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Erfolgreiche Erwerbungspolitik in Zahlen. Überprüfung einer Etatverteilung mit Nutzungsindikatoren

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Veröffentlicht/Copyright: 29. November 2018
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Zusammenfassung

Die Analyse von Nutzungszahlen und die darauf basierende Berechnung einiger spezieller Indikatoren ermöglicht es, eine bestehende oder neu eingeführte Etatverteilung noch praxisnäher und effizienter zu gestalten. Die dazu notwendigen Schritte werden im Aufsatz mit Hilfe aktueller Daten aus der Badischen Landesbibliothek erläutert.

Abstract

Analysing usage figures and calculations of specific indicators based on them allows for a much more efficient and practically relevant budget allocation. The necessary steps are described in the article using recent data from the Baden State Library.

1 Einleitung, Motivation

Ein parametergestütztes Etatmodell zur internen Mittelverteilung ist in vielen Bibliotheken seit längerer Zeit etabliert, in einigen Häusern setzen Bibliotheksleitungen aber auch bewusst auf historisch gewachsene, erfahrungsbasierte Verteilungsschlüssel.[1],[2],[3],[4],[5],[6],[7],[8],[9] Den beiden Ansätzen gemein ist das Ziel, der von den Unterhaltsträgern geforderten effizienten Verwendung der zur Verfügung gestellten Erwerbungsmittel gerecht zu werden und Verteilungskämpfe zwischen den Verantwortlichen der einzelnen Fachetats einzudämmen.[10],[11] Wird dieses Ziel in der Praxis wirklich erreicht? Dazu möchte dieser Aufsatz einige Antworten geben.

Die wichtigste Grundlage für die Erwerbungspolitik einer Bibliothek ist die Gesamtgröße des Literaturmarktes während eines Erwerbungsjahres: Wie viele Monographien, Zeitschriftenhefte, Konferenzbände und Sondermedien erscheinen im Print, auf Datenträgern und Online und welche Geldmittel werden für ihren Erwerb oder ihre Lizenzierung benötigt? Die Erhebung dieser Daten ist nicht trivial, die Bayerische Staatsbibliothek hat sich aber in Kooperation mit den Erwerbungsleitungen der bayerischen Universitätsbibliotheken der Aufgabe gestellt und ermittelt bereits seit über 30 Jahren die relevanten Zahlen.[12] Diese sind wiederum Basis für das bayerische Etatverteilungsmodell, das eine Berechnung der erforderlichen Etathöhen für die Grundversorgung der einzelnen Fächer an einer Volluniversität oder alternativ einer Allgemeinbibliothek mit wissenschaftlichem Anspruch ermöglicht.[13],[14],[15] Realität in den meisten Häusern ist jedoch die Verwaltung des Mangels, denn häufig steht nur ein Bruchteil der errechneten Summe tatsächlich zur Verfügung und so stellt sich verschärft die Frage nach der erzielten Effizienz durch die Mittelverteilung.[16],[17]

Viele wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland haben darauf keine belastbare Antwort. Sie benutzen zwar Parameter wie die Studierendenzahl, die Zahl der Lehrpersonen oder Professoren für die Bemessung der Höhe ihrer Fachetats und sie vergleichen ihre Fachetats mit den Fachetats von Einrichtungen mit ähnlicher fachlicher Ausrichtung anhand der Angaben in der Deutschen Bibliotheksstatistik. Eine echte Effizienzüberprüfung durch eine Wirkungsmessung ist dies jedoch nicht. Dafür benötigt es Indikatoren, die aus der tatsächlichen Nutzung der Bestände gewonnen werden.[18] Das in den USA und in weiteren Teilen der Welt angewendete Conspectus-Verfahren[19],[20] generiert detaillierte Angaben zu einer Beschreibung von Leistungskraft, Sammelintensität und Sammelziel von Bibliotheken, aber auch hier fehlen Indikatoren zur Effizienz der Mittelverteilung auf die verschiedenen Fächer.

