Zusammenfassung
Als Staats- und Regierungsform ist die liberale Demokratie bereits seit einiger Zeit herausgefordert, von innen und von außen. Russlands Überfall auf die Ukraine wurde vom Niedergang der liberalen internationalen Ordnung und von der Schwäche ihrer Führungsmacht USA ermuntert. Vor diesem Hintergrund weckte die von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 verkündete „Zeitenwende“ große Erwartungen. Sie schien als Paradigma für die postliberale Weltordnung geeignet, zumal der Kanzler sie kurz darauf zu einer „Global Zeitenwende“ ausbaute. Unglücklicherweise wird sie ihnen jedoch nicht gerecht. Die Herausforderung besteht nicht darin, eine künftige multipolare Weltordnung zu steuern und der EU darin einen der vorderen Plätze zu sichern. Das drängende Problem besteht vielmehr in dem sich entwickelnden weltumspannenden Systemkonflikt zwischen revisionistisch orientierten Autokratien und Demokratien, die eine regelbasierte internationale Ordnung aufrechterhalten wollen. Der historische Vergleich mit der Zwanzigjährigen Krise von 1919 bis 1939 legt nahe, dass es dazu eines „demokratischen Antirevisionismus“ bedarf.
Abstract
As a system of state and government, liberal democracy is being challenged for some time now, both from within and from without. Russia’s invasion of Ukraine was emboldened by the decline of the liberal international order and the weakness of its leading power, the United States. Against this backdrop the Zeitenwende proclaimed by German Chancellor Olaf Scholz on 27 February 2022 raised great expectations, particularly since he enhanced it to a „Global Zeitenwende“ soon afterwards. Unfortunately, however, it fell short. It is not the management of the coming multipolar global order with prominent place for the EU that needs to be addressed. On the contrary, the pressing problem is the emerging global systemic conflict between revisionist-oriented autocracies and democracies determined to sustain an international, rules-based order. In comparison, The Twenty Years’ Crisis from 1919 to 1939 suggests that it takes „democratic antirevisionism“ to do so.
1 Einleitung
Bundeskanzler Olaf Scholz versuchte mit seiner „Zeitenwende“-Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 zweierlei auf einen Begriff zu bringen: die Zerstörung der europäischen Sicherheitsordnung durch den russischen Überfall auf die Ukraine und Deutschlands Reaktion darauf. Rhetorisch ist dieser Spagat geglückt, analytisch und programmatisch eher weniger. Am Maßstab der bisherigen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik gemessen, markierte die Regierungserklärung eine Zäsur. Gemessen an den Veränderungen im internationalen System wirkte sie verspätet und als zu klein geraten. Mit seinem Aufsatz „Die Globale Zeitenwende“[1] legte der Bundeskanzler ein Jahr später programmatisch nach und stellte seine Zeitenwende nun in den Interpretationsrahmen einer neuen multipolaren Weltordnung. Dieses framing kontrastiert mit dem, was vielfach als weltweiter Systemkonflikt zwischen revisionistischen Autokratien und Demokratien angesehen wird. Um das Spannungsverhältnis zwischen Multipolarität und „Antirevisionismus“ geht es in diesem Aufsatz und um die Frage, inwieweit sie als Paradigma für die postliberale Weltordnung taugen.
Dieser Aufsatz kritisiert zunächst in Abschnitt 2 Legendenbildungen, denen die Zeitenwende-Rhetorik Vorschub leistet, und plädiert für eine selbstkritische und realitätstaugliche Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Anschließend wird die Zeitenwende in Abschnitt 3 an ihrem historischen Anspruch gemessen, auf die letzte Zeitenwende zurückgeblendet und auf das geblickt, was aus ihr geworden ist. Im Ergebnis erscheint Russlands Zerstörung der europäischen Sicherheit begünstigt von der Krise der liberalen internationalen Ordnung. Von dieser Ordnung hat Deutschland in besonderem Maße profitiert und steht daher vor besonders großem Anpassungs- und Handlungsbedarf. Hierin werden die Herausforderungen gesehen, auf die eine Zeitenwende Antworten zu geben hätte. In Abschnitt 4 wird die „Globale Zeitenwende“ von Bundeskanzler Scholz mit ihrer Vorstellung einer multipolaren Ordnung dem Systemkonflikt zwischen revisionistischen Autokratien und Demokratien gegenübergestellt. Der letzte Abschnitt hebt die Parallelen dieses Systemkonflikts zur Zwanzigjährigen Krise Anfang des vorigen Jahrhunderts hervor. Auch heute sind freiheitlich demokratische Rechtsstaaten nicht nur von außen, sondern auch von innen bedroht. Beide Bedrohungen hängen ursächlich miteinander zusammen. Es kommt darauf an, ihnen besonnen, aber entschlossen entgegenzutreten.
2 Die Legende von der Zeitenwende
Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik hatte in der letzten Februarwoche des Jahres 2022 ein Rendezvous mit der Realität. Es verlief enttäuschend. „Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger, wir sind in einer anderen Welt aufgewacht“, berichtete am 25. Februar 2022 eine sichtlich ernüchterte Außenministerin Annalena Baerbock.[2] Drei Tage später verwendete Bundeskanzler Scholz in seiner Regierungserklärung dieselbe rhetorische Figur.
„Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents. […] Und das bedeutet: Die Welt ist danach nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf, ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts, oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.“[3]
Doch ist es wirklich eine andere Welt, in der wir am 24. Februar aufgewacht sind? Hat Putin „eine neue Realität geschaffen“?[4] Wohl eher nicht, wie die folgende Aufzählung russischer Aggressionen zeigt: Der zweite Tschetschenien-Krieg im Jahr 1999, der gescheiterte Versuch Russlands, im Jahr 2004 in der Ukraine einen Präsidenten eigener Wahl zu installieren, der Georgien-Krieg im August 2008 mit anschließender Annexion von Südossetien und Abchasien, die Verletzung des Abkommens über Mittelstreckenwaffen (INF) ab 2012, der Anschluss der Krim 2014 und die Interventionen in Donezk und Luhansk, einschließlich des Abschusses von Passagierflug MH 17 mit 298 Toten, die Syrien-Intervention ab September 2015, die zwei Cyber-Angriffe auf den Deutschen Bundestag im Jahr 2015, die Cyber-Intervention in die Präsidentschaftswahl der USA im Jahr 2016, zahlreiche politische Attentate im In- und Ausland, die Militärinterventionen in Libyen im Jahr 2019, in Belarus im Jahr 2020, in Kasachstan und Mali im Jahre 2022, all das war von dieser Welt. Wer sehen wollte, konnte Kontinuität und Eskalation erkennen.[5] Sie gipfelten in der maßlosen Forderung Russlands vom Dezember 2021 nach „Abzug aller Truppen und Rüstungen der USA aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie aus dem Baltikum“[6] und nach Rückbau der NATO auf den Stand des Jahres 1997.[7] Die Forderungen waren mit der Androhung „militärtechnischer Maßnahmen“ verknüpft, weswegen das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) denn auch von einer „konditionierte[n] Kriegserklärung an die NATO“ sprach.[8]
Man benötigte eine selektive Wahrnehmung, wenn nicht Realitätsverweigerung, um die „breite Spur“[9] der Gewaltanwendung in Putins Politik zu übersehen. Der 24. Februar 2022 markierte keine Zäsur in der Politik von Putins Russland. Doch der 27. Februar 2022 bedeutete eine Wende in deren Wahrnehmung durch die deutsche Politik. Warum war sie so lange unfähig, die russische Gewaltpolitik als das zu erkennen, was sie leider bereits seit Langem ist?
