Geheimnisvolle Gefolgschaft
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Christian Lehnert
Zusammenfassung
Einen kriegsversehrten Greisen und Ludwig Wittgenstein, Engel und Numina, den im Lager verhungernden Ossip Mandelstamm und den Görlitzer Schustermystiker Jakob Böhme holt sich der Autor als Zeugen an die Seite, um die Grenzen der Sprache zu erkunden und die Möglichkeiten von Poesie, diese Grenzen zu weiten. Poesie und Religion berühren sich in einem suchenden Sprechen, das noch nicht hat, was es sagt, und damit eine Erkenntnisweise verwirklicht, die sich als schöpferisches Vermögen der Sprache zeigt. In rhythmischem Sprechen, in Metaphorik, in Bildneuheiten und in einem alles grundierenden Schweigen weist sie hinaus ins Offene, wo die Worte noch fehlen.
Abstract
A war-disabled old man and Ludwig Wittgenstein, angels and numina, Ossip Mandelstamm – a man starving in the compound – and the Görlitz mystic and shoemaker Jakob Böhme: they are all gathered by the author as companions in the endeavor of exploring the boundaries of language as well as the capabilities of poetry to widen those boundaries. Poetry and religion meet in a tentative speech which is not yet grasping what it is saying. Hence, this speech is realizing a mode of cognition, manifesting itself as creative capacity of language. In cadenced speaking, in metaphors, in innovative imagery and in a silence underlying everything, it points to the vagueness where the words are yet lacking.
Literaturhinweise
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© 2022 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Inhalt
- Einleitung
- Kapitel I: »Im Anfang war das Wort«? - Philosophischtheologische Grundlegung und ein kulturanthropologischer Einspruch
- Sprachlichkeit und Gottesbewusstsein
- Gibt es eine Sprache der Dinge?
- Kapitel II: »Nur die Sprache hat den Menschen menschlich gemacht«? (Johann Gottfried Herder) - Spracherwerb, Sprachfähigkeit und Sprachverlust
- Neurowissenschaftliche Grundlagen des Spracherwerbs
- Redegewalt und doppelte Übersetzung
- Eine Sprache für das Neue finden
- Sprache, Sprechen, Schweigen im Alten Testament
- Kapitel III: Sprache macht Religion - Die Sprachlichkeit religiöser Praktiken
- Geheimnisvolle Gefolgschaft
- Übersetzen, Dolmetschen, Macht
- Das Ringen um die Sprache lebendiger Liturgie
- Wer erhört wen oder was?
- Entwichene Sprache
- Kapitel IV: Das macht Sprache - Die Macht religiöser Sprache
- Psychagogische Schockrhetorik für Zermürbte
- Zur sprachlichen Konstruktion religiös begründeter Machtasymmetrien
- Religion im kolonialen Archiv
- Kapitel V: Ausblick - Sprache und Religion in religionslinguistischer Perspektive
- Zur Konzeption einer Religionslinguistik
- Autorenverzeichnis
Artikel in diesem Heft
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- Einleitung
- Kapitel I: »Im Anfang war das Wort«? - Philosophischtheologische Grundlegung und ein kulturanthropologischer Einspruch
- Sprachlichkeit und Gottesbewusstsein
- Gibt es eine Sprache der Dinge?
- Kapitel II: »Nur die Sprache hat den Menschen menschlich gemacht«? (Johann Gottfried Herder) - Spracherwerb, Sprachfähigkeit und Sprachverlust
- Neurowissenschaftliche Grundlagen des Spracherwerbs
- Redegewalt und doppelte Übersetzung
- Eine Sprache für das Neue finden
- Sprache, Sprechen, Schweigen im Alten Testament
- Kapitel III: Sprache macht Religion - Die Sprachlichkeit religiöser Praktiken
- Geheimnisvolle Gefolgschaft
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- Das Ringen um die Sprache lebendiger Liturgie
- Wer erhört wen oder was?
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- Psychagogische Schockrhetorik für Zermürbte
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- Religion im kolonialen Archiv
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- Zur Konzeption einer Religionslinguistik
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