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Praktische Handreichungen, Rückblenden und Spekulationen

International Indexing Conference vom 17. bis 18. Oktober 2022 in Berlin
  • Marlies Ockenfeld ORCID logo EMAIL logo
Published/Copyright: February 7, 2023

Unter dem Motto „Continental Connections“ fand vom 17. bis 18. Oktober 2022 in Berlin, und damit erstmals in Deutschland, die International Indexing Conference statt. Sie wurde inhaltlich vom deutschen und dem niederländischen Netzwerk der Indexer sowie der britischen Society of Indexers ausgerichtet und administrativ von der DGI und ihrer Fachgruppe Register und Indexing betreut. Die hybride englischsprachige Konferenz war von Leichtigkeit, einem spürbaren Zusammenhalt unter den Indexern, freundschaftlichem Miteinander, Aufmerksamkeit und Wertschätzung geprägt. Der vor Ort anwesende Teilnehmerkreis war international, mit Gästen und Vortragenden aus Europa (Dänemark 1, Deutschland 10, Niederlande 7, Schweiz 1, UK 9,), Nordamerika (Kanada 7, USA 3) und zwei aus Australien. Online zugeschaltet waren 50 weitere Personen, darunter zusätzlich Vortragende aus Asien (VR China). Das Programm bot eine abwechslungsreiche und inspirierende Mischung aus praktischen Tipps für die Erarbeitung eines Registers bis hin zu historischen Betrachtungen und Visionen über die Zukunft des Publizierens und Rezipierens von Wissen und die Rolle der Indexierung dabei. Im Chat fand ein lebendiger Austausch zu den in den Vorträgen und Diskussionsbeiträgen in Berlin aufgeworfenen Fragen statt.

Der Vorabend der Konferenz war dem alle drei Jahre stattfindenden Treffen des International Committee of Representatives of Indexing Societies (ICRIS) gewidmet, auf dem die Zusammenarbeit der Indexing-Gesellschaften und -Netzwerke erörtert und ihre Regularien fortgeschrieben wurden.

Caroline Diepeveen vom Organisations- und Programmkomitee und DGI-Präsidentin Monika Hagedorn-Saupe eröffneten die Tagung.

Abb. 1: Das Organisationsteam der Berliner Indexing Conference (v.l.) Caroline Diepeveen, Niederlande, Katarina Munk, Deutschland, Ann Kingdom, Großbritannien, Walter Greulich, Deutschland, Pieke Bosschieter, Niederlande.
Abb. 1:

Das Organisationsteam der Berliner Indexing Conference (v.l.) Caroline Diepeveen, Niederlande, Katarina Munk, Deutschland, Ann Kingdom, Großbritannien, Walter Greulich, Deutschland, Pieke Bosschieter, Niederlande.

Ursprünge und Zukunftsszenarien

Im Eröffnungsvortrag gab Sam Leith, Ehrenpräsident der britischen Society of Indexers, einen Überblick über die Veränderungen, die das Veröffentlichungswesen in den letzten Dekaden durch die Digitalisierung, aber auch den Einfluss der Covid-19-Pandemie erfahren hat, und erläuterte. welche Chancen sich daraus ergeben. Dabei ging er vor allem auf die Umbrüche im Buchmarkt ein. Der stationäre Buchhandel bekam zunächst Konkurrenz von Supermärkten, dann kam Amazon und vorher schwer beschaffbare Literatur war problemlos zu erhalten. Weitere Einschnitt waren Print-on-demand und das Aufkommen von E-Books, die das Lese- und Nutzungsverhalten grundlegend verändert haben, Kapitel oder Kurzgeschichten lassen sich auch einzeln vermarkten und das Buchregister muss neue Funktionen bieten.

Aus dem Nähkästchen der Redaktion der einschlägigen internationalen Fachzeitschrift „The Indexer“ plauderten Mary Coe, Max McMaster und Ann Kingdom, allesamt erfahrene Indexer mit langjähriger Praxis, anschließend über ihre Vorgehensweise und Erfahrungen bei der Erarbeitung eines Index für den Gesamtbestand eben dieser Zeitschrift. Im Anschluss an eine Reihe von Artikeln in The Indexer über die Indexierung von Zeitschriften und insbesondere über die Probleme, die bei der Indexierung von The Indexer selbst aufgetreten sind[1], wurde am National Indexing Day 2022 eine Online-Umfrage gestartet, um zu erfahren, wie die Nutzer nach Informationen in den über 60 Jahrgängen der Zeitschrift suchen. 69 Personen beteiligten sich. Sie mussten u. a. Aufgaben lösen, wie etwa „Find strategies for avoiding over-indexing“. Aus den Antworten sollte abgeleitet werden, wie derzeit gesucht wird und wie die Inhalte auch für die Zukunft auffindbar gemacht werden sollten. 25 Prozent hatten nicht einmal gewusst, dass es ein Register zu The Indexer gibt. Lange gab es keine Richtlinien für die Erarbeitung der Jahresregister. Erste Auswertungen ergaben, dass der Wunsch nach einem kontrollierten Vokabular für die Sacherschließung besteht (71 %), nur zwölf Prozent plädierten für ein Sachregister mit freien Schlagwörtern, die von den Autoren vergeben werden, aber auch Autoren- (80 %) und Titelregister (60 %) wurden gewünscht.