2.1 Kollektiver Irrtum?
Häufig war seit Februar 2022 die Antwort zu hören, man habe sich geirrt oder getäuscht, hätte die wahren Absichten Putins früher erkennen müssen. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel beispielweise beklagte ein „massives Scheitern“ und einen „kompletten Fehlschlag“ deutscher Russlandpolitik und forderte, die Ursachen des gemeinschaftlichen Versagens gründlich aufzuarbeiten.[10] Er beließ es bei der öffentlichen Forderung. Die Aufgabe musste von Investigativjournalisten übernommen werden.[11]
Einen vielversprechenden Ansatzpunkt für die überfällige Aufarbeitung bietet die außen- und sicherheitspolitische Programmatik der SPD. Ihr damaliger Bundesgeschäftsführer Egon Bahr entwickelte 1980 als Mitglied der „Unabhängigen Kommission für Abrüstung und Sicherheit“ (sog. Palme-Kommission) die Idee der „Gemeinsamen Sicherheit“. Dem Anspruch nach sollte sie eine Alternative zur Doktrin der gegenseitigen Nuklearabschreckung sein.[12] Gemeinsame Sicherheit stand in der Kontinuität sozialdemokratischer Entspannungspolitik der 1960er- und 1970er-Jahre.[13] Bahr wollte Entspannung auf militärischem Gebiet weitertreiben.[14] Unter den Bedingungen gesicherter gegenseitiger Vernichtungsfähigkeit mit Kernwaffen gelte es, ideologische Gegensätze dem Imperativ der Friedenserhaltung unterzuordnen.[15] In der Sicherheits- und Militärpolitik sollte über „Wandel durch Annäherung“, wie Bahr die Ostpolitik der SPD bereits im Sommer 1963 auf den programmatischen Begriff gebracht hatte[16], mittels Dialog, Vertrauensbildung, Kompromissen, Verhandlungen und Verträgen am Ende eine europäische Friedensordnung errichtet werden, ohne Kernwaffen und mit einem stabilen Gleichgewicht konventioneller Rüstung.[17] Unter dem maßgeblichen Einfluss Bahrs setzte sich „Gemeinsame Sicherheit“ in der Programmatik der SPD durch. Die Partei wurde in der Bundesrepublik „zum politisch einflussreichsten und wichtigsten Träger der Vorstellung“.[18]

Sigmar Gabriel

Egon Bahr und Herbert Wehner auf einer Sitzung des SPD-Parteivorstands im Mai 1977
Mit Gemeinsamer Sicherheit trieb Bahr die politische Annäherung mittels wirtschaftlicher Verflechtung mit dem damaligen Ostblock deutlich weiter als bis dahin in der Entspannungspolitik praktiziert. In einer möglichst großen wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit sah er das Unterpfand für das Gemeinsame der Sicherheit.
„Ein solches Konzept gestattet für die Wirtschaft eine Entwicklung hin zu gegenseitiger Abhängigkeit. Bei gemeinsamer Sicherheit ist eine derartige wirtschaftliche Verflechtung möglich, daß daraus zusätzlich friedensstabilisierende gemeinsame Interessen wachsen. Natürlich sind damit Sanktionen, Boykotts oder ähnlich unwirksame Bestrafungen unvereinbar.“[19]
Eine aus Verflechtung resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland war also politisch gewollt. Auch wenn Kontext und programmatische Urheberschaft der Gemeinsamen Sicherheit in Vergessenheit geraten zu sein scheinen,[20] so wurde die Politik doch von allen Bundesregierungen und den sie tragenden Parteien fortgeführt. Daher überzeugt die These vom Irrtum deutscher Russlandpolitik nicht. Hinter ihr stand Absicht, eine ursprünglich durchaus ehrenhafte, die aber niemals kritisch hinterfragt wurde.
2.2 Wirtschaftliche Interessen
Sehr viel plausibler als die These vom kollektiven Irrtum ist eine Erklärung, die in unseren Nachbarländern in leiseren Tönen, vor allem aber in den USA offen vertreten wird.[21] Danach beruhte die deutsche Russlandpolitik nicht auf einem Irrtum, sondern mindestens auf Fahrlässigkeit. Nach einer politischen Güterabwägung wurde wirtschaftlichen Interessen Vorrang vor einer „werteorientierten Außenpolitik“ eingeräumt. Die Aggressionen Russlands wurden in Kauf genommen, selbstverständlich stets unter Protest. Doch die Wettbewerbsvorteile für die deutsche Wirtschaft aufgrund preisgünstiger Energieimporte aus Russland waren einfach zu attraktiv, um diese Politik nicht auch dann noch fortzusetzen, als ihre außen- und sicherheitspolitische Schadensbilanz unübersehbar wuchs.[22]
Die deutsche Wirtschaft hat einen hohen Industrieanteil und ist ausgeprägt exportorientiert. Preiswerte Energie aus Russland war für sie wettbewerbsrelevanter als für andere Ökonomien, z. B. solche mit einem starken Dienstleistungssektor. Dieser Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt übersetzte sich in Ertragsstärke und Wachstum der Unternehmen, in hohe Beschäftigung und Wohlstand. Um diesen ökonomischen Mechanismus nicht zu gefährden, wurde gegenüber der Außenpolitik Russlands unter Putin Vorsicht und Nachsicht geübt. So wird das Veto Deutschlands (und Frankreichs) im April 2008 gegen den NATO-Beitritt von Ukraine und Georgien nachvollziehbar, ebenso wie die maßvolle Reaktion auf den ersten Überfall auf die Ukraine im Jahr 2014.
Die energiepolitische Interessenallianz zwischen dem ‚System Putin/Gazprom‘ und der ‚Deutschland AG‘ mit dem Schröder-Netzwerk wurde mittels strategischer Korruption vertieft und ausgeweitet.[23] In der Folge täuschte sich die politische Funktionselite Deutschlands mehrheitlich über den Charakter der russischen Außenpolitik hinweg. Was nicht in das von wirtschaftlichen Interessen beeinflusste Russlandbild passte, das wurde verdrängt oder wegerklärt.[24] Das fiel leicht, weil mit der Idee von der Gemeinsamen Sicherheit die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland normativ überformt waren: Sie waren nicht nur wirtschaftlich nützlich, sondern auch politisch gut und wertvoll.[25]
2.3 Enttäuschungen und Chancen
Der Unterschied zwischen Irrtum und Selbsttäuschung erscheint klein, ist aber bedeutend. Wer sich irrt, wusste es nicht besser. Wer sich hingegen selbst täuscht, hätte es besser wissen können, im Falle einer kollektiven Selbsttäuschung sogar besser wissen müssen. Ein individueller Irrtum ist allzu menschlich und leicht zu verzeihen.[26] Der politischen Funktionselite Deutschlands ist aber aufgrund der Selbsttäuschung hinsichtlich der Politik Russlands ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Sie war jahrzehntelang nicht realitätstauglich, saß einem selbstgemalten Trugbild auf, verleugnete die Interessen, denen sie diente, und beging den „schwersten und folgenreichsten Fehler der bisherigen Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland.“[27] Das ist keine Empfehlung, ihr die Verantwortung für deren Neuorientierung anzuvertrauen.[28] Allerdings wird die Enttäuschung über die Verantwortlichen für Deutschlands Russlandpolitik von der viel größeren Enttäuschung über Russlands Krieg und den Zusammenbruch der europäischen Friedensordnung überschattet, für manche gewiss eine willkommene Nebenwirkung.
Mit ihrer rechtschaffenen Empörung über Russlands monströsen „Zivilisationsbruch“[29] lenkt die Zeitenwende-Rhetorik davon ab, dass eine realistische und verantwortungsvolle deutsche Politik längst hätte erkennen müssen, dass sich Russland unter Putin schrittweise aus dem zivilisatorischen Grundkonsens verabschiedet hatte, er also gar nicht mehr bestand. Und sie hätte danach handeln müssen. Insofern ist die „andere Welt“, in der wir am 24. Februar 2022 angeblich aufgewacht sind, Legende.
Berechtigt ist die Rede von der „neuen Realität“ jedoch insoweit, als Russlands Angriffskrieg dramatische Veränderungen in Europa und darüber hinaus ausgelöst hat, denen sich alle Staaten stellen müssen und deren Ausmaß und Tragweite noch nicht absehbar sind. Vor allem das Wörtchen „aufgewacht“ in der Rede Baerbocks lässt aufhorchen. Wer aufgewacht ist, hat bis dahin geschlafen,[30] ist jetzt in der Wirklichkeit angekommen und muss sich neu orientieren. Die Ent-täuschung beim Aufwachen befreit von Trugbildern und eröffnet einen neuen, frischen Zugang zur Realität. Enttäuschungen sind auch Chancen.
