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H-Soz-Kult und Clio-online: Von der Mailingliste zur Online-Community

  • Thomas Meyer

    Thomas Meyer

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Published/Copyright: March 10, 2018
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Zusammenfassung

Das Fachinformationsforum H-Soz-Kult zählt heute zu den populärsten und meistgenutzten Informationsdiensten in den Geschichtswissenschaften und darüber hinaus. Als „bottom-up“-Projekt durch einzelne Wissenschaftler gegründet, wird H-Soz-Kult heute durch den „Clio-online Historisches Fachinformationssystem e. V.“ getragen und bietet über Fachgrenzen hinaus den Zugriff auf gängige Fachinformationsangebote. Die Entwicklung des Projekts ist geprägt durch eine fachliche Verankerung, neue Technologien, vor allem aber die Orientierung an Informations- und Kommunikationsbedürfnissen und -verhalten in den Geschichtswissenschaften, welche den Wandel von einer Mailingliste zu einer Online-Community geprägt haben.

Abstract

Today, the specialist information forum H-Soz-Kult is one of the most popular and most used information services in historical sciences and beyond. Founded as a “bottom-up“ project by a few scientists, H-Soz-Kult is supported today by the society “Clio-online historical specialist information system “ („Clio-online Historisches Fachinformationssystem e. V.“) and provides access to current specialist information offers across disciplinary borders. The project’s development is characterised by being fixed in the subject, new technologies, but most of all the orientation towards the information and communications needs and behaviour in historical sciences which have shaped the change from mailing list to online community.

Das Fachinformationsforum H-Soz-Kult, mit seiner Zentralredaktion am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, zählt heute zu den populärsten und meistgenutzten Informationsdiensten in den Geschichtswissenschaften und darüber hinaus, mit mehr als 24.000 Abonnenten von Mailinglisten und Newslettern sowie 250.000 Websitenutzern monatlich. Als kleines „bottom-up“-Projekt durch einzelne Wissenschaftler gegründet, wird H-Soz-Kult heute durch den „Clio-online Historisches Fachinformationssystem e. V.“ getragen, einem Zusammenschluss von Partnern aus Archiven, Bibliotheken, Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Als Trägerverein bietet er rechtliche, technische und organisatorische Infrastrukturen für H-Soz-Kult und weitere Portale, darunter zum Beispiel das Themenportal Europäische Geschichte[1] oder das Nachschlagewerk Docupedia-Zeitgeschichte[2]. Die einzelnen Portale werden unabhängig voneinander durch Redaktionen und Herausgebergremien betreut, die sich mit der inhaltlichen Ausrichtung des jeweiligen Portals befassen.

Ausgangspunkt von H-Soz-Kult war das Engagement einiger Historiker im Jahr 1996, die den Aufbau eines Mailinglistennetzwerks an der Michigan-State-University in den USA unter dem Namen Humanities-Net (H-NET)[3] verfolgten und die Mailingliste H-Soz-u-Kult (Humanities – Sozial- und Kulturgeschichte; das ‚u‘ wurde später weggelassen) für die Sozial- und Kulturgeschichte – zwei methodisch wichtige Entwicklungen in den Geschichtswissenschaften seit den 1960er-Jahren – ins Leben riefen.[4] Das H-NET-Netzwerk bietet bis heute eine thematisch gefächerte Plattform zur Distribution von Fachinformationen durch Wissenschaftler selbst, darunter Rezensionen, Tagungsankündigungen oder Stellenangebote. Der Vorstellung des Mailinglisten-Projekts auf dem Historikertag 1996 in München wurde zwar noch mit gehöriger Skepsis vor allem älterer Fachvertreter begegnet. Das schnelle Wachstum der Abonnenten auf der Mailingliste ebnete der Initiative dennoch den Weg zu einer Plattform für die klassische Fachinformation der Geschichtswissenschaften (Rezensionen, Konferenzgeschehen, Berichte, Zeitschriften u. a.), und bereits 1997 erfolgte die Online-Schaltung der ersten Website, auf der alle Beiträge und ihre Autoren in einer Hypertext-Struktur abgebildet sind.[5] Bereits mit Projektbeginn wurde eine Redaktion aufgebaut, die sich aus aktiven Wissenschaftlern an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen speist. Heute wird das Rezensionsgeschäft von einer mehr als 50-köpfigen Redaktion betreut. Wissenschaftler u. a. in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien engagieren sich ehrenamtlich als Betreuer und Gutachter von Texten. In dieser Rolle als Fachredakteure tragen sie nicht nur zur Qualitätssicherung bei, sondern fördern an ihren Forschungseinrichtungen auch die Verbreitung des Forums. Die gesamte Redaktion ist in inhaltliche und technische Entscheidungsprozesse eingebunden. Eine Steuerungsgruppe, gewählt aus bis fünfzehn Vertretern der Gesamtredaktion, berät und diskutiert laufende Fragen und Entwicklungen des Redaktionsgeschäfts. Die Zentralredaktion an der HU Berlin wiederum widmet sich dem Tagesgeschäft: der Kommunikation mit Verlagen und Autoren, der Artikelakquise, dem Lektorat, der täglichen Veröffentlichung der Beiträge sowie sämtlichen technischen Belangen. Die Konzeption und Umsetzung technischer Entwicklungen wird abgestimmt mit der Gesamt-Redaktion.