Abb. 2: Die Kaffeepausen wurden intensiv zum fachlichen Austausch genutzt.
Abb. 2:

Die Kaffeepausen wurden intensiv zum fachlichen Austausch genutzt.

Urs Stäheli, Professor für soziologische Theorie an der Universität Hamburg, befasste sich in seinem eingeladenen Vortrag mit der Frage „Was verbirgt sich in einem Index?“ aus kultureller und gesellschaftlicher Perspektive. Listen haben erst in jüngster Zeit das Interesse der Soziologie und der Medienwissenschaft geweckt. Zwar gehört das Anfertigen von Listen zu den ältesten Kulturtechniken, aber erst mit dem Aufkommen digitaler Technologien haben sie Einzug in aktuelle Debatten gehalten, etwa als Rankings, Playlists usw. Listen faszinieren durch ihre einfache, aber vielseitige Struktur. Diskrete Einheiten finden sich in einer minimal geordneten Struktur wieder, die unzählige flexible Möglichkeiten zum Umordnen, Erweitern, Kürzen etc. bietet. Indexe verkörpern dabei eine ganz besondere Art von Listen, oft mit verschränkten Ordnungsstrukturen (z. B. mit Unterkategorien oder Kontexterläuterungen). Was die Geschichte der Indexierung für eine kulturelle Analyse von Listen attraktiv macht, ist das gut etablierte, aber oft übersehene praktische Wissen der Indexerinnen und Indexer. Die Erarbeitung eines Registers erfolgt unter einer bestimmten Perspektive, unter der die Indexeinträge als Entitäten der Liste festgelegt werden. Beim Indexieren wird eine Mittlerrolle eingenommen zwischen dem kontinuierlichen analogen Fließtext und den darin enthaltenen diskreten Wissenszusammenhängen. Analysiert man die Wissensarbeit beim Registererstellen, so lässt sich erkennen, dass Indexierungsarbeit eine verborgene Analyse- und Transformationsarbeit ist, regelbasiert, aber nicht algorithmisch, woraus sich Flexibilität, Problemorientierung und damit gegenüber maschinellen Verfahren ein Mehrwert ergibt. Die Empfehlung „Indexiere niemals dein eigenes Buch“ stellt diese Transformationsarbeit sicher. Als anschauliches Beispiel für einen Index, der es erlaubt, die beschriebene Person kennenzulernen, ohne das zugrundeliegende Buch zu lesen, brachte Stähle einen Ausschnitt aus Kapitel 55 des Romans Cat’s Cradl von Kurt Vonnegut:

„_Aamons, Mona:_“, sagte der Index, „von Monzano angenommen, um Monzanos Popularität zu steigern, 194–199, 216a.; Kindheit im Haus der Hoffnung und Barmherzigkeit, 63–81; Kindheitsromanze mit P. Castle, 72 f; Tod des Vaters, 89 ff; Tod der Mutter, 92 f; peinlich berührt durch die Rolle als nationales erotisches Symbol, 80, 95 f, 166n., 209, 247n., 400–406, 566n., 678; verlobt mit P. Castle, 193; essentielle Naivität, 67–71, 80, 95 f, 116a., 209, 274n., 400–406, 566a., 678; lebt mit Bokonon, 92–98, 196–197; Gedichte über, 2n., 26, 114, 119, 311, 316, 477n., 501, 507, 555n., 689, 718 ff, 799 ff, 800n., 841, 846 ff, 908n., 971, 974; Gedichte von, 89, 92, 193; Rückkehr nach Monzano, 199; Rückkehr nach Bokonon, 197; Flucht vor Bokonon, 199; Flucht von Moazano, 197; versucht, sich hässlich zu machen, um aufzuhören, erotisches Symbol für Inselbewohner zu sein, 89, 95 f, 116n., 209, 247n., 400–406, 566n., 678; unterrichtet von Bokonon, 63–80; schreibt einen Brief an die Vereinten Nationen, 200; Xylophonvirtuose, 71.

