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„Wenn auf der Erde die Liebe herrschte, wären alle Gesetze entbehrlich.“

Das „Gesetz für die Bibliotheken in Schleswig-Holstein und zur Änderung des Landespressegesetzes“[1] aus Sicht der Universitätsbibliothek Kiel, des Büchereivereins Schleswig-Holstein e. V. und der Bibliothek der Hansestadt Lübeck
  • Else Maria Wischermann

    Dr. Else Maria Wischermann

    Ltd. Direktorin der Universitätsbibliothek Kiel, Leibnizstr. 9, 24118 Kiel

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    , Heinz-Jürgen Lorenzen

    Dr. Heinz-Jürgen Lorenzen

    Büchereiverein Schleswig-Holstein e. V./Direktor der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, Postfach 1361, 24903 Flensburg

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    and Bernd Hatscher

    Bernd Hatscher

    Direktor der Hansestadt Lübeck, Fachbereich Kultur und Bildung, 4.416 – Bibliothek der Hansestadt, Hundestraße 5–17, 23552 Lübeck

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Published/Copyright: December 1, 2016
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Zusammenfassung

Das Unmögliche erreichen: wie bekommt man unterschiedliche Bibliotheken, Pflichtexemplarrecht, Innovation, Gleichbehandlung der Bürger bei der Medien- und Informationsversorgung und digitale Herausforderungen unter einen Hut? Drei Bibliotheksvertreter Schleswig-Holsteins, die sehr unterschiedliche Bibliothekstypen vertreten, beschreiben, welche Prämissen zugrunde lagen und welche Hoffnungen sie mit dem Bibliotheksgesetz verbinden.

Abstract

Achieving the impossible: How to reconcile different libraries, legal deposit, innovation, equal treatment of citizens regarding media and information supply and digital challenges? Three representatives of Schleswig-Holstein libraries who come from very different types of libraries, describe the premiss the legislation was based on and which hopes they associate with the Library Law.

Gerne wird der vorangestellte Ausspruch Aristoteles’ zitiert, ob er wirklich authentisch ist, kann wohl niemand mehr belegen. Wie dem auch sei, wenn der erste Halbsatz der These zuträfe, wäre auch ein Bibliotheksgesetz für Schleswig-Holstein überflüssig. Doch bekanntermaßen ist die Realität anders als jede Theorie. Einerseits gibt es Regelungsbedarf, andererseits Begehrlichkeiten: so ist denn auch die Entstehung des genannten Gesetzes zu erklären.

1 Werdegang des Bibliotheksgesetzes

2010 stellte der in der Opposition befindliche Südschleswigsche Wählerverband (SSW) unter seiner Vorsitzenden Frau Anke Spoorendonk einen ersten Gesetzentwurf für ein Bibliotheksgesetz Schleswig-Holstein vor. Der Entwurf wurde auf der Grundlage einer gemeinsamen Stellungnahme der Fachleute noch einmal grundlegend überarbeitet, dann aber im April 2012 von der Regierungsmehrheit im Kieler Landtag abgelehnt.

Nach dem Regierungswechsel wurde im neuen Koalitionsvertrag „Bündnis für den Norden“ das Vorhaben eines Bibliotheksgesetzes wiederaufgenommen und mit folgender Absichtserklärung verankert: „Die Landesregierung wird […] in der ersten Hälfte der Legislaturperiode einen Entwurf eines Bibliotheksgesetzes einbringen, mit dem die Förderung der Büchereien und wissenschaftlichen Bibliotheken im Land und deren Arbeit erstmals auf eine eigenständige, solide Grundlage gestellt wird“[2] . Ein erster Gesetzentwurf wurde Anfang November 2015 den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt. Am 2. Februar 2016 wurde ein veränderter Entwurf aus dem federführenden Ministerium für Justiz, Kultur und Europa unter der Ministerin Frau Anke Spoorendonk in den Landtag eingebracht.

Diesem Entwurf waren vielfältige Beratungen, auch unter Beteiligung von Verbänden und Bibliotheken, vorangegangen. Zudem hatte das zuständige Ministerium im Sommer 2015 vier Regionalkonferenzen in Lübeck, Husum, Norderstedt und Rendsburg veranstaltet, um das Gesetzesvorhaben einem breiten Kreis der interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Wie schon beim ersten Gesetzentwurf fand sich die „Initiative Bibliotheksgesetz für Schleswig-Holstein“ in Regie des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Deutschen Bibliotheksverbandes e. V., des BIB-Landesverbandes und des VDB Regionalverbandes Nordwest zusammen, in der die Bibliotheken ihre Sicht der Dinge zusammenfassend darlegten. Der Bildungsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags führte von März bis Mai eine schriftliche und am 26.5.2016 eine mündliche Anhörung von Bibliotheksvertretern und Sachverständigen aus dem Bildungs- und Finanzsektor durch und empfahl schließlich am 30.6.2016 mit einigen Änderungsanträgen der Regierungsparteien SPD, SSW und dem Bündnis 90/Die Grünen die Annahme des Gesetzes. In zweiter Lesung im Landtag am 22. Juli 2016 wurde das Gesetz mit der Stimmenmehrheit der Regierungsparteien verabschiedet. Das Gesetz trat am Tage nach seiner Verkündung am 30.9.2016 in Kraft.