3 Die Zeitenwende 1989 und ihre Folgen
Eine „andere Welt“ verlangt nach neuer Politik. Die wiederum bedarf neuer Deutungsmuster und aktueller Handlungsanleitungen. Wer nichts Geringeres ausruft als eine Zeitenwende, der fordert dazu auf, mit Politikempfehlungen aufzuwarten, die der neuen Realität gerecht werden. Seit dem 27. Februar 2022 ist die Suche nach einem neuen Paradigma eröffnet.[31] Aber wie funktioniert Sinnstiftung für diese „andere Welt“? Wie war das mit der letzten Zeitenwende? Was wurde aus ihr?
3.1 Geschichte mit Happy End?
Die letzte Zeitenwende ereignete sich vor knapp 35 Jahren. Die Auflösung des sowjetischen Herrschaftssystems führte zum Ende des Kalten Krieges, der zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre angedauert hatte. Dieses einschneidende Ereignis war im Westen herbeigesehnt und auch herbeigeführt worden. Aber sein Zeitpunkt und sein gewaltfreier Verlauf hatten selbst Experten nicht vorhergesehen.[32]
Unter dem Eindruck der sich abzeichnenden Umwälzungen sprach der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama im Sommer des Jahres 1989 von der Möglichkeit eines „Ende der Geschichte.“[33] Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei deren zugrundeliegende Ideologie ein für alle Mal diskreditiert. Es gebe keine Alternative zur Idee des Westens mehr. Der wirtschaftliche und politische Liberalismus habe triumphiert.
„Was wir möglicherweise beobachten, ist nicht bloß das Ende des Kalten Krieges oder das Vergehen einer bestimmten Periode der Nachkriegszeit, sondern das Ende der Geschichte als solcher, d. h. den Endpunkt der ideologischen Entwicklung der Menschheit und die Universalisierung der westlichen liberalen Demokratie als endgültige Form menschlicher Regierung.“[34]
Der Sieg des Liberalismus als Idee war für Fukuyama Vorbote des Sieges der liberalen Demokratie als Regierungsform. Was für die USA noch zu tun blieb, waren gewissermaßen ‚Aufräumarbeiten‘ in der Staatenwelt.
Fukuyama traf mit seiner Vision von einer Geschichte mit Happy End das damalige Lebensgefühl in den westlichen Gesellschaften. Seine steile These vom ‚Endsieg‘ des Liberalismus war höchst befriedigend. Man stand auf der richtigen Seite der Geschichte, konnte die Ängste des Kalten Krieges endlich hinter sich lassen und grundoptimistisch in eine strahlende Zukunft blicken. Der Frieden schien ausgebrochen und alles gut zu werden. Vor allem aber lieferte Fukuyama das, was jede Zeitenwende benötigt: ein grundsätzlich neues Erklärungsmuster, ein Paradigma.
Paradigmen sind Erfindungen einer relativistischen Erkenntnistheorie, die sich von der Idee einer absoluten Wahrheit verabschiedet hat und feststellt, dass Reichweite und Qualität von Erklärungen darüber entscheiden, ob sie angenommen werden, sich weiterverbreiten und das Denken und Handeln prägen.[35] Erfolgreiche Paradigmen bieten gleichzeitig eine Analyse dessen, was ist und wo wir stehen (Realanalyse), sagen, was warum zu tun ist (Programmatik) und erzählen überzeugend und anschaulich, wohin dieses Handeln führt (Narrativ). Das Ende der Geschichte taugte zugleich als Realanalyse und Standortbestimmung, als Programmatik und war vor allem eine großartige Erzählung mit Happy End. Aus diesem Grunde wurde die These vom historischen Siegeszug des Liberalismus handlungsleitend für die Außenpolitik der USA, mal konstruktiv, mal überheblich.
3.2 Der Amerikanische Friede
Die konstruktive Wendung der ‚Aufräumarbeiten‘ der USA bestand einerseits in dem Bemühen, Russland, den ehemaligen Ostblock, aber auch die Volksrepublik China als „verantwortliche Interessenträger“[36] in die liberale Weltordnung zu integrieren und damit zu deren Stützen zu machen. James Baker, Außenminister unter Präsident George H. W. Bush, formulierte das liberale Credo jener Zeit so: „Die Geschichte zeigt, dass wirtschaftliche und politische Reformen zwei Seiten derselben Medaille sind. Gibt man ihnen wirtschaftliche Freiheit, so wollen sie auch politische Freiheit.“[37]
Für Russland schnürten die G 7, die Weltbank und der Weltwährungsfonds unter Führung der USA Anfang 1992 ein 24 Milliarden-Dollar-Stabilisierungspaket.[38] Im Jahr 1998 bewahrte der Internationale Weltwährungsfonds Russland vor der Zahlungsunfähigkeit. Mit einem bilateralen Abkommen ebneten die USA im November 2006 Russland den Weg in die Welthandelsorganisation, der im August 2012 erfolgreich beendet wurde. Die Partnerschaft für den Frieden zwischen der NATO, Russland und zahlreichen Nicht-NATO-Staaten sollte zwischen einstigen Gegnern Vertrauen bilden, eine kooperative Sicherheitsarchitektur erproben und das Drängen der Osteuropäer auf NATO-Mitgliedschaft abfangen.[39]
Die Befreiung Kuwaits von seinen irakischen Besatzern im Jahr 1990 wurde von Präsident George H. W. Bush zum Musterfall für die von ihm ausgerufene „Neue Weltordnung“ gemacht, die sich durch friedliche Streitbeilegung, Solidarität gegenüber allen Aggressoren und Gerechtigkeit gegenüber allen Völkern auszeichnen sollte und in der die USA die Rolle der Garantiemacht übernahmen.[40]
In Europa machten die Balkankriege Anfang der 1990er-Jahre klar, dass sich nach der Zeitenwende 1989/90 doch nicht alles zum Guten wenden würde. Wiederum waren es die USA, die diplomatisch und militärisch eingriffen und den Krieg beendeten, nachdem die Europäer kläglich mit dem Versuch gescheitert waren, mit Diplomatie die meist von Serbien ausgehenden Aggressionen zu stoppen. Wie später im Jahre 2014 und im Februar 2022 hieß es auch damals, der Krieg sei zurück in Europa. War er denn jemals wirklich fort? Nein, sagten die Kritikerinnen und Kritiker Fukuyamas. Der Kalte Krieg sei eine Abweichung vom historischen Normal gewesen. Blockkonfrontation und Systemkonkurrenz hätten nationalstaatliche und ethnische Konflikte vorübergehend diszipliniert und zugedeckt. Nach seinem Ende tauchten sie wieder auf. Die Geschichte sei nicht am Ende, sondern wieder zurück.[41] Die Zukunft sei also nicht rosig, sondern düster, nicht friedlich, sondern gewaltreich wie eh und je.[42]
Die liberale internationale Ordnung, die sich nach Ende des Kalten Krieges unter Führung der siegreichen Supermacht USA entwickelte, wird auch als Pax Americana bezeichnet.[43] Der Begriff des Amerikanischen Friedens spielt auf die Herrschaft Roms über die gesamte damals bekannte Welt an, auf die Vergänglichkeit und auf die Doppelgesichtigkeit jeder hegemonialen Ordnung. Für diejenigen, die integriert sind und sie tragen, bringt die liberale Ordnung Sicherheit und Wohlstand. Diejenigen, die sich ihr widersetzen, werden nötigenfalls gewaltsam zur Ordnung gerufen oder niedergeworfen: keine Ordnung ohne Sanktionen. Entsprechend ambivalent ist die Rolle der Führungsmacht. Einerseits ist sie Garant, „Hüter“[44] und „Dienstleister“ der von ihr geschaffenen Ordnung. Andererseits vermag sie ihre Interessen darin leichter und umfassender durchzusetzen als andere Staaten, denn schließlich ist die Ordnung vor allem nach ihren Interessen gestaltet. Führung und Herrschaft sind schwierig zu trennen und eine Frage der Perspektive. Im Zweifelsfall kann die Hegemonialmacht ihre Interessen sogar ungestraft durchsetzen, allerdings nicht rücksichtslos. Denn auch Führungsmächte sind darauf angewiesen, dass ihnen andere Gefolgschaft leisten: keine Ordnung ohne Legitimation.
