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10 Jahre prima Klima: Evaluation des Klimakonzepts der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg

  • Eva Anlauft

    Eva Anlauft

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    , Markus Aurbach

    Markus Aurbach

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    und Christine Sauer

    Dr. Christine Sauer

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Veröffentlicht/Copyright: 9. August 2022
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Zusammenfassung

In Nürnberg folgte auf eine organisatorische Fusion 2012 eine räumliche Zusammenlegung von wissenschaftlicher und öffentlicher Stadtbibliothek. Bei der Sanierung und Erweiterung des 1911 eingeweihten und nach 1945 wiederaufgebauten Luitpoldhauses waren für die Räumlichkeiten zur Aufbewahrung und Nutzung des schriftlichen Kulturguts hohe Anforderungen an ein stabiles Raumklima mit geringen Schwankungsmargen aufgestellt worden, die mit reduzierter Anlagentechnik gehalten werden sollten. Nach zehn Jahren Erfahrung im laufenden Betrieb wird aus Sicht von Planenden und Nutzenden Bilanz gezogen zum Erfolg der gewählten Maßnahmen einer passiven Klimatisierung.

Abstract

In 2012 the cultural heritage collections of the Public Library in Nuremberg have been transferred to the building of the central library. For that purpose, the so-called Luitpoldhaus had to be refurbished and enlarged. The rooms for storage and display of manuscripts and old prints had to meet strict environmental standards with minimal short-term fluctuations by employing energy-sufficient solutions. After a decade it is now the time to evaluate the success of the passively conditioned concept from the perspective of the planner and the user.

1 Einleitung

Die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg ist die älteste Einrichtung dieses Bibliothekstyps im deutschen Sprachraum mit durchgehend kommunaler Trägerschaft: Aus dem Jahr 1370 datiert die erste Erwähnung einer Vorgängerinstitution, der Ratsbibliothek, die in der 1538/1543 gegründeten wissenschaftlichen Stadtbibliothek aufging. Diese wurde 1973 mit der im späten 19. Jahrhundert aus der Volksbildungsbewegung hervorgegangenen Stadtbücherei vereinigt. Im November 2012 wurde dieser organisatorische Zusammenschluss auch räumlich vollzogen: Die historischen Buchbestände der ehemaligen wissenschaftlichen Stadtbibliothek zogen in ein saniertes und erweitertes Gebäude ein, das bis dahin als zentraler Standort des öffentlichen Bibliothekssystems gedient hatte.

Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen der Umbau des Luitpoldhauses und die dabei ergriffenen Maßnahmen zur Ertüchtigung des Gebäudes, um die Vorgaben für ein stabiles Raumklima in den Räumen zur Lagerung, Benutzung und Präsentation von historisch bedeutenden Sammlungen und wertvollem schriftlichem Kulturgut zu erfüllen. Der Ablauf des ersten Jahrzehnts am neuen Standort bietet dabei auch die Gelegenheit zu einem Rückblick und zu einer Evaluation aus Sicht der Planer/Fach-Projektleitung und der Nutzenden. Es sollen die Grundlagen für die vor zehn Jahren erstellten Vorgaben offengelegt, diese mit den heute gültigen Normen abgeglichen und schließlich die Bewährung im laufenden Betrieb während der ersten Dekade diskutiert werden.

Abb. 1: Das 1911 eingeweihte Luitpoldhaus, um 1920 (Foto: Stadtarchiv Nürnberg, Bild-, Film- und Tonarchiv, A 38 Nr. C-122-IX)
Abb. 1:

Das 1911 eingeweihte Luitpoldhaus, um 1920 (Foto: Stadtarchiv Nürnberg, Bild-, Film- und Tonarchiv, A 38 Nr. C-122-IX)

Abb. 2: Das nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg von 1951 bis 1956 um zwei Stockwerke verkürzt wiederaufgebaute Luitpoldhaus, 1956 (Foto: Stadtarchiv Nürnberg, Bild-, Film- und Tonarchiv, A 39/III Nr. Fi-G-666)
Abb. 2:

Das nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg von 1951 bis 1956 um zwei Stockwerke verkürzt wiederaufgebaute Luitpoldhaus, 1956 (Foto: Stadtarchiv Nürnberg, Bild-, Film- und Tonarchiv, A 39/III Nr. Fi-G-666)

Abb. 3: Bei einer von 2009 bis 2012 durchgeführten Sanierung ist das Luitpoldhaus auf die ursprüngliche Traufhöhe von 1911 aufgestockt und um einen Verbindungsbau zum anliegenden Katharinenkloster erweitert worden (Foto: Jutta Missbach)
Abb. 3:

Bei einer von 2009 bis 2012 durchgeführten Sanierung ist das Luitpoldhaus auf die ursprüngliche Traufhöhe von 1911 aufgestockt und um einen Verbindungsbau zum anliegenden Katharinenkloster erweitert worden (Foto: Jutta Missbach)