Im zweiten eingeladenen Vortrag fragte Kiene Brillenburg Wurth, Professorin für Literatur und vergleichende Medien an der Universität Utrecht, mit zahlreichen Veröffentlichungen zu Literatur, (neuen) Medien und kreativem Denken: Tabularity and emptiness – who/what reads in the digital age? (Tabellarische Seitendarstellung und Leere – wer/was liest im Zeitalter der Digitalisierung?). Sie gab einerseits einen Abriss der Geschichte schriftbasierter Dokumente und spekulierte über die Zukunft der Indexierung, angesichts zunehmend fragmentierter Schriftdokumente mit ausgeprägten Linkstrukturen. In seinem Buch „Du papyrus à l’hypertexte hat Christian Vandendorpe 1999 den Begriff „tabularité“ geprägt. Er bezeichnete damit Textsorten, die so gestaltet sind, dass sie den visuellen Überblick über einen Text erleichtern und durch Spalten, Kapitelüberschriften, Randnotizen, Kopf- und Fußzeilen oder Seitenzahlen, Inhaltsverzeichnisse und Register mehrere Einstiegspunkte ermöglichen. Diese Hilfsmittel ermöglichten bereits bald nach Beginn des Druckzeitalters der Leserschaft, wie Vandendorpe treffend erklärt hat, „den Text so zu betrachten, wie sie ein Gemälde oder eine tabellarische Übersicht betrachten“. Das gedruckte Buch ermöglichte eine schnellere Verbreitung, die einzelne annotierte Seite eine sinnvolle Rezeption von Wissen – und löste dabei die Schrift von der gesprochenen Sprache. Das Zeitalter der Digitalisierung brachte weitere Umwälzungen. Philosophen wie Vilém Flusser spekulierten sogar, dass es das Ende der Vorherrschaft der alphabetischen Schrift bedeuten würde. Die vorherrschende Schrift würde nun der Code sein, und das Lesen und Schreiben würde mehr und mehr zur Aufgabe von Maschinen (KI) werden. Doch auch wenn künftig immer weniger Menschen, sondern mehr und mehr Maschinen Texte erzeugen, werden sie dazu auf Listen und Indexe zurückgreifen, die in ihnen gespeichert sind.

Auszug aus dem Chat

11:29:45 From Melanie Gee to Everyone:

In response to Tanya’s comment, sometimes I feel that in the index, I am giving a book more of a sense of coherence than there actually is in the book (ie it makes the book look better than it is!)

11:30:24 From Dwight Walker to Everyone:

indexing finds themes in text that author may not see or assumes

11:31:16 From Melanie Gee to Everyone:

Yes, and making explicit connections that perhaps should be made explicit in the text, but aren’t.

11:32:03 From Nicola King to Everyone:

We usually assume that the author is scared that the indexer will not understand the book, may miss things, may cause them a lot of work to ‘rewrite’ the index. They also may not always understand what an indexer does.

11:36:30 From Jochen Fassbender to Everyone:

Authors also like to include passing mentions in the index.

11:37:37 From Nicola King to Everyone:

Indeed, they don’t understand that the passing mention may not be important. I have had one author insist that a passing mention was included ‘because it is the first time this information has been published’.

11:40:36 From Melanie Gee to Everyone:

If you’ve got one of those ‘literary’ indexes, then perhaps you could reconstruct the book from it, but otherwise, there would be a heck of a lot of gaps. e. g. page 23, ‘tabularity definition’ (what is the definition?)

11:40:42 From Jochen Fassbender to Everyone:

Or an isolated word (= passing mention) which they consider very important but didn’t write about it what the word represents.

11:41:27 From Tanya Izzard to Everyone:

I’ve certainly had authors fear that the index will be somehow reductive or won’t fully encompass their argument, but the idea that the index may transcend the book was new to me and will inform my dealings with authors. Not that I expect anyone to actually express this fear!

Auch im dritten eingeladenen Vortrag ging es am nächsten Tag um die historische Entwicklung des Sortierens und Ordnens. Judith Flanders, Sozialhistorikerin und Senior Research Fellow an der Universität von Buckingham, England, nahm sich dabei in ihrem ausformulierten Vortrag mit einigem Augenzwinkern der Rolle des Alphabets an. Alphabetische Ordnung sei heute für die meisten Menschen ein Synonym für Sortieren, doch gab es vor der Alphabetisierung im vierzehnten Jahrhundert und auch danach viele andere Ordnungssysteme: Hierarchie, Geographie, Fachgebiet – auch Kaste und Klasse – wurden als langfristige Sortiersysteme verwendet. Vor allem die Erstellung von Enzyklopädien im 18. und 19. Jahrhundert verhalfen der alphabetischen Ordnung zu ihrer heutigen Spitzenposition.

