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Terminologiemanagement: erfolgreicher Wissenstransfer durch Concept-Maps und die Überlegungen in DGI-AKTS

  • Andre Busch

    Andre Busch schließt im September 2021 sein Studium der Mehrsprachigen Kommunikation an der Technischen Hochschule Köln ab. Grundlage dieses Artikels ist seine Bachelorarbeit, die er in Kooperation mit Beate Früh (Büro b3 Terminologiemanagement)

    https://www.buerob3.de/

    und dem AKTS

    https://dgi-info.de/wissenschaft-praxis/dgi-fachgruppen/akts/

    verfasste. Sein Interesse gilt vor allem der Erarbeitung mehrsprachiger Terminologie sowie der Erstellung und Visualisierung von Begriffssystemen. Im Oktober 2021 wird er an derselben Hochschule ein Masterstudium im Bereich Terminologie und Sprachtechnologie aufnehmen.

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Veröffentlicht/Copyright: 8. Juli 2021
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Zusammenfassung

Die Organisation eines effektiven und effizienten Wissenstransfers ist eine große Herausforderung moderner Fachkommunikation. Durch die Aufbereitung von Begriffen und Begriffsbeziehungen in Begriffssystemen und deren übersichtliche und verständliche Visualisierung in einer Concept-Map macht das Terminologiemanagement Wissen einfach und schnell verfügbar. So kann es effizienter für die Fachkommunikation genutzt werden.

Abstract

Organizing an effective and efficient transfer of knowledge is a major challenge in modern technical communication. By processing concepts and concept relations in concept systems and visualizing them clearly and comprehensibly in concept maps, terminology management makes knowledge easily and quickly available. In this way, it can be used more efficiently for technical communication.

Résumé

L’organisation d’un transfert de connaissances efficace et efficient est un défi majeur de la communication technique moderne. Grâce au traitement des concepts et des relations conceptuelles dans des systèmes de concepts et la visualisation claire et compréhensible dans un schéma conceptuel, la gestion de la terminologie rend les connaissances facilement et rapidement accessibles. Il peut donc être utilisé plus efficacement pour la communication technique.

Die Rolle von Begriffssystemen

Die Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e. V. (DGI) hat es sich zum Ziel gesetzt, „ihre Mitglieder aus Bibliotheken, Archiven, Museen, der Industrie, der Verwaltung oder der Wissenschaft durch Veranstaltungen, Fortbildungen sowie durch Kommunikation und Vernetzung zu stärken, ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und aktuelle Themen öffentlich zu positionieren bzw. zu diskutieren“.[1] Sie muss also einen komplexen Wissensaustausch zwischen Menschen mit unterschiedlichsten Vorkenntnissen organisieren, was ein effektives, zielgruppenadäquates und effizientes Management der Ressource Wissen voraussetzt.

Ein zentraler Bestandteil eines erfolgreichen Wissensmanagements ist die Terminologiearbeit, welche die trennscharfe Erfassung und Beschreibung der Begriffe eines Fachgebiets und ihrer Bezeichnungen sowie die systematische Ordnung dieser Begriffe anhand der Beziehungen zwischen ihnen zur Aufgabe hat.[2] Ein Begriff ist eine „Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen unter Ermittlung der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird“.[3] Er wird sprachlich bezeichnet durch eine Benennung.[4] Darüber hinaus stellen Begriffe aus terminologischer Perspektive Wissenseinheiten bzw. -ausschnitte dar und können sowohl zueinander in Beziehung stehen als auch neu zueinander in Beziehung gesetzt werden, was der Ableitung von neuem Wissen entspricht – Begriffe und Begriffsbeziehungen sind somit die Bausteine des Wissens.[5] Dadurch entsteht ein Begriffssystem, welches aus terminologischer Sicht „der Ordnung von Wissen und der Darstellung der begrifflichen Strukturen in einem Fachgebiet“ dient.[6] Sie können daher – ähnlich den Taxonomien, Thesauri und Ontologien – zu den Wissensorganisationssystemen (Knowledge Organisation Systems, KOS) gezählt werden.6 Auch wenn die Erstellung und Verwaltung von Begriffssystemen zeit- und kostenintensiv ist, so bieten sie doch zahlreiche Vorteile für die tägliche Terminologiearbeit (Erleichterung der Definitionserstellung, Benennungsbildung, Dublettenprüfung etc.).[7] Die in ihnen umfangreich erfasste, begriffsorientierte Sammlung an Synonymen und fremdsprachlichen Äquivalenten (ggf. auch Homonymen und Polysemen)[8] kann eine wichtige Wissensressource für eine Vielzahl von Systemen sein.[9] Ein interessantes Beispiel ist die Optimierung von Suchergebnissen: Durch eine formale – also maschinell lesbare – Hinterlegung von semantischen Relationen (z. B. Äquivalenz-, Hierarchie- und Assoziationsrelationen in Thesauri) können bei der Suche „intelligente“ Wortvorschläge generiert werden, weil die vorgeschlagenen Benennungen zuvor mit dem Suchbegriff über eine solche semantische Relation verknüpft wurden.[10]

