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9. Internationale Open Science Conference

Online-Konferenz, 8. bis 10. März 2022
  • Maaike Duine

    Maaike Duine

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    and Franziska Harnisch

    Franziska Harnisch

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Published/Copyright: August 9, 2022
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1 Einleitung

Die 9. Open Science Conference[1] fand vom 8. bis 10. März 2022 als Online-Veranstaltung statt und wurde vom Leibniz-Forschungsverbund Open Science organisiert. Den mehr als 300 Teilnehmenden wurde ein breites Themenspektrum von infrastrukturellen Aspekten bis zum Community Building angeboten.[2] In vielen Beiträgen wurde das Wissenschaftssystem als Ganzes in den Blick genommen. Die diesjährige Konferenz fand in Kooperation mit der deutschen UNESCO-Kommission statt. Unter direkter Bezugnahme auf die UNESCO-Empfehlung zu Open Science[3] wurden eine Paneldiskussion und ein Workshop zu Open-Science-Initiativen in Afrika organisiert.

Die Eröffnung der Konferenz war Klaus Tochtermann (Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft) vorbehalten, der darauf verwies, dass sich im vergangenen Jahr sehr viel im Bereich Open Science getan habe, dass aber von Seiten bspw. der EU klare Bekenntnisse und konkrete Vorgaben nötig seien, um die Entwicklungen zu mehr Offenheit konkret voranzutreiben. Er machte diesen Punkt auch vor dem Hintergrund des kurz zuvor begonnenen Kriegs in der Ukraine stark.

2 Open Science Barcamp

Vor der Konferenz fand das Open Science Barcamp am 7. März statt. Barcamp-Teilnehmende konnten Themen für kurze Sessions vorschlagen und vor Ort entscheiden, an welchen sie teilnahmen. Das Barcamp wurde mit einer Präsentation von Rima-Maria Rahal (Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern/German Reproducibility Network) eröffnet. Ihre Hauptbotschaft war, dass befristete Arbeitsverträge im deutschen Wissenschaftssystem eine Bedrohung für die Qualität und Robustheit der Forschung in Deutschland sind und Forschungsqualität mehr Festanstellungen bräuchte, mithilfe welcher mehr Forschung in Teams, mehr programmatische Forschung und mehr Offenheit und Transparenz ermöglicht werden sollten.

Insgesamt wurden 14 Barcamp Sessions[4] organisiert, mit Themen variierend von „Global Common Good as a concept in Open Science“ bis zu „Building an Open Science Community“. Obwohl das Barcamp online stattfand, ermöglichte das Konzept des Camps einen lebendigen Austausch in kleineren Gruppen zu spannenden und aktuellen Open-Science-Themen.

3 Beiträge

Die Open Science Conference bot insgesamt zehn Talks und 13 Poster-Sessions. Im Folgenden wird eine Auswahl der Talks vorgestellt.

3.1 Infrastrukturen und Werkzeuge

Eine konkrete Infrastruktur stellte Diethard Tautz (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) mit der Online-Zeitschrift NAL-live[5] in seinem Vortrag vor. Mithilfe des Konzepts von Open Documents will die Zeitschrift einen Beitrag zu einem offeneren und transparenteren wissenschaftlichen Austausch und einem Wandel in der Publikationskultur beitragen. Das Konzept ist einfach: Publikationen werden nach einem Review-Prozess unter der Lizenz CC BY 4.0 veröffentlicht, weitere Entwicklungen in der Forschung wie neue Erkenntnisse oder Ergänzungen können von allen zugefügt werden und werden dokumentiert. Mithilfe eines erneuten Peer-Review-Verfahrens können Änderungen an dem Dokument vorgenommen werden. Dieser Prozess ermöglicht es, dass Dokumente potenziell über einen längeren Zeitraum immer wieder aktualisiert werden können. Außerdem ermöglicht die Nachvollziehbarkeit der Veränderungen mithilfe persistenter Identifikatoren, den Prozess wissenschaftlicher Forschung anhand eines Artikels transparent nachzuvollziehen. Das Konzept hat viel Potenzial mit Blick auf eine Veränderung wissenschaftlichen Publizierens und auch in Bezug auf die Einbeziehung der Öffentlichkeit. In der Praxis muss sich erst zeigen, wie eine erfolgreiche Umsetzung erfolgen kann und welche Rolle wissenschaftliche Gesellschaften wie die Max-Planck-Gesellschaft hierbei spielen können.

In seinem Vortrag stellte Daniel S. Katz (University of Illinois) die Arbeitsgruppe FAIR4ResearchSoftware[6] vor. Der Fokus der Gruppe liegt auf den FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) und dem Austausch und der Wiederverwendung von Forschungssoftware. Erst dann, wenn nicht nur Daten nach den FAIR-Prinzipien produziert und geteilt werden, sondern auch andere Objekte wie Software, könne eine vollständige Umsetzung von Open Science-Praktiken stattfinden.