3.3 Die Krise der liberalen internationalen Ordnung
Die Krise der liberalen Weltordnung wurde zuerst als Legitimationskrise ihrer Führungsmacht USA sichtbar. Auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 reagierte sie mit einem weltweiten „Krieg gegen den Terror“, in dem sie repressive mit konstruktiven Instrumenten zu verbinden suchte. Die kostspieligen und langwierigen Bemühungen der USA und ihrer Verbündeten, im Irak und in Afghanistan islamisch-fundamentalistische Terrorismus- und Aufstandsbewegungen mit aller Härte zu bekämpfen und gleichzeitig moderne staatliche Strukturen nach westlichem Vorbild aufzubauen, scheiterten am Ende spektakulär. Bei diesem Versuch erschöpften sich die Kräfte der einzigen Supermacht USA. Ihre Reputation nahm Schaden. Das liberale westliche Modell erwies sich als nicht anwendbar auf arabisch-muslimische Gesellschaften. Außerdem erfüllten sich auch anderenorts zentrale Versprechen der liberalen Theorie nicht. Der weltweite Siegeszug des Kapitalismus führte keineswegs überall zu bürgerlichen Freiheiten, Demokratie und Frieden. In zwei sehr prominenten Fällen ging die Zauberformel vom Wandel durch Handel nicht auf.
In der Volksrepublik China entwickelte sich zwar eine wohlhabende urbane Mittelschicht. Aber insoweit Wohlstand und Bildung ihr Verlangen nach Freiheit weckte, wurde es von der Kommunistischen Partei unterdrückt. Demokratische Reformen fanden und finden nicht statt. Stattdessen zeigt das Regime nach innen totalitäre Züge und nach außen eine wachsende Gewaltbereitschaft. In Russland hat sich ein Bürgertum als Träger des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts bis heute nicht entwickelt. Russlands Wirtschaftssystem gleicht dem eines Entwicklungslandes. Sein Wohlstand hängt von Rohstoffexporten ab, wird von einer korrupten Clique um den Autokraten Putin abgeschöpft und erreicht nicht die breite Bevölkerung. Die Volksrepublik China und Russland bekämpfen Demokratiebewegungen aktiv. Darüber hinaus propagiert die Kommunistische Partei Chinas ihren autoritären Staatskapitalismus selbstbewusst als erfolgreiche Systemalternative, die den westlichen Demokratien überlegen sei. Gefährlich wird das Fehlen demokratischer Kontrolle in beiden Systemen, weil deren Herrschaftselite eine revisionistische, teilweise revanchistische Außenpolitik verfolgt.
Überaus erfolgreich war die liberale Ordnung jedoch hinsichtlich der Entwicklung der Weltwirtschaft, vielleicht zu erfolgreich.[45] Die Liberalisierung von Waren- und Kapitalmärkten ermöglichte eine stärkere internationale Arbeitsteilung. Sie ließ die Volkswirtschaften der Schwellenländer schneller wachsen als die der westlichen Industrieländer. Die „Globalisierung“ verschob die Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft. Durch einen rasanten technischen Fortschritt beschleunigt, sank die relative wirtschaftliche Bedeutung der westlichen Industriestaaten, auch die der USA.[46] Die westlichen Industriestaaten mussten sich dem Wettbewerb aus den Schwellenländern stellen und Strukturanpassungen vornehmen, was nicht immer gelang und Globalisierungsverlierer hinterließ. Der Westen und die USA wurden in dieser Hinsicht Opfer des erfolgreichen Exports ihres eigenen Wirtschaftsmodells. In den USA fanden die Globalisierungsverlierer Ausdruck und Stimme im antiliberalen, protektionistischen, fremdenfeindlichen und nationalistischen Populismus des Donald Trump.[47]
Mittlerweile finden sich in allen westlichen Gesellschaften identitäre Bewegungen und Parteien. Sie sprechen mit vergleichbaren politischen Parolen diejenigen an, die sich als Verlierer der Globalisierung sehen, sei es, weil ihre Arbeitsplätze verschwunden oder gefährdet sind, sei es, weil sie sich durch Einwandernde in ihrer kulturellen Identität bedroht fühlen. In mehreren Ländern sind nationalistische und identitäre Parteien mehrheitsfähig, in einigen an der Regierung. Aber ausgerechnet am Beispiel der Führungsmacht der liberalen internationalen Ordnung wurde unübersehbar, welch politischer Sprengstoff sich im Schatten der Globalisierung angesammelt hatte.
3.4 Ein scheiternder Staat als Führungsmacht?
Am 6. Januar 2021 stachelte der noch amtierende US-Präsident Trump nach seiner Wahlniederlage einen bewaffneten Mob an, auf das Parlament zu marschieren, um die Wahl seines Nachfolgers gewaltsam zu verhindern. Ein Putsch in der ältesten modernen parlamentarischen Demokratie? Das Unvorstellbare war greifbar nahe und wurde, so die rückblickende Beurteilung, nur durch die chaotische Vorbereitung der Putschisten selbst verhindert.[48] Der Befund ist bitter: Angesichts der Terroranschläge vom 11. September 2001 erwies sich die US-amerikanische Gesellschaft als wehrhaft nach außen und solidarisch nach innen. Zwanzig Jahre später hatte sie dem Angriff von innen gegen ihre verfassungsmäßige Ordnung wenig entgegenzusetzen. Aus den United States of America wurden innerhalb von zwanzig Jahren die Disunited States of America.[49]

Sturm aufs Kapitol am 6.1.2021
Über die Ursachen gehen die Meinungen auseinander. Der Krieg gegen den Terror habe einerseits wie eine „Schnellladesäule“ für die extreme und militante Rechte in den USA funktioniert.[50] Andererseits sei autokratischer Populismus weltweit sehr erfolgreich. Trump habe das Erfolgsmodell nachgeahmt, Putin kopiert und während seiner Amtszeit die USA auf Kurs in Richtung Autokratie gebracht.[51] Wieder andere sehen die Ursache schlicht im „maroden“ politischen System der USA.[52] Über die Folgen herrscht hingegen Einigkeit. Die Demokratie in den USA sei geschwächt, das Land anfällig für gewalttätigen Extremismus geworden[53] und reif für dezentrale, bewaffnete Aufstandsbewegungen.[54] Das größte Sicherheitsrisiko für die USA sei ihre eigene innere Zerrissenheit. In diesem Zustand könnten die USA weder Führungsmacht noch verlässlicher Partner für ihre Verbündeten sein.[55] Ein scheiternder Staat tauge nicht zur Führungsmacht.
Die offensichtliche innere Schwäche der USA ermunterte ihre Widersacher in Peking und Moskau: „Der Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 ist das dramatischste Zeichen für die Erosion liberal-demokratischer Normen gewesen, die nicht nur die Stabilität der liberalen Demokratien, sondern auch die der liberalen internationalen Ordnung bedroht. Die Tatsache, dass das liberal-demokratische Modell in einigen westlichen Demokratien zunehmend umstritten ist, hat die revisionistischen Mächte unbestreitbar ermutigt, ihre alternativen Vorstellungen sehr viel selbstbewusster anzupreisen.“[56]
Man darf wohl davon ausgehen, dass das Schauspiel vom 6. Januar 2021 Putins Risikokalkül hinsichtlich der Konsequenzen seines Überfalls auf die Ukraine beeinflusst hat. Tatsächlich offenbaren die allerersten Reaktionen der Regierung Biden am 23. und 24. Februar 2022 äußerste Zurückhaltung gegenüber Russlands Überfall auf die Ukraine.[57] Erst mit den Abwehrerfolgen der Ukraine wurde die Politik der USA robuster und sie fand in ihre Rolle als Führungsmacht zurück.[58]
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat dem von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron hirntodgesagten NATO-Bündnis neues Leben eingehaucht und den Wertekanon der westlichen Demokratien wieder relevant und verteidigungswürdig werden lassen. Damit erhalten auch die USA als Führungsmacht dringend benötigte, frische Legitimation. Doch die innere Zerrissenheit der USA schwächt ihre Außenpolitik. Seit den Kongresswahlen vom November 2022, in denen die Republikaner eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen konnten, nimmt die innenpolitische Unterstützung für die amerikanische Außenpolitik in dramatischer Weise ab. Die Republikanische Partei steht unter dem Einfluss des früheren Präsidenten Donald Trump und der Bewegung Make America Great Again (MAGA). Trump und seine Anhänger wollen nichts anderes als das Scheitern der Regierung Biden – in jeder Hinsicht. Seit Oktober 2023 gibt es keinen regulären Haushalt der Bundesregierung mehr und das Paket der Auslandshilfe für die Ukraine, für Israel und Taiwan bleibt blockiert. Die damit verbundene Beeinträchtigung der internationalen Handlungsfähigkeit der USA könnte dramatische Konsequenzen haben.
