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Bemühungen um ein Bibliotheksgesetz für Niedersachsen

  • Lothar Haas

    Dr. iur. Lothar Haas

    Breitscheidstraße 16, 29223 Celle

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Published/Copyright: December 1, 2016
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Zusammenfassung

Der Beitrag beschreibt das mühsame Agieren zweier Organisationen der Zivilgesellschaft für ein Bibliotheksgesetz. Der Erfolg ist noch nicht da, aber auch nicht ausgeschlossen. Die Verbände versuchen, Landtagsfraktionen, Abgeordnete und Landesregierung zu bewegen, sich zugunsten eines Bibliotheksgesetzes zu entscheiden. Als sie nicht weiterkommen, legen sie selbst einen ausgearbeiteten Entwurf mit Begründung vor. Die Kontakte mit Abgeordneten werden von der Frage bestimmt, ob ein Kulturfördergesetz einem Bibliotheksgesetz vorzuziehen ist. Die Abgeordneten fragen schließlich, ob sich die bereits bestehenden Bibliotheksgesetze als praktisch wirksam erwiesen hätten. Die Frage kann, vor allem mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren zur Verlängerung des Hessischen Bibliotheksgesetzes, positiv beantwortet werden. Die politische Folgerung für Niedersachsen steht noch aus.

Abstract

The article describes the laborious actions of two organisations of the civil society to promote a library law. They did not achieve their goal yet, but it is still possible. The associations are trying to persuade parliamentary groups, their members and the government of Lower Saxony to decide in favour of a library law. When there is no progress, they draw up and introduce a bill. Contact with members of parliament is determined by the question if a culture promotion law should be preferred to a library law. The members of parliament finally ask if already existing library laws have proven effective in practice. This can be confirmed, especially with regard to the legislation process for the prolongation of the Hessian Library Law. The political consequence for Lower Saxony is yet to come.

1 Einleitung

Gespräche über ein Bibliotheksgesetz laufen in Niedersachsen seit gut fünf Jahren. Erste Kontakte zu Landtagsabgeordneten nahm die Bibliotheksgesellschaft Celle ‒ angeregt durch einen Vortrag von Konrad Umlauf, Humboldt-Universität Berlin ‒ im Sommer 2011 auf. Im Sommer 2012 griff der Landesverband, die Bibliotheksgesellschaft Niedersachsen, diesen Faden auf. Beide Bibliotheksgesellschaften sind unabhängige und uneigennützige Zusammenschlüsse von Bürgerinnen und Bürgern, die insbesondere die Öffentlichen Bibliotheken in ihrem Bereich fördern wollen.

Es entstand ein Flyer, der ein Bibliotheksgesetz forderte, Briefe an die Landtagsfraktionen wurden geschrieben und mit Vertretern mehrerer Fraktionen kam es zu Gesprächen. Die Positionen waren unterschiedlich, von begeistert bis zurückhaltend. Bei der SPD und bei den GRÜNEN gab es grundsätzlich Interesse an einer gesetzlichen Förderung der Öffentlichen Bibliotheken; sie favorisierten aber statt eines Bibliotheksgesetzes ein umfassendes Kulturfördergesetz.

Auch nach der Landtagswahl vom Januar 2013 haben beide Bibliotheksgesellschaften, Niedersachsen und Celle, die Forderung nach einem Bibliotheksgesetz weiterhin erhoben, vor allem gegenüber der Landesregierung und den Regierungsfraktionen. Die Kontakte gestalteten sich schwierig, auch sehr schwierig, und Klarheit war nicht zu erlangen. Das Projekt eines Kulturfördergesetzes wurde von Regierungsseite wieder genannt, es geschah aber nichts.

Im Sommer 2013 haben dann die beiden Bibliotheksgesellschaften gemeinsam einen ausgearbeiteten Entwurf für ein Bibliotheksgesetz mit Begründung vorgelegt. Der Entwurf schlägt nicht vor, die kommunalen Bibliotheken finanziell durch das Land zu fördern. Öffentliche Bibliotheken zu unterhalten soll zwar als Aufgabe der Kommunen bezeichnet werden, jedoch nicht im Sinne einer Pflichtaufgabe, denn die Schaffung einer neuen Pflichtaufgabe hätte wegen des Konnexitätsprinzips in Artikel 57 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung im Ergebnis die Folge, dass das Land die Kosten der kommunalen Bibliotheken zu tragen hätte; ein solcher Gesetzgebungsvorschlag wäre von vornherein politisch unrealistisch. Ziel des Entwurfs ist es vielmehr, die Bedeutung der öffentlichen Bibliotheken mit der Autorität des Gesetzes zu stärken.

Bewegung hat der Gesetzentwurf nicht in das Thema gebracht, auch nicht bei den Oppositionsfraktionen. Weitere politische Kontakte, auch im Randbereich des Themas eines Bibliotheksgesetzes, brachten keine greifbaren Ergebnisse oder waren sogar entmutigend.

Ein neuer Anlauf wurde im September 2015 mit einer Entschließung der Mitgliederversammlung der Bibliotheksgesellschaft Niedersachsen gemacht. Daraus entwickelten sich dann Kontakte und Gespräche mit einigen Abgeordneten der Regierungsfraktionen bis hin zu einem längeren Gespräch im größeren Kreise im August 2016. Die Abgeordneten entwickelten dabei die Frage, ob die bereits bestehenden Gesetze anderer Länder sich als wirksam erwiesen hätten. Der Verfasser übernahm es, hierzu Erkundigungen einzuziehen.

Die Recherche konnte zwar nicht zu exakten Zahlen führen, die Einschätzungen in den beteiligten Ländern gingen aber ohne wesentliche Abweichungen dahin, es sei gut, dass die Bedeutung der Bibliotheken als Bildungseinrichtungen durch die Gesetze gestärkt worden sei.

In nachvollziehbarer Weise untermauert wurde diese Beurteilung durch das Gesetzgebungsverfahren, das in Hessen zur Verlängerung des ursprünglich bis Ende 2015 befristeten Bibliotheksgesetzes geführt hat. Landesregierung und alle beteiligten Stellen waren nahezu ausnahmslos der Auffassung, das Gesetz habe sich bewährt, sei weiterhin erforderlich und verlange nur nach marginalen Änderungen. Eine einzige abweichende Äußerung in der Verbandsanhörung nahm lediglich Bezug auf die fünf Jahre vorher abgegebene Stellungnahme, ohne aktuelle Ergänzung.

Die Gespräche mit den Abgeordneten in Niedersachsen sind noch nicht beendet. Ob das Ergebnis für Niedersachsen gut sein wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Die Befürworter eines Bibliotheksgesetzes hoffen weiter auf ein positives Ergebnis bei der Erörterung in den Regierungsfraktionen.