Damit ist ein langes Ringen um ein Bibliotheksgesetz, das alle Regelungen zum Bibliothekswesen einschließlich der bis dato im Pressegesetz verankerten Pflichtexemplarablieferung in sich vereinigt, endlich erfolgreich zum Abschluss gebracht worden.

Aber es ist die Frage zu stellen, inwiefern dieses Bibliotheksgesetz die Bedürfnisse der Bibliotheken tatsächlich erfüllt. Dies soll im Folgenden aus drei verschiedenen Blickwinkeln hinterfragt werden.

2 Der Blickwinkel der wissenschaftlichen Bibliotheken

Dass im Bibliotheksgesetz nunmehr die Stellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel als Landesoberbehörde verankert wird und ihre landesbibliothekarischen Aufgaben definiert werden (§ 6), ist sehr zu begrüßen. Die Zugänglichkeit der wissenschaftlichen Bibliotheken für alle an privater und beruflicher wissenschaftlicher Bildung Interessierten wird ausdrücklich betont (§ 4 Abs. 1). Ebenso anerkennenswert ist die verlangte Unterstützung des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Publikationen im „Open Access“ (§ 4 Abs. 2). Auf die sehr wichtige Ausweitung der Pflichtexemplarregelungen für Schleswig-Holstein auf Netzpublikationen wird noch einzugehen sein. Aber ansonsten bleibt es im Gesetzestext bei beschreibenden Aussagen zur Funktion wissenschaftlicher Bibliotheken im Ist-Zustand.

Die Wandlungen, die durch das Internet und die digitalen Neuerungen im Bereich des Publikationswesens, aber auch in den Anforderungen an Studium, Lehre und Forschung, hervorgerufen worden sind, haben den bibliothekarischen Alltag ebenfalls stark verändert. Neben der Zunahme von elektronischen Medien und den Veränderungen der Erwerbungs- und Erschließungstätigkeiten durch Lizenzverträge ist die Modernisierung der technischen Infrastrukturen in den letzten Jahren zwingend notwendig gewesen, um den veränderten Literaturversorgungsbedürfnissen und Informationsbeschaffungswegen Rechnung zu tragen. Damit die wissenschaftlichen Bibliotheken Schleswig-Holsteins aber nicht nur ihre Dienste auf der Grundlage der Basisdienstleistungen des „Gemeinsamen Bibliotheksverbundes“ mit seiner Verbundzentrale in Göttingen anbieten, sondern ihre „Kundschaft“ der Studierenden, der Forschenden und an wissenschaftlicher Literatur- und Information Interessierten auch mit zusätzlichen Services versorgen können, ist eine innovationsfreundliche Verstärkung des Landesbeitrags an der Finanzausstattung des Verbundes und auch eine finanzielle Verbesserung der Bibliotheksetats vonnöten.

So sollten sich alle wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes gleichermaßen Serviceangebote ihrer Verbundzentrale, die derzeit kostenpflichtig sind, auch leisten können; dazu gehören z. B. Schnittstellen für die Kataloganbietung auf mobilen Endgeräten oder die Einführung eines sog. Discovery-Systems, in dem auch Aufsätze, lizenzpflichtige Volltexte und Datenbankinhalte recherchefähig aufbereitet sind.

Für die Hochschulbibliotheken ist eine finanzielle Grundausstattung durch die jeweilige Hochschule zwar prinzipiell abgesichert, jedoch erfordert der nötige IT-technische Aus- und Umbau (Ablösung des bisherigen in die Jahre gekommenen PICA-Lokalsystems durch ein heutigen Bedürfnissen angepasstes Lokalsystem) sowie der Serviceausbau im Rahmen von Web 3.0 und von Open-Science-Technologien ein Mehr an Ressourcen, sowohl in technischer Hinsicht als auch in der personellen Weiterbildung.

Denn die wissenschaftlichen Bibliotheken müssen auf die durch das Internet beförderten neuen Informations- und Recherchemöglichkeiten nicht nur reagieren, sondern sie müssen die veränderten Vertriebs- und Zugangsformen wissenschaftlicher Literatur aktiv beeinflussen und selbst als Motoren antreiben. Nur so können sie die Studierenden und Wissenschaftler(innen), die Auszubildenden und die Berufstätigen in ihrem Lebens- und Berufsalltag auch zukünftig qualitativ und effektiv unterstützen, z. B. durch die Digitalisierung von eigenen Beständen, durch die Erhöhung des Zugangs zu lizenzpflichtigen Verlagspublikationen (E-Books- und E-Journals), durch Angebote zum Publizieren von Forschungsergebnissen im Open Access, durch Entwicklung eines Forschungsdatenmanagements, durch moderne Rechercheinstrumente wie Discovery-Systeme, um nur einige wichtige Themen zu nennen.