3.5 Abschied von der splendid integration
Die Bundesrepublik Deutschland hat vom Amerikanischen Frieden außerordentlich profitiert. Deshalb ist sie von dessen Niedergang besonders stark betroffen. Mit dem Kalten Krieg endete ihre permanente Kriegsbedrohung. Mit der Wiedervereinigung war das Staatsziel der Bundesrepublik erreicht und zugleich der Aufstieg zur stärksten Volkswirtschaft des europäischen Kontinents eingeleitet. Die NATO-Erweiterung verhalf Deutschland im Osten zu einem geopolitischen Glacis. Fortan war es „von Freunden umzingelt“ (Volker Rühe) und konnte eine Friedensdividende einstreichen. EU-Erweiterung und Währungsunion verschafften der deutschen Wirtschaft neue Absatz- und Zuliefermärkte, auf denen sie ihre Wettbewerbsfähigkeit ausspielen konnte. Für kaum eine Ökonomie war die internationale Handels- und Finanzmarktordnung, ein integraler Bestandteil der liberalen Weltwirtschaftsordnung, so vorteilhaft wie für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Weil es so großartig in die internationale liberale Ordnung integriert war, brachten die mehr als dreißig Jahre Pax Americana Deutschland Sicherheit und Wohlstand. Beides ist nun gefährdet.
Das Modell Deutschland muss sich in großen Teilen neu erfinden. Die Vorteile des Amerikanischen Friedens müssen möglichst in eine neue regelbasierte internationale Ordnung hinübergerettet werden. Bei der Programmatik der Zeitenwende muss nachgearbeitet und Führung nachbestellt werden, um die Worte des Bundeskanzlers aufzugreifen.
4 Auf der Suche nach dem neuen Paradigma
In der Politikwissenschaft besteht längst Einvernehmen, dass sich die liberale Ordnung in einer tiefen Krise befindet.[59] Andere sprechen schon lange davon, dass sie sich ihrem Ende zuneige.[60] Einige Vertreter sahen ihr Ende bereits vor dem Amtsantritt von Präsident Trump gekommen, einige mit ihm,[61] jedenfalls vor Ausrufung der Zeitenwende durch den Bundeskanzler.
Die Münchner Sicherheitskonferenz verzeichnet eine Reihe prominenter Stimmen aus unterschiedlichen Lagern, die sich in einem Punkt einig sind: Die internationale Politik ist in eine Umbruchphase eingetreten, in der die Weichen für die postliberale Weltordnung gestellt werden. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche und militärische Macht, sondern auch um Visionen,[62] Leitbilder, letztlich um ein neues Paradigma.
4.1 Zeitenwende globalisiert
Rechtzeitig vor dem Jahrestag seiner Regierungserklärung legte Bundeskanzler Scholz bei der Zeitenwende programmatisch nach. Er wählte dafür das Zentralorgan des außenpolitischen Establishments der USA, die Zeitschrift Foreign Affairs.[63] Mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sieht Scholz das Ende einer dreißigjährigen Periode relativen Friedens und Wohlstands für den größten Teil der Welt besiegelt. Nicht nur Europa, sondern die ganze Welt erlebe eine „epochale tektonische Verschiebung.“[64] Diese sei auf eine Phase außergewöhnlicher Globalisierung zurückzuführen, die sich allerdings abschwäche.[65] Neue Mächte hätten sich herausgebildet, alte seien zurück, insbesondere das wirtschaftlich starke und politisch selbstbewusste China.
Zentral für Scholz’ Analyse ist sein Bild einer „neuen multipolaren Welt, in der unterschiedliche Länder und Regierungsmodelle miteinander im Wettbewerb um Macht und Einfluss“ stehen.[66] Mit „Wettbewerb“ verwendet er denselben Euphemismus, wie die Nationale Sicherheitsstrategie der USA vom Oktober 2022.[67] Ausdrücklich widerspricht der Kanzler der These vom Ende der Geschichte und auch der von der Zwangsläufigkeit eines Hegemonialkonflikts zwischen den USA und der Volksrepublik China.[68] Dieser würde zu einem neuen Kalten Krieg mit Blockbildung führen, den es – so der Untertitel seines Aufsatzes – unbedingt zu vermeiden gelte. Rechtsgrundlage für die neue multipolare Ordnung soll weiterhin die Charta der Vereinten Nationen sein.
Nach Scholz’ Vorstellung fällt die neue Weltordnung inklusiver und gleichberechtigter aus als die alte. Die Bereitschaft zu Dialog und Zusammenarbeit müsse sich über die „demokratische Komfortzone“ hinaus erstrecken,[69] auch dies ein Topos aus der Nationalen Sicherheitsstrategie Präsident Joe Bidens.[70] Gleichwohl betont Scholz seine Präferenz für Demokratien und versäumt nicht, an Deutschlands historische Verantwortung dafür zu erinnern, Faschismus, Autoritarismus und Imperialismus zu bekämpfen.[71] Weite Teile seines Beitrages nutzt Scholz für einen Rechenschaftsbericht über seine Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik seit Februar 2022.
Insgesamt zeigt sich der Kanzler in seinem Aufsatz als pragmatischer und vorsichtiger Realpolitiker. Seine Aussagen zu Russland und zu den Prinzipien des Völkerrechts sind über den Westen hinaus Konsens. Jenseits dessen vermeidet der deutsche Regierungschef klare Positionierungen. Der kraftvolle, antirevisionistische Impuls aus seiner Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 ist verloren gegangen. Sein Konzept einer multipolaren Ordnung wirkt allerding blass.
4.2 Multipolarität: Zustand, Ordnung und Kampfbegriff
Scholz fällt es schwer, die Eigenschaften der von ihm beobachteten neuen multipolaren Ordnung konkreter zu beschreiben. So ähnelt sie stark der alten liberalen Ordnung, nur mit mehr Mitbestimmung und einem diverseren Vorstand. Auf wichtige Fragen gibt sein Entwurf keine Antworten: Soll das Verhältnis Europas zu den USA und zu China gleichgewichtig, tripolar und äquidistant sein? Was wird dann aus dem transatlantischen Bündnis und dem, was sich am Beispiel des Ukraine-Krieges als westliche Wertegemeinschaft[72] erweist? Wie wird in einer multipolaren Weltordnung Stabilität gewährleistet?[73] Was tun, wenn Russland und China den Appell wider die Blockbildung nicht beherzigen, ihre „strategische Partnerschaft“ vertiefen, um den Iran, Nordkorea, Belarus, Syrien und andere zu einer ‚Internationale der Autokratien‘ erweitern und die westlichen Demokratien mit horizontaler Eskalation in einem hybriden Krieg in Atem halten? Der Bundeskanzler vermag dem, was er nach der Zeitenwende kommen sieht, einen Namen, eine Struktur und eine Rechtsgrundlage zu geben, aber keine Richtung, kein Programm und keine Strahlkraft. Die multipolare Ordnung des Kanzlers bleibt eine Kreatur ohne Eigenschaften und Antrieb.