Im Weiteren könnten noch zwei Überlegungen angestellt werden:

  1. Gut wäre es, den Gesetzentwurf noch um eine Neuregelung des Rechts der Pflichtexemplare zu ergänzen, unter Einbeziehung der nichtkörperlichen Werke.

  2. Ein Bibliotheksgesetz zu erlassen, wäre nicht hinderlich für eine spätere Absicht, ein umfassendes Kulturfördergesetz zu schaffen. Weil ein Bibliotheksgesetz keine Bestimmungen über die finanzielle Förderung kommunaler Bibliotheken enthalten würde, sondern nur bibliotheksrechtliche Normen, ergäben sich keine Kollisionen mit einem Kulturfördergesetz.

Die laufende Wahlperiode des Niedersächsischen Landtags endet im Januar 2018. Zeit genug ist also zum Erlass eines Niedersächsischen Bibliotheksgesetzes.

2 Der Gesetzentwurf der Bibliotheksgesellschaften

Entwurf

Stand: 26.7.2013

Niedersächsisches Bibliotheksgesetz (NBiblG)

§ 1 Gesetzesziel

Ziel dieses Gesetzes ist es, die Gesamtheit der öffentlich zugänglichen Bibliotheken und der Schulbibliotheken in ihrem Bestand zu sichern sowie auf ihre Weiterentwicklung hinzuwirken.

§ 2 Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich zugänglichen Bibliotheken des Landes, der Kommunen und der ihrer Aufsicht unterstehenden Einrichtungen sowie für die Schulbibliotheken.

(2) Für kirchliche Bibliotheken und Bibliotheken anderer gemeinnütziger Träger gilt dieses Gesetz, soweit es besonders bestimmt ist.

§ 3 Öffentliche Bibliotheken

(1) 1Öffentliche Bibliotheken dienen der Bildung, der Information, der Aus- und Weiterbildung sowie der Unterhaltung für alle. 2Sie sind Orte des Lernens, betreiben Leseförderung und sind Stätten der Begegnung. 3Sie können von allen genutzt werden.

(2) 1Öffentliche Bibliotheken einzurichten und zu unterhalten ist Aufgabe der Kommunen. 2Die Landkreise entscheiden, ob das Bedürfnis besteht, eine Fahrbibliothek einzurichten und zu unterhalten.

(3) Kirchliche Bibliotheken und Bibliotheken anderer gemeinnütziger Träger können die Funktion einer öffentlichen Bibliothek erfüllen.

(4) Ziel ist es, dass alle Bürgerinnen und Bürger in angemessener Entfernung und mit angemessenen Öffnungszeiten Zugang zu einer öffentlichen Bibliothek haben.

(5) Öffentliche Bibliotheken sollen mit anderen Bildungseinrichtungen, insbesondere mit Schulen und Kindertagesstätten, zusammenarbeiten.

§ 4 Schulbibliotheken

(1) 1Schulbibliotheken dienen den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften. 2Sie sind Bestandteil des Schulunterrichts wie des Schullebens. 3Sie ermöglichen und fördern selbstständiges Lernen.

(2) Die Schulträger sollen öffentliche Schulen mit erforderlichen Schulbibliotheken ausstatten.

(3) Schulbibliotheken können mit anderen Schulbibliotheken oder mit einer öffentlichen Bibliothek zusammengefasst werden, soweit dies mit der jeweiligen Aufgabe vereinbar ist.

(4) Schulbibliotheken und öffentliche Bibliotheken sollen zusammenarbeiten.

§ 5 Wissenschaftliche Bibliotheken

1Hochschulbibliotheken und sonstige wissenschaftliche Bibliotheken dienen Forschung, Lehre und Studium. 2Daneben stehen sie jedermann zur Verfügung, soweit die wissenschaftlichen Zwecke nicht beeinträchtigt werden.

§ 6 Kosten

(1) Die Kosten der Bibliotheken tragen ihre Träger.

(2) Das Land kann anderen Trägern öffentlich zugänglicher Bibliotheken Zuwendungen zu den personellen und sächlichen Kosten gewähren.

(3) Kommunen können kirchlichen Bibliotheken und Bibliotheken anderer gemeinnütziger Träger, die öffentlich zugänglich sind, Zuwendungen zu den personellen und sächlichen Kosten gewähren.

§ 7 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft.

________________________

3 Begründung

3.1 Allgemeiner Teil

3.1.1 Anlass des Entwurfs

Bibliotheken sind eine uralte kulturelle Institution. Schon im frühen Altertum gab es Sammlungen von Schriften. Klöster und Kirchen unterhielten später Bibliotheken, bisweilen in prachtvollen Räumen. Die frühen Universitäten hatten wissenschaftliche Bibliotheken, und in den später gegründeten Universitäten war es nicht anders. Fürsten schufen sich umfangreiche Bibliotheken, als Beispiel kann die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel genannt werden, die sich zur Forschungsbibliothek weiterentwickelt hat. Auch Staaten und die Räte größerer Städte richteten wertvolle Bibliotheken ein.

Im 19. Jahrhundert entstanden mit dem Gedanken der Volksbildung Volksbibliotheken, zunächst Leihbüchereien, später die Bücherhallen mit Leseräumen. Diese Entwicklung setzte sich fort, als nach dem Zweiten Weltkrieg auch in kleineren ländlichen Kommunen öffentliche Bibliotheken entstanden und teilweise Fahrbibliotheken geschaffen wurden.

In manchen Gegenden sind Bibliotheken für die lokale Bevölkerung allerdings nicht als Einrichtungen der Gemeinden entstanden, sondern werden als öffentliche Bibliotheken von der katholischen oder evangelischen Gemeinde betrieben, oft mit ehrenamtlichen Kräften, wobei es durchaus sein kann, dass die Kosten mehr oder weniger mit Mitteln der Kommune bestritten werden.

Seit längerer Zeit gibt es nun eine gegenläufige Entwicklung, in deren Verlauf zahlreiche Kommunen ihre öffentlichen Bibliotheken geschlossen oder reduziert oder auch bestehende Zweigstellen abgeschafft haben. Anlass ist häufig eine angespannte Haushaltslage gewesen. Hier und da ist auch aus geringeren Nutzungszahlen geschlossen worden, es bestehe kein hinreichender Bedarf für die Bibliothek, wobei dann leicht die Gründe für die geringe Inanspruchnahme – ungünstige Räume, kurze und ungünstig gelegene Öffnungszeiten, veralteter Medienbestand oder etwa ungeschickte Leitung – ausgeblendet werden. Die Einordnung von Bibliotheken als „freiwillige Leistung“, d. h. als Leistung, die den Kommunen nicht durch Gesetz als Pflichtaufgabe vorgeschrieben ist, erleichtert in solchen Fällen die Bibliotheksschließung.

