Zusammenfassung
Vorgestellt wird der 2012 bezogene Magazinneubau der Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt. Das Klimatisierungskonzept modifiziert das Kölner Modell, indem eine minimale Luftzufuhr und Umluft eingesetzt werden. Ein Zugangs- und das Regalsystem ergänzen das Konzept. Die nun 10-jährigen Praxiserfahrungen sind positiv, es ist gelungen, ein stabiles Gleitklima im Normbereich für Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu schaffen.
Abstract
This report presents the newly erected University Library stacks building at the Catholic University of Eichstätt-Ingolstadt. The climatization concept modifies the Cologne Model (Kölner Modell) by using only minimal air supply and recirculation. The concept is complemented by an access control system and a specialized shelving system. The experiences of now more than ten years have been positive. It was possible to achieve and maintain a stable sliding climate in the normal range for temperature and humidity levels.
1 Funktionale Bedarfe im städtischen Bereich bündeln – Ausgangspunkt der Magazinplanung
Wachsende Buchbestände bedürfen einer Lösung für eine angemessene Lagerung. Das galt auch für den stark geisteswissenschaftlich geprägten Bestand der Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt. Wohl mehrere hunderttausend zugegangene Bände lagerten über einen längeren Zeitraum verpackt in Kisten in verschiedenen angemieteten Hallen. Mit Sorge sah man auf die Lagerung der älteren Bestände unter sehr unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Die Notunterkünfte boten kein geeignetes Raumklima, das Abbauprozesse im Material zu verlangsamen hilft. Ein Magazinbau war notwendig – nicht allein, um die Bestände adäquat zu lagern, sondern letztlich auch, um sie sichten und bearbeiten zu können. Die Vorgaben für die Klimatisierung ergeben sich aus den entsprechenden DIN-Normen, also DIN 67700 sowie DIN ISO 11799 unter Berücksichtigung von ISO/TR 19815.[1]
Das Raumkonzept des geplanten Baus umfasste vor allem Magazinfläche. Um zukunftsorientiert zu bauen, sollte das Magazin auf eine Million Bände ausgelegt sein. Da ein Auslagerungsstandort ohne Publikumsverkehr geplant war, konnte mit dem Bürobedarf von zwei Räumen plus Materiallager vergleichsweise knapp kalkuliert werden. Hinzu kam ein Technikraum.
Diese Anforderungen hätten in einem funktionalen Hallenbau im ländlichen Raum enden können. Dazu kam es aber nicht: Für den Magazinneubau in Eichstätt war es eine glückliche Fügung, dass gleichzeitig ein Schulzentrum entstand, das aufgrund der notwendigen Busanbindung einer neuen Buswendeplatte bedurfte. Die topographischen Bedingungen des dafür vorgesehenen Platzes, erhöht über der Tallage der Altmühl, hätten es erfordert, den entstehenden Hohlraum unter dem Plateau abzustützen und aufzufüllen. Man entschied sich für eine Alternative, nämlich den Raum unter der Buswendeplatte für den Magazinbau zu nutzen (Abbildung 1). Das Gebäude fügt sich dadurch ins Gelände ein, die Rückseite ist von außen nicht zugänglich, sondern ausschließlich die Vorder- und Seitenfront. Die Buswendeplatte als Abschluss nach oben muss bis zu elf Busse gleichzeitig tragen, was besondere Anforderungen an die Stabilität stellt. Unklar war im Vorfeld, welche Wirkung der sich erhitzende Asphalt im Sommer auf die Temperatur im Gebäude haben würde.

Lage und Grundriss des Magazinbaus (© Diözesanbauamt Eichstätt, Foto: Jens Weber, München)
2 Die Struktur des Gebäudes
Entstanden ist in den Jahren 2011/2012 ein langgestreckter Bau (130 m) mit 2,70 m Höhe. Seine Breite von 22 m wurde durch die zum damaligen Zeitpunkt maximale Länge der elektrifizierten Kompaktusanlage (Zambelli über ABI GmbH) bestimmt (Abbildung 2). Der fensterlose Magazintrakt bildet baulich eine geschlossene Einheit. Im Brandfall entstehen über zufallende Brandschutztüren drei Einheiten, die jeweils über einen eigenen Notausgang verfügen. Das Gebäude erschließt sich über einen einzigen Zugang, wobei Büro- und Magazintrakt getrennt voneinander betreten werden.
Die Regallänge definiert die Breite des Gebäudes. Sie beträgt jeweils max. 9 m, ein Mittelgang von 2,50 m Breite trennt die rechts und links davon platzierten Magazinblöcke. In der Regel umfasst ein Block der elektromotorischen Gleitregalanlage neun bewegliche zweiseitige Freiarmregale zwischen einseitigen Wandregalen als Begrenzung. Die Nutzfläche beträgt 2 284 qm, der Rauminhalt ca. 8 000 m3.
3 Klimatisierung als Modifikation des „Kölner Modells“
Ein wichtiger Faktor bei der Planung war, dass die Diözese Eichstätt als Bauherr nachdrücklich bestrebt ist, umweltsensible Lösungen zu erarbeiten. Ein Leitmotiv für das ausführende Diözesanbauamt Eichstätt waren überschaubare Investitionskosten und ein niedriger Energieverbrauch im Betrieb. Im Fokus stand dabei insbesondere die Klimatisierung.