Andere verwenden „Multipolarität“ hingegen klar als politischen Kampfbegriff. Im rhetorischen Arsenal der chinesischen Staats- und Parteiführung steht er neben dem „internationalen Kräftegleichgewicht“ und den Warnungen vor „Hegemonie“, „Blockbildung“ und einer „Mentalität des Kalten Krieges.“[74] Diese Begriffe sollen gegen die USA mobilisieren und deren Führungsrolle delegitimieren. In gleicher Absicht verwendet Putin den Begriff „Multipolarität.“ In Russlands Überfall auf die Ukraine sieht er „den Anfang eines radikalen Zusammenbruchs der US-Weltordnung und den Übergang von einer liberal-globalistischen, egozentrisch amerikanischen zu einer wahrhaft multipolaren Welt.“[75] Gemeinsam mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping fordert Putin eine „gerechtere, multipolare Weltordnung.“[76] Das neue Konzept für die Außenpolitik der Russischen Föderation vom 31. Januar 2023 führt nicht nur die „multipolare Welt“ gegen die „Hegemonie“ der USA und ihrer „Satelliten“ ins Feld. Sie nimmt außerdem an der „regelbasierten Ordnung“ Anstoß,[77] welche die Nationale Sicherheitsstrategie der Regierung Biden, die Münchner Sicherheitskonferenz und der Bundeskanzler als Minimalausstattung für eine postliberale Weltordnung ansehen. Indem der Bundeskanzler sich dem Ziel einer multipolaren Weltordnung verschreibt und vor einem neuen Kalten Krieg und neuer Blockbildung warnt, macht er sich rhetorisch mit Putin und Xi Jingping gemein und Front gegen die USA. Unter dem Gesichtspunkt der politischen Kommunikation kann das nur in die Irre führen.
Als analytische Kategorie hat Multipolarität ihre Schwächen. Gegenüber der Bipolarität des Kalten Krieges und dem „unipolaren Moment“[78] der USA unmittelbar nach dessen Ende, beschreibt Multipolarität einen eher unspektakulären Normalzustand der Staatenwelt. Damit daraus eine Ordnung entstehen kann, kommt es auf die Beziehungen der stärksten Mächte zueinander und zu den Mächten zweiter und dritter Ordnung an. Zwischenzeitlich wurde Scholz’ Skizze einer multipolaren Weltordnung politikwissenschaftlich unterfüttert und zum Modell ausgearbeitet. Herfried Münkler sieht für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts als wahrscheinlichste Ordnung eine Pentarchie aus den Vormächten USA, EU, China, Russland und Indien an, jeweils mit eigenen Einflusszonen. In diesem Fünfersystem könne sich jedoch auf Grundlage des Gegensatzes zwischen demokratischen Rechtsstaaten und autoritären Regimen eine bipolare Konstellation entwickeln.[79] Eben diese Möglichkeit trieb Scholz in seinem Foreign Affairs-Aufsatz um, für den er den Untertitel wählte: „How to Avoid a New Cold War in a Multipolar Era.“
4.3 Alte kalte und neue heiße Kriege
Der Bundeskanzler warnt vor einem neuen Kalten Krieg aus Sorge, die EU könne in einer weltumspannenden Konfrontation zwischen den USA und China auf der Strecke bleiben. Scholz’ multipolare Ordnung ist als Chiffre für den Anspruch der Europäischen Union zu verstehen, in einer postliberalen Ordnung ein Machtzentrum von ähnlicher Qualität sein zu wollen wie die USA und China.[80] Die zentrale Frage laute: „Wie können wir als Europäer und als Europäische Union in einer zunehmend multipolaren Welt unabhängige Akteure bleiben?“[81] Die Antwort fällt zwar nicht klar und deutlich aus, besteht aber für Scholz in einem stärkeren Europa, in dem Deutschland die Rolle der Führungsmacht übernimmt.[82]
Doch dieser Anspruch wird bestritten.[83] Die immer engere Union ist von einigen Mitgliedstaaten nicht gewollt, sondern stattdessen ein Bund von Nationalstaaten mit gemeinsamem Binnenmarkt, Transfermechanismus und Deutschland als zahlungsbereitem Geberland. Die verhängnisvolle Russlandpolitik der Bundesrepublik Deutschland hat bei ihren osteuropäischen Verbündeten Vorbehalte und latentes Misstrauen hinterlassen, die mit der Ausrufung der Zeitenwende nicht ausgelöscht sind. Vielmehr tut sich Deutschland erkennbar schwer damit, dem eigenen Anspruch auf die Rolle der europäischen Führungsmacht gerecht zu werden. Ob bei den zögerlichen Rüstungslieferungen an die Ukraine, dem Zwei-Prozent-Ziel für die Verteidigungsausgaben, das bestenfalls „im mehrjährigen Durchschnitt“[84] erreicht werden soll, oder mit ‚the German vote‘ in den EU-Gremien: Eine Führungsmacht handelt anders. Zudem entfernt sich die Vision von einem integrierten und harmonischen Europa immer weiter von der Realität, in der Autokraten mit am Tisch sitzen und sich ihr Veto mit Milliardentransfers abkaufen lassen.
Die Warnung vor einem neuen Kalten Krieg klingt merkwürdig angesichts des heißen Krieges, der aktuell in der Mitte Europas tobt. Damals war die Sowjetunion faktisch eine Status-quo-Macht. Heute verfolgt Putins Russland eine aggressiv revisionistische Politik, die Scholz in seiner Zeitenwende-Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 ganz zu Recht anprangerte. In der UdSSR traf ein mehrköpfiges Politbüro die wichtigsten Entscheidungen. Heute ist es der Alleinherrscher Putin, der an der Spitze einer mafia-ähnlichen Organisation steht, die den Staat kontrolliert und sich dabei bereichert. Im Kalten Krieg wurden Verträge geschlossen, überwacht und im Wesentlichen eingehalten. Außerdem gab es ungeschriebene Regeln, um das Risiko eines heißen Krieges zu kontrollieren. Heute bricht Russland bedenkenlos Verträge und verachtet die Normen des humanitären Kriegsvölkerrechts, sodass keine Vertrauensbasis mehr besteht. Und mit dem Risiko nuklearer Eskalation und der Angst vor ihr treibt Putin sein Spiel. Während der Kalte Krieg Demarkationslinien, Pufferzonen und Stellvertreterkriege kannte, werden heute Grenzen verletzt, aufgeweicht, überschritten und ausgelöscht.[85] Verglichen mit dem aggressiven Revisionismus von heute, weist der Kalte Krieg durchaus stabilisierende Elemente auf.
Prüft man diesen Kriterienkatalog für die Volksrepublik China durch, fällt das Ergebnis ähnlich beunruhigend aus, nur, dass der Krieg gegen Taiwan nicht erklärt, sondern lediglich angedroht und vorbereitet wird. Vor diesem Hintergrund lässt die Vorstellung aufhorchen, die EU könne eine von den USA „unabhängige“ Rolle spielen und der befürchtete neue Kalte Krieg eine Angelegenheit zwischen den USA und der Volksrepublik China sein. Die Warnung des Kanzlers vor einem neuen Kalten Krieg wirkt unpassend, weil überholt von einer gefährlicheren Entwicklung, in der revisionistische Autokratien Demokratien ihr Existenzrecht aktiv bestreiten[86] und die sich vor unseren Augen in einem heißen „Präventivkrieg gegen Freiheit und Demokratie“[87] in der Ukraine entlädt: dem Systemkonflikt zwischen Autokratie und Demokratie. Darin sind Deutschland und die EU aber nicht mahnende Zuschauer auf einer „unabhängigen“ Position, sondern Partei.