In manchen Fällen beruhigen die Verantwortlichen sich mit der Begründung, öffentliche Bibliotheken seien heute nicht mehr notwendig, weil es das Internet gebe, weil Computer in Privathaushalten weit verbreitet seien und alle notwendigen Informationen über Suchmaschinen zu erreichen seien. Dabei wird übersehen, dass keineswegs alle Menschen Zugang zu einem Computer haben, dass elektronische Medien zwar wichtig geworden sind, aber das Buch nicht ersetzen können, und dass viele Informationen im Internet nicht kostenlos erhältlich und wichtige und zuverlässige Informationen nur über kostenpflichtige Datenbanken zu erreichen sind, die keinem Privathaushalt zur Verfügung stehen.

Relativ häufig spielen bei der Entscheidung über die Schließung einer kommunalen Bibliothek Stellen des Landes eine entscheidende Rolle. Wenn eine Kommune zum Ausgleich ihres Haushalts finanzielle Hilfe vom Land braucht, fragen die Prüfungsbeamten des Landes, um Einsparmöglichkeiten zu finden, nach den „freiwilligen Leistungen“ und machen Zuwendungen des Landes von einer Reduzierung bei diesen Leistungen abhängig. Die Kommunen geraten so in eine derartig bedrängte Lage, dass sie sich praktisch nicht mehr für andersartige, weniger leicht fassbare Einsparmöglichkeiten entscheiden können.

So ist in den vergangenen Jahren eine Entwicklung eingetreten, die durch Schließung zahlreicher kommunaler Bibliotheken das Gesamtsystem der Bibliotheken im Land ungünstig verändert hat, zu Lasten großer Teile der Bevölkerung, insbesondere zu Lasten von Menschen mit geringem Einkommen, zu Lasten von Menschen mit Migrationshintergrund, zu Lasten der Bevölkerung in kleineren Orten, zu Lasten älterer oder behinderter Menschen und nicht zuletzt zu Lasten von Kindern und Jugendlichen, für deren Bildungschancen Bibliotheken eine wichtige Rolle spielen können.

Entscheidungen zur Schließung kommunaler Bibliotheken haben an manchen Orten Kräfte der Zivilgesellschaft mobilisiert, die – wenn auch mit bescheidenen Mitteln und immer an der Grenze ihrer Möglichkeiten – die von der öffentlichen Hand aufgegebenen Einrichtungen aufgefangen oder neu gegründet haben, um der Bevölkerung die Bibliothek zu erhalten. Ganz oder teilweise von ehrenamtlichen Kräften betrieben, auf nicht ausreichende Zuschüsse der Kommunen, auf Spenden und sonstige mehr oder weniger ungewisse Zuwendungen angewiesen, übernehmen sie Aufgaben der öffentlichen Hand.

Ein weiterer Bereich des Bibliothekswesens ist in unserem Land seit langem notleidend, das sind die Schulbibliotheken. Bestand und Ausstattung von Schulbibliotheken in skandinavischen Ländern oder in den USA machen deutlich, welche enorme Bedeutung Schulbibliotheken für das Bildungswesen haben, nicht zuletzt für die Vermittlung der Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten und Lernen. Gut ausgestattete, fachlich qualifiziert betreute Schulbibliotheken mit angemessenen Öffnungszeiten gibt es hierzulande hingegen kaum. Nicht zuletzt fehlt es an bibliotheksfachlicher Betreuung und an ausreichenden Öffnungszeiten, vielfach auch an genügender Ausstattung mit adäquaten Büchern und anderen Medien. Auch wo im Einzelfall genügende Medienbestände vorhanden sind, können sie oft aus Mangel an geeignetem Personal ihrem Zweck nicht hinreichend nutzbar gemacht werden.

3.1.2 Ziele des Entwurfs

(1) Das Gesetz will erreichen, dass der Bestand an Bibliotheken im Lande nicht weiter zurückgeht, dass die Bibliotheken vielmehr zeitgemäß weiterentwickelt werden und ihre Aufgabe auch im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung des Computers, des Internets und der elektronischen Medien sachgerecht wahrnehmen können.

Zu diesem Zweck sollen die öffentlich zugänglichen Bibliotheken und die Schulbibliotheken in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken als wichtige, unverzichtbare Einrichtungen der Bildung und der Kultur für alle Verantwortlichen herausgestellt werden.

(2) Die Einrichtung und Unterhaltung öffentlicher Bibliotheken soll als Aufgabe der Kommunen bezeichnet werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1). Dabei soll es sich jedoch nicht um eine Pflichtaufgabe handeln. Ob eine Bibliothek unterhalten wird, soll weiterhin in der verantwortlichen Entscheidung jeder einzelnen Kommune liegen. Die Kommunalaufsicht soll insoweit keinen Zwang ausüben können. Zwar sieht der Entwurf es als wünschenswert und wichtig an, dass die Kommunen eine Bibliothek unterhalten. Würde ihnen das Gesetz aber eine entsprechende Rechtsverpflichtung auferlegen, so hätte das zur Folge, dass nach Artikel 57 Abs. 4 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung das Land durch Gesetz einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu regeln hätte, oder, vereinfacht gesagt, das Land hätte die Kosten der kommunalen Bibliotheken zu tragen. Das unabsehbare und weitreichende finanzielle Ausmaß ließe eine solche Folge von vornherein als für den Landesgesetzgeber nicht verantwortbar erscheinen. Das Konnexitätsprinzip des Artikels 57 Abs. 4 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung schließt es also praktisch aus, Bibliotheken zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen zu machen.

Wenn die Einrichtung und Unterhaltung öffentlicher Bibliotheken zur Aufgabe der Kommunen erklärt wird, so liegt darin die Klarstellung, dass öffentliche Bibliotheken nicht eine Luxusaufwendung darstellen und keine entbehrliche, gar überflüssige Aktivität, auf die mit Selbstverständlichkeit zu verzichten wäre, wenn die Haushaltsmittel knapp sind. Darin liegt einerseits die Aufforderung an die Verantwortlichen der Kommune, in solcher Situation eine umfassende Abwägung vorzunehmen, in welcher Weise bei einem Mangel an finanziellen Mitteln zum Besten der Kommune entschieden werden kann, unter angemessener Gewichtung der Bedeutung der Bibliothek. Andererseits bedeutet die Bestimmung eine Aufforderung an die Zuständigen der Landesverwaltung, bei finanzieller Notlage einer Kommune nicht den einfachen Weg zu gehen, dass mit der Einstufung der Bibliothek als „freiwillige Leistung“ das Verlangen nach Schließung (oder Reduzierung) gestellt wird. Vielmehr muss auch auf der Seite der Landesverwaltung der oft schwierige Weg beschritten werden, alle Aufgaben und die Art und Weise der Erledigung der Aufgaben näher zu prüfen und so nach Möglichkeiten der Entlastung des Haushalts unter umfassender Abwägung zu suchen.