Außenansicht des Magazins (© Diözesanbauamt Eichstätt, Foto: Jens Weber, München)
Die Lösung rezipiert das erfolgreiche „Kölner Modell“ von 1971 für den Archivbereich,[2] also den bauphysikalischen Ansatz einer „natürlichen Klimatisierung“, der ursprünglich einmal für das später leider eingestürzte Archiv der Stadt Köln konzipiert wurde: Eine dicht geschlossene Bauhülle schützt grundsätzlich vor Klimaschwankungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit), es entsteht ein gewisses Gleitklima. Auf diese Weise wird der Einsatz einer Klimaanlage vermieden.
Nun sind die Gegebenheiten in Eichstätt mit der teilweise unterirdischen Lage des Magazins andere als in Köln. Es bedarf daher einer geringen Außenluftzufuhr. Die Außenluftrate liegt im minimalen Bereich bei 0,11/h. Das bedeutet, dass die Anlage meistens im Umluftbetrieb arbeitet. Dabei wird die Luft auf der einen Seite angesaugt, auf der anderen Seite abgegeben. Das Thema Mindestluftwechselrate wurde im Planungsprozess intensiv diskutiert. Der Sollwert berücksichtigt das große Luftvolumen des Magazins wie auch die Tatsache, dass sich nur wenige Mitarbeitende im Raum aufhalten. Gesteuert wird das System auf der Basis permanenter elektronischer Überwachung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit (Abbildung 3). Eingriffe in die Quote des Luftaustausches sind automatisiert und manuell vor Ort möglich. Gerade diese Steuerungsfähigkeit des Systems macht die niedrige Mindestluftwechselrate zu einem variablen Faktor. Der jährliche Filtertausch und regelmäßige Kontrollen gewährleisten eine hygienisch einwandfreie Belüftungssituation. Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass eine minimale Luftzuvor auch vor exogenen Schadstoffen aus der Luft schützt.