Einen der größten Entwicklungsschübe vollzog das Projekt im Rahmen der DFG-Förderung zu den Virtuellen Fachbibliotheken in der Zeit von 2003 bis 2008 als Teil des Projekts Clio-online, in dem Hochschulen und Bibliotheken gemeinsam verschiedene Fachinformationsangebote für die Geschichtswissenschaften weiterentwickelt oder neu initiiert hatten.[6] Das frühzeitig einsetzende Wachstum an Beiträgen und Leserschaft war eine der Ausgangsbedingungen für den Ausbau von H-Soz-Kult, die Anzahl der Abonnements und auch die Zugriffe auf die Website vervielfachten sich, einschließlich des redaktionellen Arbeitsaufwands. Vor allem seit Mitte der 2000er-Jahre hat sich H-Soz-Kult einen Rezipientenkreis erschlossen, der weit über die Geschichtswissenschaften hinausreicht. Die wachsende Interdisziplinarität in den Geisteswissenschaften, in jüngerer Vergangenheit auch befördert durch Exzellenzinitiativen oder den Boom der Digital Humanities, implizieren die Ausdifferenzierung von Forschungsfragen und neuer Spezialthemen. Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Kunstgeschichte, Ethnologie, Musikwissenschaften u. v. m. greifen auf mittlerweile auf H-Soz-Kult als Informationsplattform zurück. Der Wachstumskreislauf wird mit angetrieben durch die heute so typischen „wreader“ (writer+reader) – Rezipienten (reader) werden selbst zu Autoren (writer) –, die mit ihren Beiträgen neue Rezipientenkreise anziehen. Begegnet wurde dieser Ausdifferenzierung schon frühzeitig mit der Einrichtung von Teilredaktionen und weiteren Online-Foren, denen die eigenständige Erschließung und Verwaltung von Beiträgen zu epochalen, regionalen oder thematischen Schwerpunkten obliegt. Die Zeitgeschichte zum Beispiel wird seit vielen Jahren von Kollegen des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam betreut, das auf die transnationale Geschichtsforschung, Globalgeschichte und area-studies fokussierte Forum Connections (früher geschichte.transnational) durch Historiker in Leipzig[7]. Weitere Redaktionsgruppen zum Beispiel an der Universität Bielefeld, an der RWTH Aachen oder auch in der Schweiz unterstützen die Redaktionsarbeit von H-Soz-Kult, teils wiederum in Überlappung mit eigenen Projekten, denen die Infrastruktur von H-Soz-Kult zugutekommt.[8]

