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Heather A. Conley and Matthew Melino: An Arctic Redesign. Recommendations to Rejuvenate the Arctic Council. 2016.

  • Martin Eduard Debusmann EMAIL logo
Published/Copyright: June 12, 2017

Heather A. Conley und Matthew Melino, beide im European Program des CSIS beschäftigt und mit Arktisthemen betraut, stellen in ihrer Studie ihre Empfehlungen für Veränderungen anlässlich des zwanzigsten Jubiläums des Arktischen Rats vor. Der Arktische Rat wurde 1996 als informelle Austauschplattform ohne politisches Mandat ins Leben gerufen, um gemeinsame Maßnahmen zum Schutz der arktischen Umwelt und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklungschancen zu entwickeln. Bis heute besteht er aus acht Mitgliedsstaaten (Dänemark mit Vertretungsmacht auch für Grönland und die Färöer, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden, USA), denen das Stimmrecht alleinig zusteht. Sowohl seine Funktion und seine Rolle wie auch die Zahl der weiteren so genannten Ständigen Teilnehmer und Beobachter haben sich seit Gründung jedoch stark verändert. Dieses nehmen Conley und Melino zum Anlass, die Figur des Arktischen Rates zu hinterfragen.

Die Gründe für eine Veränderung des Arktischen Rates sind für die Verfasser vielfältig. Zum einen nähmen die weltweiten Klima- und Umweltveränderungen dramatisch und immer schneller zu und würden am stärksten in der Arktis bemerkbar. Dieses fordere den Arktischen Rat in einem Maße, wie es bei seiner Gründung nicht vorhergesehen war. Gleichzeitig werde beispielsweise durch das Ansteigen des Meeresspiegels die Themenwelt des Arktischen Rates nun auch für Insel- und Küstenstaaten außerhalb der Arktis interessant. Weitere Staaten zeigten neues Interesse an der Bedienung neuer Seefahrtsrouten und Fischereigebieten oder an dem Abbau von Ressourcen und Mineralien, was durch das Abschmelzen der Polkappen möglich würde. Dieses hätte u. a. dazu geführt, dass sich zu den ursprünglich vier Beobachterstaaten (Polen, Deutschland, Großbritannien, die Niederlande) weitere acht hinzugesellt und zusätzliche drei den Antrag auf Aufnahme gestellt hätten. Die neue Zahl an Beobachtern stelle den Arktischen Rat zunehmend vor Koordinations-, Fokussierungs- und auch diplomatische Probleme. Die Weigerung der an sich schon exotischen Beobachterstaaten Indien und China, das GLACIER Abschlussdokument zur Reduzierung der Erwärmung der Arktis mitzuunterzeichnen, stelle dieses besonders deutlich dar, so Conley und Melino. Zunehmend würden sich auch NGOs betätigen und damit die Anzahl der Akteure weiter erhöhen. Sie stünden dabei oftmals in gegenseitiger Konkurrenz (z. B. Umweltschutz vs. Stärkung der Wirtschaftsleistung und der Stellung der indigenen Völker), was das Konfliktpotential im Arktischen Rat erhöhe.

Neben äußeren Faktoren sähe sich der Arktische Rat aber auch mit hausgemachten Problemen konfrontiert. Zwar sei mittlerweile ein ständiger Sitz in Tromsø geschaffen, die interne Aufgabenverteilung und Kompetenzregelung aber nicht angetastet worden. Das Zusammenspiel von Senior Arctic Officials, Arbeitsgruppen, Task Forces und Expertenrunden sei komplex und nur bedingt koordiniert. Berichte würden selten gelesen, hätten wenig Aufmerksamkeit und schlössen oft ohne Empfehlungen für die politische Ebene ab. Wesentliche Zusammenkünfte zu arktischen Themen würden nicht unter dem Label des Arktischen Rates abgehalten.