Vielversprechende Ansätze zur Wirkungsmessung kommen dagegen aus dem Bereich der öffentlichen Bibliotheken und auch im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken wurden erste Schritte in dieser Richtung unternommen.[21],[22],[23],[24],[25] Dabei passte man Konzepte und zugehörige Indikatoren aus dem Controlling von Unternehmen und Investments und des Marketings für die Zwecke der Effizienzbewertung an Bibliotheken an.[26] Als besonders geeignet erscheint uns hier die Portfolio-Analyse in Zusammenhang mit einer Betrachtung des Produktlebenszyklus.[27],[28] Praxisbeispiele für deren Anwendung fehlen allerdings bisher weitestgehend. Ausleihanalysen als Instrument der Bestandsevaluierung werden verbreitet nur für die primär frequenzorientierten Bestandsbereiche, wie z. B. die Lehrbuchsammlung, und die kostenintensiven E-Ressourcen eingesetzt.[29],[30]

2 Die Etatverteilung an der Badischen Landesbibliothek

Die Bemessung der Erwerbungsbudgets für die einzelnen Fächer wurde an der Badischen Landesbibliothek bis zum Ende des Jahres 2016 nach einem historisch gewachsenen, erfahrungsbasierten Verteilungsschlüssel vorgenommen. Durch die Berücksichtigung einiger Sonderfälle, z. B. der Mitversorgung eines Naturkundemuseums, der besonderen Bedeutung der hauseigenen Musiksammlung und der Nachbarschaft zu kirchlichen Einrichtungen waren einige Fächer überproportional mit Erwerbungsmitteln versorgt. Ob dies unter Effizienzgesichtspunkten gerechtfertigt ist, war dagegen unklar.

Mit dem Erwerbungsjahr 2017 wurde eine neue Etatverteilung im Haus etabliert, die als Grundlage die nach dem Bayerischen Etatverteilungsmodell ermittelten Bedarfe für die Versorgung mit Monographien und Zeitschriften (Print und elektronisch) multipliziert mit dem Ausbaugrad für das jeweilige Fach vorsieht. Der Ausbaugrad wurde hier allerdings nicht, wie nach dem Bayerischen Modell vorgesehen, nach der Anzahl der Professoren im Fachbereich bemessen, sondern wegen des Fehlens solcher Werte an einer „reinen“ Landesbibliothek nach subjektiven Kriterien bestimmt. Auch gibt es nicht nur Werte des Ausbaugrades zwischen 0,7 und 1,3, wie im Bayerischen Modell, hier werden aktuell Werte zwischen 0,1 und 1,5 verwendet - die kleinsten Werte dabei für Fächer, die vornehmlich durch die benachbarte Universitätsbibliothek des KIT versorgt werden, z. B. die einzelnen Naturwissenschaften und Technikfächer, die größten Werte für die Kernfächer der Landesbibliothek, insbesondere die Geschichte. Als Sondertatbestände, und damit als Vorwegabzug vor der Etatverteilung zu berücksichtigen, sind in der Badischen Landesbibliothek die Erwerbungsmittel für konsortial beschaffte, fachübergreifende E-Ressourcen, für die Erwerbung von Mehrfachexemplaren in der Studierbar und von Bestsellern aus der Liste des deutschen Börsenvereins, für die Entschädigungszahlungen bei Pflichtexemplaren, sowie für die Beschaffung von Notenwerken und Antiquaria.

3 Indikatoren zur Effizienzmessung

Während es sich bei einem Parameter, wie er in den Etatverteilungsmodellen verwendet wird, um eine mathematische Größe handelt, die aus den unterschiedlichsten theoretischen und praktischen Betrachtungen abgeleitet sein kann, wird ein Indikator in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften als eine beschränkte Stichprobe aus einer Menge von empirisch prüfbaren Sachverhalten definiert. Damit enthalten Indikatoren immer eine Information über den Erfolg bzw. Output der damit untersuchten Prozesse. Im Bereich der Bibliothek bedeutet dies, dass insbesondere Nutzungszahlen und daraus generierte Indikatoren die Überprüfung von Etatzuweisungen und Erwerbungsentscheidungen ermöglichen.

Um die Effizienz der Mittelverteilung auf die verschiedenen Fächer zu ermitteln, wird man die Nutzung des Bestandes eines Faches mit der Nutzung des Gesamtbestands und der Nutzung der anderen Fächer vergleichen und das auf verschiedenen Zeitskalen: für den Neuzugang des aktuellen bzw. des vergangenen Jahres und für die Neuzugänge z. B. der vergangenen fünf Jahre. Außerdem wird man die Zahlen in den verschiedenen Fächern über mehrere Jahre verfolgen, um eine Umsatzentwicklung abzubilden. Nicht zuletzt kann man Betrachtungen darüber anstellen, wie lange ein neu erworbener Bestand in einem Fach intensiv genutzt wird und welche Gesamtnutzung ein Medium eines Faches vermutlich erreichen wird.