Einer der Meilensteine von H-Soz-Kult und Clio-online war die Entwicklung einer Personalisierung der verschiedenen Informationsangebote unter dem Namen MEIN CLIO. Dieses Teilprojekt bietet seit 2005 eine Weboberfläche, über die sich die Emailabonnements von H-Soz-Kult und weiteren Foren einrichten und konfigurieren lassen. Hierfür wurde neben der ursprünglichen Mailingliste H-Soz-Kult im H-NET in Berlin ein eigener Mailinglistenserver in Betrieb genommen, über den die Email-Beiträge ebenso abonniert werden können. Das Abonnement auf dem MEIN CLIO Server bietet im Gegensatz zum H-NET jedoch unterschiedliche Optionen zum Bezug der Beiträge: Aufgeteilt in eine Kernliste ‚hsk‘ (Rezensionen, Termine, Tagungsberichte, Projektankündigungen) sowie ‚service‘ (Stellen, Stipendien, Wohnungen, Zeitschriften) können einzelne Rubriken für den Emailbezug ausgewählt werden. Zusätzlich werden dezidiert zeithistorische Beiträge oder Beiträge aus dem Bereich der Globalgeschichte/Transnationalen Geschichte über eigene Mailinglisten verschickt. Seit 2008 steht auch ein HTML-Newsletter zur Auswahl, in dem alle Beiträge mit kurzen Abstracts und Links zu den Volltexten auf der Website enthalten sind. Zum Jahresende 2017 hat nun das H-NET die Distribution der Beiträge über Mailinglisten eingestellt bzw. die Beiträge dort werden auf einzelnen Websites der jeweiligen thematischen Foren veröffentlicht, Informationen über neue Beiträge in diesen Foren können weiterhin über Newsletter abonniert werden, die aber nicht mehr über Mailinglisten betrieben werden. Für H-Soz-Kult bedeutete dies einen Umzug der bisherigen H-NET-Abonnenten auf den Mailinglistenserver von Clio-online, sodass heute alle Abonnenten über den Berliner Mailinglistenserver versorgt werden. Der im Frühjahr 2017 vollständig überarbeitete Personalisierungsdienst MEIN CLIO bietet nun für alle Abonnenten eine komplett überarbeitete Oberfläche, welche die Komplexität der bisherigen Personalisierung obsolet macht und Webformulare für Abonnements, aber auch Einträge in das Clio-online Forscher/innen-Verzeichnis bietet, die sich in ihrer ‚usability‘ an heute gängigen sozialen Netzwerken und Online-Diensten orientiert.[9]

Mit der Zusammenführung der Abonnements sind nun mehr als 24.000 Abonnentinnen und Abonnenten auf dem Berliner Server aktiv. Ungefähr 13.000 Abonnements sind für den Einzelversand konfiguriert, vor allem langfristig abonnierte Rezipienten bevorzugen dieses Format. Dessen Vorzug besteht offensichtlich darin, dass die Einzelbeiträge als Volltext-Archiv auf dem eigenen Rechner online und offline nach eigenem Gusto nutzbar sind. Die Nutzung des HTML-Newsletters nahm in den letzten Jahren unter jüngeren Rezipienten stark zu. Die teils automatisierte Umstellung der bisherigen H-NET-Abonnenten auf den HTML-Newsletter hat diesen Anteil auf mehr als 10.000 Abonnements wachsen lassen. Ein Zehntel der migrierten H-NET-Abonnenten hat sich über MEIN CLIO wieder den Einzelmailversand CLIO konfiguriert, meist unter Nutzung einer Rubrikenauswahl. Das HTML-Newsletter-Angebot scheint somit ein adäquates Format angesichts üblicherweise überquellender Emailpostfächer zu sein. Optionen zu einer thematischen Auswahl im Emailversand, anhand von Klassifikationen oder einer Verschlagwortung, haben sich bisher als wenig praktikabel erwiesen. Die nicht klar definierte nutzerseitige Klassifikation der Beiträge während des Eintragens über die Meldeformulare[10] führt entweder zu einer oberflächlichen Klassifizierung – viele Beiträge werden „ohne epochalen/disziplinären/epochalen Schwerpunkt“ gemeldet –, oder es wird über-klassifiziert, durch eine Auswahl einer Vielzahl an Klassifikatoren. Somit würden viele Beiträge entweder aus einer begrenzten Klassifikations-basierten Email-Auswahl herausfallen oder aber in der überwiegenden Mehrheit klassifikationsbasierter Auswahlen wieder auftauchen. Letztlich wäre mit einem Klassifikationszuschnitt der Blick über den eigenen fachlich thematischen „Tellerrand“ als Konstante im geschichtswissenschaftlichen Forschungsalltag kaum mehr möglich.