1.1 Einmalig und dauerhaft schützenswert: Das schriftliche Kulturerbe in der Stadtbibliothek Nürnberg

Wissenschaftliche Stadtbibliotheken mit historischen Beständen generieren keine hohen Nutzungs- und Nutzerzahlen, sind gleichzeitig aber ein hoher Kostenfaktor aufgrund der besonderen Anforderungen an Sicherheit, Brandschutz und Raumklima. Viele Kommunen haben daher im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts diese Bestände an Landes- oder Hochschulbibliotheken abgegeben beziehungsweise mit städtischen Archiven oder Museen vereinigt.[1] Für die Bestände der Stadtbibliothek Nürnberg ist die seit nunmehr über 650 Jahren bestehende, durchgehende kommunale Trägerschaft ein Glücksfall: Selbst Katastrophen wie der Zweite Weltkrieg haben keine nennenswerten Substanzverluste nach sich gezogen, bis heute ist man in Nürnberg stolz auf die vor Ort in Archiven, Bibliotheken und Museen reich erhaltenen Zeugnisse zur Stadtgeschichte. In den Sammlungen der Stadtbibliothek aufgegangen sind neben der Ratsbibliothek und den Bibliotheken der ehemals acht im Stadtgebiet gelegenen Klöster zahlreiche Privatbibliotheken von Patriziern, Bürgern und Gelehrten. Zu den so in engster Verflechtung mit der Stadt und ihrer Geschichte gewachsenen Beständen zählen über 800 mittelalterliche Handschriften, ca. 2 000 Wiegendrucke, geschätzt 80 000 Drucke aus dem 16., 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert, rund 10 000 Autographe und 1 500 Karten. Dazu kommen ca. 300 000 in Magazinen aufbewahrte, nach 1840 entstandene Medien mit bis heute fortgeführten orts- und landeskundlichen Kollektionen.[2]

Der Kernbestand aus der 1370 erstmals urkundlich fassbaren Ratsbibliothek wurde im Rathaus an unbekanntem Ort aufbewahrt. Spätestens 1543 bezogen diese sowie die aus den nach 1525 aufgehobenen Klöstern übernommenen historischen Sammlungen das Obergeschoss des Kreuzgangs im ehemaligen Dominikanerkloster. Durch zahlreiche Butzenscheibenfenster drang nicht nur das Tageslicht ein, sondern teilte sich das Außenklima unmittelbar dem Innenraum mit. Im Winter war ein Arbeiten mit den Beständen praktisch unmöglich.[3] An den Auslagerungsorten während des Zweiten Weltkriegs konnte zwischen 1943 und 1946 ein stabiles Klima nur für die Handschriften und Wiegendrucke im Kunstbunker im Nürnberger Burgberg garantiert werden: Hier herrschten 18 °C und 70 % rF (relative Luftfeuchtigkeit).[4] Die 1946 zurückgeholten Alten Drucke lagerten in der Bärenschanzkaserne – zum Teil auf dem Dachboden – und litten dort „im Winter unter der Eiseskälte und im Sommer unter der drückenden, feuchten Hitze“.[5] 1957 bezog die Stadtbibliothek das als Zweckbau von Fritz Mayer (1889–1964) und seinem Sohn Walter Mayer (1929–1988) neu errichtete Pellerhaus, für das eine Lüftungsanlage geplant war, deren in die Magazinräume mündende Kanäle eine Erwärmung, Befeuchtung oder Trocknung der Luft leisten sollten; nur eine Luftkühlung schied aus Kostengründen aus.[6] Ob diese Funktionen umgesetzt wurden, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren; in den 1990er Jahren zumindest war über diese nichts mehr bekannt. Eine Verbesserung und für den späteren Umzug wesentliche Vorbereitung erlaubte der Auszug des ebenfalls im Pellerhaus untergebrachten Stadtarchivs Nürnberg im Jahr 2000: Handschriften und Drucke bis zum Jahr 1840 konnten systematisch von den später erschienenen Beständen geschieden und in geeigneten Räumlichkeiten aufgestellt werden, die eine Entfeuchtung bzw. im Rara-Magazin im Winter auch eine Befeuchtung durch den Einsatz mobiler Geräte und damit eine Kontrolle der relativen Luftfeuchte ermöglichten.

Der Blick in die Geschichte belegt, dass die Bestände der Stadtbibliothek über Jahrhunderte einem Raumklima ausgesetzt waren, das in allen Extremen dem Außenklima folgte. In den letzten Jahrzehnten konnten durch die Wahl geeigneter Räume sowohl die Spitzen der verzögert weitergegebenen Außentemperaturen gekappt und durch Be- und Entfeuchten die relative Luftfeuchte in einem Korridor zwischen 30 und 55 % gehalten werden.