Seit ihrem Bestehen hat sich die DGI (früher DGD) darum bemüht, auch ein zusammenhängendes Vokabular für die Facharbeit im (Dokumentations- und) Informationsbereich bereitzustellen; daraus entstand die „Terminologie der Information und Dokumentation“ 1975, 2. Ausgabe 2006. Mit der aktuellen Überarbeitung und Erweiterung der Terminologie der Information und Dokumentation (TID) unter besonderer Berücksichtigung von Begriffsbeziehungen und -systemen leistet die DGI-Fachgruppe Arbeitskreis für Terminologie und Sprachfragen (AKTS) nun einen zentralen Beitrag für einen effektiven Wissenstransfer im Bereich Information und Dokumentation. In diesem Artikel soll daher ein kurzer Einblick in die Erarbeitung und Verwaltung des TID-III-Begriffssystems im Wissensmodul des Terminologiemanagementsystems LookUp gegeben werden.[11]

Terminologische Instrumente: Begriffsbeziehungen

Zur Ausarbeitung des Begriffssystems wird auf die Klassifikation von Begriffsbeziehungen nach DIN 2342 (2011) zurückgegriffen (s. Abb. 1). Bei hierarchischen Begriffsbeziehungen werden Begriffe schrittweise in untergeordnete Begriffe unterteilt bzw. umgekehrt zu übergeordneten Begriffen zusammengefasst.[12] Unterschieden wird hier zwischen Abstraktionsbeziehungen, wobei ein Unterbegriff einen Oberbegriff miteinschließt und sich zumindest in einem zusätzlichen Merkmal von diesem unterscheidet (MaschineWerkzeugmaschine), und Bestandsbeziehungen, wobei sich ein Verbandsbegriff auf einen Gegenstand als Ganzes bezieht und seine Teilbegriffe auf Teile dieses Gegenstandes beziehen (WocheTag).[13] Nichthierarchische Begriffsbeziehungen basieren hingegen auf thematischen Zusammenhängen: So beruhen sequenzielle Beziehungen auf einer Vor- und Nachordnung, die entweder temporaler Natur (FrühlingSommer) oder durch Ursache und Wirkung (FeuerHitze) bedingt sein kann.13 Eine oppositionelle Beziehung besteht hingegen zwischen Begriffen, die hinsichtlich eines Merkmals entgegengesetzt sind (RechtslenkungLinkslenkung) und pragmatische Beziehungen beruhen auf situations- und sprecherabhängigen Zusammenhängen (KraftfahrzeugStraße).13 Gerade letztere sind der Assoziationsrelation in Thesauri ähnlich[14] und bieten durch eine Spezifizierung mit Hilfe projekt- bzw. kontextbedingter Assoziationsarten ein großes Potential für die Wissensmodellierung. Eine Übersicht findet sich u. a. in Sager (1990), wobei die aufgelisteten nichthierarchischen Begriffsbeziehungen als genauso relevant wie bzw. sogar aufschlussreicher über die Zusammenhänge in einem Fachgebiet charakterisiert werden als die hierarchischen.[15]L’Homme (2020) hat seine Darstellung aufgegriffen und mit einigen neuen Beispielen versehen (s. Abb. 2).[16]

Abb. 1 Arten von Begriffsbeziehungen nach DIN 2342 (2011, 8f.); Darstellung: Suchowolec (2017, 151).
Abb. 1

Arten von Begriffsbeziehungen nach DIN 2342 (2011, 8f.); Darstellung: Suchowolec (2017, 151).