Seit dem Jahr 2011 befindet sich H-Soz-Kult in einem weiteren Umstellungsprozess, in dem veraltete Technologien aus den 1990er-Jahren migriert, Datenbanken zusammengeführt und an heute gängige Standards angepasst und neue Skripttechnologien für die Realisierung von Nutzerwünschen und redaktionellen Anforderungen eingeführt werden. Mit dem DFG-Projekt „Historisches Forschungsnetz“[11] wurde die notwendige Zusammenführung der Redaktionssysteme von H-Soz-Kult und Clio-online und die Anpassung der Websites an heutige Lesegewohnheiten initiiert. Seit 2014 wurden H-Soz-Kult und weitere Portale auf die neue Umgebung umgestellt. Der überarbeitete Personalisierungsdienst MEIN CLIO als Kern des neuen, Portal-übergreifenden Redaktionssystems bietet neben Personalisierungsoptionen für den Emailbezug auch die Möglichkeit, Verzeichniseinträge (Web, Institutionen) des Clio-online-Portals direkt zu melden und fortlaufend zu bearbeiten, folgen werden Formulare für die Verwaltung von Beiträgen für H-Soz-Kult. Die mit dem Relaunch von H-Soz-Kult in 2014 erfolgte Migration in Suchmaschinentechnologie und die Datenausgabe in standardisierten Formaten[12] ermöglicht die parallele Distribution der Beiträge über Websites, RSS-Feeds, twitter und Mailinglisten, bahnt aber auch den Weg für eine leichtere Einbindung in Fremdsysteme. War ursprünglich der Umstellungsprozess auf drei Jahre angelegt, hat sich das Vorhaben zu einem längerfristigen Projekt entwickelt: Die Menge der in zwanzig Jahren veröffentlichten Beiträge, organisch gewachsene Redaktionsstrukturen, neue technologische Trends und die notwendige Fokussierung auf förderpolitische Rahmenbedingungen erschweren eine zügige Anpassung und Migration gewachsener Strukturen im laufenden Betrieb. Die Fortführung des Umstellungsprozesses und der dauerhafte Betrieb wird möglich durch ein arbeitsteiliges Vorgehen mit Kooperationspartnern an der HU und im Trägerverein Clio-online. So erfolgt die Langzeitarchivierung ausgewählter Publikationen auf dem Dokumentenserver der HU[13], die Bereitstellung von Servern in Kooperation Rechenzentrum der HU, welches umfassende Serverdienste (Datenbanken, Backups, Hosting) bietet. Weitere Kooperationspartner arbeiten an Teilprojekten mit, wie zuletzt an den Clio-online Guides, die nun als eigenständige elektronische Publikation vorliegen.[14]

Die Entwicklung von H-Soz-Kult und Clio-online zu einer Online-Community ist nicht allein das Ergebnis technologischer und redaktioneller Entscheidungen und Strukturen. Die fachliche Verankerung des Projekts ist ein zentraler Erfolgsfaktor, schließlich werden die Informationsdienste von Wissenschaftlern für Wissenschaftler betrieben. Die Orientierung an Technologien, die Teil des Alltags im Privaten und Forschung und Lehre sind und sich dort pragmatisch und einfach anwenden lassen, war und ist eine der zentralen Prämissen des Projekts. Nicht die technische Beschaffenheit oder die begriffliche Aufladung von Technologien stehen im Mittelpunkt und leiten zur Übernahme jeglicher Web 2.0-Technologien an, da nicht jede Technologie per se in einer Wissenschaftsdisziplin anwendbar ist. Und schließlich trägt auch die Rolle von Akteuren bzw. die Grenzüberschreitung von technikaffinen Wissenschaftlern zwischen verschiedenen Fachdisziplinen zur Durchsetzung bestimmter Technologien bei – in diesem Falle das frühzeitige Einbringen von Email und WWW in die Geschichtswissenschaften durch Vertreter des Fachs, die seit vielen Jahren (u. a. in der quantifizierenden Sozialgeschichte) aktiv Computer und Rechnernetzwerken nutzen.[15]