Unverändert soll es dabei bleiben, dass die Kosten einer Bibliothek zu Lasten des Trägers der Bibliothek gehen (§ 6 Abs. 1).

(3) Auch hinsichtlich der Schulbibliotheken soll keine strikte rechtliche Verpflichtung der Schulträger geschaffen werden, solche Einrichtungen für die Schulen vorzuhalten. In § 4 soll zwar die Bedeutung von Schulbibliotheken für die Schulen klargestellt werden. Es wird aber nur ausgesprochen, dass die Schulträger öffentliche Schulen mit erforderlichen Schulbibliotheken ausstatten sollen. Mit den Begriffen „erforderlich“ und „sollen“ wird den Schulträgern ein weiter Entscheidungsspielraum gelassen, in dessen Rahmen selbstverständlich die haushaltsmäßigen Möglichkeiten eine wesentliche Funktion haben. Wenn das Gesetz die Bedeutung der Schulbibliotheken unterstreicht, so wird damit aber auch deutlich gemacht, dass die Unterhaltung einer funktionsfähigen Schulbibliothek wichtiger sein kann als z. B. die Ausstattung der Schule mit allen neuen technischen Entwicklungen.

(4) Der Entwurf ist bewusst knapp gehalten, seine Bestimmungen sind auf das Notwendige beschränkt. So verzichtet der Entwurf auf Bestimmungen zu folgenden denkbaren Regelungsgegenständen:

  1. Definitionen für Bibliotheken und damit zusammenhängende Sachverhalte,

  2. Anforderungen an Bibliotheken, wie Qualifikation der Leitung und des weiteren Personals, und Anforderungen an Bibliotheksräume,

  3. Aufgaben der Bibliotheken im Detail,

  4. fachliche Arbeit der Bibliotheken und Auswahl bei der Beschaffung von Medien,

  5. Mindestbestand,

  6. Einbeziehung von Internet und neuen Medien,

  7. Digitalisierung von Bibliotheksbeständen,

  8. Nutzungsentgelt und entgeltfreie Nutzung,

  9. Verhältnis der Bibliotheken zum Grundrecht der Informationsfreiheit.

All dies können die Bibliotheken und ihre Träger weiterhin in eigener fachlicher Kompetenz bestimmen.

(5) Behördenbibliotheken gehören nicht zum Regelungsbereich des Entwurfs; gesetzliche Bestimmungen sind insoweit nicht erforderlich.

(6) Kirchliche und private Bibliotheken können nicht insgesamt in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Andererseits darf das Gesetz nicht den Blick davor verschließen, dass für den Bereich der öffentlichen Bibliotheken kirchliche Bibliotheken und Bibliotheken, die von privatrechtlichen gemeinnützigen Organisationen getragen werden, für die Bibliothekslandschaft des Landes von nicht geringer Bedeutung sind. Sie können dadurch in die Gesamtregelung einbezogen werden, dass das Gesetz für sie gilt, soweit es besonders bestimmt ist (§ 2 Abs. 2).

(7) Der Entwurf enthält zunächst keine Bestimmungen über die Büchereizentrale Niedersachsen. Sie könnte allerdings ein sinnvoller Regelungsgegenstand für das Gesetz sein. Weil es sich dabei aber bislang nicht um eine Einrichtung des Landes handelt, sondern um eine Einrichtung des gemeinnützigen Büchereiverbandes Lüneburg-Stade e. V., könnten Regelungen erst formuliert werden nach Kontaktaufnahme mit dem gegenwärtigen Träger.

[1.3 Bibliotheksgesetze anderer Länder]

In den vergangenen Jahren sind in mehreren Ländern ebenfalls Bibliotheksgesetze geschaffen worden:

  1. Thüringer Bibliotheksgesetz vom 16.7.2008 (Göbl. S. 243);

  2. Bibliotheksgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.7.2010 (GVBl. S. 434);

  3. Hessisches Bibliotheksgesetz vom 20.9.2010 (GVBl. S. 295).

Alle diese Gesetze haben – bei manchen Unterschieden im Einzelnen – übereinstimmend das Gesamtziel, den Bibliotheksbestand zu sichern und weiterzuentwickeln.

Die Koalitionsvereinbarung der jetzigen schleswig-holsteinischen Landesregierung enthält die Ankündigung, in der ersten Hälfte der Legislaturperiode solle der Entwurf eines Bibliotheksgesetzes eingebracht werden.

3.1.3 Inhaltliche Schwerpunkte des Entwurfs

Inhaltlich hat der Entwurf drei Schwerpunkte:

(1) Im Zentrum des Entwurfs stehen die öffentlichen Bibliotheken (§ 3). Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder öffentliche Bibliotheken von den Kommunen geschlossen oder in ihrem Bestand reduziert worden sind, nicht selten auf Veranlassung der Landesverwaltung, muss es das Ziel der gesetzlichen Regelung sein, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Neben den ortsgebundenen kommunalen Bibliotheken müssen dabei auch die Fahrbibliotheken in den Blick genommen werden, die das Angebot der ortsfesten Bibliotheken im ländlichen Raum ergänzen. Für viele Menschen sind sie die einzige Möglichkeit, die Dienste einer Bibliothek in Anspruch zu nehmen. Im Hinblick auf die nicht geringen Kosten stehen sie immer wieder in der Gefahr, dass ihr Betrieb eingestellt wird.

Bei der Regelung für öffentliche Bibliotheken muss ferner bedacht werden, dass in wesentlichen Teilen des Landes, etwa im Emsland, die Kirchengemeinden, katholische wie evangelische, Träger der öffentlichen Bibliotheken sind. Eine gesetzliche Regelung kann sich auf die kirchlichen öffentlichen Bibliotheken nicht in gleicher Weise erstrecken wie auf die kommunalen Bibliotheken, diese müssen aber doch in bestimmtem Umfang in das Gesetz einbezogen werden.

Ebenso einbezogen werden müssen diejenigen Bibliotheken, die in private, gemeinnützige Trägerschaft überführt oder in dieser Form neu gegründet worden sind, weil Kommunen sich zurückgezogen haben oder haben zurückziehen müssen. Solche Einrichtungen finanziell zu fördern, kann ebenso eine Aufgabe der Kommunen sein wie die unmittelbare Unterhaltung einer Bibliothek.