Diese Bestrebungen werden zum Teil im Bibliotheksgesetz kurz angesprochen, jedoch werden keine Hinweise gegeben, wie die wissenschaftlichen Bibliotheken Schleswig-Holsteins gleichermaßen in den Stand versetzt werden sollen, mit diesen Entwicklungen Schritt halten zu können. In der Präambel heißt es dazu lediglich: „Die Bibliotheken im Land sind nach Maßgabe dieses Gesetzes angehalten, untereinander und mit anderen Einrichtungen der Bildung, Kultur und Wissenschaft – auch im Hinblick auf zukunftsorientierte Ansprüche und Handlungsfelder wie Integration, Digitalisierung und Inklusion – zu kooperieren“. Allein die Unterhaltsträger der jeweiligen Bibliotheken sind dazu nicht im Stande, sondern benötigen dazu die Hilfe der Landesregierung. So wie die Förderung bestandserhaltender Maßnahmen und die Open-Access-Strategie Schleswig-Holsteins diesen gemeinschaftlichen Weg bereits sehr gut vorgezeichnet haben, müssen weitere Initiativen auf Landesebene den digitalen Wandel in der Bibliothekswelt voranbringen.

Nur im Pflichtexemplarbereich geht das Gesetz über das bereits Bestehende und über eine Beschreibung der schleswig-holsteinischen Bibliothekslandschaft hinaus. Die Einbeziehung elektronischer Publikationen in das Pflichtexemplarrecht ist allerdings als besonders wichtig anzusehen. Dafür hatte sich die Autorin seit 2004 eingesetzt und immer wieder auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Es ist in Gesprächen mit dem für die Pflichtexemplarregelung zuständigen Ministerium für Justiz, Kultur und Europa früh geklärt worden, dass diese Landesaufgabe in Übereinstimmung mit dem Präsidium der Christian-Albrechts-Universität durch die Universitätsbibliothek Kiel übernommen werden soll und entsprechende Projektmittel für den Aufbau zur Verfügung gestellt werden. Damit sind Bemühungen seit rund 13 Jahren endlich erfolgreich, dass die im Land erscheinenden elektronischen Publikationen an zentraler Stelle gesammelt, erschlossen, bereitgestellt und für die Zukunft gesichert werden können. Benutzerinnen und Benutzern der beiden anderen schleswig-holsteinischen Pflichtbibliotheken (Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel und Bibliothek der Hansestadt Lübeck) sollen diese elektronischen Dokumente über ein aufzubauendes Zugangs- und Rechtemanagement an speziellen Geräten in ihren Bibliotheken ebenfalls zur Verfügung gestellt werden. – Else Maria Wischermann.

3 Der Blickwinkel des Büchereivereins Schleswig-Holstein

3.1 Der Büchereiverein Schleswig-Holstein

Die Struktur des Öffentlichen Bibliothekswesens in Schleswig-Holstein mit dem Büchereiverein ist einzigartig in Deutschland. Eine Stellungnahme zum Bibliotheksgesetz muss vor diesem Hintergrund eingeordnet werden.

Gemäß § 13 der Landesverfassung des Landes Schleswig-Holstein[3] ist die Förderung des Büchereiwesens Aufgabe des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände. Das Land und der Großteil der Kreise (Gemeindeverbände) bedient sich zur Erfüllung dieser Aufgabe des Büchereivereins Schleswig-Holstein e. V. Dessen Mitglieder sind die Städte und Gemeinden mit Standbüchereien und die Kreise, die das Bibliothekswesen fördern.

Die Aufgabe des Büchereivereins gemäß Satzung ist die Förderung und Entwicklung des Öffentlichen Bibliothekswesens in Schleswig-Holstein mit dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung in allen Teilen des Landes. Damit kommt er auch der Aufgabe des Landes und der Kreise nach, für ihren Bereich gleichwertige Lebensverhältnisse für die Bürger zu schaffen; in diesem Fall für den Bereich der Medien- und Informationsversorgung.

Die Grundstrukturen wurden auf staatliche Initiative 1920 für den Landesteil Schleswig und 1946 für den Landesteil Holstein zunächst separat entwickelt, um im Jahr 1995 in den Büchereiverein Schleswig-Holstein zu münden, der sich auch für die Kooperation und Förderung mit den Bibliotheken der kreisfreien Städte, die vorher nicht einbezogen waren, öffnete. Die kreisfreien Städte Flensburg, Kiel und Neumünster haben im Laufe der Zeit mit dem Büchereiverein Kooperations- und Förderverträge abgeschlossen. Grundprinzip der Vorgehensweise des Büchereivereins ist die gemeinsame Überzeugung, dass die Kooperation und Förderung für die Bibliotheken Vorteile bietet, nur so kann Kooperation fruchtbar sein.

Die Förderung der Bibliotheken durch den Büchereiverein erfolgt auf zwei Wegen, einerseits durch direkte Zuschussleistungen, andererseits durch umfassende zentrale Dienstleistungen, die u. v. a. auch zu einer erheblichen personellen Entlastung beitragen. So wird es den Kommunen erheblich erleichtert, leistungsfähige Stand- und Fahrbüchereien vorzuhalten. Diese Förderung durch das Land und die Kreise bewirkt, dass in Schleswig-Holstein die Dichte an leistungsfähigen hauptamtlichen Stand- und Fahrbüchereien im Vergleich zu den anderen Flächenländern in Deutschland sehr hoch ist.