Die Anwendung Road to Openness[7] für Organisationen zur Ermittlung der bereits umgesetzten Open-Science-Aktivitäten wurde von Verena Heise vorgestellt. Hierbei handelt es sich um ein Open-Science-Selbstbewertungstool, das online frei verfügbar ist und den Zweck hat, Organisationen dabei zu unterstützen, einen Einblick in die eigenen Open-Science-Aktivitäten zu erhalten. Es kann eine Unterstützung darstellen zu ermitteln, an welchen Punkten Organisationen sich im Bereich Open Science bereits gut aufgestellt haben und welche Potenziale noch besser genutzt werden können.

3.2 Haltung gegenüber Open Science

Lauren Catwallader stellte in ihrem Beitrag „Die Haltung von Forschenden beim Teilen von Quellcode“ eine Studie des gemeinnützigen Open-Access-Verlags PLOS[8] vor. Die Studie hatte das Ziel zu evaluieren, welche Auswirkungen die geplante Einführung einer Verpflichtung, Quellcode zu teilen, für den Verlag und im Besonderen für die Zeitschrift Computational Biology haben könnte. Dieser Beitrag war aufschlussreich, weil er die Überlegungen aus Sicht eines Verlages offenlegte, der zwar gemeinnützig ausgerichtet ist und eine Entwicklung zu einer offeneren Wissenschaft anstrebt, aber dennoch auf Wirtschaftlichkeit achten muss. Aus diesem Grund war interessant, welche Überlegungen im Vorfeld angestellt wurden, bevor die Policy zur Verpflichtung, Quellcode zu teilen, im März 2021 erfolgreich implementiert wurde. Die Ausgangshypothesen konnten mit der Untersuchung, an der sich mehr als 200 Forschende beteiligten, belegt werden. Die wichtigsten Erkenntnisse waren, dass das Teilen von Code potenziell um 25 % gesteigert werden könnte, dass Aspekte zu Urheberrecht besondere Beachtung finden müssen und dass Forschende vor allem bei technischen Barrieren und in Bezug auf ihre Bedenken unterstützt werden müssen. Seit der im März 2021 erfolgten Einführung der Verpflichtung, Quellcode offenzulegen, ist der Anteil von Artikeln, in denen auch Quellcode geteilt wird, weiter angestiegen und kann als ein erfolgreicher Schritt hin zu einer transparenteren Publikationskultur gewertet werden.

3.3 Sinnvolle öffentliche Beteiligung

In ihrer Präsentation zeigte Anne-Floor Scholvinck (Rathenau Instituut, Niederlande), dass die Interaktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft (Public Engagement) nur sinnvoll gestaltet werden kann, wenn sie zur Demokratisierung der Wissenschaft beiträgt und die unterschiedlichen Stakeholder über eine Art von Besitz verfügen. Public Engagement könne in unterschiedlichen Disziplinen, in verschiedenen Phasen des Forschungszyklus’ und auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Scholvinck betonte, dass eine sinnvolle öffentliche Beteiligung an wichtigen gesellschaftlichen Themen entscheidend sei, da dies zu einer erhöhten wissenschaftlichen Grundbildung in der Öffentlichkeit führe, zu neuen Forschungsperspektiven und zu einer größeren gesellschaftlichen Relevanz von Wissenschaft. Darüber hinaus verwies sie noch auf das demokratische Recht auf Zugang zu und das Teilen von Wissen.

4 Untersuchung zu Open Science

Tony Ross-Hellauer (Leiter der Open and Reproducible Research Group der Technischen Universität Graz und des Know-Centers sowie Koordinator des Horizont 2020 Projekts ON-MERRIT)[9] stellte die Ergebnisse des Projekts in seinem Beitrag vor. Die Studie konnte mithilfe verschiedener Methoden zeigen, dass Open Science nicht per se die Ungerechtigkeiten im wissenschaftlichen System beseitigt. Die zentrale Frage des ON-MERRIT-Projekts war, ob Open Science Praktiken Gefahr laufen könnten, in einigen Fällen neue Ungerechtigkeiten zu schaffen bzw. vorhandene zu verstärken. Diese Frage musste bejaht werden. Die bloße Veröffentlichung von Forschung als Open-Access-Publikation bedeutet nicht automatisch, dass die veröffentlichten Informationen für alle verfügbar im Sinn von verstehbar sind. Weitere Ergebnisse der Studie waren, dass es nach wie vor zu wenig Anreize für Open-Science-Praktiken für Forschende gibt und dass es eine teilweise hohe Diskrepanz zwischen persönlichen Werten von Forschenden und denen von Institutionen gibt. Um das Potenzial von Open Science bestmöglich nutzen zu können, wurden Handlungsvorschläge in den vier Hauptfeldern „Ressourcen von Open Research“, „Publikationsgebühren und die Schichtung von Open Access Veröffentlichung“, „Gesellschaftliche Einbindung in Forschung und der Ausarbeitung von Policies“ sowie „Reform von Belohnung und Anerkennung“ erarbeitet. In enger Verknüpfung zu den UNESCO-Empfehlungen wurde für ein Gelingen der Open-Science-Transformation empfohlen global zu denken, den internationalen Austausch zu suchen und gemeinsame politische Zugänge zu erarbeiten.

