datenintegrität. Die Struktur des Modells umfasst die Klassen „Produkt“, „Prozess“ und „Maschine“, um die Interaktionen innerhalb der Wertschöpfungskette zu beschreiben. Im Rahmen des Forschungsprojekts AgiloDrive2 ist hierfür eine Methodik zur Erstellung von Informationsmodellen für agile Produktionssysteme entwickelt worden (Bild 3). [19]

Bild 3 Konzeption des Informationsmodells [20]
Bild 3

Konzeption des Informationsmodells [20]

Die Erstellung des IT-Integrationskonzepts und dessen Implementierung als Demonstrator in der E-Motor-Fertigungs-Pilotlinie eines Projektpartners erfolgte schrittweise nach dem in Bild 4 dargestellten logischen Ablauf.

Bild 4 Ablauf der IT-Integrations-Konzepterstellung und -Umsetzung
Bild 4

Ablauf der IT-Integrations-Konzepterstellung und -Umsetzung

In Schritt 1 „Analyse der datenbereitstellenden Produktionsartefakte“ wurden die vorliegenden produktionsrelevanten IT-Systeme und Anwendungen sowie relevante Produktionsartefakte (alle datengenerierenden Produktionseinrichtungen, wie z. B. Maschinen, Anlagen oder Montagestationen), identifiziert und betrachtet. Dazu gehören beispielsweise folgende Systeme und Anwendungen:

  1. ERP-Systeme,

  2. Logistiknahe Systeme (Verwaltung von Schüttgütern) und

  3. Qualitätsmanagementnahe Systeme (z. B. Verwaltung und Dokumentation von Qualitätsmerkmalen, Stichprobenprüfungen, Prozessparameterdokumentation).

Anschließend (Schritt 2) erfolgte die Anforderungsbeschreibung hinsichtlich notwendiger zu dokumentierender Daten (Konkrete Traceability-Anforderungen für das Endprodukt, der Produktionsparameter, zur Unterstützung der Produktionseffizienz, des Produktionsqualitätsniveaus und die Unterstützung von Produktionsoptimierungsmöglichkeiten). Dies erfolgte ausgehend von den erkannten Informationsbedarfen der Produktion (in Form von IT-Systemen und Anwendungen), Produktionsmitarbeitern sowie von potentiellen Kundenanforderungen bezüglich Daten und Informationen.

In Schritt 3 wurden diese Informationsbedarfsanforderungen hinsichtlich des konkreten Umfangs, des Inhalts, der Struktur, den Anforderungen der zeitlichen Verfügbarkeit und der damit einhergehenden Echtzeitfähigkeit sowie geeigneter Datendarstellung charakterisiert.

Darauf aufbauend wurde in Schritt 4 ein geeignetes informationstechnisches Integrations- und Datenverarbeitungskonzept erarbeitet, welches die zuvor erkannten Informationsbedarfsanforderungen mit der konkreten Datenherkunft in Einklang bringt. Hierfür wurden Datenaufbereitungslogiken, -austauschstrukturen, -haltungsstrukturen, Schnittstellen und Datentransformationskonzepte erstellt. Dies bildete die Grundlage für die Auslegung und anschließende Implementierung von Datenaufbereitungsmechanismen in Form so genannter ETL-Strecken (Extract, Transform, Load). Ziel dieser ETL-Strecken in Verbindung mit dem Integrationskonzept ist die Zusammenfassung von dezentral vorliegenden Datenbeständen in zentrale Strukturen (Data Lakes und DWHs) für bedarfsgerechte und effiziente Datenbereitstellungen ohne direkte Abhängigkeiten auf die Verarbeitungskapazitäten des Produktions-Leitsystems (PLS). Darüber hinaus soll die Erreichung akzeptabler Zugriffszeiten auf Daten im Rahmen systemübergreifender Auswertungen und Datenaufbereitungen ermöglicht werden.

In Schritt 5 wurden konkrete Daten- und Informationsbereitstellungsmöglichkeiten für Produktionsmitarbeiter, für die Produktionsplanung und -steuerung sowie mögliche externe Stakeholder (z. B. Kunden) konzipiert und prototypisch implementiert. Eingesetzt wurden hierfür etablierte Berichtstechnologien sowie Datenaufbereitungsansätze für in der unternehmerischen Praxis genutzten Datenaustauschstrukturen (z. B. JSON-Strukturen).

Im Folgeschritt (Schritt 6) wurden Transformationsmöglichkeiten in VWS (AASX und JSON) betrachtet. Hierfür wurden IT-Anwendungen konzipiert und exemplarisch implementiert (VWS-Generator-Anwendung und WebService-Methoden), die ausgehend von vorliegenden Daten die Erstellung von VWS-Objekten in Form von JSON-Daten oder AASX-Dateien ermöglichen.

Abschließend wurde zur schnellen und anpassbaren Anbindung von zusätzlichen PLS sowie zur effizienten Einrichtung von ETL-Strecken in Schritt 7 ein Konfigurationsdatenmodell entwickelt und eine DWH- und ETL-Strecken-Einrichtungs- und Verwaltungsanwendung (ETL-Konfigurator) konzipiert sowie prototypisch implementiert. Dieser ETL-Konfigurator unterstützt die Einrichtung und Anpassung von DWHs und die Erstellung und Konfiguration von ETL-Strecken von und zwischen Data Lakes sowie in Richtung der DWHs.

Für die prototypische Implementierung der einzelnen IT-Artefakte (Schnittstellen, DWH, Anwendungen, Berichte) kommen skalierbare IT-Technologien zum Einsatz, die cloud-basiert und mit partieller Gesamtkonzeptanpassung auf on-premise-Systeme portierbar sind.

