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Verständnis und Begreifen beobachten – in Unterricht und informaler Schulorganisation

  • Achim Brosziewski

    Achim Brosziewski ist Soziologe und Bildungsforscher an der Pädagogischen Hochschule Thurgau sowie Ko-Direktor des Binationalen Zentrums für Qualitative Methoden (Universität Konstanz und PH Thurgau). Jüngere Veröffentlichungen: Lebenslauf, Medien, Lernen. Skizzen einer systemtheoretischen Bildungssoziologie. Weinheim 2023; Sprache und Lebenslauf als Medien der Kommunikation, in: Ulrich Binder/Anselm Böhmer/Jürgen Oelkers (Hrsg.), Sprache und Pädagogik. Münster 2023, 183–197; Lebenslauf als Metapher und Medium, in: Günther Emlein/Markus Heidingsfelder/Kai-Uwe Hellmann (Hrsg.), Probat experiri. Peter Fuchs zum 75. Geburtstag. Münster 2024, 97–109.

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Veröffentlicht/Copyright: 4. Dezember 2024
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Zusammenfassung

Der Beitrag analysiert den Schriftbezug unterrichtlicher Kommunikation und entwickelt von dort aus einen operativen Begriff der Schülerbeschreibung. Schüler und Schülerinnen beschreiben den Unterricht, seine Aufgaben, seine Fächer und seine Lehrpersonen, so wie sie in Gegenrichtung durch den Unterricht, seine Aufgaben, seine Fächer und seine Lehrpersonen beschrieben werden. Als Leitunterscheidung dieses Beschreibungsgeschehens fungiert die Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen, die nicht objektiv und analytisch, sondern nur operativ, nur im Unterricht in der Beobachtung aller Beteiligten untereinander aufgebaut und ausgewertet werden kann. Die informale Schulorganisation etabliert sich als Form der Gegenbeobachtung aller formalen Formen der personalen Zurechnung von Begreifen, wie sie vor allem in Gestalt von Noten und Zeugnissen prägnant hervorstechen.

Abstract

The article analyzes the reference to writing in classroom communication and develops an operative concept of student description from there. Students describe the lessons, their tasks, their subjects and their teachers, just as they are described in the opposite direction by the lessons, their tasks, their subjects and their teachers. The distinction between empathy and comprehension functions as the guiding distinction in this descriptive process, which cannot be established and evaluated objectively and analytically, but only operationally, only in the classroom in the observation of all participants among themselves. The informal school organization establishes itself as a form of counter-observation of all formal forms of personal attribution of comprehension, which are particularly prominent in the form of grades and certificates.

1 Problemkontext und Perspektiven

Die wichtigsten Strukturen der modernen Gesellschaft werden auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung gebildet und reproduziert (Luhmann 1992; 1997, 766–769 u. ö.). Nach wie vor gilt das Erziehungssystem als ein prekär ausdifferenziertes Funktionssystem, weil es selbst in seinen elementaren Operationen (im Unterricht) von einem anderen Systemtyp (der Organisation Schule) abhängig zu sein scheint (Kade 2006, 21–24; Vanderstraeten 2006; Drepper/Tacke 2012). Nach wie vor bleiben Zweifel, ob überhaupt von einem ausdifferenzierten Funktionssystem gesprochen werden kann (Merkens 2006). Mein Beitrag möchte der These von der Differenzierungsschwäche des Erziehungssystems durch eine genauere Bestimmung der systemspezifischen Beobachtung zweiter Ordnung entgegentreten.

Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, gegen alle (strukturellen wie semantischen) Selbstsimplifikationen des Erziehungssystems nachzuzeichnen, dass die fragliche Beobachtung zweiter Ordnung nicht nach dem Muster der Beobachtung einer Person durch eine zweite Person (wie in „pädagogische Beziehung“ oder in „pädagogische Absicht“) gebildet wird und deshalb auch nicht einem Modell verschränkter Perspektiven folgt. Die gesuchte Beobachtungsform realisiert sich als Kommunikation, sonst könnte sie nicht zur Strukturbildung eines Kommunikationssystems beitragen. Klassischerweise wird die erziehungsspezifische Kommunikation im Unterricht gesehen und Unterricht wiederum als Interaktion verstanden, die sich aufgrund interaktionstypischer Intransparenzen und Turbulenzen nur bedingt, eben nur „formal“ strukturieren lasse (vgl. für diese verbreitete Version noch einmal Vanderstraeten 2006). Als Strukturen des Bildungssystems kommen auf dieser Grundlage nur solche in den Blick, die schulische Interaktion organisieren.

An dieser Stelle soll die Theorie modifiziert werden, um die Kommunikation des Unterrichts deutlicher als bisher von der Organisation der schulischen Interaktion unterscheiden zu können. Eine geschärfte Analytik soll sowohl die „pädagogische Absicht“ (respektive „Beziehung“) als auch die „Intransparenz“ des Unterrichtsgeschehens auf erziehungsspezifische Beobachtungsverhältnisse zurückführen. Zu diesem Zweck wird eine Unterscheidung ins Zentrum gerückt, die Luhmann (1986, 96–103) eher beiläufig vorgestellt hat: die Unterscheidung von Verständnis und Begreifen als zwei verschiedenen Modi der Beobachtung von Selbstreferenz. Verständnis schliesst vom Verhalten auf personale Selektivität, Begreifen aus demselben Verhalten auf kommunikative Selektivität. Die formalen Strukturen der Schule – soweit sie sich überhaupt auf Kognitives beziehen (Lehrpläne, Lehrbücher, Qualifikation des Personals) – sind innerhalb der Unterscheidung einseitig auf Begreifen ausgerichtet. Das Verständnis bleibt für sie persönliche Angelegenheit der Beteiligten.

Die informale Schulorganisation ist in dieser Hinsicht nicht einfach als Spiegelbild der formalen Strukturen zu begreifen, nicht als Ergänzung ihrer Residuen, nicht als einseitige Kultivierung von Verständnis. Die informale Schulorganisation – so die zentrale These meines Beitrags – behandelt die Unterscheidung von Verständnis und Begreifen als Unterscheidung mit ihren beiden Seiten; sei es, um die Kontingenzen im Verhältnis beider Seiten zueinander zu reduzieren (etwa im Dual zwischen begabt und hoffnungslos), sei es, um die Kontingenzen zu erhöhen (etwa im Dual zwischen förderungswürdig und förderungsbedürftig). Die informale Organisation der Schule übernimmt die Funktion einer Resymmetrisierung der Asymmetrien, die durch die formale Organisation der Schule inszeniert werden. Von der Unterscheidung Verständnis/Begreifen her gesehen, sind weder Symmetrie noch Asymmetrie prioritär gegeben, weder die formale Struktur noch die informale Struktur zwingend als „erste“ Möglichkeit ausgewiesen, der gegenüber die andere Seite nur „die zweite“ wäre – subsidiär, komplementär, supplementär, dekorativ, entlastend, belastend, deformierend, ergänzend oder wie auch immer. Asymmetrie und Symmetrie zwischen Verständnis und Begreifen sind einfach beides Möglichkeiten, die sich aus dem Unterscheiden selbst ergeben. In Operation versetzt, ist jede Möglichkeit die Bedingung der anderen (Guy 2023).

Formale Organisation ist ohne den Rückgriff auf Schriftlichkeit weder zu praktizieren noch zu denken. Mit dem von Max Weber (1980, 126) geprägten Topos der „Aktenmäßigkeit der Verwaltung“ ist dieser Aspekt in die Organisationstheorie eingeflossen – und in einer Art Gleichsetzung von Schriftlichkeit, Aktenmäßigkeit und Formalität auch abgeschlossen worden (Plener et al. 2021 und 2023). Informale Organisation wäre danach „zwischen den Zeilen“ (Groddeck/Wilz 2015) herauszulesen. Formulare, Mappen und Akten, heutzutage Templates, Eingabemasken und Datenbanken kennzeichnen auch die Organisation der Schule (Stundenpläne, Klassenbücher, Zeugnisformulare, …). Ginge man allein von diesen Sorten des Schriftverkehrs aus, ließe sich die formale Organisation der Schule umstandslos als „Bürokratie“ bezeichnen, die aufgrund ihrer Aktenlagen durch bürokratisch höhere Instanzen (Management, Verwaltung, Kultusbürokratie, Bildungspolitik) regiert werden kann – womit, wie ich nachfolgend zeigen möchte, zentrale Aspekte verloren gingen, darunter gerade jene Aspekte, die die spezifische Informalität der Schulorganisation ausmachen.

