Zusammenfassung
Der Artikel geht anhand einer Einzelfallstudie empirisch der Frage nach, wie Menschen aus der Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus sich rechte Einstellungen und Handlungsbereitschaften aneignen. Welche biographischen Dispositionen und psychischen Dynamiken, welche Gruppenprozesse und sozialen Praxen werden für diese Aneignung bedeutsam? Mittels einer tiefenhermeneutischen Analyse eines biographischnarrativen Interviews mit einem AfD-Mitglied wird verdeutlicht, dass in rechten Gruppierungen und durch rechte Propaganda ein psychosozialer Prozess angestoßen wird, der lebensgeschichtlich entwickelte Abwehrstrukturen und biographische Kompetenzen, Krisen und Konflikte zu bearbeiten, schwächt. Hierdurch erst werden im Verlauf rechter Sozialisationsprozesse psychische Dynamiken, un(v)erträgliche Erlebnisse und Affekte des Subjekts nachträglich virulent gemacht, die mittels einer völkischen Idealisierung und einer projektiven Feindbildung schiefgeheilt werden.
Quellen
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- Frontmatter
- Themenschwerpunkt: Gemeinschaft und Nation
- Editorial
- Jenseits von Identität
- »Über den Abgrund«
- Spannungsfelder nationaler Zugehörigkeit am Beispiel des Haderns mit dem Titelgewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 2014
- Nation als gefühlte Gemeinschaft
- Nationale Identität und ihre Zukunft
- Allgemeiner Teil
- „Vom Haben und Machen“
- Prüfungskompetenz
- Reflexion von Sachunterricht durch Erst- und Zweitsemesterstudierende
- Diskussion
- Replik auf den Diskussionsanstoß zu „Gütekriterien qualitativer Sozialforschung“ von Jörg Strübing, Stefan Hirschauer, Ruth Ayas, Uwe Krähnke und Thomas Scheffer
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