Problematisch wird die Analyse dadurch, dass nicht alle Nutzungsfälle gleichzusetzen sind. Es gibt die klassischen Ausleihen, Fernleihen und deren Verlängerungen, Vormerkungen, daneben aber auch die Präsenznutzung von physischen Medien, wie Büchern, Zeitschriften, Noten, etc., die Volltext-Downloads von kompletten E-Books bzw. von Teilen eines Werkes, darunter einzelne Kapitel aus E-Books, Aufsätze aus E-Journals und, besonders schwierig einzuordnen, die Anzahl der Datenbank-Sitzungen und die darin ausgeführten Suchvorgänge. Da die allermeisten E-Ressourcen an der Badischen Landesbibliothek aber in Paketen konsortial erworben werden, finanziert man sie aus einem Vorwegabzug vor der eigentlichen Etatverteilung. Bei ihnen wird dann auch für jedes Paket oder jede Plattform einzeln eine Kosten-Nutzen-Abwägung erstellt, die nicht Gegenstand dieser Analyse sein soll. Der Zuwachs an Präsenzexemplaren bei den Monographien war in den vergangenen Jahren sehr klein, die meisten Bestände an der Badischen Landesbibliothek sind ausleihbar. Die Präsenznutzung der immer geringer werdenden Zahl an Printzeitschriften kann nur sehr schwer ermittelt werden. Daher werden für die hier vorgestellten Berechnungen zunächst nur die klassischen Ausleihzahlen betrachtet, womit aber bereits mehr als die Hälfte der verausgabten Erwerbungsmittel erfasst werden. Sofern zukünftig elektronische Produkte in den Fachetats verankert werden, sollen sie in die Analyse mit einbezogen werden. Das dürfte insbesondere auf E-Books und E-Journals zutreffen, weniger auf Datenbanken.

4 Berechnungen der Indikatoren und die Konsequenzen für die Etatverteilung

Voraussetzung für die saubere Erfassung der Zahlen für die Berechnung der Indikatoren ist eine gut gepflegte Datenbasis im lokalen Bibliothekssystem. Im Falle der Badischen Landesbibliothek besteht diese seit der Einführung von aDIS/BMS mit dem Start des Erwerbungsjahres 2013. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Titel durchgängig DBS-Fachgruppen zugeordnet, sodass sich für einzelne Bestandsgruppen sowohl Erwerbungsausgaben als auch Nutzungszahlen ermitteln lassen. Für die hier präsentierte Analyse wurden insgesamt 54.784 Neuzugänge der Erwerbungsjahre 2013 bis 2017 mit einem Gesamt-Erwerbungswert von 2,37 Millionen Euro ausgewertet.

Zunächst sollten die Ausleihzahlen für jedes der fünf betrachteten Erwerbungsjahre fachübergreifend ermittelt werden. Dabei ergaben sich folgende Werte: Im Ausleihjahr 2017 waren Titel des Erwerbungsjahres 2017 insgesamt im Schnitt 1,3 mal verliehen, Titel des Erwerbungsjahres 2016 im Schnitt 1,8 mal, Titel der Erwerbungsjahre 2015, 2014 und 2013 im Schnitt 1,2 mal, 1,0 mal und 0,9 mal. Über fünf Jahre addiert ergaben sich dadurch 6,2 Ausleihvorgänge pro Medium.

Tabelle 1:

Fachspezifische Ausbaugrade und Indikatoren der Nutzung

Fach, Fachgruppe

Ausbaugrad initial

2016

Impact Factor 2017

Impact Factor 2015

Ausleihen pro Titel (Vorjahr)

Ausleihen pro Titel (5 Jahre)

Ausbaugrad angepasst 2018

Philosophie

1,3

1,2

1,3

1,5

5,3

1,0

Psychologie

1,0

2,6

2,9

3,1

10,6

1,3

Theologie

1,0

1,0

0,9

1,1

4,3

0,7

Pädagogik

1,3

2,4

2,5

2,8

9,7

1,3

Sozialwiss.

