Bradley C. Parks/Ammar A. Malik/Brooke Escobar/Sheng Zhang/Rory Fedorochko/Kyra Solomon/Fei Wang/Lydia Vlasto/Katherine Walsh/Seth Goodman: Belt and Road Reboot. Beijing’s Bid to De-Risk Its Global Infrastructure Initiative. Williamsburg, Va.: AidData – a Research Lab at William and Mary, November 2023
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Bradley C. Parks / Ammar A. Malik / Brooke Escobar / Sheng Zhang / Rory Fedorochko / Kyra Solomon / Fei Wang / Lydia Vlasto / Katherine Walsh / Seth Goodman: Belt and Road Reboot. Beijing’s Bid to De-Risk Its Global Infrastructure Initiative. Williamsburg, Va.: AidData – a Research Lab at William and Mary, November 2023
Kaum ein großes internationales Projekt der Entwicklungshilfe ist derart kontrovers und mit so vielen Unsicherheiten behaftet wie die 2013 vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping ins Leben gerufene „Seidenstraßeninitiative“ (englisch: Belt and Road Initiative – BRI). Das AidData Project sammelt und vergleicht seit vielen Jahren Daten über die Entwicklungshilfeleistungen verschiedener Länder. AidData wurde 2009 als Partnerschaft zwischen der Brigham Young University (BYU) in Provo im US-Bundesstaat Utah, dem College of William and Mary (Williamsburg, Va.) und der Stiftung Development Gateway (Sitz: Washington, D.C.) gegründet. Vorgänger waren das Project-Level Aid (PLAID) und Accessible Information on Development Activities (AiDA). Die Organisation verfügt über ein Datenportal mit einer Million vergangener und aktueller Entwicklungsfinanzierungsaktivitäten von über 90 Förderorganisationen. Der hier vorliegende Bericht zieht eine Bilanz der bisherigen Aktivitäten und beschreibt die Probleme, die sich derzeit für China infolge von Zahlungsausfällen ergeben. Er liefert Daten über den Umfang von Chinas Entwicklungsprogramm in Übersee und auch neue Erkenntnisse über Pekings anhaltende Bemühungen, das Risiko seiner globalen Infrastrukturinitiative BRI zu mindern – und seine Konkurrenten zu überflügeln. Der Report stützt sich auf den Datensatz von AidData zur internationalen Entwicklungsfinanzierung aus China, der 20.985 Projekte in 165 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen erfasst, die über einen Zeitraum von 22 Jahren mithilfe von Zuschüssen und Krediten im Wert von 1,34 Billionen US-Dollar finanziert wurden.
Die erste Frage, mit der sich der Bericht auseinandersetzt, lautet: Ist China immer noch die größte offizielle Quelle von Hilfe und Krediten für Entwicklungsländer? Die Verfasser kommen zu dem Ergebnis, dass China nach wie vor die weltweit größte offizielle Quelle für internationale Entwicklungsfinanzierung sei. Chinas Hilfs- und Kreditzusagen (Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, englisch: Official Development Assistance – ODA und andere öffentliche Leistungen, englisch: Other Official Flows – OOF) an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen beliefen sich derzeit auf rund 80 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Allerdings sei zu erkennen, dass Washington aufholt. Vor allem aufgrund der Finanzierung von Projekten des privaten Sektors durch die U.S. International Development Finance Corporation (DFC), die zu einer 15-fachen Ausweitung der US-OOF geführt hat, stelle Washington Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen heute jährlich etwa 60 Milliarden US-Dollar an Entwicklungsfinanzierung bereit. Inzwischen verstärken auch die anderen G7-Länder ihre Bemühungen, durch die Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen, den Wirtschaftskorridor Indien-Nahost-Europa und andere Initiativen mit Peking zu konkurrieren. Nachdem es den G7 in den ersten Jahren der BRI nicht gelungen sei, bei Chinas jährlichem ODA- und OOF-Volumen mitzuhalten, hätten sie China im Jahr 2021 mit 84 Milliarden US-Dollar überholt. Auf lange Sicht sei jedoch nicht klar, ob die USA und ihre Verbündeten über die finanzielle Kraft verfügen, gegen Peking anzutreten. Die G7 habe in der Vergangenheit zu viel versprochen und Nettoerhöhungen der internationalen Entwicklungsausgaben nicht umgesetzt. Peking hingegen habe die finanzielle Stärke, die es ihm erlaube, keine Versprechen zu geben, die es nicht halten kann.