Zur finanziellen Förderung schließt der Büchereiverein mit seinen Mitgliedskommunen privatrechtliche Verträge ab, die für die öffentlichen Bibliotheken eine sachgerechte Ausstattung und eine kontinuierliche Finanzierung sicherstellen. Die Förderung erfolgt auf der Grundlage landesweit geltender auf Leistungszahlen basierender Förderkriterien, deren Parameter jährlich aktualisiert werden. In diesen Förderkriterien sind insbesondere das Personalsoll, die räumliche Ausstattung, Öffnungszeiten und Medienetats für jede Bibliothek individuell geregelt. Gemäß ihrer Entwicklung bzw. Ausstattung wird zwischen Interims-, Vor- und Hauptvertragsbibliotheken unterschieden. Es differieren also die Vorgaben und die Höhe der Bezuschussung. Interims- und Vorvertragsbibliotheken haben noch Entwicklungsbedarf. Die Bezuschussung betrifft z. T. Personalkosten und den Medienetat. Sie erfolgt nach festen Prozentsätzen und ist vertraglich gebunden. Diese Verträge und damit die Förderkriterien werden von den Kreisen, die das Büchereiwesen fördern, mit Zuschüssen ebenfalls gestützt. Die volle Wirkungskraft wird erst mit den Zuschüssen der Kreise entfaltet.

Die Finanzierung des Büchereivereins Schleswig-Holstein ist über das FAG geregelt, erfolgt damit auf gesetzlicher Grundlage. Die Gesetzgebung ist Aufgabe des Landes. Da es sich um kommunale Mittel handelt, ist daher eine enge Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden geboten.

Mit diesen Verträgen wird ein Büchereisystem in einem Flächenland begründet, welches in seinen Regelwerken einheitlich verfährt und dessen Bibliotheken über die Büchereizentrale Schleswig-Holstein, getragen vom Büchereiverein, über umfassende zentrale Dienste verfügen. Diese bieten folgende Mehrwerte:

  1. Erzielung von Rationalisierungsgewinnen, z. B. bei der einmaligen Erfassung von Mediendaten für alle angeschlossenen Bibliotheken oder durch die Bildung von Konsortien zum Angebot von digitalen Medien,

  2. Fachliche Beratung und Dienstleistungen durch spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie z. B. bei der Bibliothekseinrichtung,

  3. Verbesserung der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger, z. B. durch Bereitstellung der Infrastruktur (Internetkatalog, Fahrdienst) für einen über das Internet gesteuerten Leihverkehr in Schleswig-Holstein, über den die Bestände der angeschlossenen Bibliotheken sowie der „Leihverkehrs- und Ergänzungsbibliothek (LEB)“ in Flensburg von allen hauptamtlichen Stand- und Fahrbibliotheken des Bibliothekssystems ausgeliehen werden können,

  4. Bereitstellung von spezialisierten Dienstleistungen, wie z. B. von einem auf die Praxis in den Bibliotheken ausgerichteten Fortbildungsprogramm,

  5. Innovationen und Durchführung von Projekten für die Bibliotheken, wie z. B. „Willkommen in Schleswig-Holstein“, Qualitätsmanagement etc.,

  6. Trägerschaft von 13 Fahrbibliotheken zur Versorgung kleiner Gemeinden, Schulen oder vom Zentrum entfernter Ortsteile.

Die Arbeit der Büchereizentrale basiert auf dem Einsatz überregional gültiger Regelwerke und Dienstleistungen, wie z. B. der SfB, der Systematisierung durch die ekz und des ID. Die Büchereizentrale ist Mitglied der Lektoratskooperation und des Konsortiums zur Pflege der SfB.

3.2 Problemfelder aus Sicht des Büchereivereins

Die aktuelle Diskussion um das Bibliotheksgesetz erfolgte in einer Zeit, in der der Büchereiverein angesichts unzureichender Mittelbewilligungen (eingefrorene Mittel über fünf Jahre; eine Dynamisierung um jährlich 1,5 % wurde ab 2015 bis 2018 wieder festgeschrieben) über das FAG mit einem strukturellen Defizit von rd. 370.000 € und entsprechenden Kürzungsmaßnahmen umgehen musste. In den letzten 15 Jahren hat sich die Förderung durch Kreise negativ entwickelt. Sie ist mittlerweile sehr heterogen und zwei Fahrbibliotheken mussten nach Streichungen von Kreismitteln geschlossen werden. Auch wenn die Zahl der mit hauptamtlichen Stand- und Fahrbibliotheken betreuten Einwohner(innen) mit rund 2,15 Millionen im Büchereisystem sehr hoch ist, zählen noch 320.000 Einwohner(innen) zur unversorgten Bevölkerung – deren Kommunen sind in der Regel auch nicht finanziell am Büchereiwesen beteiligt – und 165.000 Personen zu den unzureichend versorgten Einwohnern, die nur durch 37 Interimsbibliotheken mit nebenamtlichem Personal betreut werden. Der Entwicklungsbedarf ist offenkundig.

Es gab und gibt im Bereich des Büchereivereins jährlich etwa zwei bis vier Kommunen, in denen aufgrund einer finanziellen Zwangslage existentielle Diskussionen um den Fortbestand ihrer Bibliotheken geführt werden. Die Ursachen derartiger Zwangslagen erschließen sich nicht immer Außenstehenden, sind aber mindestens teilweise selbst verschuldet. Die Freiwilligkeit der Aufgabe bedeutet nicht deren Beliebigkeit. Dieses Missverständnis ist in der ehrenamtlichen Politik leider stark verbreitet. Nach § 2 Abs. 1 der Gemeindeordnung „Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen“[4] und mit der Priorisierung gemäß der Landesverfassung[5] sind von den Kommunen Bibliotheken vorzuhalten und gemäß dem Landesentwicklungsplan[6] ist vorgegeben, mit welchem Versorgungsgrad dies in den Zentren zu erfolgen hat.