1.2 Das Luitpoldhaus am Gewerbemuseumplatz

Die Stadtbibliothek Zentrum bespielt heute ein im Herzen der Nürnberger Altstadt gelegenes Gebäudeensemble, das sich aus vier verschiedenen Einheiten zusammensetzt. Den Nukleus bildet das 1911 als Volksbildungsheim von Heinrich Berolzheimer (1836–1906) finanzierte und von German Bestelmeyer (1874–1942) errichtete Luitpoldhaus, in das neben anderen der Erwachsenenbildung gewidmeten Vereinen auch die später in Stadtbücherei umbenannte Volksbücherei einzog (s. Abbildung 1).[7] Nach einem Kriegsschaden wurde das Gebäude Anfang der 1950er Jahre um zwei Stockwerke verkürzt wiederaufgebaut (s. Abbildung 2). Um eine attraktive Präsentation der Buchbestände in einer Freihandaufstellung zu ermöglichen, ist die Zentrale der Stadtbücherei im Luitpoldhaus um den benachbarten Kreuzgang des ehemaligen Katharinenklosters erweitert worden, der nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1978 bis 1984 wiederhergerichtet wurde.[8]

Zwischen 1998 und 2001 entstanden in Verbindung mit einem IMAX-Kino im Cinecittà Nürnberg und zur Vorbereitung des Umzugs der wissenschaftlichen Bibliothek vier unterhalb der Nonnengartenstraße gelegene Magazinräume.[9] Es folgte der Umbau des ehemaligen Meistersinger-Konservatoriums, das heute als Bürogebäude für alle internen Bibliotheksarbeiten genutzt wird (errichtet 1955 bis 1957 von Wilhelm und Walter Heinz, umgebaut 2004 bis 2007 von Hans + Ulrich Herbst Architekten, Nürnberg).[10]

Die letzte Etappe bildete die Sanierung des Luitpoldhauses, das bis auf die Umfassungsmauern abgerissen und von Baum-Kappler Architekten GmbH zwischen 2009 und 2012 um zwei Stockwerke erhöht auf die Traufhöhe des Ursprungsbaus von 1911 gebracht sowie um einen neuen Verbindungstrakt zum Katharinenkloster erweitert wurde (s. Abbildung 3).[11] Damit waren die Vorbereitungen für den Einzug der wissenschaftlichen Stadtbibliothek abgeschlossen: 2012 sind die Magazinbestände ab dem Erscheinungsjahr 1841 in den unterirdischen Magazinen über dem Kino in Fahrregalanlagen aufgestellt worden. Für die Lagerung des wertvollen Kulturguts waren zwei Räume im Luitpoldhaus geschaffen und in Verbindung mit einem Lesesaal, zwei angeschlossenen Büroräumen und einem Ausstellungskabinett konzipiert worden. Diese Räume bilden innerhalb des für die Öffentlichkeit frei zugänglichen Luitpoldhauses eigene Klima- und Sicherheitszonen.

2 Das Raumklimakonzept

2.1 Anforderungen und Vorgaben für das Raumklima

In vielen Fällen entspricht die Aussage der Realität, dass eine alle Aspekte umfassende Vorbereitung eines Bibliotheksneubaus „gerade in kleineren Einrichtungen […] in den wenigsten Fällen möglich“ ist.[12] Im Fall der Stadtbibliothek Nürnberg wurden 2006 die Planungen für die den sensiblen Beständen vorbehaltenen Räume mit ihren besonderen Anforderungen an Raumklima, Brandschutz und Sicherheit aufgenommen. Der aufgrund einer Bauverzögerung ungewöhnlich lange Vorlauf von drei Jahren erwies sich als ein Glücksfall und wirkte sich vorteilhaft auf die Erarbeitung und Umsetzung der entsprechenden Konzepte aus: Im intensiven Dialog zwischen Bauherrn, Fach-Projektleitung, Fachleuten aus den Bereichen Architektur, Bauphysik und Anlagentechnik sowie (Gebäude-)Nutzerinnen und Nutzern – vertreten durch die Sammlungsleitung und zwei Restauratorinnen – gelang eine integrale, stets auf die Bedürfnisse der betroffenen Kulturgüter fokussierte Gebäudeplanung.[13]

Einigkeit bestand von Anfang an in einem Punkt: Die Klimavorgaben sollten mit minimierter Anlagetechnik und weitgehend passiven Maßnahmen erreicht und gehalten werden. Angestrebt wurde eine weitgehende Unabhängigkeit von anlagentechnischen Systemen, vor allem aus Gründen der Resilienz gegenüber Störungen, Ausfällen und Havarien, wie zum Beispiel durch Wasser. Weitere von Beginn an formulierte Ziele waren eine effiziente Energienutzung als Beitrag zum Klimaschutz und eine Reduktion der Betriebskosten. Mit den zuletzt genannten Forderungen wurde ein Kriterium Grüner Bibliotheken vorweggenommen.[14]