4.4 Systemkonflikt zwischen Autokratie und Demokratie
Außenministerin Baerbock sah bereits am 18. März 2022 einen Konflikt zwischen der regelbasierten internationalen Ordnung auf Grundlage der liberalen Idee auf der einen und autoritären Regimen auf der anderen Seite.[88] Am 19. Oktober 2022 war für sie „klar, dass wir in einem hybriden Krieg sind, dass wir in einem Wettstreit zwischen den Systemen sind, zwischen Demokratien und autoritären Regimen.“[89] Deshalb müsse sich Deutschland auch außerhalb von Europa dem „Wettbewerb“ mit autoritären Regimen stellen. Ausdrücklich stellte die Außenministerin den Bezug zur Volksrepublik China her.[90] Dies war eine deutlich andere Sicht der Situation als die von Bundeskanzler Scholz in Foreign Affairs vorgestellte. Die programmatischen Differenzen zwischen Außenministerin und Regierungschef lagen offen zutage. Die Nationale Sicherheitsstrategie versuchte sie mit einem Formelkompromiss zu bewältigen. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sei „wertebasiert und interessengeleitet.“ In ihr heißt es: „Bei der Verteidigung unserer Werte und Durchsetzung unserer Interessen müssen wir uns Zielkonflikten stellen, die politische Abwägungen erfordern.“[91] Statt integrierte Sicherheit zu liefern, wie ihr Titel beanspruchte, versprach die Nationale Sicherheitsstrategie Einzelfallentscheidungen der Bundesregierung, die zwischen Werten und Interessen ermessensfehlerfrei abwägen. In der Regierungspraxis bildete sich eine Arbeitsteilung heraus, in der sich die grüne Außenministerin für die Wertebasis engagierte und der sozialdemokratische Regierungschef die nationalen Interessen vertrat.[92]


Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock
Die Nationale Sicherheitsstrategie der US-Regierung vom Oktober 2022 machte den Systemkonflikt, gegen den Scholz an argumentiert, zu ihrem Leitthema. Sie benennt klar, dass es dabei um den Erhalt der internationalen Ordnung geht.[93] Sehr deutlich wird in ihr der Zusammenhang zwischen innerer Staatsverfassung und aggressiver Außenpolitik hergestellt: „Die drängendste Herausforderung […] stellen Mächte dar, die auf ihr autoritäres Regime noch eine revisionistische Außenpolitik setzen“, also Russland und die Volksrepublik China.[94]
Die Münchner Sicherheitskonferenz griff den Systemkonflikt zwischen Autokratien und Demokratien im Einleitungskapitel „Re:vision“ ihres Munich Security Report 2023 auf. Mehrdeutig ist dort von einem „Revisionistischen Moment“ die Rede, einem Motiv und Impuls oder einer bedeutsamen Entwicklung, die sich aber – so die optimistische Interpretation – als vorübergehender historischer Augenblick erweisen könnte.[95] Diejenigen, die das Systemische an der Konfliktkonstellation betonen, stellen einen historischen Vergleich an, der es in sich hat.
4.5 Die Zwanzigjährige Krise
Wolfgang Schäuble verglich Putins Überfall auf die Ukraine mit Hitlers Einmarsch in die Tschechei.[96] Der Generalstabschef Großbritanniens sprach vom Jahr 2022 als „unserem Jahr 1937: Wir befinden uns nicht im Krieg. Aber wir müssen schnell handeln, damit wir nicht in einen hineingezogen werden, weil wir es versäumen, territorialer Expansion Einhalt zu gebieten.“[97] Colin Kahl, Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, zog denselben Vergleich: „Wir haben schon einmal in einer solchen Welt gelebt: Man nannte sie die 1930er-Jahre. Und es endete im katastrophalsten weltweiten Konflikt der menschlichen Geschichte.“[98]
Die Analogie zu den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts wirkt deshalb treffend, weil sie die innere und die äußere Dimension des Systemkonfliktes zusammen denkt und abbildet. So warnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede zum Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 2022:
„Der Angriff auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf die Idee der liberalen Demokratie und auf die Werte, auf denen sie gründet: Freiheit, Gleichheit, die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde. Dieser Krieg macht uns auf brutale Weise klar, dass wir unsere Demokratie schützen und verteidigen müssen – nach innen und nach außen!“[99]
Die US-Politikwissenschaftler Alexander Cooley und Daniel Nexon zogen den Vergleich zur „Zwanzigjährigen Krise“ zwischen den Weltkriegen, als Inflation und Wirtschaftskrise an den Rändern des politischen Spektrums ultranationalistische, faschistische und sozialrevolutionäre Massenparteien entstehen ließ. An die Macht gekommen, verfolgten diese Kräfte eine repressive und rassistische Innenpolitik und eine aggressive und revisionistische Außenpolitik, mit der sie die liberale internationale Ordnung von damals Stück für Stück zerstörten.[100]

Am 18.2.1943 rief Propagandaminister Goebbels im Berliner Sportpalast den „totalen Krieg“ aus
„Die Zwanzigjährige Krise“ lautete der Titel des Buches des britischen Diplomaten und Historikers Edward Hallet Carr, das am Vorabend des Zweiten Weltkriegs erschien.[101] Es gilt heute als Standardwerk der modernen Realistischen Theorie der Internationalen Beziehungen.[102] Carr warf der damals herrschenden Liberalen Theorie Machtvergessenheit vor. Die westlichen Demokratien täuschten sich, wenn sie die internationale Rechtsordnung als von den politischen Kräfteverhältnissen zwischen den Staaten losgelöst ansähen. Werte und Ideale könnten nicht bestehen, ohne das Interesse und die Macht, sie zu verteidigen. Wenn die westlichen Demokratien nicht bereit oder in der Lage seien, die internationale Ordnung anzupassen oder gegen die revisionistischen Mächte zu schützen, werde sie fallen. Doch welche politischen Strategien gegen revisionistische Mächte gibt es?
4.6 Strategien gegen revisionistische Mächte
Von einer hohen Abstraktionsebene aus betrachtet fällt die Antwort leicht. Analytisch lassen sich drei Reaktionsmöglichkeiten unterscheiden. Man kann versuchen, den Revisionisten ihre Ansprüche abzukaufen. Um ihre Ansprüche zu befriedigen, kann man ihnen Zugeständnisse machen, beispielsweise territoriale. Oder man kann versuchen, revisionistische Mächte durch Androhung und Anwendung militärischer Gewalt von der Durchsetzung ihrer Ansprüche abzuhalten.[103]
In der konkreten politischen Praxis wird es schwieriger. Die beträchtlichen Wohlstandstransfers nach Russland haben das Regime Putin von seiner aggressiv revisionistischen Außenpolitik nicht abgehalten, sondern zu deren Finanzierung beigetragen. In der Volksrepublik China ist die politische Strategie des Wandels durch Handel gescheitert. Das Primat der Politik vor der Ökonomie wird von der Partei- und Staatsführung durchgesetzt und wirtschaftliche Macht zum Mittel der Außenpolitik gemacht. Die Strategie des Abkaufens war nicht erfolgreich.
Sieht man im Veto Deutschlands und Frankreichs gegen den NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens im Jahr 2008 und im Minsker „Friedensprozess“ nach 2014 den Versuch, den Revisionswünschen und Sicherheitsbedürfnissen Russlands entgegenzukommen, so ist er spätestens am 22. Februar 2022 gescheitert. Liegt die Ursache für Aggression und Krieg indes im großrussisch-imperialistischen Geschichtsbild und in der faschistoiden Ideologie der Clique um Putin, so könnte Zurückhaltung sogar als Schwäche ausgelegt worden sein und zur Aggression ermuntert haben.[104] Betrachtet man die Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China unter der Bedingung „Ein Land, zwei Systeme“ als den Versuch, berechtigte territoriale Revisionswünsche zu erfüllen, ohne das liberale politische System der ehemaligen Kronkolonie preiszugeben, so zeigt dessen brutale Gleichschaltung, dass die Partei- und Staatsführung in Peking in Systemfragen keine Kompromisse akzeptiert. Putin erhebt Anspruch auf die von der Sowjetunion seit 1945 ‚verlorenen‘ Gebiete. Für die Führung in Peking ist der Anschluss Taiwans nur eine Frage der Zeit, aber nicht verhandelbar. Die Strategie der Anerkennung revisionistischer Ansprüche führt nicht zuverlässig zu deren Befriedigung, sondern birgt die Gefahr, sie sogar zu verstärken.

Proteste gegen die Abschaffung der Demokratie in Hongkong auf der Harcourt Road am 12.6.2019
Verlegen sich die Demokratien hingegen auf militärische Abschreckung und Abwehr, so begeben sie sich auf ein Terrain, auf dem Autokratien und Diktaturen natürliche Vorteile genießen. Putins Drohungen mit taktischen Atomwaffen und die Friedensappelle deutscher Intellektueller zeigen das. Die hohen Kosten, Unwägbarkeiten und Risiken von Gewaltpolitik sind aus dem Kalten Krieg in lebhafter und schlechter Erinnerung, aber auch, wie schwierig es ist, in Wohlstandsgesellschaften Wehrhaftigkeit innenpolitisch zu legitimieren.