Dem Büchereiverein sind in derartigen Situationen mit seiner Förderung und den Förderkriterien konkrete Mittel an die Hand gegeben, um einzuwirken und im begrenzten Maße Einfluss zu nehmen. Es ist in den letzten 15 Jahren wenigstens gelungen, Schließungen bzw. den dauerhaften Abstieg in die Nebenamtlichkeit abzuwenden. Ungeachtet dessen gab es Personalkürzungen, Gebührenerhöhungen, Kürzungen der Erwerbungsetats usw. Dass es bei derartigen Existenzkämpfen keine Weiterentwicklung geben kann, versteht sich von selbst. Derartige Szenarien binden oft jahrelang die Kräfte vor Ort und kosten noch Jahre danach oft die Initiative, das Beharrungsvermögen und die Kraft, um die erforderlichen Mittel für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Bibliothek oder eine angemessenere Ausstattung von der Kommune einzuwerben.

Parallel zu dieser Entwicklung im Zuständigkeitsbereich des Büchereivereins hat es in diesem Zeitraum bei Bibliotheken in kreisfreien Städten erhebliche personelle Kürzungen, eine Abstufung hauptamtlicher Zweigstellen zur Ehrenamtlichkeit und Schließungen gegeben. Mit besonderer Härte trafen die personellen Kürzungen die Stadtbibliothek Lübeck, die zur Schließung der meisten Stadtteilbibliotheken führten.

3.3 Einordnung des Bibliotheksgesetzes in die Problemfelder aus Sicht des Büchereivereins

Hinsichtlich der geschilderten Ausgangssituation und der Problemlagen kam der Frage nach der gesetzlichen Absicherung der Bibliotheken eine hohe Bedeutung zu. Ihr ist schon sehr früh in den Regionalkonferenzen eine Absage erteilt worden. Vorgabe für dieses Gesetz war es, keine Konnexität auslösen zu wollen, d. h. keine Ausgleichszahlungen an die Kommunen aufgrund gesetzlicher Vorgaben des Landes für die Bibliotheken zu verursachen. Mit dieser Entscheidung blieb es bei der bestehenden Lösung: der vertraglichen Absicherung der Bibliotheken im Büchereisystem über den Büchereiverein. Für die von Kürzungen und Schließungen betroffenen Bibliotheken wäre eine weitreichendere Absicherung sehr wichtig gewesen.

Die bestehende Struktur des Bibliothekssystems wird in verschiedenen grundsätzlichen Punkten durch das Bibliotheksgesetz unterstützt. In § 3 Abs. 1 Satz 2 des Bibliotheksgesetzes heißt es für Öffentliche Bibliotheken: „Sie sind bei der Auswahl ihrer Medien unabhängig und an Weisungen nicht gebunden“. Dieser Passus, der in den Verträgen des Büchereivereins bereits enthalten ist, sichert diese Regelung jetzt auch gesetzlich ab.

Die Einordnung der Bibliotheken als Bildungseinrichtung bzw. Einrichtung der Allgemeinen Bildung ist zeitgemäß und entspricht ihren aktuellen vielfältigen Aufgaben. Die noch sehr gebräuchliche alleinige Ausweisung als kulturelle Aufgabe ist aber viel zu kurz gegriffen.

Die durchgehende Einführung des Begriffes Medienwerke klärt mit wünschenswerter Deutlichkeit, dass zeitgemäße Bibliotheken ihre Aufgaben nur mit einem breiten Medienangebot und mit Angeboten von digitalen Medien sowie Datenbanken erfüllen können.

In § 2 Abs. 6 des Bibliotheksgesetzes werden als allgemeine Vorgaben für Bibliotheken aufgeführt:

„Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, müssen Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken nachfolgende Kriterien erfüllen:

  1. regelmäßige Öffnungszeiten,

  2. einen angemessenen Medienetat,

  3. eine angemessene Personalausstattung hinsichtlich Anzahl und fachlicher Qualifikation,

  4. eine geeignete Räumlichkeit inklusive Mobiliar und IT-Ausstattung und

  5. die Erschließung und Veröffentlichung der Medienbestände in Katalogen, die lokal oder über öffentliche Netze zur Verfügung gestellt werden.“

Diese Vorgaben werden in § 3 Abs. 2 des Bibliotheksgesetzes für die Öffentlichen Bibliotheken in einzelnen Punkten präzisiert: „Öffentliche Bibliotheken sollen hauptamtlich von bibliothekarischen Fachkräften geführt werden.“ Damit fundieren nun die Förderkriterien des Büchereivereins in diesem Eckpunkt auf gesetzlicher Grundlage. Insbesondere bei den 37 Kommunen mit Interimsvertragsbibliotheken mit dem größten Entwicklungsbedarf ist die Erfüllung der gesetzlichen Vorgabe als „Soll-Bestimmung“ nunmehr einzufordern. Diese Bestimmung ist im juristischen Sinne eine Verpflichtung, die nur beim Vorliegen gravierender Gründe außer Kraft gesetzt werden kann. „Soll“ heißt „muss“, wenn man kann. Dieses können natürlich finanzielle Gründe im Falle einer Sonderbedarfszuweisungsgemeinde sein. Es sind aber nur wenige dieser Gemeinden in dieser Zwangslage.