5 Die UNESCO-Empfehlungen zu Open Science

Die Paneldiskussion „Promoting Open Science Globally: the UNESCO Recommendation on Open Science“ wurde von Lutz Möller (Deputy Secretary-General, German Commission for UNESCO, Deutschland) moderiert. Im November 2021 hatten 193 Mitgliedstaaten die Empfehlung für Open Science[10] angenommen. Zunächst fasste Vera Lacoeuilhe (Permanent Delegation of Saint Lucia to UNESCO) zusammen, wie die Empfehlung entstanden war. Sie erläuterte den herausfordernden Entstehungsprozess in Online-Meetings mit 250 Menschen, in dem sich die Mitgliedstaaten auf Definitionen und Werte, Grundsätze und Detailebenen einigen mussten. Sie betonte, dass Vertrauen, Engagement und Monitoring für die Umsetzung essenziell waren und sagte mit Blick auf die Implementierung, dass mit dieser jetzt die größte Herausforderung käme. Peggi Oti-Boateng (UNESCO HQ) fuhr mit den Schritten fort, die zur Operationalisierung der Empfehlung führen sollen. Dafür plant die UNESCO Programme, ein Open-Science-Toolkit, Finanzierungsmechanismen, Anreize und ein globales Repository, das bestehende Open Science-Richtlinien abbildet.

Die anschließende Panel-Diskussion begann mit der Frage, was jetzt Priorität hätte. Zabta Shinwari (UNESCO-World Commission for Ethics of Scientific Knowledge and Technology) war der Meinung, dass Chancengleichheit (equity) das wichtigste Ziel sei, umgesetzt beispielsweise durch mehr Frauen in Führungspositionen und mehr Zusammenarbeit und Austausch mit dem globalen Süden. Laura Rovelli (Latin American Forum for Research Assessment) sagte, dass universeller Zugang zu Wissen priorisiert werden sollte. Hierbei kam auch die Frage auf: Sollte der Internetzugang ein Menschenrecht sein? Michael Arentoft (European Commission) fügte hinzu, dass eine neue Art von Research Assessment notwendig sei. In dem aktuellen System werden Open-Science-Praktiken nicht belohnt. Teilen sollte gefördert und die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft angeregt werden. Anerkennung der Vielfalt der Forschungsergebnisse und unterschiedlicher Aufgaben sei ebenfalls wichtig, da dies eine neue Open-Science-Kultur fördern würde.

Der UNESCO Workshop „Fostering Open Science in Africa − Practices, Opportunities, Solutions“ wurde moderiert von Fatma Rebeggiani (Deutsche Kommission für UNESCO). Zehn verschiedene Open Science-Projekte wurden vorgestellt. Nationale Initiativen wie Eko Konnekt[11] in Nigeria oder Mboalab[12] in Kamerun, aber auch die panafrikanischen Initiativen Libsense,[13] Africarxiv[14] und Writing Hub Africa[15] seien hier genannt. Nach der Vorstellung der einzelnen Projekte fasste Rebeggiani zusammen, dass in den meisten Projekten zuerst die technische Infrastruktur gebaut werde, danach Partnerschaften angegangen werden und zuletzt Richtlinien definiert würden. Sie betonte, dass es für alle Open-Science-Projekte sehr wichtig sei, Communities of Practice mit sogenannten Champions aufzubauen.

6 Schluss

Die Diversität an Themen der Konferenz zeigte, dass sich Open-Science-Praktiken immer weiterentwickeln, und zugleich, dass es noch viel zu tun gibt. Am Ende der UNESCO-Panel-Diskussion betonten alle Teilnehmenden, dass die Umsetzung der UNESCO-Empfehlungen für Open Science die gemeinsame Verantwortung aller Stakeholder sei − nach dem von Peggy Oti-Boateng genannten Motto: „UNESCO wants science for people, planet and peace. Science that leaves no one behind.“

About the authors

Maaike Duine

Maaike Duine

Franziska Harnisch

Franziska Harnisch

Published Online: 2022-08-09
Published in Print: 2022-08-03

© 2022 bei den Autorinnen, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 30.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/abitech-2022-0035/html
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