1,3

2,3

2,2

2,7

8,9

1,3

Politikwiss.

1,3

1,2

1,3

1,5

5,7

1,0

Wirtschaftswiss.

0,4

2,7

2,8

3,0

10,8

1,0

Rechtswiss.

0,7

2,7

2,4

2,9

10,1

1,0

Naturwiss. allg.

1,0

1,4

1,1

1,6

4,4

0,7

Mathematik

0,5

1,1

1,0

1,2

4,2

0,3

Informatik

0,6

2,0

2,2

2,4

8,2

0,8

Physik

<0,1

1,1

0,9

1,2

4,5

0,1

Chemie

<0,1

0,9

1,1

1,1

5,5

0,1

Geowiss.

<0,1

1,0

1,3

1,2

5,0

0,1

Biologie

0,3

1,2

0,7

1,3

3,8

0,1

Medizin

0,5

2,0

1,9

2,3

7,9

0,5

Technik allg.

0,6

1,5

1,9

1,9

9,2

0,7

Maschinenbau

<0,1

1,2

1,5

1,3

5,6

0,1

Elektrotechnik

<0,1

1,3

1,4

1,3

4,8

0,1

Bauingenieurw.

0,1

1,3

1,6

1,3

5,5

0,1

Agrar, Umwelt

0,1

1,4

1,6

2,0

7,3

0,1

Kunst, Architektur

0,9

1,1

1,2

1,2

5,2

1,0

Musik, Theater

>4,0

0,5

0,6

0,6

2,4

1,5

Sport, Freizeit

1,0

1,6

1,8

2,0

7,1

1,3

Sprach- und Literaturwiss.

1,3

1,0

1,1

1,4

4,8

1,0

Geschichte

1,9

0,9

0,9

1,0

3,8

1,5

Geographie

1,5

1,4

1,5

1,8

6,0

1,3

Alle Fächer

<0,1 - >4.0

1,5

1,5

1,8

6,2

0,1 - 1,5

Nun konnten alle Einzelfächer durch Vergleich mit diesen Mittelwerten bewertet werden (siehe Tabelle 1). Dabei wurde die geringste Nutzung sowohl im Vorjahr als auch im Gesamtzeitraum für die Neuerwerbungen des Fachs Musik und Theater festgestellt, die besten Werte erreichten die Fächer Wirtschaftswissenschaften, Psychologie, Rechtswissenschaften und Pädagogik.

Während die Werte für die Ausleihen auf Erwerbungen des Vorjahrs von Jahr zu Jahr erheblich schwanken können, ist die Betrachtung eines 5-Jahres-Zeitraums nicht flexibel genug, um Änderungen bei der Erwerbungspolitik in einem Fach aus Effizienz-Gesichtspunkten bewerten zu können. Daher bietet sich ein anderer Indikator für die Verlaufsanalyse geradezu an: der aus der Bewertung von Zeitschriften bekannte Impact Factor.[31] Wir haben ihn hier für unsere Zwecke so definiert, dass er die im betrachteten Jahr erreichte durchschnittliche Nutzung auf die in den zurückliegenden beiden Jahren erworbenen Titel angibt. Zur Berechnung des Impact Factors für das Jahr 2017 müssen also die Ausleihen 2017 auf Titel der Erwerbungsjahre 2016 und 2015 durch die Anzahl der erworbenen Titel in 2016 und 2015 geteilt werden.

Der Impact Factor wird in der Badischen Landesbibliothek künftig der wichtigste Indikator für die Effizienzbewertung der Mittelverteilung sein - seine absolute Höhe und seine Veränderung über die Zeit wird darüber entscheiden, ob ein Fach mehr oder weniger Zuweisungen erhält. Allerdings sollte man nicht außer Acht lassen, dass es Fächer gibt, deren Literatur schnell „veraltet“, die also eher kurzlebig sind, und Fächer, die höhere Ausleihzahlen erst über einen längeren Zeitraum erreichen. Ob sich dieser Sachverhalt relevant beim Bestandsaufbau der Badischen Landesbibliothek bemerkbar macht, war nicht bekannt und sollte daher ebenfalls untersucht werden.