Die Einbindung der Leserschaft in die Entwicklung von H-Soz-Kult ist durch ihr Engagement als Autoren und Beiträger gegeben, Wünsche und Anforderungen können teilweise durch die Analyse von Zugriffsstatistiken oder die Auswertung von Googles- Suchstatistiken erhoben werden. Eine stärkere Partizipation wurde durch die H-Soz-Kult und Clio-online Umfragen möglich. Zuletzt wurde 2016 nach Wünschen, Bedürfnissen und Informationsverhalten der Rezipienten gefragt, um die inhaltlichen und funktionalen Profil der Portale zu schärfen und die Rolle wissenschaftlicher und kommerzieller Informationsangebote als Teil der historischen Fachinformation auszuloten. Mehr als 2.000 Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult nahmen an dieser Umfrage teil, mehr als 1.400 davon beantworteten alle Fragen. Der Großteil der Teilnehmer stammt aus der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft an Universitäten und Forschungsinstituten und kann als durchgängig internet-affin bezeichnet werden, da regelmäßiges Rezipieren und Publizieren im Netz zum wissenschaftlichen Alltag gehören. Die Nutzung des Internets beschränkt sich nicht allein auf Forschungszwecke an Hochschulen und Instituten, sondern umfasst auch den Schulunterricht und Weiterbildung, Geschichtsvermittlung und Public History in Gedenkstätten und Museen, Wissenschaftskommunikation und Journalismus, die Erschließung und Dokumentation in Archiven und Bibliotheken und private Interessen an geschichtswissenschaftlicher Fachinformation. Die Qualität und Zuverlässigkeit geschichtswissenschaftlicher Fachinformationen stehen im Vordergrund, Dauerhaftigkeit und Geschwindigkeit werden als wichtig angesehen. Die spezifische Nutzung von Informations- und Kommunikationsangeboten ist allerdings divers ausgeprägt: Soziale Medien, Blogs und kommerzielle akademische Netzwerke werden zwar als Medium für Fachinformationen genutzt, jedoch deutlich weniger als Websites, Mailinglisten oder Newsletter (Fragenblock 2 und 7).

Tab. 1:

Frage 2.4 der Clio-online Umfrage von 2016: Welche Arten elektronischer Information und Kommunikation und soziale Medien nutzen Sie, um sich in Ihrem Fach auf dem Laufenden zu halten bzw. zu kommunizieren?[16]

ohne Antwortgar nicht seltenhäufigsehr häufigkenne ich nicht
Newsletter432 8632051770212
Blogs43540277129613827
Mailinglisten43417332342569717
Podcasts435820624954451
Twitter43511792301009431
Facebook43594529721515918
academia.edu, researchgate.net43336258338522779
Seiten von Institutionen/Einzelpersonen432 2021265871928

Verständlicherweise werden Quellen und Publikationen am stärksten in Online-Angeboten nachgefragt, Literaturnachweise, Dokumentenlieferdienste, elektronische Volltexte, Zeitschriftenaufsätze, digitale Quellen und – als ein wichtiges Instrumentarium – Rezensionen (Frage 3.2) zählen schließlich zu den Dokumentenarten, die eher über klassische Fachinformationseinrichtungen wie Archive und Bibliotheken oder breit aufgestellte Informationsportale zu beziehen sind. Bibliothekskataloge und Suchmaschinen werden offensichtlich stärker genutzt als Verlagsangebote, Online-Bibliographien oder Virtuelle Fachbibliotheken (Frage 3.3). Das Publizieren auf Blogs ist wenig verbreitet, generell scheint das Schreiben für Online-Formate immer noch wenig attraktiv (Frage 3.4). Für H-Soz-Kult relevant waren indessen die Antworten auf Fragen nach den möglichen Bezugsoptionen im Emailversand, die Relevanz der Informationsangebote für die eigene wissenschaftliche Arbeit und die Qualität und Quantität der Beiträge. Rezensionen und Zeitschrifteninhalte sind ungebrochen eine wichtige Informationsquelle, wie auch Forschungsberichte und Informationen über das Tagungsgeschehen. Hinsichtlich Qualität und Quantität sowie Internationalität und thematischer Vielfalt lassen sich Desiderata ausmachen (Frageblock 5).

Die Ergebnisse der Umfrage waren teilweise vorhersehbar, schließlich wurde die eigene Leserschaft befragt, wodurch eine starke Eingrenzung auf eine Nutzergruppe gegeben ist. Zudem sind die Redaktionen im Fach selbst und zahlreichen anderen Online-Projekten vernetzt und erhalten so im Redaktionsalltag bereits kontinuierlich Feedback von Autoren und Leserschaft. Das Echo auf Fachtagungen und den zweijährlich stattfindenden Historikertagen sowie in der täglichen Redaktionskorrespondenz per Email spiegelt ein Meinungsbild. Dennoch barg die Umfrage auch Überraschungen: So wurde mit einer stärkeren Gewichtung der heute gängigen, kommerziell ausgerichteten Forschungsnetzwerke gerechnet. Ein Großteil der Leserschaft ist zwar mittlerweile auf Netzwerken wie academia.edu oder researchgate.net vertreten, jedoch dort weniger aktiv, als auf fachlichen Informationsangeboten. Und für bibliothekarische und archivarische Online-Angebote lässt sich immer noch feststellen, dass diese längst nicht dem breiten Fachpublikum bekannt sind oder diese nur wenig genutzt werden. So ist auffällig, dass der Nutzungsgrad institutioneller Repositorien weiterhin gering ausgeprägt ist; was dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass Wissenschaftler stärker innerhalb ihres Fachs agieren, als innerhalb ihrer Institution (Universität), da sie mehrheitlich im Zuge ihrer Laufbahn zwischen Instituten und Universitäten wechseln und somit nur bedingt eine Identifikation mit einer Institution aufbauen.