Praxis des Indexierens

In einem sehr praxisorientierten Vortrag „Eingebettete Indexierung mit Word“ räumte Walter Greulich, Physiker und langjähriger Lektor und Korrektor wissenschaftlicher Zeitschriften und Bücher, anschließend mit dem Vorurteil auf, dass man mit Word als Indexierungswerkzeug keine professionellen Register erstellen könne. Er stellte die grundlegenden Elemente der eingebetteten Indexierung mit Word vor – das XE-Feld und das Indexfeld – und zeigte, wie Einträge angelegt und bearbeitet werden können. Doch im riesigen Funktionsumfang von Word finden sich weitere Methoden, die es zu entdecken gilt. Zu den Schwerpunkten gehören: die Beobachtung des Indexwachstums, die Angabe von Seitenbereichen ohne Textmarken, die Verschiebemethode, die Angabe von Seiten mit Anmerkungen, verschiedene Sortierverfahren, der Export von Indexdaten und die Verwendung von Feldern. Walter Greulich hat sein umfassendes Wissen bereits in sechs Artikeln im „The Indexer“ und auf Deutsch in seinem Handbuch „Indexing mit Word“ ausführlich und in gut nachvollziehbarer Form aufbereitet.[2] Es sollte in keiner Hochschulbibliothek fehlen.

„Indexierung als Inhaltsanreicherung und ihr Potenzial für intelligente Informationsdienste“ war Thema des Vortrags von Johannes und Katharina Munk. Sie sind zwei der drei Gründer der Klarso GmbH. Katharina Munk hat die Entwicklung des Index Managers initiiert, der in vielen großen Indexingprojekten eingesetzt wird, wo die Indexierungsfunktionen in Word oder InDesign nicht ausreichen. Johannes Munk leitet die Technologieentwicklung von Klarso. Kernprodukt ist klar:suite, eine semantische Softwaretechnologie, die basierend auf einem proprietären semantischen Netzwerk zur hochflexiblen und performanten Informationshaltung und -verarbeitung sowie als Redaktionssystem für komplexe Inhalts- und Produktdaten in den unterschiedlichsten Branchen eingesetzt wird. In Zukunft wird es zunehmend möglich, einschlägige Indexbegriffe und Textpassagen auf Basis der automatisierten Sprachverarbeitung maschinell zu extrahieren. Damit eröffnen sich neue Aufgaben und Arbeitsfelder für Indexer. Sie identifizieren seit Jahrhunderten Kernaussagen und Schlüsselwörter von Inhalten und befassen sich mit deren Struktur. Ihre Fähigkeiten sind nun dringend gefragt, um Wissensnetze aufzubauen, die die Grundlage für Informationsdienste der nächsten Generation bilden.

Abb. 3: Vortrag Indexierung von E-Books (v.l.) Ann Kingdom (Moderation), Glenda Browne, Pilar Wyman, Walter Greulich und Peter Greulich (Technik).
Abb. 3:

Vortrag Indexierung von E-Books (v.l.) Ann Kingdom (Moderation), Glenda Browne, Pilar Wyman, Walter Greulich und Peter Greulich (Technik).

Um ein Update der Handreichungen zur Indexierung von E-Books ging es im Vortrag von Glenda Browne, freiberufliche Indexerin, für die Australian and New Zealand Society of Indexers (ANZSI) Mitglied in der IDPF EPUB Indexes Working Group, zusammen mit Walter Greulich und Pilar Wyman, Indexerin und Vorsitzende der ASI Digital Publications Indexing Special Interest Group.

Die Möglichkeiten zur Erstellung von eingebetteten und anderen verknüpften Indexen für einen hochwertigen, aktiven Informationszugang in elektronischen Büchern entwickeln sich ständig weiter. Zu den Werkzeugen gehören „traditionelle“ Publishing-Software wie Microsoft Word und Adobe InDesign, spezielle Software wie Index Manager, DEXembed oder WordEmbed, Tabellenkalkulationsprogramme wie Excel sowie Dienstprogramme wie IndexExploit und die Indexwerkzeuge von Kerntiff Publishing Systems (KPS). Indexer können jedoch auch spezielle Indexierungssoftware verwenden und dann verlinkte Indexe ausgeben. In ihrer Präsentation erläuterten die Referentinnen den technischen Ablauf bei der Erstellung von Registern für elektronische Bücher. Die dazu aktualisierten Matrix-Flussdiagramme veranschaulichen die Navigation durch die verschiedenen Produktionsabläufe je nach Ausgangsformat des E-Books und die Auswahl der zu verwendenden Werkzeuge zu den verschiedenen Zeitpunkten im Entstehungsprozess des Registers. Unter elektronischen Büchern werden dabei fortlaufende Texte ohne Paginierung verstanden. Linkanker sind die Registerwörter, Laufnummern oder die Seitenzahlen der Druckausgabe, die auch als Orientierungshilfe dienen.[3]