Die Abnahme bei den Ausleihzahlen für zurückliegende Erwerbungsjahre ist annähernd logarithmisch und ähnelt einer bekannten Formel aus der Kernphysik: dem radioaktiven Zerfall. Es liegt also nahe, diese Formel hier in einer abgewandelten Form zum Einsatz zu bringen und die sogenannte Halbwertszeit zu berechnen, also die Zeitdauer, bei der vermutlich die Hälfte der prognostizierten Gesamtnutzung eines Titels erreicht ist.[32] Sie ist der Quotient aus dem natürlichen Logarithmus von 2 und der Zerfallskonstante Lambda. In unserem Fall wird sie definiert als gemittelte Abnahme der Nutzung über einen 3-Jahreszeitraum. Hinzugerechnet werden muss dann noch ein halbes Jahr, da nicht bekannt ist, wann der Titel im Jahresverlauf erworben wurde und in diesem Zeitraum auch keine Abnahme der Nutzung verzeichnet wurde. Die Formel ist also: Halbwertszeit in Jahren = 0,5 plus 0,693 geteilt durch Lambda, wobei Lambda = (Quotient aus der Nutzung zwei Jahre nach Beschaffung und der Nutzung ein Jahr nach Beschaffung plus Quotient aus der Nutzung drei Jahre nach Beschaffung und der Nutzung zwei Jahre nach Beschaffung plus Quotient aus der Nutzung vier Jahre nach Beschaffung und der Nutzung drei Jahre nach Beschaffung minus drei) geteilt durch drei.

Wenn man die Halbwertszeit einmal errechnet hat, kann man auch eine Gesamtnutzung für die betrachteten Medien prognostizieren. Dafür muss man den zur Halbwertszeit erreichten Umsatz (die Anzahl der Ausleihen) verdoppeln. Zusammen mit den durchschnittlichen Erwerbungskosten eines Mediums in einem Fachgebiet lassen sich daraus die erwarteten Erwerbungskosten je Ausleihe für den Titel eines Faches oder den Gesamtbestand ermitteln.

Wie erwartet ist das Fach Informatik das „kurzlebigste“. Die Titel in diesem Fach veralten also relativ schnell und werden dann kaum mehr benutzt. Überraschenderweise sind die Fächer Kunst und Architektur und die Wirtschaftswissenschaften die „langlebigsten“. Im Durchschnitt aller Erwerbungen der Jahre 2013 bis 2017 kann mit einer Gesamtnutzung pro erworbenem Titel von fast zehn Ausleihen (9,9) gerechnet werden und für jede Ausleihe sind damit Erwerbungskosten von etwas über vier Euro (4,38) zu erwarten. Die Einzelfächer können mit Hilfe dieser Referenzwerte bewertet werden (siehe Tabelle 2). Die naturwissenschaftlichen und die technischen Einzelfächer wurden wegen der geringen Beschaffungszahlen bei dieser Auswertung zusammengefasst, die Sprach- und Literaturwissenschaften dagegen aufgegliedert in Germanistik, Anglistik, Romanistik und allg. Sprachwissenschaften / sonstige Sprachen.

Tabelle 2:

Fachspezifische Mediennutzung im Verlauf und prognostizierte Gesamtnutzung

Fach, Fachgruppe

Medien gesamt 2013-17

Halbwertszeit in Jahren

Prognostizierte Gesamtnutzung

Erwerbungs-kosten pro Medium (€)

Erwerbungs-kosten pro Ausleihe (€)

Philosophie

1.128

3,1

7,6

52,72

6,92

Psychologie

1.652

3,6

18,3

31,29

1,71

Theologie

1.272

3,9

6,8

80,77

11,91

Pädagogik

2.103

4,2

19,7

30,49

1,54

Sozialwiss.

3.372

3,3

14,0

28,36

2,03

Politikwiss.

2.014

4,0

9,6

28,55

2,98

Wirtschaftswiss.

4.092

4,6

22,7

34,52

1,52

Rechtswiss.