Hinsichtlich der unversorgten Einwohnerinnen und Einwohner ist § 3 Abs. 3 des Bibliotheksgesetzes anzuführen: „In Abstimmung untereinander gewährleisten die Gemeinden und Gemeindeverbände durch das System der Öffentlichen Bibliotheken, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner in angemessener räumlicher Nähe und unter zumutbaren zeitlichen Bedingungen Zugang zu einer Öffentlichen Bibliothek haben. Soweit Standbibliotheken nicht eingerichtet sind, können Fahrbibliotheken vorgehalten werden.“ Diese unbestimmten Begriffe müssen zwar mit Fakten aus der Praxis präzisiert werden, bieten aber gute Argumentationsmöglichkeiten. Es liegt auf der Hand, dass für Grundschulkinder oder gehbehinderte Seniorinnen und Senioren eine Entfernung von 10–20 km zur nächsten Bibliothek keine angemessene räumliche Nähe ist. Dabei ist nicht die Position des flexiblen Berufstätigen maßgeblich, was er an zeitlichen Bedingungen als zumutbar ansieht. Dies ist aus der Sicht der direkt Betroffenen zu bewerten und wird in der Praxis mit den Füßen entschieden, d. h. damit, ob die Entfernung bewältigt wird (bzw. bei Kindern auch allein bewältigt werden darf) und man eine Bibliothek nutzt oder nicht. Die Versorgung durch die Fahrbibliothek ist als Option gesetzlich verankert. Natürlich würde eine „Soll-Vorschrift“ die Belange der bisher benachteiligten Gruppen nachhaltiger unterstützen.

Die Rolle des Büchereivereins und seiner Büchereizentrale ist in § 3 Abs. 4 des Bibliotheksgesetzes und deren Finanzierung in § 7 Abs. 2 aufgenommen. Aus der Situation des Büchereivereins im Jahr 2015 wird ersichtlich, dass eine Verpflichtung des Landes zur Finanzierung des Büchereivereins existentiell bedeutsam sein kann, wenn die Modalitäten der Gesetzgebung im kommunalen Finanzausgleich nur bedingt den finanziellen Notwendigkeiten des Büchereivereins nachkommen. Dem Ergänzungsvorschlag für das Bibliotheksgesetz, dass das Land den Büchereiverein finanziert, ist der Gesetzgeber leider nicht gefolgt.

Angesichts des bestehenden Nebeneinanders des Öffentlichen Büchereiwesens und des Schülerbüchereiwesen gibt es eine Formulierung in § 6 Abs. 2 des Bibliotheksgesetzes: „Die an den öffentlichen Schulen bestehenden Schulbibliotheken widmen sich vorrangig den Bedürfnissen der Lernenden und Lehrenden an den jeweiligen Schulen. Sie dienen in Zusammenarbeit mit anderen Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken im besonderen Maße der Lese- und Lernförderung sowie der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz. Zusammenarbeit mit anderen Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken im besonderen Maße der Lese- und Lernförderung sowie der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz. Die Bestimmungen des Schulgesetzes bleiben unberührt.“ Damit ändert die Gesetzgebung die unbefriedigende Situation im Hinblick auf die bestehenden Schülerbüchereien in keiner Weise, die im Unterschied zu den Schulbibliotheken, Lehrerhandbüchereien und Lehrmittelsammlungen Schüler(innen) mit Medien versorgen, die nicht als Lehrmittel einzuordnen sind. Dort greifen die Schulen direkt in die Aufgaben der Öffentlichen Bibliotheken ein. Es wären gute Synergieeffekte zu erzielen gewesen, wenn man die Zweigleisigkeit von Schule und Bibliothek aufgebrochen und eine ganzheitliche Sicht der Versorgung von Schülern und Schülerinnen mit außerschulischen Medien für eine Kommune als Vorgabe ins Gesetz eingebracht hätte.

Im Umfeld des Bibliotheksgesetzes hat das Land die Möglichkeit für die Bibliotheken und den Büchereiverein eröffnet, Projektmittel für innovative Projekte einzuwerben. Außerdem ist die jährliche Verleihung eines Bibliothekspreises geplant. Beide Maßnahmen sind zu begrüßen und werden innovative Effekte haben und den Stellenwert der Bibliotheken stärken.