Im Sinne einer stärkeren Differenzierung soll nachfolgend von Organisation als einer Form von Schrift gesprochen werden, die Aktenmäßigkeit mit einschließt, aber nicht in ihr aufgeht. Diese Präzisierung ermöglicht es, eine zweite Form von Schrift zu bestimmen, die ebenfalls schulische Strukturen generiert, deren Form sich aber weder aus der Organisationsform Schule ableiten lässt, noch einfach in sie implementiert werden könnte. Diese andere, nicht-bürokratische Schriftform soll im Folgenden als Schriftlichkeit des Unterrichts vorgestellt, in ihrem Verhältnis zur Interaktion des Unterrichts erläutert und sodann von der Schriftlichkeit der Organisation unterschieden werden.

Wenn sowohl Organisation (der Schule) als auch Interaktion (des Unterrichts) als Formen von Schrift analysiert werden sollen, ist zunächst einmal der allgemeine Begriff der Schriftform zu bestimmen, was im folgenden Abschnitt 2 geschieht. Abschnitt 3 geht auf die Schrift des Unterrichts, Abschnitt 4 auf deren Manifestation in der Interaktion des Unterrichts ein. Die Schrift des Unterrichts, so eine zentrale These, entwirft die Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen, die als elementar für die Operationen des Unterrichts anzusehen ist. Die Beobachtung dieser Unterscheidung als Form, das heißt als Zusammenhang und Einheit beider Seiten, operationalisiert den Code des Erziehungssystems von Wissen und Nichtwissen sowie dessen Symbolik der Lehre (vgl. Brosziewski 2023a, 174–183). Die Strukturbildung erfolgt mithin wie bei allen anderen Funktionssystemen auf einer Ebene der Beobachtung von Beobachtungen, auf einer funktionsspezifischen Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung. Abschnitt 5 rekonstruiert die allgemeine Organisationstheorie auf eine Weise, dass auch Organisation als eine Form von Schrift erkennbar wird; allerdings als eine von der Unterrichtsschrift klar unterschiedene Form von Schrift. Anschliessend wird die zentrale strukturelle Kopplung zwischen den beiden Schriftformen identifiziert (Abschnitt 6). Sie ist in der Noten-, Zensuren- und Zertifikationsvergabe zu sehen. Von den so gewonnenen Ansatzpunkten aus lässt sich die informale Schulorganisation als eine Beobachtung der unterrichtlichen Zentralunterscheidung, als eine Beobachtung der Form der Unterscheidung von Verständnis und Begreifen, als eine lehrende Beobachtung zweiter Ordnung rekonstruieren (Abschnitte 7 und 8). Eine um dieses Element angereicherte Theorielage eröffnet neue Anschlussmöglichkeiten an empirische Studien der Schulkulturforschung. Sie schafft andererseits und in engem Zusammenhang damit auch neue Grundlagen für ein evolutionstheoretisches Verständnis von Wandel, Reform und Transformation im Bildungssystem (Abschnitt 9).

2 Die Form der Schrift: Mündlichkeit als ihre implizite Seite

Formen werden in der soziologisch-systemtheoretischen Formanalyse nicht von Inhalten oder von Materie unterschieden, sondern durch einen Unterschied in sich selbst bestimmt: Formen unterscheiden ein Innen von einem Aussen und haben ihre eigene Erkennbarkeit in der Konstruktion und Aufrechterhaltung der Grenze zwischen beiden Seiten, die es erst ermöglicht, vom Innen auf ein Aussen und vom Aussen zurück auf ein Innen zu verweisen (Baecker 1993a; 1993b). Dies kann sogleich am hier interessierenden Fall verdeutlicht werden. Die Form der Schrift bestimmt sich als Einheit von mündlicher und schriftlicher Kommunikation (Luhmann 1993). Schriftgesellschaften, heißt das, kultivieren nicht einfach nur Schrift. Sie kultivieren zugleich auch ihre Mündlichkeiten, weil die Mündlichkeit durch Schrift von bestimmten sozialen Funktionen entlastet und mit zusätzlichen Sozialfunktionen belastet wird (so auch Innis 1986, 5–6).

Die Schriftform entstand nicht plötzlich, nicht schlagartig mit der Erfindung von Schriftzeichen (dazu und zum Folgenden Luhmann 1990, 597–607; 1997, 249–302). Schriftzeichen dienten zunächst nur der Aufzeichnung, der Sammlung, der Zusammenstellung. Bis es zur schriftlichen Kommunikation kommen konnte, musste eine langwierige nicht nur kulturelle, sondern auch sozialstrukturelle Evolution durchlaufen werden, an der die Schule von Anfang an beteiligt war – allerdings gerade nicht in den Formaten „formaler“ Bildung, wie sie sich erst seit rund 300 Jahren normalisiert hat (Vincent et al. 1994; zu den vorherigen Schulformen, die es nach wie vor gibt, aber nun „informale Bildung“ genannt werden, siehe Collins 2000).

Für die Aufzeichnungsfunktionen der Schrift wurden Schreiber ausgebildet, die die Schrift in den Dienst des Gedächtnisses ihrer Dienstherren zu stellen hatten. Ihr Lesen war kein Lesen von Darstellungen, Erzählungen oder Beschreibungen fremder Autoren. Es war vielmehr ein „Zählen, Tauschen, Ordnen“ (Baecker 2016), um berichten und Weisungen entgegennehmen zu können – damit beginnt die genannte Aktenförmigkeit der Verwaltung (siehe hierzu eingehende Studien bei Goody 1990). Für ihre Ausbildung benötigten die Schreiber kein kodifiziertes Gegenstandswissen mit eigenwilligen Konzepten und Regeln, sondern lediglich ein Wissen um die Geschäfte, Interessen und Angelegenheiten ihrer Herrschaft. Was allein kodifiziert zu erlernen war, waren die Zeichen der Schrift und deren Bearbeitungsmöglichkeiten. In diesem Feld formt Schrift nicht Literatur, sondern eine klassifizierende Technologie des Verfügens über herrschaftliche und haushälterische Angelegenheiten, dabei Dinge, Menschen und Verfahren umfassend (zur Digitalisierung dieser Technologie siehe Fourcade 2022). Die Verfügungsgewalt über Schulklassen, heutzutage vorwiegend staatlich organisiert, ist ein spätes Derivat davon.

Literalität im Sinne literatur- und kulturwissenschaftlicher Schreib-, Lese- und Autorenverständnisse entstand teils unabhängig von, teils verknüpft mit der Klassifikationstechnologie, wo die Schrift das Sammeln, Tauschen und Ordnen nicht von Eigentums- und Herrschaftsverhältnissen, sondern von dezidierten Kulturpraktiken anregte, wo sie das Gedächtnis zeremonieller Sänger, Erzähler, Redner und Debattanten tangierte und re-organisierte (Havelock 1992). Hier beginnt, was Walter Ong (1987) die „Technologisierung des Wortes“ nennt und was in den frühen, heute „klassisch“ genannten Bildungsambitionen seine höchste Wertschätzung fand.

Schrift, so kann man die Bereiche „Verfügung“ und „Kultur“ übergreifend zusammenfassen, entlastet die Mündlichkeit von ihren Funktionen für das soziale Gedächtnis. Sie erlaubt es genau damit, die Mündlichkeit (mit all ihren Restriktionen durch Anwesenheit) für andere Funktionen weiterzuentwickeln. Die Mündlichkeit wird freigestellt, um die Sozialität der Kommunikation zu kultivieren. Sänger und Poeten kultivieren die Lautgestalt der Kommunikation, Erzähler ihre Spannung (durch „interessante“ Geschichten), Redner die Überzeugungsfähigkeit von Anwesenden, Debattanten die Konsilianz von Parteien vor unparteiischen Dritten.