Jochen Fassbender, freiberuflicher Indexer, Gründungsmitglied des Deutschen Netzwerks der Indexer, Sprecher der DGI-Fachgruppe Register und Indexing und in der mehrsprachigen Indexierung (Deutsch – Englisch – Spanisch) tätig, stellte zusammen mit JoAnne Burek, Mitglied der Indexing Society of Canada/Société canadienne d’indexation (ISC/SCI) die neuesten Entwicklungen des mehrsprachigen Wörterbuchs der Indexierungs-Terminologie vor, das in Teamarbeit nach der Konferenz der ISC/SCI im Jahr 2021 entwickelt und in der Dezemberausgabe 2021 von The Indexer veröffentlicht worden ist. 18 Personen aus neun Ländern waren daran beteiligt, die 127 Begriffe mit insgesamt 932 Benennungen in sechs Sprachen (deutsch, englisch, französisch, niederländisch, portugiesisch, spanisch) zusammenzutragen, Erweiterungen mit italienischen, chinesischen und japanischen Synonymen sind geplant.

Seit Juli 2022 ist das Wörterbuch unter www.dictionary.theindexer.org online zugänglich. Die Implementierung erlaubt es, das Wörterbuch zu drucken, als CSV-Datei herunterzuladen und – sofern man autorisiert ist – auch mit Änderungen wieder hochzuladen. Mitarbeit an der Erweiterung des Wörterbuchs und die Verlinkung der Website sind ausdrücklich erwünscht.

Die Sicht der Verlage

Mit dem schwierigen Verhältnis zwischen Indexern und Verlagen befassten sich Devon Thomas, seit 2006 freiberufliche Indexerin, und Gwen Henson, seit 2013 Geschäftsführerin der American Society for Indexing mit 25 Jahre Erfahrung im Verbandsmanagement, in ihrem humorvollen Beitrag „Zum Tango gehören immer zwei: Kommunizieren mit Verlegern und Redakteuren“. Obgleich Register einen unbestreitbaren Mehrwert bei der Rezeption eines Buchs bieten, fühlen sich viele Indexer wie die Mauerblümchen auf einer Tanzveranstaltung. Sie haben das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, wenn es um das Verständnis für die Indexierung bei Verlagen geht. Aus ihrer Erfahrung gaben die Referentinnen Tipps, wie einzelne und ihre Fachgesellschaften bei Verlagsangehörigen Gehör finden können. Hilfreich auf der individuellen Ebene sind starke Netzwerke und Zusammenhalt, gegenseitige Empfehlungen, Aufmerksamkeit erregen durch Veröffentlichungen über das Indexieren, Mitwirkung in der akademischen Lehre. Die Fachgesellschaften sollten u. a. in Social Media präsent sein, Lehrmaterialien bereitstellen, Fachkräfte vermitteln, Auskunftsdienste betreiben, gute Praxisbeispiele bekannt machen.

Abb. 4: Unter der Moderation von Caroline Diepeveen diskutierten vor Ort Tim Kersebohm, Martin Müller sowie online Joed Elich.
Abb. 4:

Unter der Moderation von Caroline Diepeveen diskutierten vor Ort Tim Kersebohm, Martin Müller sowie online Joed Elich.

Den Abschluss des ersten Tages bildete die hybride Podiumsdiskussion dreier Verlagsvertreter unter der Moderation von Caroline Diepeveen. Dabei zeigte sich, dass je nach Fachgebiet und Zielgruppe der Verlage unterschiedliche Strategien bei der Registererstellung angewandt werden.