Die für die Planungen zum Raumklima übermittelten Sollwerte und Schwankungsbreiten bewegten sich auf dem im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts aktuellen Diskussionsstand. Ausgangspunkt bildete die Hinterfragung der seit 1960 als internationale anerkannte Standards für Museen und Archive gehandelten Sollwerte von 50 % rF und 20 °C.[15] Seitdem das Missverständnis aufgeklärt wurde, dass diese ohne wissenschaftlich belastbares Fundament in den Umlauf gebracht wurden, wurde die Bedeutung eines stabilen Raumklimas für den Erhalt beweglicher Kunstobjekte diskutiert. Diese Kontroverse um das Plus/Minus-Dilemma erhielt zusätzliche Brisanz durch Bestrebungen um die Nachhaltigkeit von Kultureinrichtungen, ausgelöst durch steigende Energiekosten und wachsendes Umweltbewusstsein. Die Stadtbibliothek entschied sich im Zeitraum zwischen 2006 und 2009 abweichend von der damals noch gültigen Norm[16] gegen starre Klimavorgaben und für eine Anknüpfung an eine historisch verbürgte Aufbewahrung in Räumen mit saisonal gleitender relativer Luftfeuchte und Temperatur. Allerdings sollten in Anlehnung an Empfehlungen des renommierten Doerner Instituts München[17] die kurzfristigen Schwankungen so gering wie möglich gehalten und die jahreszeitlich bedingten Spitzen innerhalb eines fest definierten Korridors bleiben. Ein weiteres Kriterium war die Annäherung von Temperatur und relativer Luftfeuchte in Magazinen, Lesesaal und Ausstellungskabinett, um die Verbringung eines Objekts von einem in den anderen Raum ohne Akklimatisierungskammer bewerkstelligen zu können. Diese enggesetzten Vorgaben verlangen eine Anlage zu einer detaillierten Protokollierung der Klimawerte mit mehreren Messpunkten in jedem der genannten Räume, die engmaschig überwacht, dauerhaft aufgezeichnet und sorgfältig archiviert werden müssen, um bei Abweichungen Gegenmaßnahmen einleiten und rückblickende Auswertungen vornehmen zu können.[18] Die Bestätigung für den damaligen Ansatz bieten die mittlerweile aktualisierten Normen.[19]

Um die wertvollen Nürnberger Bestände zu schützen und zu erhalten, wurden nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema und Diskussionen zwischen dem Planungsteam, der Fach-Projektleitung und den Mitarbeitenden der Stadtbibliothek individuelle Zielwerte der einzelnen Raumklimabedingungen für alle sensiblen Raumbereiche mit Altbeständen festgelegt. Die Raumklimasollwerte der Altbestandsmagazine betragen für die Lufttemperatur 18 °C und 50 % für die relative Luftfeuchte. Die Toleranzgrenzen liegen dabei maximal zwischen 15 und 22 °C (kurzzeitig maximal 24 °C) sowie zwischen 45 und 55 %. Die Schwankungsgeschwindigkeit der Raumklimaparameter muss dabei möglichst gering sein. In Tabelle 1 sind exemplarisch die definierten Raumklimabedingungen für die beiden zur Aufnahme von schriftlichem Kulturgut im Luitpoldhaus eingerichteten Magazine dargestellt.

Tab. 1:

Raumklimaanforderungen Magazine mit schriftlichem Kulturgut (Stadtbibliothek und Hochbauamt Nürnberg)

Magazin

Sollwert

Schwankungsbreite und -geschwindigkeit

Raumtemperatur

18 °C

15 °C bis 22 °C

(max. 24 °C kurzzeitig)

1 Stunde < 1 K

1 Tag < 1 K

1 Monat < 2 K

relative Feuchte

45 % bis 55 %

1 Stunde < 2 %

1 Tag < 3 %

1 Woche < 5 %

1 Monat < 5 %

Für die Räume des Lesesaals, des Ausstellungsraumes und der zwei Büros wurden, abweichend von den strengeren Anforderungen in den Magazinen, Zielwerte für die Raumtemperatur von 20 bis 24 °C sowie tolerantere Schwankungsbreiten und -geschwindigkeiten festgelegt. Ebenso gelten für die vier über einem Kino liegenden unterirdischen Magazine mit den Buchbeständen ab dem Erscheinungsjahr 1841 gelockerte Klimavorgaben; der Betrieb der diese Räume versorgenden Klimaanlage beschränkt sich auf abgestimmte Zeitfenster.

2.2 Energie- und Raumklimakonzept

Konventionelle Lösungen zur Umsetzung der für das schriftliche Kulturerbe formulierten Anforderungen wären Kompressionskältemaschinen mit Entfeuchtungsleistungen. Die Regelung einer Klimaanlage verursacht jedoch im zeitlichen Verlauf immer Feuchte- und Temperatursenken und -spitzen. Starke und häufige Schwankungen von Temperatur und relativer Luftfeuchte setzen hygroskopische organische Materialien wie Papier, Leder und Pergament einer hohen Belastung aus und können aufgrund von Dimensionsveränderungen zur Schädigung von Materialien und der z. B. aufgebrachten Buchmalereien führen. Zudem wären die Stromverbräuche und -kosten sehr hoch. Bei Ausfall oder Havarie der Anlagentechnik würden sich Klimabedingungen relativ schnell außerhalb der erforderlichen Bereiche bewegen und könnten zu Schäden führen.