Von schriftlicher Kommunikation, gar von schriftlich kommuniziertem Wissen kann bei den bislang genannten Kultivierungen der Schriftform noch keine Rede sein. Gesellschaftlich wahrgenommen und gelehrt wurde Schrift als Gedächtnishilfe eines gesellschaftlich gefragten Könnens. Vor allem blieb jegliche Lehre an mündliche Formen gebunden (Luhmann 1990, 601–602), und nur die Lehrenden (je für sich und untereinander), nicht aber ihre Adressat:innen, hatten die Schriften und Texte zu bewahren, zu pflegen, zu interpretieren und gegebenenfalls neu zusammenzustellen und zu verfassen (Sammeln, Tauschen, Ordnen).

Schriftliche Kommunikation beginnt erst, wenn Texte dezidiert als „Nachrichten“ oder „Botschaften“ verfasst werden und eigens für diesen Zweck mit Bezeugungen und Zeugenschaften (unter anderem: des eigenen Wissens und Wollens) versehen werden (Depeschen, Verträge, Kodizes, Inschriften, …). Auch solche Kultivierungen der Schriftform gab es vor der Druckerpresse (Innis 1986; 1964). Aber zu einer allgemeinen Form von Sozialität, unter anderem einer des „Austauschs“ von Wissen unter einander völlig Fremden, aber gleichzeitig Lebenden, konnte die schriftliche Botschaftskommunikation erst avancieren, nachdem die Druckpresse die zuvor sehr zeitraubenden und personalintensiven „Kreuzwege der Kommunikation“ (Innis 1997) gründlich revolutioniert hatte, vor allem mit der Idee, man könne schriftlich mit unbekannten Zeitgenossen kommunizieren. Erst unter diesen Umständen kommt zum Problem der Zeugenschaft auch noch das Problem des Autors, der Autorenschaft und der Autorität hinzu. Erst mit der Druckpresse entwickeln sich eigenständige Gattungen der Wissensverbreitung, vor allem Druckwerke über Techniken und Künste. Und erst mit ihnen tritt „das“ Problem der Autorschaft in die Welt des Rechnens, Lesens und Schreibens ein.

3 Die Schrift des Unterrichts

Auf diese Lage der gedruckten, rasch und billig streufähigen Schrift mit ihrem Kombinationsproblem von Zeugenschaft und Autorität reagiert die Lehre mit ihrer eigenen Ausdifferenzierung und mit einer nur ihr eigenen Kombinatorik von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Diese Kombinatorik ist keineswegs an den Druck von Büchern gebunden. Gedruckt wurden und werden bei weitem nicht nur Bücher, nicht nur Einbände, sondern auch Einzelblätter und, hier wichtiger noch, Formularblätter für noch unbestimmte Zwecke und Ordnungssysteme (unter anderem: Akten, aber auch Buchhaltungen inklusive Tagebuchhaltungen).

Die Eigenschriftform des Unterrichts wird gestiftet durch das Lehrbuch (heute dann: das Lehrmaterial inklusive elektronischer „Lernumgebungen“). Mit ihm macht sich die Lehre unabhängig von jedem konkreten Text und jeder konkreten Schriftensammlung einer Praxis, von deren Anschaulichkeiten, Versprechungen und Risiken – heiße jene Praxis nun Herrschaft, Haushalt, Technik, Beruf, Kultur, Kunst oder wie auch immer. Wichtige Werke aus der und für die Praxis mögen wechseln oder umgeschrieben werden. Das Lehrbuch entscheidet lehrautonom (praktisch im Netzwerk von schreibenden und lehrenden Lehrer:innen), was es davon und wie es das Gewählte als Aufgabe den Studierenden und Schüler:innen vorlegt; wie es das zu Wissende in Fragen seziert, die beantwortet werden sollen, und als Probleme darstellt, die gelöst werden müssen. Das Lehrbuch selbst wird zu einem allgemeinen Formular und zu einem Programm für Schulaufgaben.

Aber selbst unter den Bedingungen des Lehrbuchs bleibt die Lehre zunächst mündlich und erfolgt Lernen außer durch Zuhören bestenfalls mittels Aufsagen[1] – bis der Formulardruck in Form von gebundenen, personalisierbaren Schulheften (Meda et al. 2010), später noch mit eigenständigen Aufgabenblättern auch den „Schülerjob“ (Breidenstein 2006) erreicht.[2] Zu Beginn des Mediums Schulheft gab es ausschließlich Blankohefte, die entweder von den Lehrern oder von den Schülern selbst zu linieren und zu karieren waren; teilweise mussten sie sogar selbst gebunden oder geheftet werden (Schiffler 2010). Das linierte Heft, das karierte Heft und das Blankoheft des Schülers symbolisieren nicht nur die Leere der Lehre, sondern auch ihre Offenheit für „alles“, was sich aufzeichnen, sammeln, ordnen und beschreiben lässt, sofern und soweit es sich irgendeinem Schüler als plausible Frage oder lösbares Problem zur schriftlichen Behandlung abgeben lässt – keineswegs nur als Test und Prüfung, sondern wichtiger noch als Notiz, Aufzeichnung und Abschrift (zum Beispiel von Tafelbildern) zwecks Gedächtnisbildung.

4 Verständnis und Begreifen in der Selbstbeobachtung des Unterrichts

Soweit die unterrichtliche Eigenschriftlichkeit (mit Schulbüchern und Schulheften) als allgemeine Grundlage des Unterrichts geschaffen ist, übernimmt die Mündlichkeit wie bei allen anderen Schriftformen die Funktion, die Sozialität des Geschehens zu symbolisieren, zu steuern und für operative wie für erzieherische Zwecke zu kultivieren. „Classroom talk“ wird zu einem gesonderten Problem für Didaktik, Pädagogik und Bildungsforschung (Davies/Corson 1997) – und die Wandtafel rückt ins Zentrum der Synchronisierung von Schrift und Rede (Bosse 2012, 95–99; Oelkers 2012, 39–43; Pille 2014, 144–150; Röhl 2016; Riegler/Isler 2021). Die Beiträge der Lehrpersonen dienen dabei keineswegs ausschließlich zur Bewertung der Beiträge der Schüler und Schülerinnen.[3] Sie übernehmen für alle zusammen die Selektion des momentan zu wissenden Wissens aus dem Gesamtspektrum möglichen Wissens. Die Beiträge der Schülerinnen und Schüler sind keineswegs nur Leistungsausweise, sondern Bestätigungen oder Verwerfungen der Gemeinsamkeit der Wissensselektion für alle anderen mit (Ricken et al. 2023). Die „guten“ Schüler und Schülerinnen lernen durch die „schlechten“, dass sie „gut“ sind und wie tiefgründig ihre Güte eigentlich reicht. Sagt eine Lehrperson so etwas wie „gut“, „okay“ oder – im akademischen Milieu mittlerweile sehr verbreitet – „genau“ (Oloff 2017), heißt es nur, dass die akute Frage ruhiggestellt ist und alle zusammen mit etwas Anderem weitermachen könnten.

Wissen und Nichtwissen zirkulieren in dieser Art von Kommunikation zunächst einmal genauso wie in jeder anderen Kommunikation auch. Erst die personale Zurechnung von Nichtwissen und Wissen schafft eine klare Grenze und im selben Zug die Bedingung der Möglichkeit von Lernen als Kreuzen der Grenze vom Nichtwissen zum Wissen (Brosziewski 2023a, 174–181). Wissen mag man noch personenfrei, etwa als „Inhalt“ von Texten, Gesprächen und Diskursen denken – aber die Bestimmung eines Nichtwissens kommt ohne Personen als mögliche „Träger“ von Wissenslücken nicht aus. Unterricht ist jene Form, die solch personales Zurechnen kommunikativ vollzieht, indem sie nicht wie jede Kommunikation einfach nur Mitteilende, sondern wissende von (noch-)nichtwissenden Mitteilenden unterscheidet und ihr Ergebnis sozial ausstellt (siehe abermals Ricken et al. 2023). Unterricht zerschneidet das generelle soziale Verstehen in personalisierendes und personalisiertes Verstehen.