Im zweiten Abschnitt erörtert der Bericht, ob sich das Risikoprofil von Chinas internationalem Entwicklungsfinanzierungsportfolio verändert hat. Seinen Recherchen zufolge befinde sich Peking in einer ungewohnten und unbequemen Rolle. Es sei der größte offizielle Schuldeneintreiber der Welt. 55 Prozent der Kredite an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen seien bereits in ihre Tilgungsphase eingetreten, und dieser Anteil werde bis 2030 auf 75 Prozent steigen. Die gesamten ausstehenden Schulden – einschließlich Kapital, aber ohne Zinsen – von Kreditnehmern in den Entwicklungsländern gegenüber China beliefen sich auf mindestens 1,1 Billionen US-Dollar, möglicherweise sogar auf 1,5 Billionen. Viele der größten Kreditnehmer Chinas seien illiquide oder insolvent. Schätzungsweise 80 Prozent des chinesischen Kreditportfolios in Entwicklungsländern entfielen derzeit auf Länder, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befänden. Die überfälligen Rückzahlungen an China stiegen sprunghaft an – in absoluten Zahlen und im Verhältnis zu den gesamten überfälligen Kreditrückzahlungen an offizielle (d. h. bilaterale und multilaterale) Gläubiger.
Zudem gäbe es erhebliche Projektrisiken. Die kumulierte Zahl von Chinas zuschuss- und kreditfinanzierten Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern mit erheblichen Umwelt-, Sozial- oder Governance-Risiken (ESG) sei von 17 Projekten im Wert von 420 Millionen US-Dollar im Jahr 2000 auf 1.693 Projekte im Wert von 470 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 angestiegen. Der kumulierte Anteil von Chinas durch Zuschüsse und Kredite finanzierten Infrastrukturprojektportfolios in Entwicklungsländern mit erheblichem ESG-Risiko sei im gleichen Zeitraum von 12 auf 53 Prozent angestiegen. Auch die Zahl der Aussetzungen und Stornierungen von Infrastrukturprojekten habe zugenommen – von fast null um die Jahrhundertwende auf 94 Projekte im Wert von 56 Milliarden US-Dollar in 49 Ländern. Peking versuche jedoch verstärkt, ESG-Risiken zu minimieren, um sein Infrastrukturportfolio in Übersee vor den Problemen zu schützen, die zuvor die BRI geplagt haben.
Der Bericht weist in diesem Zusammenhang auf auch Reputationsrisiken hin. Pekings öffentliche Zustimmungsrate in den Entwicklungsländern sei von 56 Prozent im Jahr 2019 auf 40 Prozent im Jahr 2021 gesunken. Dafür sei die öffentliche Zustimmungsrate für Washington gestiegen. Die USA hätten einen Vorsprung von 14 Prozentpunkten gegenüber Peking. Auch habe China Schwierigkeiten, in den Entwicklungsländern bei der Popularität der Medienberichterstattung einen hauchdünnen Vorsprung vor den USA zu wahren. Allerdings habe es bewiesen, dass es sehr gut in der Lage ist, außenpolitische Unterstützung von regierenden Eliten zu gewinnen und zu behalten. Zwischen 2000 und 2021 hätten die Regierungen von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in der UN-Generalversammlung bei allen Abstimmungen ihre außenpolitischen Positionen zu 75 Prozent an China ausgerichtet. Dies sei eine beachtliche Bilanz im Vergleich zu den 23 Prozent, die sich an den USA orientierten. Wer mit China stimme, werde reich belohnt.
Der Bericht geht in einem weiteren Kapitel der Frage nach, ob und wie weit Peking auf diese Probleme reagiert habe. In der Tat habe es weitreichende Anstrengungen unternommen, um die Risiken der BRI zu verringern. Es verwende sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit darauf, wie mit notleidenden Kreditnehmern und in Schwierigkeiten geratenen Projekten umzugehen sei und wie man öffentliche Kritik im Globalen Süden kontern könne. China lerne aus seinen Fehlern und werde zu einem immer geschickter auftretenden internationalen Krisenmanager. Sowohl den USA wie ihren G7-Verbündeten falle es schwer, diesen Anpassungsprozess zu verstehen. China kalibriere mittlerweile seine Kreditvergabe- und Subventionspraktiken in Reaktion auf veränderte Bedingungen vor Ort neu, wodurch sich der Charakter der BRI fundamental verändere. Die G7 sollten den Ehrgeiz von Chinas laufenden Bemühungen nicht unterschätzen, sein Flaggschiff, die globale Infrastrukturinitiative (wie BRI neuerdings genannt werde), zukunftssicher zu machen. Peking konzentriere sich darauf, den Staats- und Regierungschefs in den Entwicklungsländern genau das zu geben, was sie wollen: die schnelle Umsetzung großer Infrastrukturprojekte ohne unangemessen hohe ESG-Risiken. Sollte die G7 auf dieser Ebene nicht wettbewerbsfähig sein, könnte das ihre Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen gefährden.