Steuerung der Belüftungsanlage (Foto: Maria Löffler)
Der ideale Baustoff, um Speichermasse zu schaffen, ist Beton. Denkbar wäre ein Innenwandaufbau mit Vollziegeln gewesen, was sich aber als vergleichsweise unwirtschaftlich erwies. So wurden 25 cm Stahlbeton eingesetzt, wegen der Lage im Erdreich wasserundurchlässiger Beton. Der Wandaufbau wird durch 10 cm Wärmedämmung, 4 cm Hinterlüftung sowie 18 cm Betonfertigteilfassade ergänzt. Innenputz ist nur im Bürobereich eingesetzt, die Oberflächen der Betonwände des Magazins wurden lediglich gereinigt und nicht beschichtet, um die Aufnahme und Abgabe von Feuchtigkeit zu ermöglichen.
Das Modell setzt darauf, dass nur wenig Außenluft unkontrolliert eindringt. Der Zugang erfolgt daher restriktiv über eine Schleuse – die Außentüren sind geschlossen, wenn der Magazin- oder der Bürotrakt betreten werden. Die Büros sind nicht unmittelbar aus dem Magazin zugänglich, folglich strömt auch von dieser Seite keine Außenluft ein. Fenster gibt es nur im Bürobereich. Natürlich ist ein derartiges Magazin mit minimalen Zugangsanforderungen für das Modell einer „natürlichen Klimatisierung“ prädestiniert.
Magazine bedürfen mit bis zu 21 °C nicht eines Wohlfühlklimas. Die Beheizung erfolgt mittels Betonkernaktivierung, für die Heizschleifen in die Bodenplatte eingelassen sind. Der Energieverbrauch ist minimal, da die Fähigkeit des Materials Beton genutzt wird, thermische Energie zu speichern und damit Räume zu heizen oder zu kühlen. Seit 2016 ist das Magazin an die Fernwärmeleitung des Biomasse-Heizkraftwerks des Schulzentrums der Diözese angeschlossen.
Eine optimale Luftzirkulation rund um den Buchbestand wird durch einen Luftzug parallel zu den Regalreihen sowie das automatische Auffächern der Regale erreicht, das variabel programmierbar nach einer Zeit ohne Benutzung einsetzt (Abbildung 4).
Die Projektleitung lag bei Dipl.-Ing. TU Roland Seidl (Diözesanbauamt Eichstätt, Planung und Bauoberleitung), die Planung des Klimatisierungskonzepts erstellte das Büro Müller-BBM GmbH (München), für die Statik zeichnet die Stephan Sailer und Partner GmbH (München) verantwortlich. Die Baukosten lagen bei 4,6 Mill. Euro, ohne Regalanlage.
4 Erfahrungen in der Praxis
Wie häufig bei Neubauten muss zwischen zwei Nutzungsphasen unterschieden werden: Phase 1 umfasst die ersten 2–3 Jahre, also die Trocknungszeit des Gebäudes. Phase 2 ist der daran anschließende Alltagsbetrieb.
Charakteristisch für Phase 1 ist, dass die anvisierten Klimawerte für Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Magazin Rebdorf – insbesondere im Sommer – überschritten wurden. Die Temperatur lag bei 23 Grad, die relative Luftfeuchtigkeit in einer Spitzenzeit kurzzeitig bei bis 60 %. Angesichts der sommerlichen Witterung wurde z. T. über Nacht gegengesteuert, denn tagsüber wären Wärme und Luftfeuchtigkeit zugeführt worden. In dieser Situation wurde auch händisch eingegriffen, etwa indem die Orientierungstemperatur gesenkt wurde. Nur bedingt sinnvoll ist es, zu heizen, um die Gebäudetrocknung zu befördern. Auf die Problematik war die Bibliothek im Vorfeld hingewiesen worden.
Vor dem Hintergrund eines Bestands aus ganz unterschiedlichen Lagerbedingungen war dies eine durchaus angespannte Phase. Stäube und Schimmelpilzsporen stellen nicht nur für die Bestandserhaltung, sondern auch für den Arbeitsschutz ein Problem dar. Der Sorge, die Kombination aus Buchbeständen aus früherer Hallenlagerung und nun nur minimaler Frischluftrate könnte zu ungesunden Arbeitsbedingungen führen, ging eine Untersuchung durch den TÜV Süd 2014 nach. Das Ergebnis war eindeutig entlastend und bestätigte die Wahl der Klimatisierung. Sowohl im Hinblick auf Stäube als auch auf Schimmelpilzkonzentrationen lagen die Werte unterhalb der Bestimmungsgrenze.
Inzwischen befinden wir uns in Phase 2 mit einem stabilen und gleichmäßigen Klima. Die Temperatur liegt tendenziell zwischen 18 und 20 °C, die relative Luftfeuchtigkeit beträgt um 45 %. Die Zielwerte sind damit erreicht. Ein Mitarbeiter vor Ort behält Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Blick und steuert insbesondere im Sommer orientiert an Wetterprognosen manuell mit. Die sich im Sommer aufheizende Buswendeplatte hat keine problematischen Auswirkungen. Trotz der geringen Frischluftzufuhr wird die Luft im Magazin niemals drückend oder gar muffig empfunden. Die Türmechanismen, die das Eindringen von Außenluft minimieren sollen, fordern zwar einen Moment der Geduld, sind aber akzeptierter Teil des Alltags geworden.

Regalanlage: Zambelli/ABI GmbH (© Diözesanbauamt Eichstätt, Foto: Jens Weber, München)
Ein kompakter, weitestgehend fensterloser Bau kann städtebaulich ein Problem sein. Dass dies nicht der Fall sein muss, zeigt dieses Magazin, das durch ein Spiel mit graphisch wirkenden horizontalen und senkrechten Elementen kaum wahrnehmbar ist und sich als Akzent in die Umgebung einfügt. Auch als Arbeitsplatz ist der Bau attraktiv, wozu nicht zuletzt ein hochwertiger Bürotrakt beiträgt, in dem die umgebende Landschaft durch bodentiefe Fenster erfahrbar wird (Abbildung 5). Der radikale Gegenentwurf zum hermetisch abgeschirmten Magazinraum.

Außenansicht des Bürotrakts (© Diözesanbauamt Eichstätt, Foto: Jens Weber, München)
© 2022 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.
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