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Das Regionale Wirtschaftsarchiv in Berlin

  • Björn Berghausen

    Björn Berghausen ist seit 2011 Geschäftsführer des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs. Zuvor war er bei der Schering AG und bei der Volkswagen AG in Archiv und Historischer Kommunikation beschäftigt sowie im Projekt „Flick im 20. Jahrhundert“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

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    und Tania Estler-Ziegler

    Tania Estler-Ziegler ist seit 2017 Archivarin im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv. Sie leitet den Aufbau der Sammlungen und Bestände und betreut Auszubildende und Praktikanten. Die Betreuung von Auszubildenden übernahm sie auch schon zuvor als Dozentin für angehende Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste bei der indisoft GmbH und für Blinde und Sehbehinderte Auszubildenden am Deutschen Rundfunkarchiv.

Veröffentlicht/Copyright: 15. August 2019
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1954 verloren Wilhelm Ziegaus und Richard Daas, Geschäftsführer der »Stabo« Stahl- und Werkzeughandel Sperr GmbH in Berlin-Zehlendorf, ihre Gewerbezulassung, weil sie zwei Jahre zuvor zweieinhalb Tonnen Stahl widerrechtlich in die Sowjetzone verschoben und Schwarzhandel betrieben hatten. Fünf Jahre später fielen beide Geschäftsleute der IHK Berlin erneut unangenehm auf: Obwohl ihnen wegen ihrer »persönlichen Unzulänglichkeit« die gewerbliche Betätigung untersagt war, versendeten sie aus ihrem Zehlendorfer Lager Gewinde- und Spiralbohrer nach Westdeutschland und forderten die verdutzten Empfänger der ungewollten Ware auf, die Bohrer zu bezahlen, um einen Beitrag für das bedrängte Berlin inmitten der Ostzone zu leisten und die West-Berliner Wirtschaft zu stärken. Ein starkes Stück – die IHK leitete umgehend rechtliche Schritte ein und dokumentierte den jahrelangen schwierigen Umgang mit der Firma Stabo in der IHK-Mitgliedsakte[1] des Unternehmens.

Was hätten die beiden selbsternannten Aktivisten des Kalten Krieges in der Kantine zu essen bekommen? Im beliebten „Aschinger“ gab es seinerzeit ein halbes belegtes Brötchen mit Heringssalat für 15 Pfennig. Für Butter und Landleberwurst hätten sie noch fünf Pfennig drauflegen müssen. Dazu gab’s Rollmops in saurer Sahne (25 Pfennig) oder eine Terrine Erbsensuppe (45 Pfennig, mit Einlage das Doppelte) mit einer Molle Berliner Kindl (45 Pfennig) und einem Schimmelgespann von Mampe als Abschluss (für 75 Pfennig). Die Society saß derweil eher im „Lingnan“ am Kurfürstendamm, wo angeblich Prominente wie Willy Brandt oder Hildegard Knef ein- und ausgingen. Das Chinarestaurant orientierte sich stilistisch an zeitgenössischen Restaurants in Hong Kong, entworfen vom Hans

Abbildung 1 Speisekarte des Restaurant „Aschinger“ von 1950 (BBWA S 2/8/827).
Abbildung 1

Speisekarte des Restaurant „Aschinger“ von 1950 (BBWA S 2/8/827).

Scharoun-Schüler Chen-Kuen Lee. Die Speisekarte von 1958 – mit Haifischflossensuppe – präsentiert das Restaurant auf Chinesisch, Deutsch und Englisch als einen Ort der Weltläufigkeit.[2]

Im März 1943 sorgten Bombentreffer auf das Werksgelände für erhebliche Produktionsausfälle beim Nord-Berliner Unternehmen Stahlbau Wittenau, wie der Werkschutzleiter in seinem Bericht meldete. Als Tochtergesellschaft der Mitteldeutschen Stahlwerke wurde hier für den Flick-Konzern produziert – und was genau beschädigt wurde, geht aus den Anlagen zum Entschädigungsantrag an das Kriegsschädenamt hervor. Am 27. Dezember 1943 kam die Fliegerschaden-Kommission sogar zu Besichtigung, denn die Produktion hier war kriegswichtig und durfte nicht stocken. Schluss war bei Kriegsende, als die russische Armee die Fabrik besetzte und die Maschinen demontierte.[3]