Ein weiteres Kapitel wendet sich der Frage zu, welche Maßnahmen Peking ergriffen hat, um seine Abhängigkeit von verschuldeten notleidenden Entwicklungsländern zu verringern. Zum Beispiel habe Peking die Zusammensetzung seines Kreditportfolios im Ausland grundlegend geändert. Es habe die auf Dollar lautende Kreditvergabe an Infrastrukturprojekte reduziert und zugleich die auf Renminbi (RMB) lautenden Notfallkredite an finanziell notleidende Kreditnehmer erhöht. China wolle sicherstellen, dass seine größten Kreditnehmer über genügend Barmittel verfügen, um ihre ausstehenden Schulden für Infrastrukturprojekte zu bedienen. Seine politischen Banken (China Eximbank und China Development Bank) seien besonders stark in notleidenden Krediten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen engagiert. Statt diese Institutionen von innen heraus zu reformieren, greife Peking zunehmend auf staatliche Geschäftsbanken wie die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) und Bank of China zurück. In den vergangenen Jahren seien etwa drei Viertel der chinesischen Kreditvergabe an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen über die politischen Banken abgewickelt worden, inzwischen nur noch weniger als ein Viertel. Die jährlichen Kreditzusagen der staatlichen chinesischen Geschäftsbanken an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bewegten sich nun auf dem Niveau der politischen Banken.
Anstatt sich bei der Überprüfung von Kreditinstituten und geplanten Transaktionen auf seine eigenen Banken zu verlassen, lagere Peking das Risikomanagement zunehmend an ausländische Kreditinstitute – wie die Internationale Finanz-Corporation, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Standard Chartered Bank und BNP Paribas – mit strengeren Sorgfaltspflichten und Schutzmaßnahmen aus. Zudem setze China weniger auf bilaterale Kreditinstrumente, sondern vermehrt auf Kreditvergabe in Kooperation mit westlichen Geschäftsbanken und multilateralen Institutionen. 50 Prozent des chinesischen Kreditportfolios in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen würden heute über syndizierte Kreditvereinbarungen bereitgestellt, von denen über 80 Prozent westliche Geschäftsbanken und multilaterale Institutionen einbezögen.
Überdies treffe Peking zunehmend strenge Sicherheitsvorkehrungen, um sich vor dem Risiko von Tilgungsausfällen zu schützen. Waren um die Jahrtausendwende lediglich 19 Prozent der chinesischen Auslandskredite an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen abgesichert, seien es mittlerweile 72 Prozent. Als besonders wichtige Schutzmaßnahme seines bilateralen Kreditportfolios habe China die Möglichkeit erkannt, ohne Zustimmung des Kreditnehmers auf Barsicherheiten zuzugreifen. Gerieten illiquide oder insolvente Kreditnehmer mit ihren Rückzahlungen in Verzug, würden die politischen Banken überfällige Tilgungszahlungen und Zinsen durch Rückgriff auf Treuhandkonten ihrer Kreditnehmer einziehen. Diese Beschlagnahme würde in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen meist im Geheimen durchgeführt und außerhalb des Zuständigkeitsbereichs inländischer Aufsichtsinstitutionen wie dem Rechnungshof und dem Rechnungsprüfungsausschuss des Parlaments. Sollten Treuhandkontos eines Kreditnehmers aufgebraucht sein, werde immer öfter der Kreditnehmer aufgefordert, das Konto als Bedingung für eine kurzfristige Cashflow-Entlastung aufzufüllen. Die Auffüllung von Treuhandkonten sei zu einem kritischen Thema bei den Umschuldungsverhandlungen mit den politischen Banken geworden, werde jedoch meistens verschwiegen.