Genau an dieser Schnittstelle und als Schneidwerkzeug unterscheidet der Unterricht zwischen Verständnis und Begreifen, und zwar in jeder seiner Operationen (Luhmann 1986, 96–103). Beides, Verständnis wie Begreifen, zeigt sich als Beobachtung von Selbstreferenz, also als jene Art der Beobachtung, die Verstehen genannt werden kann, sämtliche Missverständnisse einschließend und übergreifend. Die beiden Modi des Verstehens unterscheiden sich jedoch in der Spezifikation dessen, was jeweils als Selbstreferenz bezeichnet und behandelt wird. Verständnis rechnet aus Verhalten auf personale Selektivität, während Begreifen aus demselben Verhalten auf kommunikative Selektivität hochrechnet, also auf das, was zum Thema noch gesagt und was nicht (mehr) gesagt werden kann. Der Unterricht ist jene Sozialform, die genau diese Spezifikationsdifferenz exerziert und dabei inkludiert und exkludiert. Dass es sich dabei nicht um eine „objektive“ Unterscheidung, sondern um eine stets brüchige, vom Kollaps bedrohte Unterscheidung handelt, liegt auf der Hand. Denn Begreifen der kommunikativen Selektivität schließt die personale Einstellung zum weiteren Beitragsverhalten, eigene wie fremde Beiträge betreffend, mit ein. Die Differenz von Verständnis und Begreifen aufzuspannen, auszuwerten und abzuwickeln, macht Form und Funktion des Unterrichts aus. Wie alle empirischen Analysen zeigen, kennzeichnen Störungen und permanentes „repair work“ (Jefferson 2018) die Normalität des Unterrichts. Die Strenge der Form profiliert sich in ihrem Negativ als Desiderat von Disziplin, seitens der Lehrer wie der Schüler, austariert durch eine spezielle pädagogische „Permissivität“.[4] In diesem engen, so nur für den Unterricht gültigen Sinne kann man sagen: „Die Form erzieht“ (Prange 2003).

Soweit sich die spezielle Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen etabliert, kann die Interaktion in Klassenzimmern durchaus auch Nichtunterricht praktizieren, in Form von Reden, Debatten, Unterhaltungen und sonstig stimmungsgeladenen Episoden – was unproblematisch wirkt, solange die Rückkehr zum Unterricht für alle erkennbar gewährleistet bleibt. Die Mündlichkeit perpetuiert über alle Episodentypen hinweg ein Beobachten von Beobachtungen aller Anwesenden untereinander, allein schon durch ihre Stimmlagen und Stimmvariationen, die unabhängig von jeder aktuellen Thematik anzeigen, welche Form des Mündlichen dominiert, gerade ausklingen soll oder gerade anzustimmen ist. Routinierte Klassen mit eingespielten „Arbeitsbündnissen“[5] funktionieren selbst unter Unruhebedingungen erstaunlich diszipliniert. An keiner Stelle und von keiner Stelle aus könnte die Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen, zwischen personaler und kommunikativer Selektivität exklusiv, als klarer Schnitt oder gar als Code eingesetzt werden, dessen Seiten sich je für sich programmieren ließen. Die Unterscheidung sinniert als Skala mit zwei Polen (Ogden 2013, 53), die gleichsam in der Form eines Hendiadyoin („klipp und klar“) Bedeutung nur als wechselseitige Implikation generieren, deren Gleichsinnigkeit niemals festgestellt werden könnte, da jede Feststellung dieselbe Form beanspruchen müsste (vgl. hierzu auch das Konzept der spezifisch pädagogischen „Antinomien“ von Werner Helsper 1996).

5 Formale Organisation als Form von Schrift

Bei den vielfältigen Versuchen, die Organisation der Schule von der Institution Schule abzugrenzen (Rosenmund 2015), haben sich die für die meisten Organisationstypen hinreichenden formalen Bestimmungselemente wie Organisationszweck, Bürokratie und Hierarchie als zu grob erwiesen. Allein mit ihrer Hilfe scheint es kaum möglich, dem Bild einer staatlich gelenkten Institution mit binnenkulturellem Eigenleben zu entkommen. Ich möchte daher an dieser Stelle vorschlagen, das Formale formaler Organisationen etwas genauer, etwas elementarer zu bestimmen.

Im Rückgriff auf die oben angeführte Form der Schrift (als Einheit der Differenz von Schriftlichkeit und Mündlichkeit) lässt sich Organisation ihrerseits als eine Form in der Form von Schrift begreifen. Die Organisationsschrift erzeugt auch, aber nicht nur die Aktenmäßigkeit der Verwaltung; auch, aber nicht nur die Formularhaftigkeit organisierten Kommunizierens, Handelns und Entscheidens. Um eine stärkere Differenzierung zu gewinnen, unterscheide ich in Anlehnung an die organisationssoziologische Trias von Kontrollebenen – technische Kontrolle, manageriale Kontrolle, institutionelle Kontrolle (Parsons 1960; Thompson 1967) – sowie an die Dreiheit von Entscheidungen, Entscheidungsprämissen und Organisationstexten (Luhmann 2000, Kap. 4, 7 und 14) drei Formen organisatorischer Schrift: die operativen Schriften, die strukturellen Schriften und die semantischen Schriften der Organisation.

Operative Schriften nenne ich die Vorschriften (unter ihnen: die Formulare) und Protokolle, die prospektiv wie retrospektiv die organisatorisch koordinierten Aufgaben beschreiben und dadurch Kontrollmöglichkeiten schaffen, die ein Handeln als Entscheiden ausweisen (können).[6] Die Entscheidungszurechnungen operationalisieren sich über Differenzen wie Vorgabe und Ausführung, Regel und Fall, Zweck und Mittel, Norm und Abweichung, Routine und Innovation und ähnliche mehr.

Strukturelle Schriften beschreiben die Zuständigkeiten innerhalb einer Organisation. Sie fallen konstitutiv aggregierter und genereller aus als die operativen Schriften, sind ferner von den Fällen, den konkreten Arbeiten und den Produktionserfordernissen formuliert, eher die Relationen von Zuständigkeiten als deren Inhalte konkretisierend. Strukturelle Schriften programmieren die Zurechnungen (Heidenescher 1992), die im operativen Bereich gelten (sollen). Organigramme wären Beispiele maximal abstrakter Strukturschriften, während Stellenbeschreibungen konkreter ausfallen (können) und Konzepte (Geschäftsmodelle, Marketingkonzepte, Personalkonzepte, Gleichstellungskonzepte, Nachhaltigkeitskonzepte, …) zwischen solchen Polen der Zuständigkeitsspezifikation anzusiedeln wären. Im Gesamtkomplex der Zuständigkeitsbeschreibungen formulieren sich nolens volens auch die Unzuständigkeiten, die mitwachsen, je vollständiger und detaillierter eine Organisation ihre Strukturen beschreibt.

Semantische Schriften schließlich wären solche, die ein kontroll-, konzept-, kooperations- und konfliktübergreifendes „Wir“ der Organisation, einer Teileinheit, eines Programms oder eines Projekts aufrufen und konstituieren, als „Wir“ geschaffen im wechselseitigen Verweis von Autorschaft und Sujet der jeweiligen Texte. In den semantischen Schriften spricht die Organisation mit sich selbst, ob mit oder ohne ein faktisches oder imaginäres Publikum.

Verstanden als Zwei-Seiten-Form vollzieht sich organisierte Kommunikation nicht nur schriftlich, sondern auch (fern-)mündlich, narrativ und zeremoniell (im Sinne von „formal structure as myth and ceremony“; vgl. Meyer/Rowan 1977). Schrift wirkt hier (wie auch sonst immer) selektiv und selegierend. Die Beobachtung rechnet, mit den Mitteln formaler Kommunikation, entweder auf Entscheidung zu – oder unterlässt es. Schon der eingangs erwähnte Max Weber kam bei seiner Definition von „Aktenmäßigkeit“ auf die Einheit von Schriftlichkeit und Mündlichkeit zu sprechen. Das vollständige Zitat lautet: „Es gilt das Prinzip der Aktenmäßigkeit der Verwaltung, auch da, wo mündliche Erörterung tatsächlich Regel oder geradezu Vorschrift ist“ (1980, 126).