Joed Elich vertrat Brill, einen 1683 gegründeter niederländischer Verlag mit starker internationaler Ausrichtung. Die Publikationen von Brill konzentrieren sich auf die Geistes- und Sozialwissenschaften sowie das internationale Recht. Brill veröffentlicht jährlich fast 1400 Bücher und Nachschlagewerke in gedruckter und elektronischer Form sowie über 330 Zeitschriften, außerdem Nachschlagewerke und Editionen. Von Fachkräften erstellte Register in Büchern und Nachschlagewerken sind eine Selbstverständlichkeit und werden auch fair honoriert. Inzwischen wird der gesamte Altbestand einschließlich der Register digitalisiert. Der Verzicht auf die Mitwirkung von Menschen steht nicht zur Diskussion, unterschiedliche Sichten sind in den Geistes- und Sozialwissenschaften ausgesprochen erwünscht.

Die Mediengruppe Deutsche Apotheker Verlag versorgt als größter pharmazeutischer Verlag in Deutschland Pharmazeuten, pharmazeutisch-technische Assistenten und pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte in Ausbildung und Beruf mit wissenschaftlichen Informationen. Tim Kersebohm gibt dort seit 2007 Lehr- und Fachbücher in den Bereichen Naturwissenschaften, Medizin und Ernährung heraus, die lange aktuell bleiben und sich über zehn bis zwanzig Jahre amortisieren müssen. Autoren sind vertraglich verpflichtet, ein Register zu liefern, doch ist die Qualität oft schlecht. Inzwischen werden auch professionelle Indexer beauftragt, wobei durch die Methode des „smart indexing“ Zeit gespart werden kann, indem das Register schrittweise parallel zum Text erarbeitet wird. Die auf Abschnittebene erfolgte Indexierung wird am Schluss mit den Seitenzahlen versehen.

Martin Müller ist Ontology Manager bei Springer Nature. Diese Funktion umfasst den Aufbau und die Koordination einer einheitlichen Ontologie sowie den Klassifizierungs- und Annotationsprozess der veröffentlichten Inhalte. Der Verlag veröffentlicht mehr als 3000 Zeitschriften aus den Bereichen Wissenschaft, Technik, Medizin und Sozialwissenschaften sowie jedes Jahr Tausende neuer Nachschlagewerke, Monografien, Kurzdarstellungen, Tagungsbände, Lehrbücher und Serien. Springer Nature sieht sich nicht als Verlag, sondern als Informationsanbieter. Angestrebt wird eine umfassende Publikationsplattform, die auch die Forschung unterstützt, und die Navigation durch ein riesiges Begriffsnetz ermöglicht. Dabei spielen maschinelles Lernen und automatisierte Sprachverarbeitung eine wichtige Rolle. Mit jedem neuen Buch wird die KI trainiert, wobei dieses Training durch Menschen unterstützt wird. An dieser Stelle könnten sich neue Arbeitsfelder für Indexerinnen und Indexer ergeben. Klassische Aufträge an Indexerinnen und Indexer werden eher selten vergeben, generell werden bei Springer Nature immer weniger Menschen in die zunehmend automatisierten Prozesse involviert.

Blick nach China

Der zweite Tag begann mit zwei Online-Vorträge aus der VR China.

Liu Lijun von der Fudan Universität in Shanghai unterrichtet sowohl Bibliotheks- und Informationswissenschaften als auch Rechtswissenschaften in der Bibliothek und der juristischen Fakultät. Sie stellte das Projekt China Legal Thesaurus zur Erschließung juristischer Fachliteratur vor, das zusammen mit der East China University of Political Science and Law (ECUPL) durchgeführt wird.

Seit den 1970er Jahren wurde in China eine große Anzahl juristischer Publikationen veröffentlicht, die meisten ohne Register. Der Zugang zur veröffentlichten juristischen Literatur war dadurch erschwert. 1980 wurde ein chinesischer Thesaurus veröffentlicht, 2017 eine neue Ausgabe mit einer Klassifikation. Beide Instrumente enthalten jedoch keine für die Erschließung juristischer Literatur geeigneten Begriffe. Deshalb wurde 2017 begonnen einen chinesischen juristischen Fachthesaurus zu erarbeiten, zunächst schwerpunktmäßig zum internationalen Recht, wobei die einschlägigen internationalen Normen zur Thesauruserstellung und zur Interoperabilität berücksichtigt wurden. Inzwischen enthält der Thesaurus etwa 4560 Sachbegriffe in drei Hierarchieebenen, 308 Namen auf zwei Hierarchieebenen, über 250 Synonyme, 90 Ober-Unterbegriffspaare und 320 Paare verwandter Begriffe. Es fehlen noch eine Reihe von Namen für Verträge oder Institutionen und es wird an Routinen zur automatisierten Pflege gearbeitet. Zur Indexierung westlicher Rechtsliteratur ist der Thesaurus nicht geeignet, weil es oft keine inhaltliche Übereinstimmung zwischen chinesischen und westlichen Rechtsbegriffen gibt. Westliche Literatur wird deshalb mit den Library of Congress Subject Headings erschlossen.