1.807

3,8

18,3

100,80

5,51

Naturwiss. (alle)

2.237

3,8

7,1

44,65

6,30

Mathematik

839

3,3

6,7

41,14

6,18

Informatik

2.339

2,8

10,5

36,94

3,53

Technik (alle)

1.355

3,4

8,8

46,01

5,24

Agrar, Umwelt

1.368

4,4

14,2

40,22

2,83

Kunst, Architektur

3.822

5,1

10,3

43,94

4,25

Musik, Theater

3.757

4,2

4,3

59,41

13,82

Sport, Freizeit

880

4,1

14,0

25,66

1,84

Sprachwiss. allg., sonstige Sprachen

1.531

3,2

5,3

62,60

11,50

Germanistik

4.244

3,3

6,8

36,53

5,40

Anglistik

1.331

2,9

5,8

33,44

5,79

Romanistik

1.273

3,2

4,0

36,03

8,93

Geschichte

5.364

3,8

6,3

42,42

6,74

Geographie

2.330

2,9

8,1

34,63

4,30

Alle Fächer

54.784

3,5

9,9

43,17

4,38

Welche Konsequenzen ergeben sich nun daraus für die Etatverteilung an der Badischen Landesbibliothek? Die Zuweisung von Mitteln wird künftig auf drei Faktoren beruhen: der Literaturproduktion eines Faches, wofür die Zahlen des Bayerischen Etatverteilungsmodells herangezogen werden, der Definition eines Ausbaugrades und der Analyse von Nutzungszahlen im Verlauf. Dabei wird zunächst ein Bereich für den Ausbaugrad eines Faches definiert und in diesem Bereich wird der Wert anhand der tatsächlichen Nutzung festgelegt. Für Fächer, die zum Kernangebot der Badischen Landesbibliothek gehören, werden Ausbaugrade zwischen 0,5 und 1,5 gewählt, Fächer, die nicht im Fokus des Hauses liegen, können auch deutlich darunter angesiedelt werden. Nach einer Anpassung des Ausbaugrades in einem Fach soll ein Zeitraum von zwei Jahren abgewartet werden bevor weitere Änderungen erfolgen. Für die Fächer Geschichte und Geographie wird ein etwas höherer Ausbaugrad gewählt, als es nach der Nutzung der Bestände dieser Fächer eigentlich gerechtfertigt wäre, da sie im besonderen Maße die Beschaffung landeskundlicher Literatur finanzieren müssen, u. a. für die Erstellung der Landesbibliographie.

Zur weiteren Verbesserung der Analyse sollen in den kommenden Jahren Nutzungszahlen der elektronischen Medien, insbesondere der E-Books und E-Journals, wenn sie sich fachlich zuordnen lassen, hinzugerechnet werden. Es muss dann entschieden werden, ob ein Volltext-Download eines Buchkapitels oder eines Aufsatzes einer klassischen Ausleihe gleichzusetzen ist. Eine detaillierte Abschätzung der Präsenznutzung des Lesesaal-Bestands, darunter die aktuellen Hefte von Print-Zeitschriften, ist nicht geplant - wegen geringer und zugleich abnehmender Nutzung, geschätzt weit unter 10 Prozent der Gesamtnutzung, und zugleich großem Aufwand für die Erhebung der Zahlen.

5 Fazit

Für die Bemessung der Effizienz einer Etatverteilung eignen sich Indikatoren sehr gut, die sich aus den Nutzungszahlen der Bestände berechnen lassen, darunter der 2-Jahres-Impact Factor, die Halbwertszeit der Nutzung und die prognostizierte Gesamtnutzung, jeweils bezogen auf einen definierten fachlichen Bestand. Damit lässt sich ein bereits etabliertes Etatverteilungsmodell oder ein Verteilungsschlüssel laufend anpassen und noch praxisnäher gestalten. Darüber hinaus könnten die ermittelten Werte dem Unterhaltsträger zum Beleg einer effizienten Verwendung der zugewiesenen Erwerbungsmittel vorgelegt werden.

Inwieweit die hier vorgestellten Indikatoren „das Geschehen bestimmen sollen“ hängt allerdings vom Erwerbungsprofil der betreffenden Bibliothek ab. Bibliotheken kleiner Hochschulen und öffentliche Bibliotheken, die keine Bestände längerfristig vorhalten bzw. archivieren, werden den Indikatoren höhere Bedeutung beimessen als z. B. Universitäts- und Forschungsbibliotheken, bei denen die Größe von potentiellen fachlichen Nutzergruppen (Professoren, wiss. Mitarbeiter) oder sogar eine direkte finanzielle Beteiligung des betreffenden Fachbereichs häufig das wichtigste Kriterium für die Ausstattung eines Faches ist.

Published Online: 2018-11-29
Published in Print: 2018-12-01

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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