Das Medium Email war sicherlich die Initialzündung für H-Soz-Kult, aber nicht allein der maßgebliche Faktor für den Erfolg von H-Soz-Kult. Als bottom-up-Projekt ist es durch die Beteiligung von Historikern fachlich verankert, die angebotenen Informationen wie Rezensionen, Berichte, Informationen zum Konferenzgeschehen spielen seit der Verfachlichung der Geschichtswissenschaften im 19. Jahrhundert eine Schlüsselrolle in der Fachinformation. Die Rückbindung an die „Community“ erfolgt durch deren Einbindung als Autoren und Beiträger und die direkte Beteiligung innerhalb der Redaktion. Damit verbunden waren die Auflösung akademischer Informationshierarchien und die Schaffung von Transparenz durch die prinzipiell schrankenfreie Verteilung und Rezeption von Informationen. Als schwierig für Projekte wie H-Soz-Kult erweist sich natürlich die finanzielle Unterfütterung eines auch sich technologisch immer wieder erfindenden Projekts. Die Finanzierung durch Förderprogramme der DFG war daher für viele Jahre eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Aufbau und Übergang in den Dauerbetrieb. Der wiederum ist nur möglich durch die Unterstützung zahlreicher Institute und Universitäten der beteiligten Redakteure, maßgeblich auch durch die HU Berlin, welche zwei feste Mitarbeiterstellen für die Zentralredaktion stellt – der Betrieb des Projekt ist mittlerweile mit dem eines kleinen Verlages vergleichbar – , zuletzt aber auch durch das Engagement zahlreicher Fördermitglieder und Spender. Ob der Wandel der einstigen Mailingliste zu einer Online-Community eine Erfolgsgeschichte bleibt, ist nicht vorhersehbar. Emails boten Anfang der 1990er Jahre der damaligen Doktoranden- und Habilitandengenerationen völlig neue Informationsmöglichkeiten. Heute werden jedoch über Smartphones neue Informations- und Kommunikationskanäle genutzt, soziale Netzwerke, Blogs und Twitter erfreuen sich seit Jahren unter Studierenden und Doktoranden großer Beliebtheit, wie z. B. die wachsenden Nutzerzahlen von hypotheses.org zeigen. Dennoch sind fachliche Voraussetzungen, Kommunikationsstile, Publikationsverhalten und wissenschaftliches Renommee und weniger die technischen Gegebenheiten prägend für das Informations- und Kommunikationsverhalten. Angesichts eines weiterhin stark wachsenden Publikationsaufkommens werden Dienste, die Orientierung durch Fachinformation bieten, eher nachgefragt bleiben, als offene Kommunikations- und Diskussionsangebote. Derartige Angebote zwingen nämlich zum Verlassen des geschützten Raums innerfachlicher Debatten auf Tagungen und in Printmedien, welche in der Regel mit der Zeit in den Bibliotheken verblassen, während im Kosmos Internet jede Meinungsäußerung jederzeit in den Platzierungen der Suchergebnisse von Google & Co schnell in den Fokus rückt. Debatten bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen um Rezensionen bei H-Soz-Kult zeigen beispielsweise, welche Dynamiken sich aus der Online-Präsenz von Buchbesprechungen entwickeln können.[17] Welches Medium in diesem Kontext welche Dienste offeriert, bleibt wohl letztlich offen und wandelbar.[18] Die fachliche Verankerung, die Konzentration auf durch Wissenschaftler adaptierbare Technologien und die Fokussierung auf ausgewählte Inhalte sprechen bisher für den Erfolg von Fachangeboten, ganz im Sinne gängiger Definitionen einer „online-community“, in denen sich eine virtuelle Gemeinschaft von Nutzern formiert und in den fachlichen Austausch tritt.

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Thomas Meyer

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Published Online: 2018-03-10
Published in Print: 2018-03-26

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