Chunxiang Xue, außerordentliche Professorin an der Bibliothek der Fudan Universität und langjährige Sekretärin der China Society of Indexers, gab anschließend einen eindrucksvollen Überblick über den Stand der einschlägigen Normung in China.

Seit 2008 wurden drei nationale Erschließungsstandards veröffentlicht, nämlich Normen für die Erstellung von Registern (allgemein), Normen für die Erstellung von Registern der lokalen Chroniken (2018) und Normen für die Erstellung von Registern für Dissertationen (2021/22). Die Normung von Registern historischer Bücher steht als nächstes an.

Dissertationen verfügten bisher nur selten über ein Register. Das soll sich jedoch ändern, wobei der Fokus der Norm darauf zielt, insbesondere die in der Arbeit beschriebenen neuen Erkenntnis zu indexieren. An der Peking University und der Fudan University werden Lehrmaterialien zur Implementierung der Norm verteilt, Schulungen durchgeführt und seit 2019 ein jährlicher Wettbewerb um das beste Register einer Dissertation ausgelobt.

Besondere Buchregister

Der Vortrag von Kate Mertes musste wegen ihrer Erkrankung ausfallen, wurde jedoch am 16. November online nachgeholt. Die erfahrene Indexerin und zweifache Gewinnerin des Award for Excellence in Indexing der American Society of Indexing schilderte sehr anschaulich und detailreich ihr Vorgehen beim Indexieren von etwas aus der Reihe fallenden Publikationen, bei denen sie nicht auf ihre vielfach erprobten Vorgehensweisen zurückgreifen konnte, sondern sich jeweils erfindungsreich eine spezifische Indexierungsmethode erarbeiten musste („Developing an indexing plan for unconventional texts“). Zwei der vorgestellten Beispiele sind die von Montesquieu in dicken Notizbüchern gesammelten Gedanken und Einfälle, den Pensées, die in einer Gesamtausgabe publiziert worden sind, das andere eine 1203 Seiten umfassende Gesamtausgabe der von 1699 bis 1759 von den Quäkern überlieferten Protokolle. In beiden Fällen musste zunächst die Fülle und Vielfalt der Themen in einige Hauptkategorien eingeteilt werden, die dann nach und nach unterteilt wurden. Dabei erwies es sich als zielführend, nicht auf die Kapitelstruktur zurückzugreifen, sondern stets das gesamte Werk im Blick zu behalten. Im Fall der Quäker-Protokolle war die große Herausforderung, die zahlreichen Namen, die über die Jahre auch nicht immer einheitlich geschrieben waren oder sich bei den Frauen durch Heirat geändert haben, den jeweils richtigen Personen zuzuordnen. Anstelle eines sequentiellen Indexierens, wurden deshalb in einzelnen Schritten von jeweils 25 Seiten die Namen herausgefischt und in einer Tabelle notiert. Es war „more research than just indexing“.

Abb. 5: Paula Clarke Bain vergleicht ihren Index mit den Übersetzungen.
Abb. 5:

Paula Clarke Bain vergleicht ihren Index mit den Übersetzungen.

Zum Schluss gab es noch eine besondere Kostprobe von Kreativität und Humor bei der Anfertigung von Buchregistern. Es ging um das jüngste, medial stark beachtete Buch „Index, a history of the“ von Dennis Duncan, Schriftsteller und Übersetzer, außerordentlicher Professor für englische Literatur am University College London und Fellow der Royal Historical Society und der Society of Antiquaries. Das Buch erschien im September 2021 in England, im Januar 2022 in italienischer Übersetzung in Italien, im Februar in den USA und zuletzt im August 2022 beim Antje Kunstmann Verlag in Deutsch unter dem Titel „Index, eine Geschichte des“.[4] Selbstverständlich enthält das Buch ein Register, das für die englische und amerikanische Ausgabe von Paula Clarke Bain erstellt worden ist, einer freiberuflichen Indexerin, Redakteurin und Lektorin, die über das Indexieren bloggt und twittert und den National Indexing Day (#indexday) mitbegründet hat.

Das Register für „Indice, storia dell’“ stammt von Chiara Baffa, die seit vielen Jahren nordamerikanische, britische und australische Belletristik und Sachliteratur ins Italienische übersetzt.