(2) Einen weiteren Schwerpunkt müssen die Schulbibliotheken bilden (§ 4). Wenn Bildung eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft ist, dann sind dafür auch Schulbibliotheken notwendig.

(3) Der dritte Schwerpunkt der Regelung liegt auf den Kosten (§ 6). Dass die Kosten der Bibliotheken von ihren Trägern zu tragen sind, erscheint zunächst als eine Banalität. Grundsätzlich gibt es keine andere Möglichkeit. Einerseits kann aber die Möglichkeit angesprochen werden, dass etwa das Land oder Kommunen – ohne Rechtsverpflichtung – den Trägern Zuwendungen gibt. Andererseits soll mit der Gesamtregelung die Chance der Kommunen verbessert werden, über den Einbau der Kosten einer Bibliothek in ihren Haushalt eigenverantwortlich zu entscheiden.

3.1.4 Gesetzesfolgenabschätzung

(1) Das Gesetz wird bewirken, dass weniger öffentliche Bibliotheken als in den vergangenen Jahren geschlossen oder reduziert werden. Wenn die Kommunen nicht mehr dem Druck seitens der Landesverwaltung ausgesetzt sind, eine Bibliothek als „freiwillige Leistung“ zu schließen, werden sie vermehrt nach Alternativen zur Verbesserung der Haushaltssituation suchen, weil sie in ihrer eigenverantwortlichen Entscheidung weniger eingeschränkt werden. Insgesamt ergibt sich so keine stärkere Belastung für die kommunalen Haushalte.

Weiter kann erwartet werden, dass die Kommunen den Schulbibliotheken größere Aufmerksamkeit schenken und dass dieser Bereich dadurch gefördert wird.

Schließlich wird die ausdrückliche Erwähnung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Institutionen tendenziell zu einer Beförderung solcher sinnvollen Kooperation führen.

(2) Als Alternativen sind einerseits der Verzicht auf eine Regelung zu bedenken und andererseits eine Finanzierung der Bibliotheken durch das Land. Der Verzicht auf eine Regelung muss ausscheiden, weil das bedeuten würde, der bisherigen Entwicklung, nämlich der fortschreitenden Schließung und Reduzierung von Bibliotheken weiterhin tatenlos zuzusehen. Eine Finanzierung durch das Land kommt nicht in Betracht, weil dafür die Haushaltsmittel fehlen, weil die Kommunen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt würden und weil es tendenziell zu einer Ressourcenverschwendung führen müsste.

3. Bürokratiekosten

Das Gesetz wird nicht zu einer Steigerung der Bürokratiekosten führen.

4. Auswirkungen auf die Umwelt, den ländlichen Raum und die Landesentwicklung

(1) Auf die Umwelt wird das Gesetz sich günstig auswirken. Wenn nicht weiterhin öffentliche Bibliotheken geschlossen werden, werden Menschen nicht vermehrt längere Wege in andere Orte unternehmen müssen, um eine Bibliothek zu erreichen. Das schont die Umwelt.

(2) Die Beibehaltung und Weiterentwicklung bestehender Bibliotheken wird sich auf den ländlichen Raum und insgesamt auf die Landesentwicklung förderlich auswirken, weil Bibliotheken ein nicht unwesentlicher Standortfaktor für einen Ort sind.

5. Auswirkungen auf die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern

Gravierende Auswirkung auf die praktische Gleichstellung von Frauen und Männern sind von dem Gesetz nicht zu erwarten. In Teilbereichen kommen sie aber doch in Betracht. Wenn etwa in einer Familie nur ein Computer vorhanden ist, kann es vorkommen, dass dieser in erster Linie dem Vater zur Verfügung steht und dann noch den Söhnen, einer Tochter aber weniger. Wenn die Tochter dann in eine Bibliothek mit einem Internet-Arbeitsplatz gehen kann und dort auch noch vom bibliothekarischen Personal beraten wird, kann die Bibliothek ganz praktisch die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern fördern. Weitere ähnliche Konstellationen sind denkbar.

6. Auswirkungen auf die Familie

Für Familien wird das Gesetz sich positiv auswirken. Wenn am Ort eine Bibliothek vorhanden ist, haben Familien frühzeitig die leicht erreichbare Möglichkeit, mit Kindern die Bibliothek aufzusuchen, Bilderbücher und andere Bücher auszuleihen, aus denen zu Hause vorgelesen werden kann. So werden die sprachlichen Fähigkeiten kleiner Kinder entwickelt. Das dient der Bildung.

Für alle Familienmitglieder, Jung und Alt, bietet eine öffentliche Bibliothek am Ort leichtere Bildungsmöglichkeiten; dies kann das Familienleben und den Zusammenhalt innerhalb der Familie stärken, auch über drei Generationen hinweg. Das gleiche gilt hinsichtlich Fortbildungsmöglichkeiten für die Angehörigen einer Familie. Die Bibliothek am Ort erhöht gerade für Familien die Lebensqualität und stellt einen Standortvorteil dar, der durch das Gesetz unterstützt und gestärkt wird.

7. Auswirkungen auf schwerbehinderte Menschen

Wenn eine Bibliothek am Ort vorhanden ist, können Schwerbehinderte sich leichter Zugang zu Literatur jeder Art und zu Informationen verschaffen, als wenn eine Bibliothek fehlt. Das Gesetz wird sich also als hilfreich für Schwerbehinderte erweisen.

8. Bedeutung im Hinblick auf den demografischen Wandel

Der demografische Wandel bedeutet zum einen ein stärkeres Altern der Gesellschaft und die Zunahme der Zahl von alten Menschen, die zu einem beträchtlichen Teil allein leben. Die Gesellschaft muss ihnen verstärkt Möglichkeiten zu geistiger Anregung und zum Kontakt anbieten. Örtliche Bibliotheken stellen dafür eine ausgezeichnete Möglichkeit dar. Hier können alte Menschen mit Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und anderen Medien geistige Anregung erhalten, sie können vom bibliothekarischen Personal beraten werden und sie können unter Anleitung ihre Medienkompetenz verbessern. In Lesungen, Vorträgen, Erzählcafés und ähnlichen Veranstaltungen können für alte Menschen die Kontakte untereinander verbessert werden („Treffpunkt Bücherei“). Zugleich sind solche Veranstaltungen in der Bibliothek geeignet, den geistigen Austausch zwischen den Generationen zu befördern. Dies dient auch den Jungen.