Beim Neubau vergleichbarer Projekte gehen bauliche Konzepte von weitgehender Entkopplung der Außenklimabedingungen vom Innenklima aus und bevorzugen dabei sogenannte Haus-im-Haus-Konzepte.[20] Eine derartige Lösung schied wegen des sehr hohen Flächenverlusts bei der Umbauplanung des Bestandsgebäudes im vorliegenden Fall jedoch aus. Der bauliche Entwurf folgte hier der bauklimatischen Funktion und den energetischen Zielen, d. h. die Zielsetzung hatte direkte Auswirkungen auf baulich-architektonische, bauphysikalische und anlagentechnische Maßnahmen. Für die Stadtbibliothek Nürnberg wurde somit das Konzept form follows function in die Praxis umgesetzt.[21]

Abb. 4: Luitpoldhaus, Ansicht West mit den Freihandbereichen, angeschnitten das unterirdische Magazin für Altbestände im Verbindungstrakt zum Katharinenkloster (Grafik: Baum-Kappler Architekten GmbH, Nürnberg)
Abb. 4:

Luitpoldhaus, Ansicht West mit den Freihandbereichen, angeschnitten das unterirdische Magazin für Altbestände im Verbindungstrakt zum Katharinenkloster (Grafik: Baum-Kappler Architekten GmbH, Nürnberg)

Während die Westfassade mit großflächigen Verglasungen in den Freihandbereichen geplant wurde, die Sichtbeziehungen nach außen zulassen und effiziente Tageslichtnutzung gewährleisten, wurde an der Ostfassade sparsam mit Fensterflächen umgegangen. Im von Osten betrachtet linken Teil des Gebäudes sind im ersten und zweiten Obergeschoss der Lesesaal, das Ausstellungskabinett und ein Magazin für die historischen Sammlungen untergebracht (Abbildung 5). Ein weiterer Depotraum befindet sich im Untergeschoss des Verbindungstrakts zum Katharinenkloster (Abbildung 4). Die architektonischen und funktionalen Herausforderungen lagen insbesondere in der Unterbringung des umfangreichen Raumprogramms bei relativ wenig Platzangebot am innerstädtischen Standort und im sensiblen Umgang mit der denkmalgeschützten Bausubstanz selbst und dem baulichen Umfeld innerhalb des Altstadt-/Stadtmauerrings im Blickfeld von der vielbesuchten Nürnberger Kaiserburg.

Für die Auswahl und Dimensionierung der baulichen und anlagentechnischen Maßnahmen zur Einhaltung der raumklimatischen Anforderungen in den Räumen für die Altbestände wurden thermische und hygrische Raumklima- und Strömungssimulationen durchgeführt.[22] Dabei wurden die Raumluftfeuchten und Strömungsverhältnisse in den Raumbereichen für die historischen Sammlungen unter verschiedenen Randbedingungen simuliert und mit diesen Ergebnissen dann die Leistungsparameter und Kennwerte der notwendigen passiven Maßnahmen und erforderlichen aktiven Anlagen festgelegt. Der Einfluss der hygrischen Speicherfähigkeit der Bücher (zu beziffern in Summe mit rund 60 Tonnen) und der Raumumfassungskonstruktion auf das Raumklima wurden berücksichtigt und spielten, wie Abbildung 6 eindrucksvoll belegt, eine herausgehobene Rolle.

Die wesentlichen Parameter und weitgehend passiven Maßnahmen der baulichen und minimierten anlagentechnischen Maßnahmen finden sich in Tabelle 2 zusammengefasst.

Abb. 5: Luitpoldhaus, Ansicht Ost mit Freihandbereichen und der weitgehend fensterlosen Fassade zu Lesesaal und Magazin für schriftliches Kulturgut im ersten und zweiten Obergeschoss (Grafik: Baum-Kappler Architekten GmbH, Nürnberg)
Abb. 5:

Luitpoldhaus, Ansicht Ost mit Freihandbereichen und der weitgehend fensterlosen Fassade zu Lesesaal und Magazin für schriftliches Kulturgut im ersten und zweiten Obergeschoss (Grafik: Baum-Kappler Architekten GmbH, Nürnberg)

Abb. 6: Hygrische Simulation Altbestandsmagazin mit und ohne Feuchtespeicherfähigkeit der Bücher (Grafik: TU Dresden, Institut für Bauklimatik)
Abb. 6:

Hygrische Simulation Altbestandsmagazin mit und ohne Feuchtespeicherfähigkeit der Bücher (Grafik: TU Dresden, Institut für Bauklimatik)

2.3 Erfahrungen nach rund 10 Betriebsjahren mit dem Raumklimakonzept

Hinsichtlich der Anforderungen an die Zielwerte des Raumklimas kann nach rund zehn Jahren gezeigt werden, dass eine hohe Übereinstimmung mit Soll- und Ist-Werten gegeben ist. Ab 2015 liegen gut auswertbare Trendaufzeichnungen der Gebäudeautomation vor. Die Abbildungen 7 bis 9 geben ausgewählte Messwerte wieder.