Der Vortrag dieser drei unter dem Titel „Index, a history of the: translating the index to“ befasste sich mit der Frage, wie bei der „Übersetzung“ eines Registers zu verfahren sei. Da das Originalregister große Anerkennung gefunden hatte, weil es mit viel Esprit zusammengestellt worden ist und selbst fast als ein literarisches Werk gelten kann, wurde die Entscheidung getroffen, dieses Register zu übersetzen, anstatt neue Register für die fremdsprachigen Fassungen anzufertigen.

Wie sind die Übersetzerinnen mit den geistreichen Einfällen im Originalregister umgegangen? Besondere Herausforderungen waren etwa Anagramme und Akrosticha, mit denen Paula Clarke Bain ihre Register angereichert hatte, die aber in den Übersetzungen nicht nachgebildet worden sind. Auch viele andere versteckte Wortwitze und Streiche, etwa bei den Verweisen sind bei der Übersetzung verloren gegangen.

Das Beiwerk

Während der gemeinsamen Mittagessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Berlin konnte, wer wollte, sich online in moderierten Gruppen austauschen:

  • Let’s talk about The Indexer (Mary Coe)

  • Strategies for professional development (Melanie Gee)

  • Options for indexing training (Max MacMaster)

  • Multilingual indexing (Jochen Fassbender)

  • Finding and keeping indexing clients (Nicola King)

Breakout Room „Multilingual Indexing“

Auf der Online-Konferenz des kanadischen Indexer-Verbandes ISC/SCI 2021 (s. Bericht in IWP 2021, 72(5–6), S. 311–314) gab es bereits einen themenspezifischen Breakout Room zur bilingualen Indexierung. Die Gruppe, die sich dort getroffen hatte, zeigte sehr schnell multilinguales Interesse, woraus sich im Sommer 2021 das oben beschriebene umfangreiches Wörterbuch-Projekt der Indexing-Fachterminologie in sechs Sprachen entwickelte.[5] Für die Online-Teilnehmer der Berliner Konferenz gab es eine erneute Möglichkeit, diese Dictionary-Gruppe in einem weiteren Breakout Room zu treffen bzw. kennenzulernen. Insgesamt fünf Personen kamen zusammen, darunter drei vom ursprünglichen Team: Susie Marques-Jones aus Großbritannien, (Portugiesisch, Englisch, Französisch) sowie aus Deutschland Jacqueline Pitchford (Niederländisch) und Jochen Fassbender (Deutsch, Englisch, Spanisch). Besprochen wurden Aspekte zu Niederländisch und Französisch, wie mit weiteren Sprachen umgegangen werden kann und wie mögliche Definitionen in das nun auch online zur Verfügung stehende Wörterbuch berücksichtigt werden könnten. Zudem erreichten die Gruppe noch während bzw. nach dem Vortrag zum neuesten Stand des Projekts weitere Unterstützungsangebote, u. a. zu Italienisch, Polnisch und Tschechisch. Eine Aktualisierung mit Erweiterung in den bestehenden Sprachen ist als nächster Schritt geplant. (Kontakt: Jochen Fassbender, E-Mail: )

Abb. 6: Mit dem Dank an die Organisatoren, die Vortragenden und Teilnehmenden sowie für die ausgezeichnete technische Unterstützung schließt Monika Hagedorn-Saupe die Konferenz.
Abb. 6:

Mit dem Dank an die Organisatoren, die Vortragenden und Teilnehmenden sowie für die ausgezeichnete technische Unterstützung schließt Monika Hagedorn-Saupe die Konferenz.

Den Moyse Crane Prize 2021 der britischen Society of Indexers erhielt Valeria Padalino, überreicht wurde er im Rahmen der Konferenz von Kim Birchall.

Monika Hagedorn-Saupe dankte abschließend im Namen der DGI für die spannende und anregende Konferenz. Die vielfältigen Beiträge warfen Fragen auf, die auch im Rahmen der DGI immer wieder behandelt werden. Die gelungene Zusammenarbeit mit den Indexing-Gesellschaften und die breite Resonanz für die hybrid durchgeführte Tagung motivieren, über eine Fortsetzung nachzudenken.

Ein großer Dank geht an die Organisationsteam, das die Konferenz inhaltlich vorbereitet hat, an die Geschäftsstelle der DGI für die administrative Abwicklung und an Walter und Peter Greulich, die für das technische Gelingen der hybriden Veranstaltung sorgten. Die Tagungsbeiträge werden in den kommenden Monaten in der Zeitschrift The Indexer, einige ausgewählte deutsche Fassungen auch in der IWP veröffentlicht werden.

Published Online: 2023-02-07
Published in Print: 2023-02-28

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2022-2252/html
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