Wenn Luhmann (2000, 422) anlässlich der Frage nach der Identität von Organisationen konstatiert: „Organisationen haben keinen Körper, aber sie haben einen Text“, dann ist der Singular nicht wörtlich zu nehmen; es sei denn, man denkt sich „Text“ als intertextuelle Interdependenz aller Identifikationen, die in der Mehrebenenvielfalt organisatorischer Schriften aufgeschrieben, umgeschrieben und fortgeschrieben werden. Mitgliedschaft in Organisationen konstituiert sich dabei in der Form von Signaturen und Co-Signaturen (Brosziewski 2021, 66–67), von Unterschriften und Gegenzeichnungen, die ebenfalls schriftlich oder mündlich (narrativ, zeremoniell) zirkulieren. Informale Kommunikation wäre dann nicht einfach „alles andere“, sondern jene Kommunikation, die dezidiert (erkennbar, markierend) auf das Abrufen, Einfordern und Einsetzen signierenden Verhaltens verzichtet und auf andere Formen der Verbindlichkeit zurückgreift, die nicht Dokumente signiert, sondern Personen markiert, mit deren Ausdrucksformen und Gedächtnissen (Selbst- und Fremderzählungen) operiert und auf entsprechende Konsistenzbedingungen in der psychischen Umwelt ihrer Mitglieder spekuliert (Motivation, Vertrauen, Verlässlichkeit, Authentizität, …). Organisationen bilden konstitutiv ein zwie-spältiges Gedächtnis aus, das sich auf Aktenlagen und personales Erinnern verteilt. Will jemand (operativ, strukturell oder semantisch) einen „Sachverhalt“ ermitteln, wird er typischerweise auf beide Formate zurückgreifen müssen.

6 Noten als strukturelle Kopplung zwischen Schulorganisation und Unterrichtsinteraktion

Im Fall der Schule haben wir es mithin mit zwei Schriftformen zu tun, die nicht aufeinander abgebildet oder voneinander abgeleitet werden können: die Schriftform von Lehre und Unterricht (Kodizes, Lehrbücher, Schulaufgaben, …) einerseits, und andererseits die Schriftform der Organisation (Klassenlisten, Stundenpläne, Raumpläne, Klassenbücher, Schüler- und Personalakten, Schuljahrsplanungen, Rechtstexte, Verordnungen, Personalzuteilungen, …). Was im Lehrbuch steht, kann nicht aus dem Klassenbuch deduziert werden und umgekehrt. Für die wechselseitigen Einschränkungen und Freiheitsgrade bedarf es struktureller Kopplungen zwischen den Systemtypen der Organisation und des Unterrichts, die beiden jeweiligen Schriftformen Rechnung tragen.

Die zentrale Einrichtung solch einer strukturellen Kopplung kann in der Vergabe von Noten, Zensuren und Zeugnissen gesehen werden (vgl., allerdings ohne Berücksichtigung der organisatorisch bedeutsamen Differenz von Note und Zeugnis, Luhmann 2002, 62–72). In und durch Noten bezeugt und signiert der Lehrer[7] den Unterricht inklusive seiner Eigenbeteiligung in erster Linie in und für die Schriftform der Schulorganisation. Seine Benotungen werden durch weitere Signaturen der formalen Organisation gedeckt, so bereits durch die Zuweisung zu einem bestimmten Unterricht in einer bestimmten Klasse, signifikanter aber noch durch ein Zeugnis, das die Organisation (und nicht: ein einzelner Lehrer) einem Schüler ausstellt und dafür die Noten referiert. Die Schüler werden durch Benotungen klassifiziert – und dies keineswegs nur als Beurteilung für persönlich Geleistetes, sondern (organisatorisch bedeutsamer) projektiv für das, was ein weiterer Unterricht mit den Schülern anfangen kann (inklusive: aufholen und nachholen muss).

Noten bilden hochgradige „Verdichtungen der Information“ (Baecker 2006, 60, Noten in dieser Funktion mit den Preisen der Wirtschaft vergleichend). Mit einem Begriff von Gotthard Günther (1978) können Noten auch als „Informationsraffer“ des Erziehungssystems betrachtet werden – selbst dann, wenn sie nicht in der bekannten skalenartigen Form von Ordnungszahlen, sondern verbal beschreibend daherkommen. Noten protokollieren weder Stoffe noch tatsächliche Lernprozesse. Aus den immer wiederkehrenden pädagogischen und didaktischen Kritiken ist bekannt, dass sie für diagnostische und prognostische Lernzwecke kaum etwas hergeben. Doch machen Informationsverdichtung und Informationsverlust gerade die Eignung der Notengebung als strukturelle Kopplung zwischen Schulorganisation und Unterrichtsinteraktion aus. Benotungen fungieren signierend (seitens der Lehrer) und klassifizierend (bezogen auf die Schüler).

In Zensuren und Zeugnissen werden die erteilten Noten gegengezeichnet durch den gesamten Apparat an schulischen Signaturen und Co-Signaturen. Während Noten Unterricht und Organisation koppeln, koppeln Zeugnisse Organisation und Personen. Die sich daraus ergebenden Aggregationen der Schüler über all ihre sonstigen Verschiedenheiten hinweg und der Fächer über all ihre Verschiedenheiten hinweg ermöglichen Organisation im Modus des Dis-Aggregierens, des Einteilens und Zuteilens zu Klassen, zu Stunden, zu Prüfungen und zu Lehrern. Auf diese Weise entstehen die Listen, die gemäss der oben eingeführten Dreiheit zu den operativen Schriften der Schule zu zählen sind.

Auf der anderen Seite der strukturellen Kopplung können Lehrbücher verfasst oder auch Aufgaben gestellt werden, die sich ein Lehrer selbst und ganz speziell für „seine“ Klassen einfallen lässt, ohne beim Schreiben der Bücher oder beim Entwerfen der Aufgaben die Organisation der Schule mitstrukturieren zu müssen. Wie jede strukturelle Kopplung fungiert die Strukturierung durch Notengebung und Zeugniserteilung entweder lautlos und unbemerkt – dann läuft der Unterricht und kann für den Unterricht geschrieben werden; oder sie erzeugt Irritationen und Störungen – dann wird die Kommunikation unweigerlich auf ihre Strukturbildungen selbst zurückgeworfen und zu strukturellen Selektionen, Variationen oder dezidierten Legitimationen gezwungen.

Die Selektivität zeugniszentrierter Organisationsstrukturen erzeugt als ihre andere, zeugnisfreie Seite das, was pauschal „informale Bildung“ genannt wird, die zwar eine andere Bildung, aber gleichwohl Bildung ist, soweit und solange sie eigene Formen und Strukturen des Lehrens und Lernens hervorbringt und reproduziert. Nur in diesem Feld können, wie etwa für künstlerische Bildungskarrieren kennzeichnend, individuelle Lehrer, wenn anerkannte Meister ihres Metiers, in und mit eigenem Namen Zeugnis über erfolgreiche Bildungsepisoden ablegen. Das Vorkommen und die Ausprägungen informaler Bildung werden zuweilen einer Widerständigkeit zugerechnet, einer Widerständigkeit der Bildungssubjekte oder gar der Bildungsidee selbst. In dem hier vorgestellten Rahmen kann diese Widerständigkeit hingegen als die bildungssystemspezifische Ausprägung des allgemeinen evolutionären Prinzips von Überschussproduktion-und-Selektion begriffen werden.

7 Informale Schulorganisation

Von der informalen Bildung zu unterscheiden ist die informale Schulorganisation. Während sich informale Bildung katalytisch und negierend an der Gesamtheit schulischer Strukturen ausrichtet und dadurch ein „ganz anderes“ Lernen und Lehren zu errichten sucht, hat es die informale Schulorganisation mit der strukturstiftenden Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen, spezieller mit der Korrektur und Reflexion der noten-konstitutiven Einseitigkeiten zu tun. Erstens reduzieren Noten das unterrichtende Dual von Verständnis und Begreifen einseitig auf das Begreifen der Schüler – denn nur in ihm finden Noten Begründungen, die sich im Dissens- und Konfliktfall halten lassen. Zweitens benoten Noten nur die Schüler, nicht die benotenden Lehrer – jedenfalls sorgt das Netzwerk der formalen Strukturen für eine Bereinigung des Lehranteils an den Noten (Brosziewski 2016, 59). Dass ein Lehrer mit den Noten auch seine eigenen Begriffsansprüche und seine eigenen Fertigkeiten im Erklären und Evaluieren anzeigt, können nur Insider entschlüsseln und lässt sich nicht ins formale Netzwerk einbinden – außer im Krisenfall, in dem Personalentscheidungen zu treffen wären.