Die grüne und die blaue Linie zeigen den Verlauf der Raumtemperaturen, die rote und die weiße die Entwicklung der relativen Luftfeuchten im unter- und im oberirdischen Magazin im Zeitraum von Anfang 2015 bis Ende 2022 (Abbildung 7). Die Werte der Raumtemperatur im Magazin Untergeschoss liegen komplett im vorgegebenen Zielkorridor. Im Magazin im zweiten Obergeschoss gibt es kurzzeitige Überschreitungen der 22 °C-Grenze; die maximale Obergrenze von 24 °C wird jedoch nie überschritten. Der Verlauf ist gleitend und in keiner Weise sprunghaft. Demnach wurden in den vergangenen Jahren die Vorgaben für die Raumtemperatur eingehalten. Die wesentliche, in der Erfüllung höher gewertete Anforderung ist allerdings die relative Luftfeuchte. Hier zeigen wiederum die Messwerte im Untergeschoss-Magazin eine sehr gute Übereinstimmung mit den Anforderungsgrößen. Im Magazin im zweiten Obergeschoss sind in mehreren Jahren in den Sommermonaten Abweichungen zum oberen Grenzwert der relativen Luftfeuchte von 55 % zu verzeichnen; zudem zeigen sich in den einigen Jahren im Winter Abweichungen unter den unteren Grenzwert von 45 %.

Tab. 2:

Energie- und Raumklimakonzept Altbestand und Gesamtgebäude (Stadtbibliothek und Hochbauamt Nürnberg, Fach-Planungsteam)

Energie- und Raumklimakonzept Altbestände/Handschriften

– weitgehende Abkopplung vom Außen- und Innenklima der anderen Nutzungsbereiche der Bibliothek

– Wärmedämmung zu normal konditionierten Räumen (10 cm)

– Magazine: keine Fensterflächen; Lesesaal und Büros: minimale Fensterflächen

– massive Bauweise, wenig Baufeuchte

– feuchtespeichernde Materialien (Kalkputz 30 mm, Zellulose, auch für Raumakustik)

– minimierte Beleuchtungsleistungen für geringen Wärmeeintrag

– Grundwassernutzung zur Wandtemperierung (Kapillarrohrmatten, 1 Brunnen, ca. 65 m, 13 Liter/Sekunde)

– Magazine: kleine dezentrale Lüftungsgeräte, je 120 m³/h, 80 % Wärme- und Feuchterückgewinnung, Aktivkohlefilter; geringer Mindestluftwechsel (ca. 0,1 1/h)

– Lesesaal, Büros, Ausstellungsraum (hier zusätzlich Vitrinen mit hygrischer Anpassung zur Feuchtepufferung): spezielles Lüftungsgerät mit adiabatischer Verdunstungskühlung und sorptiver Entfeuchtung, 3 000 m³/h, Solarthermieanlage (20 m²) zur Regeneration der Sole

– Gaslöschanlage, kein Wasser

energetische Sanierungsmaßnahmen am Gesamtgebäude

– Wärmedämmung (Wände: 20 cm, Dach: 26 cm, erdberührt: 16 cm)

– Sonnenschutzverglasung (Energiedurchlassgrad der Verglasung 30 %), außenliegender gesteuerter Sonnenschutz

– im Freihandbereich: große Fensterflächen zur Tageslichtnutzung

– Fernwärme

– im Freihandbereich: Fußbodenheizung, Büros: Heizkörper

– zentrale Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung und Zuluftkühlung über Grundwasser im Sommer, 15 000 m³/h, 90 % WRG, keine Zusatzheizung

– Büros: Kühldecken über Grundwasser gespeist

– effiziente Beleuchtungsmittel, verschiedene Schaltkreise, Präsenzsteuerung

Abb. 7: Messwerte der relativen Feuchte (weiß und rot) und der Raumtemperatur (blau und grün) in den Magazinen im zweiten Obergeschoss und im Untergeschoss von 01/2015 bis 05/2022 (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)
Abb. 7:

Messwerte der relativen Feuchte (weiß und rot) und der Raumtemperatur (blau und grün) in den Magazinen im zweiten Obergeschoss und im Untergeschoss von 01/2015 bis 05/2022 (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)

In höherer Auflösung und begrenzt auf das Jahr 2017 zeigt die Abbildung 8 die Entwicklung von Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit in den Depoträumen (grün und rot: Magazin im Untergeschoss, blau und weiß: Magazin im zweiten Obergeschoss). Der relativ glatte Verlauf der Raumtemperaturen im Zielkorridor ist gut zu erkennen. Auch der Verlauf der relativen Luftfeuchten – für das Untergeschoss-Magazin im Zielkorridor und für das oberirdische Magazin in zwei Sommermonaten den Zielwert etwas überschreitend – sind erkennbar.

Abb. 8: Messwerte der relativen Feuchte (weiß und rot) und der Raumtemperatur (blau und grün) in den Magazinen im zweiten Obergeschoss und im Untergeschoss von 01/2017 bis 12/2017 (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)
Abb. 8:

Messwerte der relativen Feuchte (weiß und rot) und der Raumtemperatur (blau und grün) in den Magazinen im zweiten Obergeschoss und im Untergeschoss von 01/2017 bis 12/2017 (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)