Zum anderen gehört es zum demografischen Wandel auch, dass der Anteil der Jüngeren in der Gesellschaft abnimmt. Wenn Kommunen dieser Entwicklung entgegenwirken wollen, müssen sie sich darum bemühen, für junge Menschen und junge Familien attraktiv zu sein. Dazu gehören nicht nur Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Schulen, sondern auch Bibliotheken, die kindgerechte Literatur und Spiele bieten und die für jüngere Erwachsene neue Medien, Internetarbeitsplätze und Internetzugänge bereithalten.

All diese Möglichkeiten können nur in ortsgebundenen Bibliotheken geboten werden. Wenn das Gesetz bewirkt, dass diese Bibliotheken erhalten, gestärkt und weiterentwickelt werden, bedeutet dies einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des demografischen Wandels.

9. Voraussichtliche Kosten und haushaltsmäßige Auswirkungen

(1) Wenn eine Kommune eine öffentliche Bibliothek unterhält, erfordert das Haushaltsmittel. In welcher Höhe Haushaltsmittel erforderlich sind, lässt sich allgemein nicht annähernd sagen. Die Kosten der Unterhaltung einer Bibliothek werden aber auch nicht durch das vorgeschlagene Gesetz verursacht, sondern durch die eigenverantwortliche Entscheidung der Kommune. Wenn die Kommune sich für die Bibliothek entscheidet, muss sie dies durch Entscheidungen an anderer Stelle ermöglichen.

Investitionen in Bildung dürfen kostenmäßig nicht isoliert betrachtet werden. Sie sind zugleich Prävention für sonst zu erwartende spätere Kosten.

(2) Wenn das Land im Rahmen des Gesetzes anderen Trägern von Bibliotheken Zuwendungen gibt, so sind die Kosten nicht durch das Gesetz verursacht, sondern durch die jeweils eigene Entscheidung des Landes.

3.2 Besonderer Teil

Zu § 1 (Gesetzesziel)

Mit dem Gesetz soll insgesamt eine Verbesserung der Situation der öffentlich zugänglichen Bibliotheken und der Schulbibliotheken erreicht werden. Das sind zunächst die öffentlichen Bibliotheken der Kommunen, des Landes und der ihrer Aufsicht unterstehenden Bibliotheken. Darüber hinaus müssen hierher auch die kirchlichen Bibliotheken gerechnet werden, die die Funktion einer öffentlichen Bibliothek übernehmen, und ferner diejenigen Bibliotheken in privatrechtlich organisierter, gemeinnütziger Trägerschaft, die sich dieser Form bedienen, weil es eine kommunale Bibliothek nicht oder nicht mehr gibt.

Darüber hinaus sind die Hochschulbibliotheken und sonstige wissenschaftliche Bibliotheken betroffen. Hinzu kommen die Schulbibliotheken.

Dem Gesetzesziel wird – neben den Einzelbestimmungen – schon die Tatsache dienen, dass die Bibliotheken erstmals überhaupt zum Gegenstand einer allgemeinen gesetzlichen Regelung gemacht werden. Die Bedeutung der Bibliotheken wird damit für alle Verantwortlichen und für die möglichen Nutzerinnen und Nutzer mit der Autorität des Gesetzes unterstrichen.

In welcher Weise eine Verbesserung der Situation der Bibliotheken im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer erreicht werden soll, ergibt sich aus den folgenden Bestimmungen des Gesetzes. Für die öffentlichen Bibliotheken ist von besonderer Bedeutung, dass § 3 Abs. 2 Satz 1 die Einrichtung und Unterhaltung solcher Bibliotheken als Aufgabe der Kommunen bezeichnet.

Daneben sind die Bestimmungen über die Zusammenarbeit unter den Bibliotheken und über die Kooperation zwischen Bibliotheken und anderen Einrichtungen (Schulen und Kindertagesstätten) zu nennen.

Für die Schulbibliotheken ist von Bedeutung, dass jetzt nicht mehr nur die Schulen als Ganzes Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sind (Schulgesetz), sondern dass innerhalb der Institution Schule die Schulbibliothek als eigenständiger Bestandteil genannt wird, der kein Schattendasein führen darf, sondern eine wesentliche Einrichtung zur Vermittlung und zum Erwerb von Bildung ist.

Zu § 2 (Geltungsbereich)

Absatz 1 legt den grundsätzlichen Geltungsbereich des Gesetzes fest. Das sind zunächst die Bibliotheken des Landes, der Kommunen und der ihrer Aufsicht unterstehenden Einrichtungen. Damit wären an sich alle Bibliotheken dieser Institutionen erfasst, z. B. auch Behördenbibliotheken. Eine so weite Ausdehnung des Geltungsbereichs wäre jedoch nicht sinnvoll. Behördenbibliotheken bedürfen keiner gesetzlichen Regelung. Deshalb wird der Geltungsbereich grundsätzlich auf die öffentlich zugänglichen Bibliotheken beschränkt, d. h. alle Bibliotheken, zu denen bestimmungsgemäß jedermann Zugang hat. Andererseits sind auch Schulbibliotheken nicht öffentlich zugänglich, weil sie nur für Lehrkräfte sowie für Schülerinnen und Schüler bestimmt sind. Schulbibliotheken müssen jedoch wegen ihrer Bedeutung und ihrer Außenwirkung in das Gesetz einbezogen werden.

In Absatz 2 wird klargestellt, dass kirchliche und private Bibliotheken nicht allgemein dem Gesetz unterliegen können, weil es sich sonst um einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die kirchliche und die private Sphäre handelte. Diese Bibliotheken werden nur durch einzelne Bestimmungen in das Gesetz einbezogen. Das betrifft die Fälle, in denen kirchliche Bibliotheken und Bibliotheken anderer gemeinnütziger Organisationen die Funktion einer öffentlichen Bibliothek erfüllen (§ 3 Abs. 3). Insoweit spielen kirchliche Bibliotheken insbesondere im Westen des Landes, z. B. im Emsland, eine große Rolle. Landesweit sind in Einzelfällen Bibliotheken in der Trägerschaft gemeinnütziger Organisationen von Bedeutung, wo die Kommune eine Bibliothek nicht oder nicht mehr unterhält. Eine weitere wichtige Bestimmung für kirchliche Bibliotheken und Bibliotheken anderer gemeinnütziger Organisationen enthält § 6 Abs. 3, der kommunale Zuwendungen zugunsten solcher Bibliotheken erlaubt.

Zu § 3 (Öffentliche Bibliotheken)

Die öffentlichen Bibliotheken bilden einen besonders wichtigen Gegenstand des Gesetzes, weil sie einerseits während der vergangenen Jahre in nicht unbeträchtlichem Maße Opfer von Sparmaßnahmen in den kommunalen Haushalten geworden sind und weil sie andererseits von wesentlicher Bedeutung für breite Schichten der Bevölkerung sind.