Weiß heben sich die Rundzelte von der kargen Vegetation ab, die an den zum Teil schroffen Hängen wächst. Hier kampieren die einheimischen Arbeitskräfte beim Bau der Hedschas- und der Bagdadbahn, die im Auftrag des Sultans u. a. von der Philipp Holzmann AG unter Leitung von Heinrich August Meißner Pascha ab 1903 erbaut wurde. Fotografen haben den Bau dokumentiert, Ingenieur Koch hat auf seiner privaten Reise von Adana und auf der transiranischen Strecke nach Teheran weitere Fotos geschossen – sie alle sind im Bildarchiv der Philipp Holzmann AG überliefert.[4]

Abbildung 3 Rundzelte der einheimischen Arbeiter beim Bau der Bagdadbahn (BBWA_U_5_3_1837_Nr_79).
Abbildung 3

Rundzelte der einheimischen Arbeiter beim Bau der Bagdadbahn (BBWA_U_5_3_1837_Nr_79).

Diese vier Schlaglichter beleuchten die Bandbreite der Informationen, die das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv überliefert. Wirtschaftsgeschichte ist nicht nur die Geschichte großer oder beeindruckender Unternehmen – sozial-, regional- oder technikgeschichtliche Fragestellungen richten sich genauso an die Überlieferung wie Untersuchungen zur Infrastruktur- oder Verkehrsentwicklung. Erfindungen und Produktneuerungen, Reklame, Fassadengestaltung, Produktdesign, innerbetriebliche Sozialleistungen, Sponsoring und Spenden, Umwelt- und Arbeitsschutz, Arbeits- und Freizeitgestaltung sind Schlagwörter, die bewusster werden lassen, dass Wirtschaftsschriftgut Teil des bewahrenswerten Kulturgutes ist. Wirtschaftsarchive leisten komplementär zu den öffentlichen Archiven und Wissensspeichern ihren Beitrag zum Erhalt unseres kulturellen Gedächtnisses.

Abbildung 2 Speisekarte des Restaurant „Aschinger“ von 1950 (BBWA S 2/8/827).
Abbildung 2

Speisekarte des Restaurant „Aschinger“ von 1950 (BBWA S 2/8/827).

Abbildung 4 Ansicht des Archivgebäudes von 2015 (BBWA S1/2/849).
Abbildung 4

Ansicht des Archivgebäudes von 2015 (BBWA S1/2/849).

Regionale Wirtschaftsarchive

Die Idee der Regionalen Wirtschaftsarchive ist über hundert Jahre alt, heute bestehen sie in zehn Bundesländern. Sie agieren in ihren Sprengeln als Kollektivarchive unternehmens- und branchenübergreifend und bewahren solche privatwirtschaftlichen historischen Unterlagen, deren gesetzliche Aufbewahrungspflicht nach § 257 Handelsgesetzbuch, § 147 Abgabenordnung und § 28 f. Sozialgesetzbuch abgelaufen sind.[5] Das Dokumentationsprofil der regionalen Wirtschaftsarchive erstreckt sich auf Industrie -und Handelskammern sowie Handwerkskammern, Innungen, Verbände und Vereine der Wirtschaft, Nachlässe von Persönlichkeiten der Wirtschaft sowie Unternehmen. Die normativen Vorgaben für regionale Wirtschaftsarchive sind hierbei seit über hundert Jahren ähnlich geblieben:

„Das Archiv verfolgt die Aufgabe, das zur Erforschung der modernen Wirtschaftsentwicklung [...] geeignete Quellenmaterial auf breiter Grundlage zu sammeln, zu ordnen und wissenschaftlicher Erschließung zugänglich zu machen. Es handelt sich dabei in erster Linie um geschäftliche Akten, Urkunden, Prospekte, Berichte, Gutachten, Denkschriften, Firmengeschichten und ähnliches Material, das sich bei Wirtschaftsbetrieben [...] ansammelt und erfahrungsgemäß trotz seines hohen Wertes [...] oft schnell der Vernichtung anheimfällt.“[6]

Da privatwirtschaftliche Unternehmen nicht zur Archivierung über die Pflichtaufbewahrungsfrist hinaus gezwungen sind, gilt umso mehr: „Kein Blatt kommt von allein ins Archiv“[7] – Wirtschaftsarchive „sammeln“ im Gegensatz zu staatlichen Archiven. Dies wird insbesondere dann notwendig, wenn im zuständigen Sprengel durch Auflösung, Fusion oder Neuorganisation von Unternehmen deren Überlieferung „herrenlos“ wird. Neben der Aufgabe als „Rettungsstelle“ steht die Beratung von Unternehmen beim Aufbau und der Pflege eines Unternehmensarchivs oder die Einrichtung eines solchen unter dem Dach des Wirtschaftsarchivs. Gerade kleine und mittlere Unternehmen leisten sich kein eigenes Archiv, sondern nutzen das Regionale Wirtschaftsarchiv als Kollektivarchiv. Diese Bestände stehen für die Forschung – und nicht nur die geschichtswissenschaftliche – unter Wahrung der Archivgesetze zur Verfügung.