Die informale Schulorganisation resymmetrisiert beide Asymmetrien, die Reduktion auf Begreifen und die Reduktion auf die Schülerbewertung. Sie negiert nicht die formale Schulorganisation, sondern reflektiert die Unterscheidung von Begreifen und Verständnis, die durch die formale Organisation der Unterrichtskommunikation unterlegt wird. Wie lässt sich dies als ein operatives, als ein kommunikatives Geschehen genauer darstellen?

In dieser Funktion setze ich den Begriff der Schülerbeschreibung ein. Damit ist in einem ersten Schritt noch nicht die personalisierende Beschreibung der Person des Schülers oder der Schülerin gemeint (deren operative Form wird weiter unten aufgezeigt). Solche vereinfachenden Personenzurechnungen, wie wir sie beispielsweise in allen fiktiven oder biographischen Narrativen über „unsere“ Schulzeiten finden, wären schon als kulturelle Verwertungen, gegebenenfalls auch als semantische Reflexionen des Phänomens der informalen Schulorganisation zu verstehen, zum Beispiel in der anspruchsvollen Belletristik, die den biographischen Aspekt der Schulzeit zumeist als ein eher bitteres, trostloses oder ödes Erleben beschreibt.

Der operativ gemeinte Begriff der Schülerbeschreibung soll hingegen die Schrift und das Schreiben des Beschreibens genau nehmen. In Aufgabenblättern, in Schulheften, in Mappen, in Ordnern und in gelegentlichen Auftritten an der Wandtafel (alle elektronischen Äquivalente eingeschlossen) beschreiben Schülerinnen und Schüler die Aufgaben, die ihnen gestellt sind (vgl. abermals Bosse 2012, 95–111). In die Erledigung ihrer Aufgaben tragen sie nolens volens ihr jeweiliges Verständnis der Aufgaben mit ein, oder anders formuliert: Sie stellen ihr Aufgabenverständnis aus.

Beschränkt auf diese kommunikative Funktion, nehmen Schülerinnen und Schüler Teil am signierenden und co-signierenden Verhalten der Schulorganisationen, wobei ihre Nichtmitgliedschaft am Entscheidungsgeschehen der Schule dadurch aufrechterhalten wird, dass die Bewertung, die Note, die Zensur und das Zeugnis stets von organisationsautorisierten Instanzen (außer durch Lehrer auch durch autoritative Zentraltests) auszustellen und gegenzuzeichnen sind. An die Stelle eines Rechts der Schüler auf gültige Selbstbenotung tritt das formale Recht, Fragen zu stellen, also: Erläuterungen zu verlangen, wie die Aufgabe genau gemeint ist, welche Schritte zur Aufgabenerfüllung nötig sind, wie sich unzureichende Qualitäten vermeiden und die höchstmöglichen Qualitäten denn verwirklichen lassen. In der Rückfrage an die Lehrenden und an die Lehrmaterialien dürfen der Schüler und die Schülerin die Aufgabenerfüllung aufschieben und einen Erklärungszwang etablieren.[8] Erst mit der Erledigung einer Aufgabe konfirmieren sie deren Legitimität[9] – zumindest vorläufig und vorbehaltlich des Falls, dass über die Qualitäten angesichts einer faktischen Bewertung noch gestritten werden könnte.

Auf das Engste an Begreifen gekoppelt, verschafft sich das Verständnis der Schülerinnen und Schüler in diesem operativen Verfahren der Aufgabenbearbeitung und der Aufgabenreflexion Geltung; ungeachtet der Tatsache, dass das Verständnis eines einzelnen Schülers oder einer einzelnen Schülerin angesichts der Vielzahl und der hohen Taktfrequenz von Aufgaben sowie angesichts der Pluralität von Schülern in einer Klasse, einem Kurs, einem Seminar etc. kaum Zeit erhält, sich ausführlich darzustellen. Man wird nur „gesehen“, wenn man schreibt oder sich für einen mündlichen Beitrag meldet, und muss dann immer auch gleich ertragen, dass ein individuelles Verständnis repräsentativ für das Verständnis der anderen genommen wird, eingeschlossen den Fall, dass solch eine Repräsentativität negiert, dass der Eigenbeitrag abgewertet wird, keineswegs nur durch Lehrer und Lehrerinnen, sondern zumeist viel effektiver durch Mitschüler und Mitschülerinnen, die ihr Eigenverständnis zu verteidigen haben.

Die kommunikative Komplexität der Schülerbeschreibungen wird durch Lob und Tadel der Lehrperson, durch Benotungen, durch Zensuren und schließlich durch das schulische Zeugnis reduziert und kondensiert, um alle Beteiligten, Lehrer wie Schüler, in die nächsten Runden schicken und ganz am Ende verabschieden zu können. Hier wiederholt sich für die Beobachtungen der Schülerinnen und Schüler, was im vorherigen Abschnitt zur Funktion der Note als „Informationsraffer“ gesagt wurde. Man kann auch den Begriff der „Trivialisierung“ heranziehen, den Luhmann (im Anschluss an Heinz von Foerster) ebenfalls im Zusammenhang mit der Aufgabenkultur der Schule verwendet (Luhmann 2004a, 38–39). Nur geht es im hier beschriebenen Zusammenhang zunächst einmal um die Selbsttrivialisierung des Unterrichts. Und erst im folgenden Schritt, bei der personalen Zurechnung, wird fraglich, von wem, in welchem Masse und mit welchen sozialisatorischen Folgen sich das Verständnis der Schüler trivialisieren lässt.

Jene informalen, nicht-notierten Kondensate dieses Geschehens, die als „Erfahrungen“ (Fuchs 1999), als „schweigendes Wissen“ (Kraus et al. 2017) oder auch als „nichtentschiedene(.) Entscheidungsprämissen“ (Luhmann 2000, 145) in die formale Schulkommunikation eingehen, vereinfachen die komplexe Operativität unterrichtlicher Schriftlichkeit/Mündlichkeit zur Form der Person (Luhmann 1995; Lehmann 2003; Renn 2016). Ohne diese Reduktionsweise kommt das Erziehungs- und Bildungssystem an keiner Stelle aus, liegt seine Funktion doch in der personzentrierten Modalisierung und Korrektur von Sozialisation (Brosziewski 2022, 458), oder, romantischer gesprochen, in der „Personwerdung des Menschen“ (Luhmann 2002, 38). Das geht im Fall von Schülerbeschreibungen sowohl sprachlich als auch erzählerisch besonders einfach, indem man die Subjekt- und Objektstellung einfach vertauscht. Dann beschreiben Schülerbeschreibungen nicht mehr die Aufgaben, sondern die Aufgaben beschreiben die Schülerinnen und Schüler (Leistungen, Lernerfolge, Fehler, Minder- und Höherqualitäten, begabt/unbegabt, motiviert/unmotiviert, …). Die Schüler werden durch den Unterricht, durch die Lehrer und bei hinreichenden Differenzierungen auch durch Fächer beschrieben – während sie im Unterricht den Unterricht, die Lehrer und die Fächer beschreiben müssen, wobei in beiden Richtungen die Benotungen und alle ihnen vorläufigen Bewertungen mehr oder weniger signifikant mit bezeichnet werden.

Die so erzeugte Doppeldeutigkeit von Schülerbeschreibungen verdeckt haargenau die operativ fungierende Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen, bis hin zu ihrer semantischen Auslöschung im narrativen Apparat der Erzählungen über Schul- und Lehrerfahrungen. Schülerbeschreibungen sind, ihrer Konstitution und Funktion gemäss, zwar nicht so abstrakt, nicht so informationsarm, nicht so „leer“ wie Noten und Zeugnisse. Aber sie nehmen auch keineswegs „alles“ aus Lebenswelt, Persönlichkeit, Individualität und Kultur auf, was sich die Kritik am Formalkomplex der Schule erhoffen könnte. Wie die empirische Forschung zum Beispiel der Jugend- und Schulkulturforschung nach Werner Helsper (Böhme et al. 2015) oder Helmut Fend (Fend/Berger 2016) aufzeigt, bleiben Schülerbeschreibungen weitgehend schemen- und schablonenhaft, denn ein eingehenderes Verständnis bleibt systematisch jenen Sozialsystemen vorbehalten, die sich dezidiert „ihren“ Personen verschreiben, wie Familien, Freundschaften und Intimsysteme. Solche Systeme praktizieren gar keine Unterscheidung zwischen formaler und informaler Kommunikation, höchstens fallweise Unterscheidungen wie offen und diskret (Bergmann 1987; Keppler 1994). Informale Kommunikation hingegen bleibt an die dominante Referenz des Formalen gebunden. Auch durch Resymmetrisierungen wird keine „Ganzheitlichkeit“ gewonnen.