Absatz 1 umschreibt stichwortartig die Breite der Aufgaben öffentlicher Bibliotheken. Die Bestimmung hebt hervor, dass öffentliche Bibliotheken sich nicht auf eine einzelne Aufgabe beschränken lassen, sondern dass sie alle Aufgaben wahrzunehmen haben, die sich aus der Bereitstellung der verschiedensten Medien ergeben können, und dass die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer in Betracht zu ziehen sind. Absatz 1 Satz 3 stellt heraus, dass öffentliche Bibliotheken sich an alle wenden.

Die Vorschrift behandelt nicht, welche Medien eine öffentliche Bibliothek zum Gegenstand ihrer Arbeit zu machen hat. Jede Bestimmung solcher Art wäre in der Gefahr, innerhalb kurzer Zeit von der Realität überholt zu werden. Wie Bibliotheken zu arbeiten haben, darf ihnen nicht vorgeschrieben werden, sie müssen ihre Arbeit vielmehr selbstständig nach den jeweiligen Erfordernissen weiterentwickeln.

In Absatz 2 Satz 1 ist eine zentrale Aussage enthalten: Öffentliche Bibliotheken bilden eine Aufgabe für die Kommunen, keine rechtliche Pflichtaufgabe, deren Nichterfüllung Sanktionen nach sich ziehen könnte, aber doch eine politische Aufgabe. Damit wird das Betreiben einer öffentlichen Bibliothek von dem Geruch des Überflüssigen, der Luxusaufwendung befreit, der mit dem allzu gern verwendeten Begriff „freiwillige Leistung“ verbunden ist. Wenn eine Kommune vor der Frage steht, ob sie sich den Aufwand einer Bibliothek leisten kann, darf nicht bereits mit der Einordnung in die Kategorie „freiwillige Leistung“ die Entscheidung zuungunsten der Bibliothek getroffen sein. Das gilt sowohl für die Verantwortlichen der Kommune als auch für die Zuständigen der Landesverwaltung, die über eine finanzielle Leistung des Landes an die Kommune zu entscheiden haben. Auf beiden Seiten ist eine umfassende und detaillierte Abwägung notwendig, die alle Möglichkeiten von Einsparungen umfasst, auch bei der Art der Durchführung von Pflichtaufgaben.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Fahrbibliotheken als eine wichtige Ergänzung zu den ortsfesten Bibliotheken erwiesen. Mit ihrer Mobilität können sie Orte erreichen, an denen es keine ortsgebundene Bibliothek gibt. Der Bücherbus einer Fahrbibliothek kommt zwar nur in größeren Zeitabständen und hält nur relativ kurze Zeit. Deshalb kann die Fahrbibliothek die Funktionen einer ortsfesten Bibliothek nicht voll ersetzen. Die Fahrbibliothek bringt aber die Medien zu Menschen, die sonst gar keine Möglichkeit hätten, eine Bibliothek zu nutzen. In der Regel werden Fahrbibliotheken von Landkreisen betrieben. Absatz 2 Satz 2 beschränkt sich auf die Aussage, dass Landkreise zu entscheiden haben, ob Bedarf an einer Fahrbibliothek besteht. Weitergehende Regelungen erscheinen angesichts der Unterschiedlichkeit der Verhältnisse nicht möglich.

In Teilen des Landes gibt es keine oder nur wenige öffentliche Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft. Wenn dort kirchliche Bibliotheken vorhanden sind, die von jedermann genutzt werden können, können sie die Aufgaben einer öffentlichen Bibliothek erfüllen, so dass die jeweilige Kommune die kirchliche Bibliothek berücksichtigen kann, wenn es um die Frage geht, ob die Kommune selbst eine Bibliothek schaffen sollte (Absatz 3). Ein inhaltlicher Zusammenhang besteht mit § 6 Abs. 3.

Von Bedeutung sind ferner diejenigen öffentlichen Bibliotheken, die weder von einer Kommune noch von den Kirchen getragen werden, sondern etwa von einem eingetragenen Verein, weil die Kommune sich nicht oder nicht mehr in der Lage gesehen hat, eine Bücherei zu unterhalten oder jedenfalls deren volle Kosten zu tragen. Solche Bibliotheken leben von ehrenamtlichem Engagement, auch dann, wenn sie öffentliche Zuschüsse erhalten und wenn ihr Aufgabenbereich so groß ist, dass sie ohne hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht betrieben werden können, z. B. die Fahrbücherei Uelzen. Auch insoweit ist § 6 Abs. von Bedeutung.

Absatz 4 formuliert das Ziel, dass alle Menschen im Land Zugang zu einer öffentlichen Bibliothek haben sollen, und zwar in angemessener Entfernung und mit angemessenen Öffnungszeiten. Was insoweit angemessen ist, lässt sich nicht präziser und abgrenzungsschärfer formulieren. Zur Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist eine Vielzahl von Umständen heranzuziehen, die im Einzelnen nicht mit völliger Sicherheit zu gewichten sind. Die Bestimmung hat deshalb den Sinn, den generellen Anspruch auf Zugang zu einer Bibliothek zu postulieren und die Verantwortlichen zu einer sorgfältigen Abwägung zu verpflichten.

Die Sollbestimmung des Absatzes 5 hat das Ziel, dass öffentliche Bibliotheken mit anderen Bildungseinrichtungen, insbesondere mit Schulen und Kindertagesstätten, zusammenarbeiten. Vielfach wird eine solche Kooperation bereits mit guten Erfolgen praktiziert. Wenn das Gesetz eine derartige Handhabung postuliert, kann dies aber dazu beitragen, dass sie noch weitergehend als bisher stattfindet.

Eine derartige Zusammenarbeit hat den Vorteil, dass Kinder frühzeitig, auch im Kindergarten, und unabhängig von den Möglichkeiten des Elternhauses an Bücher herangeführt werden. Dadurch können sie ihre sprachlichen Fähigkeiten besser entwickeln. Für Schulkinder setzen sich diese Entwicklungsmöglichkeiten entsprechend fort, auch im Hinblick auf die allgemeine geistige Entwicklung. Schulen und Kindertagesstätten haben selbstverständlich ebenfalls in ihrer täglichen Arbeit einen Nutzen von einer solchen Kooperation.

Wenn Kinder frühzeitig an die Benutzung einer Bibliothek gewöhnt werden, hat das überdies den langfristig positiven Effekt, dass sie auch als Erwachsene den Nutzen einer Bibliothek zu schätzen wissen und damit dauerhaft von der Institution Bibliothek profitieren können.