Die im Verhältnis zu Abbildung 7 über die letzten drei Jahre im Magazin im zweiten Obergeschoss beobachtete gleitende Tendenz der niedrigeren Feuchtewerte im Sommer, vor allem aber im Winter, wird im Folgenden mit Hinweis auf Abbildung 9 näher betrachtet. Insbesondere in den Wintermonaten 2021/2022 wurde der Zielkorridor verlassen und es herrschte ein zu trockenes Raumklima. Abbildung 9 zeigt die Sollwerte (grüne Kurve) und die gemessenen Werte (rote Kurve) der Vorlauftemperaturen der Wandtemperierung im Magazin im zweiten Obergeschoss. Erkennbar sind zu hohe Werte im Sommer 2015 sowie in den Sommermonaten der Jahre 2019 bis 2021. Auffällig sind aber vor allem die zu hohen Vorlauftemperaturen in den Wintermonaten von 2019/2020 bis 2021/2022, die eine zu geringe relative Luftfeuchte und damit eine übermäßige Austrocknung im Magazin im zweiten Obergeschoss nach sich zogen; die größten Abweichungen sind für den letzten Winter zu verzeichnen.

Abb. 9: Sollwerte (grün) und der Istwerte (rot) der Vorlauftemperaturen der Wandtemperierung im Magazin zweites Obergeschoss von 01/2015 bis 05/2022 (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)
Abb. 9:

Sollwerte (grün) und der Istwerte (rot) der Vorlauftemperaturen der Wandtemperierung im Magazin zweites Obergeschoss von 01/2015 bis 05/2022 (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)

Die Folge der zu hohen Vorlauftemperaturen der Wandtemperierung sind zu niedrige Werte der relativen Luftfeuchten, die in den Wintermonaten den Zielkorridor verlassen und zu trockene Raumluft bedingen. Die Vorlauftemperaturen sind zwar in den Sommermonaten auch zu hoch, dies ist allerdings derzeit noch ohne Auswirkungen auf den Zielkorridor. Die Ursache der Abweichungen bei den Vorlauftemperaturen ist noch nicht bekannt und wird derzeit ermittelt. Die Temperaturen des Grundwassers sind allerdings nicht der Verursacher. Im Moment besteht die Vermutung, dass es an der Betriebsweise des Wärmetauschers (Kältetauschers) liegen könnte.

Hinsichtlich der energetischen Ziele ist die Bilanz für die letzte Dekade sehr positiv. Die Energieverbräuche für Wärme und Strom wurden gegenüber dem Zustand vor Sanierung deutlich reduziert und die anvisierten Zielwerte der Verbrauchsreduzierung noch übertroffen (Abbildung 10).

Abb. 10: Energieverbräuche vor und nach Sanierung (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)
Abb. 10:

Energieverbräuche vor und nach Sanierung (Grafik: Hochbauamt Stadt Nürnberg)

2.4 Erfahrungen der Nutzenden mit dem Raumklimakonzept

Aus der Sicht des für die historischen Sammlungen verantwortlichen Personenkreises – der Abteilungsleitung und der Restauratorinnen – haben sich die ergriffenen Maßnahmen zur Umsetzung der raumklimatischen Vorgaben in der Praxis bewährt. Das Ziel, für das schriftliche Kulturgut optimale raumklimatische Bedingungen mit reduzierter Anlagetechnik zu schaffen, konnte eingelöst werden. Einige grundsätzliche Erfahrungen verdienen jedoch festgehalten zu werden.

Die zu erwartende Baufeuchte war ein offensiv in die Planungen zur Bestückung der beiden Magazinräume einbezogenes Thema. Bereits in der Rohbauphase wurden im vollständig neu errichteten unterirdischen Raum Industrietrockner aufgestellt, um dem Stahlbeton das Restwasser zu entziehen. Diese Maßnahme war beim im zweiten Obergeschoss gelegenen Magazin von geringerer Bedeutung, da es sich bei den Raumbegrenzungen aus Kalksandstein um bestehendes Mauerwerk des ehemaligen Luitpoldhauses handelt. Im Anschluss an den möglichst lange bis in den Spätherbst 2012 hinausgezögerten Umzug der historischen Sammlungen mussten in beiden Magazinen in den ersten Jahren mobile Entfeuchtungsgeräte eingesetzt werden. Nach einem ganzjährigen Betrieb 2013 konnten die Geräte in den Folgejahren im Winter ausgeschaltet, ihre Inbetriebnahme allmählich auf die Sommermonate begrenzt und der Betrieb seit 2018 ganz ausgesetzt werden. Sehr viel schneller als in Simulationen prognostiziert entwich dem Beton kein Restwasser mehr. Wider Erwarten erwies sich das Magazin mit Bestandsmauerwerk im Obergeschoss als anfälliger für eine Angleichung an die relative Luftfeuchte in den es umgebenden öffentlichen Räumen. Hier mussten im Nachgang festgestellte Leckagen in Fugen geschlossen und es musste bei der Dichtigkeit der Türen nachgebessert werden.

Aufgrund des Publikumsbetriebs kann ein gleichbleibendes Klima in Lesesaal, Ausstellungskabinett und zwei angeschlossenen Büroräumen nur mit Hilfe einer Raumklimaanlage erreicht werden. Hier kommt ein innovatives und energieeffizientes Lüftungsgerät mit adiabatischer Verdunstungskühlung, sorptiver Entfeuchtung und einer Regeneration der Salzlösung mittels Solarwärme zum Einsatz (s. Tabelle 2). Als Zugeständnis an die Nutzenden weichen die Sollvorgaben bei der Temperatur leicht von den für die Magazine eingesetzten Werten ab, sind aber an diese gekoppelt, zur Vermeidung von Sprüngen in Temperatur und Luftfeuchte beim Ausheben und Bereitstellen von Objekten.

