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Vorwort

Published/Copyright: July 8, 2022
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Die Beschleunigung der Energiewende steht im Fokus der politischen Agenda. Dem jüngsten IPCC-Bericht vom 4. April zufolge steigt der CO2 Ausstoß nach wie vor an. Die größten Einsparmöglichkeiten werden im energieeffizienten Wohnen gesehen, was den schon bestehenden Druck auf den historischen Gebäudebestand nochmals erhöht. Eine Problemverschärfung ist mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eingetreten, der Europa schmerzhaft an seine Abhängigkeit von russischem Gas erinnert. Auch aus politischen und emotionalen Gründen streben viele Menschen »Klimafreiheit« durch erneuerbare Energien an.

Schon einmal hat sich Die Denkmalpflege mit dem Verhältnis von Klimaschutz und Denkmalschutz befasst. 2012 stand die Abwehr der drohenden Schädigung und »Verschandelung« von Architektur und Kulturlandschaft durch Gebäudedämmungen, PV-Anlagen und Windkrafträder im Vordergrund. Die Autoren dieses Heftes nähern sich dem Thema grundsätzlicher und positionieren die Denkmalpflege in der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte. Allen Beiträgen gemeinsam ist das Besinnen auf die ureigene Kompetenz der Disziplin und ihrer Objekte: Denkmale binden zwar seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten graue Energie und sind schon aus dieser Warte Klimaschützer ersten Ranges. Vor allem aber sind sie Denkmale, vielschichtige Geschichts-, Kultur- und Wissensressourcen, die aktiv zentrale Funktionen in unserer Gesellschaft wahrnehmen. Mehr noch: Der Umgang mit ihnen hat die »Methode Denkmalpflege« ausgebildet, eine lang erprobte Nachhaltigkeitsstrategie, deren Übertragung auf einen größeren historischen Baubestand auch aus Sicht des Klimaschutzes Chancen birgt.

Birgitta Ringbeck stellt die verschiedenen Qualitäten des Kulturerbes als Ressource heraus und beklagt, dass es in Deutschland – anders als auf internationaler Ebene – noch immer nicht gelungen sei, sein Potenzial für Anpassungsstrategien zu adressieren und in den nationalen Klimaschutzgesetzen und -programmen zu verankern.

Roswitha Kaiser und Silke Vollmann brechen das Thema auf den denkmalpflegerischen Alltag zwischen Gebäudeenergiegesetz und KfW-Förderklassen herunter und widmen sich der notwendigen Ökobilanzierung der »materiellen Ressource Kulturdenkmal« durch berechnete standardisierende Fakten.

Leo Bockelmann und Hans-Rudolf Meier warnen die Denkmalpflege aufgrund von Beobachtungen im Umgang mit dem industriellen Erbe im Vogtland, in eine »Nachhaltigkeitsfalle« zu tappen, in der denkmalpflegerische Anliegen eindimensional auf die Ressourceneffizienz beschränkt und die Vielschichtigkeit ihrer Bedeutungsebenen preisgegeben werden.

Am Beispiel des Dorfes Morschenich diskutieren Fabian Kröning und Philipp F. Huntscha die Übertragbarkeit denkmalpflegerischer Ansätze auf die Revitalisierung ländlicher Orte im Allgemeinen. Einen ähnlichen Gedankengang entwickelt Lydia Constanze Krenz, die aus einem Vergleich der Campusuniversitäten Konstanz, Darmstadt und Innsbruck folgert, dass es denkmalpflegerische Konzepte sind, die architektonische Potenziale voll ausschöpfen und Bauwerke jeder Zeitstellung gegenwarts- und zukunftsfähig machen können.

Die augenfälligsten Schäden zeitigt der Klimawandel in Gärten und Forsten. Hartmut Troll öffnet den Blick auf die Gartendenkmalpflege und schildert Maßnahmen und Hintergründe von Anpassungsstrategien im Schlossgarten Schwetzingen am Beispiel der Gehölze.

Die Nachricht vom Tode Tilmann Breuers hat uns erst kurz vor Drucklegung erreicht. Ein Nachruf auf den hoch geschätzten Kollegen wird Teil des kommenden Heftes 2/2022 sein.

Den Leser*innen wird aufgefallen sein, dass Die Denkmalpflege jüngst ihrer Plastikhaut entstiegen ist. Von dieser Ausgabe an bietet sie als E-Journal auch eine ressourcenschonende Alternative zum (geliebten) Papier.

Für die Redaktion

MELANIE MERTENS

Published Online: 2022-07-08
Published in Print: 2022-05-25

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/dkp-2022-1002/html?lang=en
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