Ergebnisse

Im Rahmen des Forschungsprojekts AgiloDrive2 wurde das beschriebene IT-Integrationskonzept erarbeitet und prototypisch im Rahmen einer Pilotlinie zur Produktion von elektrischen Traktionsmotoren umgesetzt.

Vorhandene PLS, welche an Produktionsanlagen und Arbeitsplätze angekoppelt sind, wurden über Schnittstellen an Data Lake-Strukturen angebunden. Zur Reduzierung der Systembelastung der PLS werden die eindeutig identifizierbaren Teile- und Materialmerkmale zeitgesteuert aus den PLS in diese Data Lake-Strukturen überführt. Auch werden traceability-relevante Daten von Qualitätssicherungssystemen und Verwaltungssystemen von Schüttgütern berücksichtigt.

Hierfür sowie für die weitere Datenaufbereitung wurden ETL-Strecken konzipiert und exemplarisch implementiert. Diese ETL-Strecken konsolidieren Daten aus den angebundenen Systemen, CSV-Dateien sowie übergeordneten Daten aus dem ERP-System, ordnen diese Daten den eindeutig identifizierbaren Teilen und letztlich dem fertigen E-Motor zu und bereiten Teile dieser Daten zur Übernahme in relationale Datenbanken in Form eines DWH auf.

Diese intensiv genutzten Datenbestandteile, welche ins DWH überführt werden, bilden die Basis sowohl für konzipierte und exemplarisch umgesetzte Berichte und Auswertungen, als auch für Traceability-Informationsobjekte, welche mittels VWS oder über WebService-APIs an unternehmensinterne wie -externe Stakeholder bereitgestellt werden können. WebService-APIs sowie eine Anwendung zur Erstellung von VWS-Objekten wurden exemplarisch umgesetzt [20]. Eine IT-Anwendung zur schnellen und flexiblen Einrichtung und Anpassung von ETL-Strecken sowie Anbindung zusätzlicher Systeme wurde konzipiert und in einem Demonstrator implementiert. Abschließend wurde die IT-Integrationsumgebung zusammen mit dem Produktionsunternehmen evaluiert.

Ausblick

Die in diesem Beitrag skizzierte Nutzung von Data-Lake-Technologien zur Persistierung von Produktionsdaten in Verbindung mit den ETL-Strecken eröffnet erhebliche Potenziale, die sowohl wissenschaftlich als auch in der Praxis weiter evaluiert werden müssen. Insbesondere die effiziente Speicherung, Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen aus der Produktion stellen weiterhin zentrale Herausforderungen dar, deren Lösung neue Möglichkeiten für datengetriebene Optimierungen in der industriellen Fertigung bieten.

Es bleibt weiterhin zu klären, wie die unternehmensübergreifende Datenbereitstellung zum Beispiel über das Konzept der VWS erfolgt. Insbesondere der Umgang mit statischen oder dynamisch generierten Informationsobjektinhalten und selbstbeschreibenden Informationsobjektstrukturen muss weiter diskutiert und erarbeitet werden. Ferner wirken sich die aktuell im produktionswissenschaftlichen Umfeld diskutierten Konzepte bezüglich Berechtigungsbehandlung, automatisierte Aushandlung zum Austausch von VWS auf die in diesem Artikel beschriebenen Ansätze zur unternehmensübergreifenden Datenbereitstellung von VWS-Objekten aus.


Hinweis

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen von den Mitgliedern des ZWF-Advisory-Board wissenschaftlich begutachteten Fachaufsatz (Peer-Review).



Tel.: +49 (0) 1523 950 2582

Funding statement: Die Autoren bedanken sich für die finanzielle Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und die Europäische Union (Förderkennzeichen 13IK003H und 13IK003D) sowie die organisatorische Unterstützung durch die VDI Technologiezentrum GmbH.

About the authors

Nicolaus Klein

Nicolaus Klein studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Darmstadt und ist seit 2022 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am wbk Institut für Produktionstechnik in der Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen tätig.

Dr.-Ing. Markus Herm

Dr.-Ing. Markus Herm promovierte 2006 am wbk Institut für Produktionstechnik und ist Gründer und Geschäftsführer der FormiKa GmbH, einem IT-Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt System- und Anwendungsintegration, Datenbanken, Datenmanagement und Berichtswesen/Reporting sowie kundenindividueller Softwarelösungen.

Rainer Matussek

Rainer Matussek ist IT-Consultant bei der FormiKa GmbH.

Felix Fraider

Felix Fraider studierte Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie und ist seit 2020 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am wbk Institut für Produktionstechnik in der Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen tätig.

Florian Kößler

Florian Kößler studierte Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie und ist seit 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am wbk Institut für Produktionstechnik in der Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen tätig. Seit 2023 leitet er die Forschungsgruppe Agile Produktionsanlagen.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Fleischer

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Fleischer studierte Maschinenbau an der Universität Karlsruhe (TH) und promovierte 1989 am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik (wbk). Von 1992 an war er in mehreren leitenden Positionen in der Industrie tätig, ehe er im Jahr 2003 zum Professor und Leiter des wbk Institut für Produktionstechnik am heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berufen wurde. Dort leitet er den Bereich Maschinen, Anlagen und Prozessautomatisierung.

Literatur

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Published Online: 2025-05-21
Published in Print: 2025-05-20

© 2025 Nicolaus Klein, Markus Herm, Rainer Matussek, Felix Fraider, Florian Kößler und Jürgen Fleischer, publiziert von De Gruyter

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Heruntergeladen am 3.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zwf-2025-1051/html
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