Das Berliner Wirtschaftsarchiv

Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv sieht sich als „Gedächtnis der Wirtschaft“ mit der wirtschaftshistorisch nicht trennbaren Hauptstadtregion gleich zwei Bundesländern mit eigenen Archivgesetzen, Archivverwaltungen und Landesregierungen und unterschiedlichen Archivtraditionen gegenüber (Stichwort VEB-Überlieferung). Die Stadt Charlottenburg beispielsweise war 1919 größer als Hannover, Stuttgart oder Dortmund, ehe sie 1920 in Groß-Berlin aufging. Das BBWA ging 2009 ausschließlich privat finanziert von Berliner Unternehmen sowie der IHK und der Handwerkskammer aus einer Initiative von Berliner Archivaren hervor. Es schloss damit eine Lücke der Archivlandschaft, die bis dahin nur in Einzelfällen von Landesarchiv und Deutschem Technikmuseum gefüllt wurde.[8] Seitdem ist das BBWA auf mehr als 120 Bestände und Sammlungen mit 1.400 lfm. Umfang angewachsen und entfaltet neben der archivischen Kernaufgabe eine Fülle an Aktivitäten zur Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu gehören Kooperationen mit Schulen, Universitäten, Bildungsträgern, Netzwerken zur Industriekultur und anderen Archiven.

Eingedenk der fehlenden Pflicht, sich der eigenen Überlieferung zu stellen und den Verlust von Dokumenten zu verhindern, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsarchivs einen hohen Stellenwert ein: Erst wenn die Handelnden in den Unternehmen und Verbänden der Region von der Existenz des Wirtschaftsarchivs wissen, können sie es ansprechen und nutzen. Nur wenn öffentlich ausreichend Beispiele für Bedeutung und Wert der wirtschaftshistorischen Überlieferung dokumentiert sind, nehmen privatwirtschaftlich organisierte und gewinnorientierte Unternehmen das nötige Kapital in die Hand, um die eigene Geschichte zu bewahren. Projekte wie „Hinter der Fassade“ – von Ehrenamtlichen mithilfe hauseigener Akten und Literatur entwickelte Industriespaziergänge – oder „Mit Dr. Abenhausen um die Welt“ – Transkription von Reisetagebüchern durch zwei Dutzend aktive Senioren – sorgen für die notwendige Steigerung des Bekanntheitsgrades im Aufmerksamkeitswettbewerb. „Industriekulturabende“ zu bedeutenden Berliner und Brandenburger Unternehmen zielen auf eine Bürgergesellschaft mit Interesse an (Industrie-)Geschichte und Kontextualisierung vermeintlich fader Wirtschaftsgeschichte.

Bestände und Arbeitsweise

Eine häufige Frage im alltäglichen Gespräch über unsere Arbeit ist, was wir überhaupt aufbewahren. Hier sind Beispiele zum besseren Verständnis gefragt.

An erster Stelle stehen wegen ihres Umfangs die IHK-Mitgliedsakten: 390.000 Akten geben über West-Berliner Unternehmen zwischen 1949 und 1996 Auskunft. Für unsere Nutzer sind diese Akten häufig ein Glücksfall, weil sich hier meistens die Namen der Eigentümer, das Gründungsdatum sowie – häufig deutlich unbekannter – das Datum der Abmeldung des Unternehmens finden. Es gibt aber auch „Perlen“. Das sind Akten, die über Registersachen und Gewerbean- und -abmeldungen hinaus auch Jubiläumsschriften, Zeitungsausschnitte, Korrespondenz, Fotos und viele Informationen mehr zu der gewünschten Firma liefern – häufig der letzte Ort in Berlin, an dem mehr als nur das Datengerüst des Unternehmens überliefert ist.

Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv ist als „Rettungsstation“ für von Vernichtung bedrohte Unternehmensüberlieferung oftmals eingeschritten: Beispiele hierfür sind die Geyer-Kopierwerke, die Brotfabrik Wittler oder die international arbeitende Gerling + Arendt Planungsgesellschaft mbH mit großen Plänen zur Bühnentechnik bedeutender Häuser, etwa der Sidney Opera, der New Yorker Met oder der Berliner Staatsoper. Zum anderen geben auch bestehende Unternehmen ihre Bestände zur Aufbewahrung ins Archiv. Hierzu gehören u. a. das Unternehmensarchiv des 1906 gegründeten Reinickendorfer Stahlbauunternehmens stabotec GmbH (früher: Hugo Achcenich GmbH & Co. KG) oder der Buchhandlung Schropp, die 1742 von Simon Schropp in Berlin gegründet wurde und eine der ältesten Fachbuchhandlungen für Landkarten, Reiseführer, Sprachen, Globen und Atlanten ist.

Abbildung 5 Unternehmenssitz von „Wittler-Brot“ (BBWA K1/1/210118).
Abbildung 5

Unternehmenssitz von „Wittler-Brot“ (BBWA K1/1/210118).

Der arbeitsintensivste Bestand für die drei Mitarbeiter des BBWA ist zurzeit das Bildarchiv der Philipp Holzmann AG. Im November 2017 hat das BBWA das Bildarchiv mit mehr als 300.000 Fotografien übernommen, mit denen die Bautätigkeit des weltweiten Konzerns von 1896 bis 2002 dokumentiert wurde. Hierzu zählen historische Aufnahmen vom Bau der Bagdadbahn, vieler Staudämme, Brücken und Kraftwerke in aller Welt, der Reichsautobahn, des Hamburger Elbtunnels, der Avus-Tribüne, des Flughafens Tegel bis zum Ringcenter. In einem Digitalisierungsprojekt werden bis 2020 alle Fotografien online bei der Deutschen Digitalen Bibliothek sichtbar gemacht. Hierzu kooperiert das BBWA mit der Werkstatt Faktura gGmbH sowie dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Deutschen Digitalen Bibliothek in einem vom Land Berlin finanzierten Digitalisierungsprojekt.[10]

Die Vernichtung oder Aussonderung von Unterlagen, die bei der Bewertung als nicht archivwürdig eingeschätzt werden (Kassation), stellt sich bei der Überlieferung klei

Abbildung 6 Arbeiter beim Berliner U-Bahnbau 1927 (BBWA U5/3/28).
Abbildung 6

Arbeiter beim Berliner U-Bahnbau 1927 (BBWA U5/3/28).

ner und mittlerer Unternehmen zumeist als nicht nötig heraus. „Pointiert gesprochen wurden die ‚Reste‘ oder ‚Preziosen‘, ehe sie dem Archiv angeboten worden sind, einer ungeregelten Bewertung durch den Zufall, die Zeitläufte, das Schicksal, durch Jäger und Sammler sowie durch Dilettanten (im besten Sinne des Wortes: Liebhaber) unterzogen, weshalb dem Archivar in der Praxis kaum Bewertungsspielraum über die Frage ‚ganz oder gar nicht‘ hinaus bleibt.“[11] Kleinstbestände sind – ähnlich wie die Sammlungsbestände – oft das einzige, was es noch von einem Unternehmen gibt. Ein schönes Beispiel dafür ist

der Werkzeugkatalog der Firma Wilhelm Mattschaß. Eine Recherche zu dieser „Eisenwaren- und Haushaltshandlung" förderte nicht nur eine kleine IHK-Akte zutage, sondern auch die Erkenntnis, dass diese Firma über 120 Jahre eine Rolle im Wirtschaftsleben von Berlin gespielt hat.[12]

Abbildung 7 Aus dem Werkzeugkatalog der Firma „Wilhelm Mattschaß“ (BBWA S2_13_396).
Abbildung 7

Aus dem Werkzeugkatalog der Firma „Wilhelm Mattschaß“ (BBWA S2_13_396).

Auch Verbände und Vereine gehören zum Wirtschaftsleben dazu und finden als Körperschaften privaten Rechts selten Zugang zu öffentlichen Archiven. Ein sehr spannender und immer noch wachsender Bestand ist das Historische Archiv der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. In diesem Bestand eines Berufsstandes finden sich Unterlagen zur Aufarbeitung des „Dritten Reichs“, über wichtige Persönlichkeiten dieser Profession, aber auch Informationen zu Hautkrankheiten aller Art und zur Verbandsgeschichte selbst. Wichtig sind die Bestände von lokalen Vereinigungen, von denen der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) für die industrielle, wirtschaftliche und politische Entwicklung Berlins von großer Bedeutung ist. Auch das Archiv des Berliner Arbeitskreises Information (BAK) findet sich hier.