3.4 Zusammenfassung

Angesichts des bereits bestehenden guten Entwicklungsstandes des Öffentlichen Bibliothekswesens in Schleswig-Holstein und der bereits vorhandenen gesetzlichen Verankerung der Finanzierung des Büchereivereins über das Finanzausgleichsgesetz war es im Vergleich zu anderen Bundesländern schwierig, in einem Bibliotheksgesetz nach deutschem Vorbild noch zu wesentlichen Verbesserungen zu kommen und dem von der Politik selbstgesetzten Anspruch aus dem Koalitionsvertrag nach der Schaffung einer eigenständigen soliden Grundlage für die Arbeit der Bibliotheken gerecht zu werden. Für die Öffentlichen Bibliotheken Schleswig-Holsteins wäre die einschneidende Verbesserung ihre gesetzliche Verankerung als Pflichtaufgabe einer Kommune gewesen, die es in den skandinavischen Bibliotheksgesetzen – aber in keinem anderen BRD-Gesetz – bereits seit fast 100 Jahren gibt. Da dieser große Schritt nicht getan wurde, sind die Verbesserungen nur in der gesetzlichen Verankerung von grundlegenden Punkten der bestehenden Bibliotheks- und Förderungsstruktur und der Bereitstellung von Projektmitteln sowie der Verleihung des Bibliothekspreises zu sehen. – Heinz-Jürgen Lorenzen.

4 Der Blickwinkel der Bibliothek der Hansestadt Lübeck

Als der allererste Gesetzentwurf 2010 seitens des damals in der Opposition befindlichen SSW vorgestellt wurde, sollte die Bibliothek Lübeck als Zwangsmitglied (so die originale Formulierung) am Büchereiverein Schleswig-Holstein teilnehmen. Aufgrund von finanziellen, ökonomischen wie bibliotheksfachlichen Gründen ist eine solche Zwangsmitgliedschaft in der Folge vermieden worden. Diese Regelung wurde angesichts der damaligen einvernehmlichen fachlichen Stellungnahmen (inkl. der des Büchereivereins Schleswig-Holstein e. V.) nicht mehr im zweiten Entwurf des SSW verwendet.

Wie überall, so sind auch in Schleswig-Holstein viele unterschiedliche Bibliotheken anzutreffen. Die Unterscheidung in Öffentliche und wissenschaftliche allein genügt auch hier nicht, um alle zu beschreiben. Von zahlreichen Spezialbibliotheken abgesehen, gibt es Einrichtungen, die Schnittmengen aus etlichen Typen bilden und eine solche liegt mit der Bibliothek der Hansestadt Lübeck vor.

Martin Luther regte die Gründung an, 1619 wurde die Bibliothek im ehemaligen Dormitorium eines aufgegebenen Franziskanerklosters eingerichtet. Wohlgemerkt: Im Jahr 1619 hatte die Welt aufgrund des furchtbaren Dreißigjährigen Krieges andere Prämissen, doch in der damals gut situierten Hansestadt konnte eine großartige Bibliothek eingerichtet werden, die als eine der allerersten sogar schon an zwei Tagen je Woche den Bürgerinnen und Bürgern offenstand. Lübeck war eine bürgerliche und keine fürstliche Stadt, sie war weltoffen und liberal.

Aus dieser Keimzelle wuchs eine der großen wissenschaftlichen Stadtbibliotheken heran, sie bewahrte und bewahrt bis heute rund 150.000 historische Bände aus der Zeit ab dem 12. Jahrhundert bei einem Gesamtbestand von 1,1 Mio. konventionellen Medien. Zu den besonderen Stücken zählt auch eines von wenigen Exemplaren des „Rudimentum Novitiorum“, eine prachtvolle und aufwändige Weltgeschichte aus kirchlicher Sicht, die die erste gedruckte Weltkarte überhaupt sowie die älteste Stadtansicht von Lübeck enthält.

Seit 1756 verfügt die Bibliothek über das Pflichtexemplarrecht für das ehemalige Lübecker Staatsgebiet.

Auf der anderen Seite erfolgte 1879 die Eröffnung der ersten „Öffentlichen Lesehalle“, die sich mit vielen Umwegen, aber insgesamt stetig fortentwickelte. Nachdem bereits zwischen 1923 und 1945 die beiden Bibliotheken eine gemeinsame Leitung hatten, fusionierten sie erneut in einem zeittypischen Neubau 1976. Die Umsetzung folgte der anglo-amerikanischen Idee der „Public Library“ unter Einschluss der historischen Räume, so dass heute eine Mischung aus historischer, Öffentlicher, wissenschaftlicher und ehemaliger Staatsbibliothek vorliegt, die baulich und inhaltlich äußerst ungewöhnlich ist. Wo findet man schon WLAN, Datenbanken und E-Books in mittelalterlichen Gewölbesälen mit jahrhundertealten Büchern?

Nun ist eine solche Einrichtung schwerlich in Schubladen einzusortieren, denn unverändert ist die Bibliothek Lübeck ein Zwittertyp aller Bibliotheksformen und als solche bei spärlichster Ausstattung und schmerzlichen wie unendlichen Sparrunden seit etlichen Jahren trotz ihrer unbestrittenen Defizite ein durchaus positives Beispiel für Synergieeffekte. Doch diese Bibliothek in einem Gesetz so zu berücksichtigen, dass weder einer ihrer Teile noch ihre kostengünstige Organisation diskreditiert wird, konnte keine einfache Aufgabe sein.

Was ist gelungen:

  1. Das Pflichtexemplarrecht in Schleswig-Holstein ist in Teilen anders geregelt als in den meisten anderen Bundesländern, da sich im Norden drei Bibliotheken die Aufgabe teilen. Die Universitätsbibliothek Kiel, die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek in Kiel und die Bibliothek der Hansestadt Lübeck erarbeiteten gemeinsam mit dem Ministerium eine Formulierung, die nicht nur das herkömmliche Pflichtexemplarrecht modernisiert, sondern zudem das elektronische Pflichtexemplar berücksichtigt (s. Abschnitt 2).