In dem Maß, in dem die Zahl der Kreditnehmer mit Liquiditäts- und Solvenzproblemen sprunghaft anstieg, hätten die staatlichen chinesischen Gläubiger ihre Strafen für verspätete Rückzahlungen erhöht. Der durchschnittliche Strafzinssatz habe sich zwischen der frühen (2014–2017) und der späten BRI-Periode (2018–2021) ungefähr verdoppelt, während der maximale Strafzinssatz von 3 auf 8,7 Prozent gestiegen sei. Pekings Maßnahmen zur Minderung des Rückzahlungsrisikos stellten Kreditnehmer in Entwicklungsländern vor neue Herausforderungen. Wer seine fälligen Schulden gegenüber China refinanzieren wolle, indem er Nothilfekredite mit hohen Zinsen und kurzen Rückzahlungsfristen aufnimmt, tausche günstige gegen teurere Schulden ein. Umschuldungen würden bedeuten, Devisen für einige Gläubiger sperren zu müssen, für andere jedoch nicht. Sich bei Peking neu zu verschulden heiße, dass sich die Zahlungsrückstände durch Strafzinsen auftürmen.
Pekings Alleingang bei diesem Risikomanagement, so die Studie, könnte die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft untergraben, staatlichen Kreditnehmern in finanziellen Schwierigkeiten einen koordinierten Schuldenerlass zu gewähren. Im November 2020 hatte China sich bereit erklärt, sich am gemeinsamen Rahmen der G20 für die Schuldenbehandlung zu beteiligen und an den Grundsatz der sogenannten „vergleichbaren Behandlung“ zu halten (d. h. angemessene Verteilung der Lasten finanzieller Verluste auf alle Gläubiger). Mit seinen jüngsten Maßnahmen – von seinen Kreditnehmern zu verlangen, auf Barsicherheiten zurückzugreifen, die anderen fehlen – versuche Peking jedoch, sich an die Spitze der Rückzahlungslinie zu drängen. Der Pariser Club multilateraler und kommerzieller Gläubiger befürchte daher zu Recht, zu nachrangigen Gläubigern bei der Kreditrückzahlung zu werden. Wolle Peking sich weiterhin als Gläubiger durchsetzen, dessen Schulden oberste Priorität haben sollten, dann dürften koordinierte Umschuldungen mit nicht-chinesischen Gläubigern wahrscheinlich schwieriger auszuhandeln sein. Die größten Verlierer in diesem Szenario werden die einfachen Menschen in den Entwicklungsländern sein, wenn ihnen grundlegende öffentliche Dienstleistungen verweigert werden.
Der Bericht analysiert in einem weiteren Abschnitt die Maßnahmen, mit denen Peking sein ESG-Risiko zu reduzieren versucht, und fragt: Wie schneiden Infrastrukturprojekte mit starken ESG-Schutzmaßnahmen bei der Umsetzung ab? Er konstatiert, dass Peking den Ruf hat, stationäre Projekte blitzschnell umzusetzen. Unabhängig von der Strenge der ESG-Schutzmaßnahmen dauere die Fertigstellung eines durchschnittlichen Infrastrukturprojekts, das mit der Hilfe oder Krediten Chinas finanziert wird, etwa drei Jahre. Pekings Rivalen und Kritiker würden behaupten, China habe keine sinnvollen Schritte unternommen, um seine Infrastrukturprojekte in Übersee strengeren ESG-Sicherheitsvorkehrungen zu unterwerfen. Diese Behauptung sei aber falsch. Bis 2021 verfügten 57 Prozent des durch Zuschüsse und Kredite finanzierten Infrastrukturprojektportfolios Chinas in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen über starke De-jure-Schutzmaßnahmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Dies stelle eine deutliche Abkehr von der früheren Praxis dar, um die Jahrtausendwende hätte es ganz anders ausgesehen. Das Tempo der Reform der ESG-Schutzmaßnahmen habe sich während der zweiten BRI-Phase (2018–2021) beschleunigt. Peking habe das Risiko für Infrastrukturprojekte in Übersee verringert, indem es die Aktivitäten von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen eingeschränkt hat, denen es an ESG-Risikomanagement-Leitplanken mangelt. Auch habe es die Bereitstellung von Infrastrukturfinanzierungen über Institutionen mit starken ESG-Schutzmaßnahmen erhöht, Hilfs- und Kreditbeziehungen zu Ländern mit hohem ESG-Risiko aufgelöst und neue Infrastrukturfinanzierungen in Länder mit niedrigem ESG-Risiko verlagert.