8 Schüler als Spiegel von Unterricht

Lehren im Unterricht wird als eine weitgehend a-kooperative Tätigkeit angesehen, die mehr schlecht als recht in der Metapher des „Einzelkämpfers“ zum Ausdruck kommt. Der Lehrer muss, soll, kann oder darf allein damit zurechtkommen, wie er die Interaktion mit den Schülern absorbiert und wie er das geschilderte Legitimationsverfahren des Aufgaben-Stellens bewältigt. Anstelle von kollegialer Kooperation wird dem einzelnen Lehrer die Verantwortung für hinreichend funktionsfähige Arbeitsbündnisse mit „seinen“ Klassen, mit „seinen“ Schülerinnen und Schülern überlassen, wofür der formale Apparat aus Lehrbüchern und Noten nur begrenzte und in ihren Wirkungen höchst ambivalente Mittel zur Verfügung stellt.

Die Tätigkeiten eines Schulkollegiums sind nicht durch die Arbeit in gemeinsamer Anwesenheit gekoppelt, sondern dadurch, dass der Unterricht mit „denselben“ Schülerinnen und Schülern und zum Teil auch in „denselben“ Klassenzusammensetzungen zu erteilen und abzuschließen ist. Nicht im Unterricht selbst, aber in der Aufgabe, die Schülerschaft einer Schule klassen- und episodenweise zu unterrichten, sind Lehrer nolens volens auf ein Beobachten zweiter Ordnung verwiesen: auf ein Beobachten der erwarteten und faktischen Effekte, die „fremder“ Unterricht auf die Performanz der „eigenen“ Schüler im „eigenen“ Unterricht hat, haben könnte und haben wird. Im Spiegel der Schüler sieht der Lehrer sein eigenes Handeln und die Folgen des Handelns anderer Lehrer. Das Verständnis, das im Unterricht punktuell und punktuierend zu markieren ist, um es vom Begreifen zu unterscheiden, zeigt sich nur sekundär als ein Verständnis von Fremdheit, von der Tiefe eines Du, von milieu- und kulturcharakteristischen Differenzen. Es zeigt sich primär als ein Verständnis von Unterrichtserfahrungen, mithin als Eigenprodukt organisierten Unterrichts.

Die Kommunikation über die Aufgaben des Unterrichtens – Kommunikation der Lehrenden untereinander, mit der Schulleitung, mit den Schülern und mit den Eltern – lässt sich nie von den Formalien der Schulorganisation trennen, denn das Prüfen, Benoten- und Zeugnisse-Erteilen bleibt mit diesen Aufgaben strukturell verbunden. Doch können die Formalien in den Hintergrund bis in weitgehende Unbestimmtheit gerückt werden. Man kann sich intensiv mit den Schülerbeschreibungen im genannten doppelten Sinne beschäftigen und die Tatsache, dass der Lehrer die Noten vergibt, nahezu vergessen machen – außer in Noten- und Zeugnis-Konferenzen, in denen anlässlich kritischer Einzelfälle selektiv das auf den Tisch kommt, was an Lehrer-, Fach- und Unterrichtsbeschreibungen für den jeweiligen Fall relevant sein könnte (Maier 2019).

Man kann folgern: Während die formale Organisation zur Sicherung ihrer eigenen Grundlagen (Einstufungen, Zuteilungen und Abschlüsse) durch die Kopplung mit dem Noten– und Zeugnisapparat dominant das Begreifen forciert und Lehrer wie Schüler durch einen Stoffbezug diszipliniert, kehrt die informale Schulorganisation den Fokus nicht einfach auf die andere Seite. Im Filter der informalen Kommunikation über Unterrichtsaufgaben und gespiegelt durch Schülerbeschreibungen wird das Verständnis von Schülern (individuell oder in Klassen, Jahrgängen, Generationen, …) traktiert, um die Ansprüche an ihr mögliches und faktisches Begreifen zu relativieren und gegebenenfalls sogar zu reflektieren.

Für den einzelnen Lehrer bedeutet dies, das Gewicht der eigenen Klassen und Fächer und damit auch des eigenen Unterrichts zu bestimmen – konfliktiv, konstruktiv bis indifferent gegenüber anderen Lehrern oder der Schulorganisation (im Sinne von „Exit, Voice and Loyalty“; Hirschman 1970); konsistent, resilient oder inkonsistent gegenüber den eigenen pädagogischen oder didaktischen Selbstverständnissen (im Sinne von „group and grid“ nach Mary Douglas; siehe Baecker 2023). Komplementär zu den Schülerbeschreibungen bilden sich in der informalen Schulorganisation Lehrerbeschreibungen als Eigenwerte der Kommunikation heraus – auch sie im doppelten Wortsinn zu verstehen, mit Lehrern als beschreibenden Subjekten (als Aufgaben-Stellern) und als beschriebenen Objekten (kompetent/inkompetent, streng/lax, freundlich/unfreundlich, fair/unfair, …). Es ist nicht zu erwarten, dass die Schüler, Lehrer, Fächer und Klassen in den Schülerbeschreibungen und in den Lehrerbeschreibungen miteinander übereinstimmen. Denn es gibt kein Kommunikationssystem, das nach solchen Übereinstimmungen fragen und sie verbindlich feststellen könnte. Die Mechanismen der Subkulturalität und der Informalität sorgen für Differenzierung und vermeiden offene Konflikte.

9 Konklusionen

Im Vorstehenden wurde ein Weg skizziert, das Verhältnis Schule und Unterricht nicht unmittelbar mit der Unterscheidung von Organisation (Mitgliedschaft) und Interaktion (Anwesenheit) zu analysieren. Stattdessen wurden sowohl die Organisation der Schule als auch die Interaktion des Unterrichts als unterscheidbare Formen der Form von Schrift vorgestellt, mit der Noten-, Zensuren- und Zeugnisgebung als struktureller Kopplung zwischen den Systemen, die sich in beiden Schriftformen bilden. Die informalen Korrelate der formalen Kommunikation wurden mit den Begriffen der Schüler- und Lehrerbeschreibungen zusammengefasst. Diese Analysen leisten zunächst kaum mehr als eine Konkretisierung, Verfeinerung und nachholende Begründung für Luhmanns bekannte Aussage, dass das Erziehungssystem Organisation und Profession brauche, um seine „zu allgemein geratenen Kriterien“ zu spezifizieren (Luhmann 2002, 143). Einen ersten weiterführenden Ertrag der vorgeschlagenen Verfeinerungen sehe ich, wie im letzten Absatz von Abschnitt 7 angedeutet, in einer gesteigerten Anschlussfähigkeit an die empirischen Studien der Schul- und Jugendkulturforschung. Ein zweiter Weg führt zurück in die Theorie selbst, zu Fragen der Beschreibung von Systembildung und Evolution des Erziehungs- und Bildungssystems.

Noch immer ist strittig, ob das System zur Herstellung und Reproduktion seiner Einheit, das heißt seiner spezifischen System-/Umweltdifferenz, zwingend auf Organisation und Profession angewiesen ist, oder ob es nicht doch, wie andere Funktionssysteme, ein spezifisches Kommunikationsmedium entwickelt hat, an dem strukturbildende Einrichtungen wie Organisation und Professionen nur partizipieren, das sie sich aber nicht unterordnen können.