Und doch befinden wir uns bereits genau auf diesem Weg, weil Integrationsangebote, das Abkaufen von Ansprüchen und Befrieden durch Zugeständnisse bei den Autokratien nicht verfangen haben. Die Alternativen sind uns ausgegangen. Aus dem Vergleich der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA vom Oktober 2022 mit dem Konzept für die Außenpolitik Russlands von Ende März 2023 ist deutlich abzulesen, dass der Staatenkonflikt von einem Werte- und Systemkonflikt angetrieben wird. Die politischen Systeme Demokratie und Autokratie schließen sich wechselseitig aus. Dies in seiner ganzen Konsequenz zu begreifen, fällt vielen in Politik und Gesellschaft immer noch schwer, selbst zwei Jahre nach Ausrufung der Zeitenwende. Wenn wir den Systemkonflikt nicht annehmen, besonnen und ernsthaft, und das verteidigen, was die liberale Demokratie ausmacht, so riskieren wir tatsächlich, in einer „anderen Welt“ aufzuwachen.
5 Schlussbemerkung
Die am 27. Februar 2022 ausgerufene Zeitenwende schien als Paradigma für die postliberale Weltordnung geeignet. Sie brachte die Realanalyse auf einen zündenden Begriff, rüttelte auf, mobilisierte und benannte, was zu tun ist. Programmatisch und als Narrativ wirkte sie knapp geraten und weckte Erwartungen nach mehr. Diesen Erwartungen wurden die „globale Zeitenwende“, die der Bundeskanzler Anfang des Jahres 2023 in Foreign Affairs ableitete und die verspätete Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung vom Juni 2023 nicht gerecht. Die Chance wurde vertan, an den antirevisionistischen Impuls vom Februar 2022 anzuknüpfen und die Zeitenwende programmatisch und kommunikativ zum neuen Paradigma für die postliberale internationale Ordnung auszubauen. Damit verstrich zugleich die Gelegenheit für eine neue deutsche Außen- und Sicherheitspolitik aus einem Guss. Auf der einen Seite skizziert der Bundeskanzler eine multipolare Weltordnung, die zuallererst einen neuen Kalten Krieg vermeiden soll. Auf der anderen Seite spricht die Außenministerin von einem Systemkonflikt zwischen Demokratien und revisionistischen Autokratien. Beides bleibt unvermittelt nebeneinanderstehen. So ist weder der Bevölkerung begreiflich zu machen, was auf dem Spiel steht und warum außen- und sicherheitspolitisch in welche Richtung umgesteuert werden muss, noch lässt sich so ein Führungsanspruch in Europa untermauern.
Dabei wäre es darauf angekommen, Werte und Interessen programmatisch zu integrieren, um unter erschwerten Bedingungen strategisch und operativ politisch handlungsfähig zu sein. Die westlichen Demokratien haben an militärischer, ökonomischer und ideologischer Kraft eingebüßt und sind genötigt, sich autoritären Angriffen auf ihre politische Ordnung zu erwehren. Sie sind in der Defensive und gezwungen, mit ihren Kräften zu haushalten. Es müssen Prioritäten gesetzt werden. Dafür muss man sie zunächst formulieren.
Der Systemkonflikt zwischen Autokratien und Demokratien taugt ebenfalls nicht als neues Paradigma, weil er als Realanalyse zu undifferenziert, programmatisch unausgereift und kommunikativ sperrig ist. Nicht jede Autokratie sieht sich im Lager der Großmächte Russland und China. Nicht alle Autokratien erheben territoriale Ansprüche gegen ihre Nachbarn. Und obwohl sie beide autokratische und revisionistische Großmächte sind, muss zwischen Russland und China differenziert werden. Während China regionale und globale Machtambitionen hat und über die Machtmittel verfügt, um sie zu verfolgen, hat Russland zwar vergleichbare Ambitionen, bleibt aber wirtschaftlich und zivilisatorisch erheblich hinter China zurück und ist deshalb eine regionale Macht, die eher als Juniorpartner Chinas betrachtet werden muss.
Bei der Arbeit an einem Paradigma für die postliberale internationale Ordnung kann der Vergleich mit der „Zwanzigjährigen Krise“ von 1919 bis 1939 hilfreich sein. Er erinnert daran, dass aggressive und revisionistische Außenpolitiken von Autokratien und Diktaturen verfolgt werden und dass es stabiler und wehrhafter Demokratien bedarf, um eine liberale Weltordnung zu schützen und zu verteidigen. Der historische Vergleich liefert zudem ein Kriterium, wann es dafür höchste Zeit ist: nämlich dann, wenn territoriale Ansprüche gewaltsam durchgesetzt werden und Staaten ihre Souveränität abgesprochen wird. Schließlich mahnt die Analogie was auf dem Spiel steht, sollte die Krisenbewältigung scheitern.
Ein „demokratischer Antirevisionismus“ könnte den programmatischen Kern des Paradigmas für eine postliberale internationale Ordnung bilden. Es geht darum, zum einen gewaltsame Veränderungsversuche von revisionistischen Mächten zurückzuweisen und zum anderen die regelbasierte internationale Ordnung den neuen Verhältnissen anzupassen. Die postliberale internationale Ordnung wird aber ihrem Anspruch nach keine Weltordnung mehr sein. Es wird notwendig werden, den geografischen Wirkungsbereich der liberalen internationalen Ordnung erst einmal auf die weitere westliche Welt zu beschränken, gleichzeitig aber nach Wegen zu suchen, wie sie für andere Staaten attraktiv zu halten ist.
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- Zermürbung durch Mehrfrontendruck: Wie die Achse der Autokratien die westliche Allianz in die Knie zwingen will
- Der lange Schatten der Standardisierung in Allianzen – technologische Pfadabhängigkeit, strategische Tiefe und globaler Rüstungsmarkt
- Die sicherheitspolitische Bedeutung von Weltraum und NewSpace im Ukraine-Krieg – politische Implikationen für die militärische und kommerzielle Raumfahrtnutzung
- Kurzanalyse
- It’s Geopolitics, Stupid!? – Zehn Thesen über den Zusammenhang zwischen Geopolitik und Wirtschaft
- Ergebnisse internationaler strategischer Studien
- Bilanz von Chinas Seidenstraßeninitiative
- International Institute for Strategic Studies: China’s Belt and Road Initiative. A Geopolitical and Geo-economic Assessment. London: IISS (Strategic Dossier), November 2022
- Bradley C. Parks/Ammar A. Malik/Brooke Escobar/Sheng Zhang/Rory Fedorochko/Kyra Solomon/Fei Wang/Lydia Vlasto/Katherine Walsh/Seth Goodman: Belt and Road Reboot. Beijing’s Bid to De-Risk Its Global Infrastructure Initiative. Williamsburg, Va.: AidData – a Research Lab at William and Mary, November 2023
- Lehren aus dem Ukraine-Krieg
- Jack Watling/Nick Reynolds: Russian Military Objectives and Capacity in Ukraine Through 2024. London: Royal United Services Institute, Februar 2024
- Sam Greene/Elina Beketova/Elena Davlikanova/Olya Korbut/Federico Borsari/Mathieu Boulègue/Lera Burlakova/Ben Dubow/Aura Sabadus/Katia Glod/Olena Pavlenko/Pavel Luzin/Oleksandr Moskalenko/Volodymyr Dubovyk/Vitalii Dankevych/SaraJane Rzegocki: Containing Russia. Securing Europe. Washington, D.C.: Center for European Policy Analysis (CEPA), Januar 2024
- Buchbesprechungen
- Carlo Masala: Bedingt abwehrbereit. Deutschlands Schwäche in der Zeitenwende. C. H. Beck: München 2023, 207 Seiten
- Ed Conway: Material World. Wie sechs Rohstoffe die Geschichte der Menschheit prägen. Hamburg: Hoffmann und Campe: 2024, 544 Seiten
- Mike Martin: How to Fight a War. London: Hurst & Company 2023, 249 Seiten
- Bücher von gestern – heute gelesen
- George Friedman: The Next 100 Years. A Forecast for the 21st Century. Anchor Books/Random House: New York 2010, 253 Seiten
- Bildnachweise