Chinas zuschuss- und kreditfinanzierte Infrastrukturprojekte mit starken De-jure-ESG-Schutzmaßnahmen hätten in der Tat ein wesentlich geringeres ESG-Risiko und seien auch weniger anfällig für Aussetzungen und Stornierungen. Überdies dauere ihre Umsetzung nicht wesentlich länger als die von Projekten mit schwachen De-jure-ESG-Schutzmaßnahmen. Die Quadratur des Kreises zwischen Geschwindigkeit und Sicherheit stehe im Mittelpunkt von Pekings Strategie. Peking nehme auf dem globalen Markt für Infrastrukturfinanzierungen eine stärkere Position ein, als seine bilateralen und multilateralen Konkurrenten vermuten. China habe immer strengere ESG-Schutzmaßnahmen eingeführt, ohne seinen Ruf als Tempogeber zu schädigen – und das könnte die Bemühungen der G7 unterlaufen, das Land hinsichtlich Qualität und Sicherheit zu übertrumpfen. Entwicklungsländer zögen es vor, mit Kreditgebern und Förderern zusammenzuarbeiten, die große, wirkungsvolle Infrastrukturprojekte mit einigermaßen robusten ESG-Schutzmaßnahmen, aber ohne übermäßige Umsetzungsverzögerungen finanzieren. Peking begegne dieser Herausforderung aktiv und wirksam. Ob die G7 – und die multilateralen Entwicklungsbanken – das ebenfalls tun werden, sei eine offene Frage.
Im abschließenden Teil untersucht die Studie, wie Peking Reputationsrisiken zu verringern versucht. Zu diesem Zweck wurden Meinungsumfragen ausgewertet. Bei einer Analyse der jährlichen Anzahl der „Gewinne“ und „Verluste“ bei Soft Power überwogen Pekings Verluste – und zwar bei weitem. Bei drei verschiedenen Maßstäben von Soft Power sei es Washington unterlegen: bei der öffentlichen Meinung, der Stimmung in den Medien und der Unterstützung durch die Eliten. Peking wende fast zwei Drittel seiner gesamten internationalen Entwicklungsfinanzierung in Ländern auf, in denen China und die USA ungefähr gleichauf liegen. In Ländern, in denen China erst kürzlich auf Kosten der USA an Reputation gewonnen hat, habe es die Bereitstellung von Hilfe und Krediten verdoppelt. In Ländern, in denen G7-Staaten relativ hohen Einfluss haben, engagiere sich China weniger stark. Die politische Landschaft in den Gastländern beobachte es äußerst aufmerksam. Gelange ein neuer, chinafreundlicherer Führer an die Macht, versuche Peking in der Regel die bilateralen Beziehungen aktiv zu festigen, indem es die Amtsinhaber die Lorbeeren für hochkarätige Infrastrukturprojekte ernten lässt. Da Peking dazu neige, sich aus Ländern mit starken Anzeichen für Kritik an der BRI eher zurückzuziehen, könnten seine Konkurrenten solche Staaten womöglich zurück in den Orbit des Westens ziehen. Das setze jedoch schnelles Handeln der G7 voraus, wenn sich Gelegenheiten dazu bieten, sowie entsprechendes Anpassen ihrer Programmplanung.
Diese umfangreiche Studie (415 Seiten) ist eine wertvolle Informationsquelle für die Einschätzung der Belt and Road Initiative und die damit verbundenen Implikationen.
https://www.aiddata.org/publications/belt-and-road-reboot
© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.
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- Bradley C. Parks/Ammar A. Malik/Brooke Escobar/Sheng Zhang/Rory Fedorochko/Kyra Solomon/Fei Wang/Lydia Vlasto/Katherine Walsh/Seth Goodman: Belt and Road Reboot. Beijing’s Bid to De-Risk Its Global Infrastructure Initiative. Williamsburg, Va.: AidData – a Research Lab at William and Mary, November 2023
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- Ed Conway: Material World. Wie sechs Rohstoffe die Geschichte der Menschheit prägen. Hamburg: Hoffmann und Campe: 2024, 544 Seiten
- Mike Martin: How to Fight a War. London: Hurst & Company 2023, 249 Seiten
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- George Friedman: The Next 100 Years. A Forecast for the 21st Century. Anchor Books/Random House: New York 2010, 253 Seiten
- Bildnachweise
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