Unsere Sammlungen bieten viel zur lokalen Wirtschaftsgeschichte mit zum Teil wunderbaren Abbildungen. Briefköpfe aus drei Jahrhunderten zeigen Fabrikanlagen, die schon lange abgerissen sind. Werbe-, Sammel-, und Reklamemarken informieren über Produkte, die unsere Großeltern noch kannten. Mehr als 1.000 Speisekarten geben einen Einblick in die Veränderungen der Essgewohnheiten der Berliner und Brandenburger Bürger und die „Werbemittelsammlung“, bestehend aus Broschüren, Aufklebern, Flyern, Prospekten und Werbegeschenken eignet sich gut, um den stetigen Wandel in der Darstellung der Vorzüge eines Unternehmens aufzuzeigen, aber auch die Kurzlebigkeit mancher Firmen darzustellen.

Abbildung 8 Edmund Hofmann und Emil Zurhelle in einem Laboratorium in Bonn, 1923 (BBWA V2/3/11).
Abbildung 8

Edmund Hofmann und Emil Zurhelle in einem Laboratorium in Bonn, 1923 (BBWA V2/3/11).

Abbildung 9 Werbemarken der Firma Sarotti (BBWA S2/18/64+67).
Abbildung 9

Werbemarken der Firma Sarotti (BBWA S2/18/64+67).

Was gehört in ein Unternehmensarchiv?

Nur zwei bis fünf Prozent der Unterlagen in einem Unternehmen sind über die gesetzliche Aufbewahrungsfrist (nach § 257 Handelsgesetzbuch und § 147 Abgabenordnung) hinaus dauerhaft aufbewahrungswürdig, hierzu zählen:[13]

Rechts- und Grundstücksangelegenheiten:

Gründung, Eintragung ins Handelsregister, Umwandlungen, Beteiligungen, Kapitaländerungen, Sitzungsprotokolle (Leitungsgremien, Gesellschafterversammlung), Satzungen, Unterlagen über Rechtsangelegenheiten (Verträge), Unterlagen über gewerblichen Rechtsschutz (Patente, Gebrauchsmuster, Warenzeichen, Lizenzen, Schutz von Firmennamen und -zeichen), Urkunden und Akten über Grundstücke, Bauten, Konzessionen.

Finanz- und Rechnungswesen:

Jahresabschlüsse mit Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Betriebsprüfungsberichte und Steuerbescheide, Inventare über Produktionsanlagen, Wirtschaftsprüferberichte, Interne Revisionsberichte, Großkredite.

Personal- und Gesundheitswesen:

Lohn- und Gehaltszahlungen, Personalakten, Werkstammrollen, Betriebsvereinbarungen, Werkswohnungen, betriebliches Vorschlagswesen, Sozialleistungen

Technik und Umweltschutz:

Forschung und Entwicklung, Konstruktions- und Produktionsunterlagen, Großprojekte, interne Revisionsberichte.

Vertrieb und Werbung:

Absatzstatistiken, besondere Kundenreklamationen, volkswirtschaftliche und Länder-Berichte, Werbebroschüren, Übersichten über Liefer- und Leistungsprogramme, Messebeteiligungen

Sonstiges:

wichtige Korrespondenz, Mitgliedschaften in Organisationen und Verbänden, Bilder, Filme, Fotos, Zeichnungen, Karten, Pläne, Modelle, Medaillen, Biografien, Jubiläumsschriften, sonstige historische Abhandlungen, Werkzeitschriften.

Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv ist ein öffentlich zugängliches Archiv, dessen Bestände und Sammlungen privatwirtschaftlicher Provenienz unter Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen oder in Einzelfällen von den Eigentümern gewünschten Schutzfristen nach Terminabsprache eingesehen werden können.

About the authors

Björn Berghausen

Björn Berghausen ist seit 2011 Geschäftsführer des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs. Zuvor war er bei der Schering AG und bei der Volkswagen AG in Archiv und Historischer Kommunikation beschäftigt sowie im Projekt „Flick im 20. Jahrhundert“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Tania Estler-Ziegler

Tania Estler-Ziegler ist seit 2017 Archivarin im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv. Sie leitet den Aufbau der Sammlungen und Bestände und betreut Auszubildende und Praktikanten. Die Betreuung von Auszubildenden übernahm sie auch schon zuvor als Dozentin für angehende Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste bei der indisoft GmbH und für Blinde und Sehbehinderte Auszubildenden am Deutschen Rundfunkarchiv.

Published Online: 2019-08-15
Published in Print: 2019-08-06

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Heruntergeladen am 25.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2019-2029/html
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