Zu § 4 (Schulbibliotheken)

Schulbibliotheken sind in Deutschland ein notleidender Bereich des Bibliothekswesens. Vielfach fehlt es überhaupt an einer Schulbibliothek, oder sie ist unzulänglich ausgestattet, wird personell nicht hinreichend betreut und hat keine ausreichenden Öffnungszeiten. Dies bedeutet, dass die Schule einen Teil ihrer Bildungsmöglichkeiten nicht nutzt, zum Schaden der Schülerinnen und Schüler.

Angesichts dieses Sachverhalts ist die Bestimmung des § 4 sehr vorsichtig und zurückhaltend formuliert.

Absatz 1 umschreibt die Aufgaben und Möglichkeiten von Schulbibliotheken in sehr allgemeiner Form und will die Verantwortlichen damit auffordern, das Potential der Institution Schulbibliothek ernsthaft zu bedenken.

Im Zentrum des § 5 steht Absatz 2. Er stellt klar, dass Schulträger die Aufgabe haben, Schulen mit erforderlichen Schulbibliotheken auszustatten; dass dies schon jetzt eine Aufgabe der Schulträger ist, kann nicht zweifelhaft sein, sie ist nur oft nicht genügend bedacht worden. Die Bestimmung ist im Hinblick auf den gegenwärtigen tatsächlichen Zustand sehr weich und vorsichtig gefasst. Die unbestimmten Rechtsbegriffe „sollen“ und „erforderlich“ geben in ihrer Kombination den Schulträgern ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit, ohne dass allerdings die Augen vor der Bedeutung von Schulbibliotheken verschlossen werden dürften. Finanzielle Folgen für das Land im Hinblick auf Artikel 57 Abs. 4 Satz 2 und 3 der Niedersächsischen Verfassung lassen sich aus dieser Vorschrift nicht herleiten.

Absatz 3 nennt die bisher schon gelegentlich praktizierte Möglichkeit, Schulbibliotheken mehrerer Schulen zusammenzulegen oder eine öffentliche Bibliothek mit einer oder mehreren Schulbibliotheken zusammenzufassen. Wo dies ohne Schaden für die einzelne Bibliothek und ihre Nutzer möglich ist, lässt sich im Gesetz nicht näher festlegen.

Wenn nach Absatz 4 Schulbibliotheken und öffentliche Bibliotheken zusammenarbeiten sollen, so ist das nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit.

Zu § 5 (Wissenschaftliche Bibliotheken)

Wissenschaftliche Bibliotheken nehmen eine herausragende Stellung in unserer Bibliothekslandschaft ein, und sie haben auch in der Geschichte des Bibliothekswesens eine enorme Bedeutung gehabt. Hochschulen sind ohne Hochschulbibliotheken nicht denkbar. Sie halten das niedergelegte Wissen aus Vergangenheit und Gegenwart bereit und machen es durch ihre Arbeit zugänglich. Wissenschaftliche Bibliotheken können in ihrer Bedeutung kaum hoch genug eingeschätzt werden.

Auch wissenschaftliche Bibliotheken haben ihre Probleme und natürlich sind auch hier die finanziellen Mittel knapp, so dass finanziell nicht alles möglich ist, was wünschenswert oder auch wichtig wäre. Der Unterschied zu den öffentlichen Bibliotheken ist aber, dass wissenschaftliche Bibliotheken nicht in der Gefahr stehen, aus finanziellen Gründen geschlossen zu werden.

Das bedeutet, dass einerseits wissenschaftliche Bibliotheken wegen ihrer zentralen Bedeutung in ein Bibliotheksgesetz Eingang finden müssen, dass aber andererseits keine gesetzlichen Schritte notwendig sind, um ihre Existenz zu sichern. Satz 1 der Gesetzesbestimmung kann deshalb auf eine knappe Beschreibung des Standorts innerhalb der Gesamtheit der Bibliotheken beschränkt werden.

Satz 2 nennt den Grundsatz, dass wissenschaftliche Bibliotheken – neben ihrer eigentlichen Bestimmung – auch der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehen, soweit sich nicht Kollisionen ergeben. In manchen Fällen ist dieses Nebeneinander seit langem selbstverständlich, etwa wenn eine Hochschulbibliothek zugleich die Funktion einer Landes- oder Staatsbibliothek hat.

Zu § 6 (Kosten)

Absatz 1 spricht das aus, was auch ohne gesetzliche Regelung gelten würde, dass nämlich der Träger einer Bibliothek, also etwa das Land oder eine Kommune, die Kosten der Bibliothek zu tragen hat. An diesem selbstverständlichen Grundsatz will das Gesetz nichts ändern. Die Verantwortung für die Schaffung und Unterhaltung einer Bibliothek und die Verantwortung für die Kosten dürfen nicht auseinanderfallen.

Schaffung und Unterhaltung einer Bibliothek können eine Kommune oder einen anderen Träger finanziell stark belasten. Deshalb sieht Absatz 2 die Möglichkeit vor, dass das Land den Trägern öffentlich zugänglicher Bibliotheken Zuwendungen zu den personellen und sächlichen Kosten gewähren kann, selbstverständlich nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

Vor allem im Hinblick auf kirchliche Bibliotheken und auf Bibliotheken anderer gemeinnütziger Träger gestattet Absatz 3 den Kommunen, Zuwendungen für öffentlich zugängliche Bibliotheken zu den personellen und sächlichen Kosten an die Bibliotheksträger zu geben. Diese Regelung erfasst zum einen die kirchlichen Bibliotheken, die die Funktion einer öffentlichen Bibliothek erfüllen (§ 3 Abs. 3), weil die Kirchen auf diese Weise den Kommunen die Last abnehmen, eine öffentliche Bibliothek zu unterhalten. Zum anderen betrifft sie Bibliotheken, die z. B. von gemeinnützigen Vereinen getragen werden, weil die Kommune sich nicht mehr imstande gesehen hat, die Bibliothek selbst zu betreiben. Gerade in solchen Fällen kann die Existenz einer Bücherei davon abhängen, dass die Kommune mit einer Zuwendung zumindest einen Teil der Kosten abdeckt.

Zu § 7 (Inkrafttreten)

Auch wenn die beabsichtigte Regelung dringlich ist, soll das Gesetz doch erst drei Monate nach der Verkündung in Kraft treten, damit alle Seiten sich auf die neue Gesetzeslage einstellen können.

About the author

Lothar Haas

Dr. iur. Lothar Haas

Breitscheidstraße 16, 29223 Celle

Published Online: 2016-12-01
Published in Print: 2017-01-01

© 2017 by De Gruyter

Downloaded on 7.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bd-2017-0009/html
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