Laut den Verfassern habe der Arktischer Rat sich erfolgreich als Forum der Zusammenarbeit in Umweltschutzthemen, allerdings weniger in ökonomischen Belangen erwiesen. Dieses habe darin gemündet, dass zwei rechtlich bindende Verträge (das „Agreement on Cooperation on Aeronautical and Maritime Search and Rescue in the Arctic – SAR Agreement“ von 2011 sowie das „Agreement on Cooperation on Marine Oil Pollution, Prepardness and Response in the Arctic – OPPRA“ von 2013) zwar unter Nutzung der Rahmenbedingungen des Arktischen Rates verhandelt worden seien, aber eben gerade keine Dokumente des Arktischen Rates darstellten. Gleichzeitig hätten sich zwei neue Institutionen formiert – der Arctic Economic Council (AEC) im Jahr 2014 und das Arctic Coast Guard Forum (ACGF) im Jahr 2015, die zwar in enger Kooperation mit dem Arktischen Rat stünden, gleichzeitig diesen aber in seiner Funktion unterminierten, Forum für alle Arktisthemen zu sein. Sicherheits- und geopolitische Fragestellungen seien zudem vom Arktischen Rat überhaupt nicht adressiert.

Conley und Melino schlagen zur Bewältigung dieser Herausforderungen Reformen in vier unterschiedlichen Ansätzen vor: (1) Die geringste Reform sei die der unterlassenen Instandhaltung („Deferred Maintenance“). Dabei verfolge man die Annahme, dass der Arktische Rat gut funktioniere und die Zusammensetzung und Struktur im Wesentlichen beibehalten werden könnten. Reformmöglichkeiten würden daher maßgeblich analysiert, aber nicht umgesetzt. (2) Die zweite Stufe mit leichten Reparaturen („Minimal Repairs“) baue darauf auf, den Arktischen Rat zu einer „policy making institution“ zu entwickeln. Dazu müsste die Rolle der Beobachter überdacht und zum Beispiel ein regionales Rotationsprinzip eingeführt werden. Eine Begrenzung der Anzahl der Beobachter oder deren Teilhabe an der Arbeit des Arktischen Rates halten die Verfasser für kontraproduktiv. Vielmehr müssten Regeln zur finanziellen Beteiligung, der Umsetzung von Vorschlägen und zum Einhalten eines Verhaltenskodex aufgestellt und Pflichtverstöße von Teilnehmern und Beobachtern direkt und offen angesprochen werden („naming and shaming“). Die Arbeitsgruppen seien von sechs auf vier zu reduzieren und zu „Mega-Arbeitsgruppen“ umzuformen. Die Verfasser halten dieses Reformmodell für das wahrscheinlichste, das während des finnischen Vorsitzes im Arktisches Rat (2017–2019) angegangen werden könnte. Ein dritter Ansatz (3) sei die Aufteilung von Kompetenzen („Subdivide: Hub and Spoke“). Dabei würde sich der Arktische Rat auf seine ursprüngliche Aufgabe der Bewältigung von Umweltthemen konzentrieren und ökonomische und geo- oder sicherheitspolitische Themen an andere Institutionen (wie an den Arctic Economic Council oder das Arctic Coast Guard Forum) abgeben, ohne diese selbst zu behandeln. Die komplette Neuausrichtung („Complete Redesign“) des Arktischen Rates als vierte Option (4) könne zur Schaffung einer „Arctic Security and Cooperation Organisation (ASCO)“ führen, deren Rolle der der OSCE ähnele. Diese Organisation würde alle arktischen Themen bedienen und damit auf wirtschaftliche Entwicklung, Umwelt- und gesellschaftliche Themen und Sicherheitspolitik abstellen.

Jede dieser Veränderungen käme mit Vor- und Nachteilen, und derzeit seien die acht Mitgliedsstaaten uneinig darüber, wie weiter zu verfahren sei. Reformen müssten allerdings von allen Mitgliedsstaaten angenommen werden; Conley und Melino sehen daher trotz Notwendigkeit für weitreichende Reformen nur geringen Spielraum. Sie warnen, rein reaktive Maßnahmen würden die Bedeutung des Arktischen Rates verringern. Würden allerdings relevante Veränderungen umgesetzt, könnte er seine Rolle als arktisches Forum für die wichtigsten Beteiligten sowohl des Öffentlichen wie Privaten Sektors behaupten und die vielfältigen Problemstellungen konzertiert als „Global Arctic“ angehen, so die Verfasser.

https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/legacy_files/files/publication/160302_Conley_ArcticRedesign_Web.pdf

Online erschienen: 2017-6-12

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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