Um bei einer Fehlfunktion oder einem Totalausfall des Lüftungsgeräts wertvolles Kulturgut zu schützen, wurde im Ausstellungskabinett großer Wert auf eine Entkoppelung des Binnenklimas in den Vitrinen vom Raumklima gelegt, zumal die Lüftungsanlage aufgrund der begrenzten Raumgröße (50 m2) bei einer größeren Besuchszahl das sprunghafte Ansteigen der relativen Feuchte nicht korrigieren kann. Innerhalb der luftdicht schließenden Wandvitrinen wird die relative Luftfeuchte durch die Einlage von konditioniertem Silikagel (PROSORB Kassetten) weitgehend konstant gehalten und bei Bedarf eine Abweichung im Umgebungsraum ausgepuffert. In diesem Raum bildet die Temperatur den Leitwert, den die Lüftungsanlage möglichst gleichbleibend halten soll. Die Konstruktion der Vitrinen nach dem Haus-im-Haus-Konzept bürgt für eine träge Fortsetzung des Außenklimas auf das Binnenklima und verhindert auch bei einem Ausfall des Lüftungsgeräts eine Schädigung des Ausstellungsguts. Dies kann entscheidend sein, da die Bibliothek in einem solchen Notfall von der Reaktionszeit der Wartungsfirma und der Lieferzeit eventuell benötigter Ersatzteile abhängig ist.

Um Abweichungen im Raumklima bereits im Entstehen zu bemerken, ist eine regelmäßige und damit engmaschige Kontrolle der Raumklimawerte durch den Nutzer unabdingbar. Die in Magazinen, dem Lesesaal mit angeschlossenen Büroräumen und Ausstellungskabinett sowie in den Wandvitrinen des Ausstellungsraums angebrachten Sensoren mit hoher Messgenauigkeit liefern Daten zu Temperatur und Luftfeuchte, die in eine zentrale Datenbank zur Steuerung und Überwachung der Haustechnik eingespeist werden.[23] Im für den Nutzer eingerichteten Zugriff können die protokollierten Messreihen in einer für ihn maßgeschneidert aufbereiteten Form eingesehen, über jeden beliebigen Zeitraum ausgewertet und archiviert werden. In der Regel ist es der Nutzer und somit die Stadtbibliothek, die bei der nahezu täglich erfolgenden Kontrolle Abweichungen von den Sollwerten bemerkt und die für Bedienung und Wartung der Geräte für Klima- und Kältetechnik zuständige Abteilung im Hochbauamt benachrichtigt und somit ernsthafte Folgen bei Fehlfunktionen verhindert.

Gerade das komplexe Ineinandergreifen von Dämmung, Temperierung, geringer Luftwechselrate und klein dimensionierten Lüftungsgeräten kann bei Entgleiten eines Parameters zu Abweichungen von den raumklimatischen Vorgaben führen, deren Aussteuerung schwierig ist. So haben die hohen Vorlauftemperaturen für die Wandtemperierung zu einem Austrocknen der Magazine in den Wintermonaten geführt, die die Lüftungsgeräte aufgrund der nicht vorhandenen aktiven Befeuchtungsmöglichkeit nicht ausgleichen können. Eine Option ist es nun, den für die Sommermonate zugelassenen Anstieg der relativen Luftfeuchte (und somit den verzögerten und gemilderten Anschluss an das Außenklima) bis zum Limit auszuschöpfen und so lange wie möglich bis in den Winter hinüberzuziehen. Zudem muss durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hochbauamtes die Ursache für das Ansteigen der Vorlauftemperaturen der Wandtemperierung gefunden und der Fehler behoben werden.

3 Fazit

Die in der ersten Dekade des laufenden Betriebs gesammelten Erfahrungen belegen, dass eine Begleitung des Klimakonzepts durch die Planer/Fach-Projektleitung bis zur Erreichung des eingeschwungenen Zustands unverzichtbar ist. Im Fall der Stadtbibliothek erstreckte sich diese Begleitung mit abnehmender Intensität über die vergangenen zehn Jahre. Die nun aufgedeckten Abweichungen in der Vorlauftemperatur der Wandtemperierung mit ihren Folgen für das Raumklima zeigen, wie essenziell die Vorhaltung des Wissens um das Konzept und der stete Kontakt mit den Expertinnen und Experten ist. Ebenso fundamental ist es, dass die Anlagentechniker die Ansätze des Klimakonzepts verstehen, mittragen und keine Vorbehalte gegen innovative Lösungsansätze haben.

About the authors

Eva Anlauft

Eva Anlauft

Markus Aurbach

Markus Aurbach

Dr. Christine Sauer

Dr. Christine Sauer

Published Online: 2022-08-09
Published in Print: 2022-08-03

© 2022 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

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