Der erste Vorschlag, Selektion als ein Medium zu betrachten und die Differenz zwischen besser und schlechter als dessen Codierung (Luhmann 2004a), konnte sich nicht etablieren. Das lag nicht nur am Protest der pädagogischen Semantik, sondern hat auch theorieimmanente Gründe, die umso triftiger wurden, je weiter die allgemeine Theorie ausgearbeitet wurde. Für die Systemtheorie ist Selektion ein viel zu allgemeiner Begriff, als dass er sich einem einzigen System oder Medium zuordnen ließe: Sinn, Information, Mitteilung, Verstehen, Struktur, Grenze, Form und etliche Begriffe mehr sind durch Selektion definiert und gekennzeichnet. Sollte Selektion überhaupt ein spezielles Medium ausprägen, müsste es genauer „personale Selektion“ oder „Personalselektion“ heißen, und dies interferiert wiederum mit der Unterscheidung von Inklusion und Exklusion, die inzwischen eine tragende Säule in der allgemeinen Analyse von funktionaler Differenzierung geworden ist (Stichweh/Windolf 2009). Bessere und schlechtere Noten regulieren nur Inklusionen und Exklusionen im Bildungssystem – und selbst dies höchst partiell, wie zuvor dargelegt wurde. Bei diesem Spezialphänomen kann es sich folglich kaum um ein gesellschaftliches Medium handeln.

Der theoriegeschichtlich spätere Vorschlag, den Lebenslauf als ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium zu begreifen (Luhmann 2004b), wurde nicht gründlich ausgearbeitet. Insbesondere wurden die strukturellen Merkmale derartiger Medien (binäre Codierung mit Präferenzwert, Einheitssymbolik, Reflexivität, Beobachtung zweiter Ordnung, Programmatik, Symbiotik, Vertrauen, Nullsymbolik, Funktionskatalyse) nicht für den Lebenslauf konkretisiert (Brosziewski 2022). Die anschließende Auseinandersetzung artikulierte verschiedene Vorbehalte und Modifikationen, blieb aber in der Diskussion stecken und führte zu keiner Konsolidierung (Ehrenspeck/Lenzen 2006).

Die vorstehende Analyse zur informalen Schulorganisation und zur Funktion von Schüler- und Lehrerbeschreibungen könnte einen Anlass bieten, die Fragen nach dem Kommunikationsmedium und seiner Codierung wieder aufzugreifen und neu zu konturieren. Mein eigener Vorschlag dazu (Brosziewski 2023a; 2023b; 2024) besagt im Kern, dass man Lebenslauf nicht mit Karriere gleichsetzen und beide auch nicht kategorial von der Biographie unterscheiden sollte.[10] Stattdessen könnte man – theorieangemessener, wie mir scheint – konsequent von der Differenz zwischen Karriere und Biographie ausgehen und den Lebenslauf als Kommunikation der Einheit genau dieser Differenz begreifen.[11] Die Form, die diese Kommunikation zur Überwindung ihrer Unwahrscheinlichkeiten sucht und im Erfolgsfall annimmt, wäre Wissen. „Es kann also nicht darum gehen, denen, die erzogen werden sollen oder wollen, einen Lebenslauf beizubringen. Das Problem liegt in der Lebenslaufrelevanz bestimmter Formen. Wir wollen solche Formen als ‚Wissen‘ bezeichnen und darin einschließen das Wissen, daß man etwas kann (zum Beispiel schwimmen).“ (Luhmann 2004b, 275)[12]

Die Codierung eines solchen Mediums (und jede in sie eingehängte Programmierung) setzt die Identifikation eines hinreichend exakten, informationsträchtigen und motivationsfähigen Gegenwertes „Nichtwissen“ voraus – und von den Möglichkeiten und Bedingungen dieses spezifischen Identifikationsprozesses hängen alle Unwahrscheinlichkeiten, Probleme, Schwierigkeiten und letztlich alle Grenzziehungen des Systems ab. Wie Unwahrscheinlichkeit und Normalisierung der Identifikation von Nichtwissen im Kommunikationsformat des (schulischen) Unterrichts operativ zusammenwirken, wurde in diesem Beitrag anhand der Unterscheidung zwischen Verständnis und Begreifen analysiert und rekonstruiert. Begreifen, das im Institut des Lehrplans dem Unterricht vorgeschrieben wird und via Benotung durchzusetzen ist, erzeugt Schülerbeschreibungen als sein eigenes Milieu, das die Unwahrscheinlichkeit des Lernens symbolisiert und regeneriert, jede Biographie, jede Karriere und jede Generation von potentiell Lernenden transzendierend. Die informale Schulorganisation bildet keinen Puffer für das allzu Menschliche der formalen Organisation, auch keine Dunkelzone für subversive Aktivitäten. Sie bindet die Organisation operativ an das Funktionssystem für Erziehung und Bildung, an dessen Medium, an den Lebenslauf als Einheit der Differenz von Karriere und Biographie.

Wie im Fall des Gesundheitssystems (gesund/krank) können Operativität und Strukturierungen nur am negativen Fall, hier am Nichtwissen ansetzen, dem jedoch stets sein Positivum, ein lebenslaufrelevantes Wissen, mitgegeben werden muss. In der Selbstanwendung erscheint, wie bei jedem anderen Code, die paradoxe Konstitution solch eines Manövers. Die Differenz von Wissen und Nichtwissen kann weder gewusst noch nicht-gewusst werden. Das Bildungssystem führt nicht die alte Weisheit, nicht das Wissen vom Nichtwissen fort. Es negiert sie und straft jene, die dennoch Weisheit prätendieren, mit Lächerlichkeit (Fuchs 2007) oder verbannt sie in die Esoterik. An die Stelle des Paradoxes, zu seiner Entfaltung und zur Gewinnung handhabbarer Identitäten setzt das Bildungssystem das Symbol der Lehre (mit ihren Lehrern, aber auch mit ihren Lehrbüchern und Lehrplänen), das ein verbindliches Nichtwissen für ganze Kohorten, Jahrgänge, Klassen, Kurse, schließlich für ganze Generationen markiert und manches dabei institutionell verfestigt und anderes als „informale Bildung“ absondert – ein prototypischer Fall von soziokultureller Evolution, von Überschussproduktion, Selektion und Potentialisierung.

Im Unterricht treffen die paradox, imaginär und induktiv-statistisch identifizierten Negativwerte des Nichtwissens auf jene Unterrichts-, Fach- und Lehrbeschreibungen, die aus lebenslaufgeprägten Lagen gewonnen sind und hoch selektiv via informaler Schulkommunikation in die Lehr-, Unterrichts- und Fachbeschreibungen der Lehrer eingehen, in die Selbst- und Fremdbeschreibungen dessen, was sich mit Klassen, Schülergruppen und Einzelschülern anfangen lässt, was sich als Aufgabe des Unterrichtens formulieren lässt und was abgestoßen wird. Lernen als Kreuzen vom Nichtwissen zum Wissen, vom Negativen zum Positiven, lässt sich dabei hin und wieder beobachten, aber zunächst einmal nur von jedem Beteiligten für sich selbst. Soll Lernen kommunikativ werden und sollen seine Produkte (Wissen) in der Zeit (Gedächtnis) und im Sozialen (für das Mitlernen der Anderen) generalisiert werden, gilt es, Begreifen vom Verständnis zu unterscheiden und diesen Unterschied auch festzuhalten. Formal geht das nur in Noten oder funktionalen Äquivalenten, die Karrieren machen; informal in Schüler- und Lehrerbeschreibungen, die nicht nur, aber immer auch Biographisches ausschreiben und fortschreiben.

Über den Autor / die Autorin

Prof. Dr. Achim Brosziewski

Achim Brosziewski ist Soziologe und Bildungsforscher an der Pädagogischen Hochschule Thurgau sowie Ko-Direktor des Binationalen Zentrums für Qualitative Methoden (Universität Konstanz und PH Thurgau). Jüngere Veröffentlichungen: Lebenslauf, Medien, Lernen. Skizzen einer systemtheoretischen Bildungssoziologie. Weinheim 2023; Sprache und Lebenslauf als Medien der Kommunikation, in: Ulrich Binder/Anselm Böhmer/Jürgen Oelkers (Hrsg.), Sprache und Pädagogik. Münster 2023, 183–197; Lebenslauf als Metapher und Medium, in: Günther Emlein/Markus Heidingsfelder/Kai-Uwe Hellmann (Hrsg.), Probat experiri. Peter Fuchs zum 75. Geburtstag. Münster 2024, 97–109.

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Online erschienen: 2024-12-04
Erschienen im Druck: 2024-12-02

© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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