  2. Die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek ist als Landesoberbehörde definiert (s. Abschnitt 2).

  3. Die Bibliothek der Hansestadt Lübeck ist explizit in ihren Funktionen genannt und anerkannt, ohne eine Zwangsmitgliedschaft im Büchereiverein.

  4. Die speziellen Bibliotheken des Landes sind gewürdigt: von der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften bis zur Eutiner Landesbibliothek.

  5. Erstmals wurde seitens der Landesregierung vor dem Hintergrund des Bibliotheksgesetzes (nicht als Gesetzesteil, jedoch im inhaltlichen Zusammenhang) eine Summe von 430.000 € bereitgestellt, die projektbezogen und für innovative Ideen genutzt werden kann. Dies ist ein erheblicher Fortschritt.

Was ist weniger gelungen:

Öffentliche Bibliotheken werden nicht als Pflichtaufgabe der Kommunen definiert. Hätte der Gesetzgeber den letztgenannten aus Sicht der Bibliotheken nachvollziehbaren Wunsch erfüllen wollen, wären daraus konnexitätsrechtliche Folgen abzuleiten gewesen. Eine zusätzliche finanzielle Verpflichtung der ohnehin hochverschuldeten Kommunen müsste in voller Höhe das Land ausgleichen. Dies hätte zu Reduzierungen des Landeshaushaltes an anderer Stelle geführt und das Scheitern des Gesetzentwurfes in den Bereich des Möglichen rücken lassen. An dieser Stelle ist vielleicht das erstrebenswerte Maximum nicht erreicht, jedoch das maximal Mögliche. – Bernd Hatscher.

5 Gemeinsames Fazit

Wenn auch konkrete Standards zur Qualitätssicherung der bibliothekarischen Arbeit im Gesetz vermisst werden, so sind die Unabhängigkeit in der Medienauswahl (§ 3 Abs. 1 des Bibliotheksgesetzes) und die bibliotheksfachliche Leitung Öffentlicher Bibliotheken verankert (§ 3 Abs. 2). Darüber hinaus war zu wünschen gewesen, dass dieses Gesetz Perspektiven für eine finanzielle Konsolidierung des Öffentlichen Bibliothekswesens in Schleswig-Holstein eröffnet hätte, um die begonnenen Innovationsimpulse weiter zu befördern.

Dennoch: trotz des Fehlens der von bibliothekarischer Seite wiederholt geforderten finanziellen Absicherung des Kultur- und Bildungsauftrags der Bibliotheken ist das Gesetz nach langen Bemühungen, die sowohl von bibliothekarischen als auch von politischen Initiativen getragen waren, sehr zu begrüßen.

Das Gesetz regelt nicht alles, kann und sollte das auch nicht. Es ist Raum geblieben, um sowohl das Bibliotheksgesetz weiter-, als auch das System der Bibliotheken fortzuentwickeln. Die Ministerin betonte oft, dass mit dem Gesetz der status quo dargestellt werden sollte. Eine solche Benennung als Momentaufnahme und Ausgangspunkt ist sinnvoll und wünschenswert. Richtigerweise wurde der status quo beschrieben, jedoch nicht das Existierende als „auf ewig festgeschrieben“ zementiert.

Sicherlich ist das Gesetz nicht aus jeder Perspektive perfekt, doch wird es an manchen Stellen hilfreich sein und vielleicht sogar irgendeinen selbsternannten kommunalpolitischen Sparkommissar innehalten lassen. Eine Garantie dafür ist jedoch nicht gegeben. Bibliothekssysteme sind nicht „fertig“ im Sinne von abgeschlossen und sie befinden sich nicht im Elfenbeinturm. Nicht jeder Handgriff der Bibliotheksarbeit ist geregelt, wie beispielsweise das Sozialgesetzbuch jedes Detail der Sozialleistungen vorschreibt/vorschreiben muss. Dadurch werden die flexible und mindestens in Teilen selbstbestimmte Arbeitsweise der Bibliotheken sowie das tagesaktuelle Reagieren auf Themen erst möglich.

Doch das Gesetz kann und wird helfen, die tägliche Rechtfertigungsarbeit verbunden mit Reformierung und Innovation ein wenig erfolgreicher zu gestalten. Gerne hätten wir die Bestandsgarantie der Bibliotheken erhalten, doch bleibt dies für Deutschland eine Vision, die im skandinavischen Ausland bereits seit fast 100 Jahren Realität ist.

Aristoteles ging davon aus, dass alle Natur aus zwei Teilen besteht: Materie und Form. Bibliotheksinhalte und -services stellen die Materie dar, die äußere Form hingegen kann variabel sein. Wenn ein Gesetz die Materie sicherstellen könnte, dann wäre es als Erfolg zu bezeichnen, dies wird sich in der praktischen Handhabung in den nächsten Jahren erweisen. Wir glauben, dass das Gesetz den Versuch darstellt, diese Materie zu sichern und sich nicht in der Theorie zu verlieren, was man alles hätte leisten können.

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Published Online: 2016-12-01
Published in Print: 2017-01-01

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