Abb. 2 Nichthierarchische Begriffsbeziehung nach Sager (1990, 35); Darstellung: L’Homme (2020, 155).
Abb. 2

Nichthierarchische Begriffsbeziehung nach Sager (1990, 35); Darstellung: L’Homme (2020, 155).

Visualisierung eines Begriffssystems

Ein zentrales Ziel der aktuellen Überarbeitung der TID ist die Erstellung und Visualisierung eines komplexen gemischten Begriffssystems für die TID-III im LookUp-Wissensmodul – mit hierarchischen und deutlich spezifischeren nichthierarchischen Begriffsbeziehungen als bisher (z. B. in der zweiten TID-Ausgabe).[17] Maßgeblich sind dabei die Aufbaukriterien nach DIN 2331 (2019):

  1. Eindeutigkeit: die Einordnung jedes einzelnen Begriffs ins System ist eindeutig erkennbar;

  2. Verständlichkeit: der Aufbau und die Ordnung des Begriffssystems ist für die Zielgruppe verständlich;

  3. Ergänzbarkeit: begriffliche Veränderungen bzw. neue Begriffe lassen sich ohne größeren Aufwand einfügen“.[18]

Abb. 3 Beispiel für eine Concept-Map (DIN 2231(2019, 27)).
Abb. 3

Beispiel für eine Concept-Map (DIN 2231(2019, 27)).

In DIN 2331 (2019) sind die Darstellungen der klassischen Begriffssysteme genormt. So wird z. B. ein Abstraktionssystem, welches nur unter Einbezug von Abstraktionsbeziehungen erstellt wird, mit Hilfe eines sog. Fächerdiagramms abgebildet (s. Abb. 1).[19] Bei normgerechter Visualisierung sind diese Begriffsbeziehungen sowohl vom Oberbegriff (z. B. Begriffsbeziehung) zum Unterbegriff (z. B. hierarchische Begriffsbeziehung) lesbar als auch andersherum – die Anordnung kann dabei auf verschiedene Weisen erfolgen (z. B. von oben nach unten (s. Abb. 1) oder von links nach rechts).[20] Den Aufbaukriterien Eindeutigkeit und Verständlichkeit ist damit genüge getan. Da das TID-III-Begriffssystem allerdings verschiedene Arten von Begriffsbeziehungen enthalten soll, bedarf es einer sog. Concept-Map: ein „Liniendiagramm zur Darstellung eines Begriffssystems aus gleich- oder verschiedenartigen Begriffsbeziehungen in Form eines Netzes“.[21] Um eine Begriffsbeziehung bzw. ihre Beziehungsart zu definieren, kann sie durch einen gerichteten Pfeil dargestellt und mit einer Beschriftung versehen werden (Relation) (s. Abb. 3).21 Dies ermöglicht eine sehr explizite und differenzierte Darstellung (v. a. von nichthierarchischen Begriffsbeziehungen), weshalb sich eine Concept-Map besonders gut zur Visualisierung eines gemischten Begriffssystems eignet.[22] Die Visualisierung als Concept-Map wirft allerdings auch einige Fragen bzgl. der Definition der Begriffsbeziehungen auf. Daher werden im weiteren Verlauf Problemstellungen und Lösungsansätze diskutiert, die die Erstellung eines Relationskatalogs unterstützen sollen.

Die Problematik gerichteter Begriffsbeziehungen (Relationen)

Concept-Maps können – anders als z. B. Abstraktionssysteme – aufgrund ihrer gerichteten Begriffsbeziehungen nicht mehr aus verschiedenen Perspektiven gelesen und verstanden werden (s. Abb. 3). Um die Aufbaukriterien Eindeutigkeit und Verständlichkeit zu erfüllen, müssen die Relationen explizit entsprechend der ihnen zugrundeliegenden Beziehungsarten bezeichnet werden. L’Homme (2020) erläutert diese Problematik anschaulich anhand von Abstraktionsbeziehungen: „It should be noted that the relations between a generic and specific concepts are asymmetric. The label chosen to represent them must take into account the direction in which the relation is considered. Hence, <is-a> and <type-of> can only be used when the relation is explained from the specific concept to the generic one (a ‘cello’ <is-a> ‘musical instrument’, but not *a ‘musical instrument’ <is-a> ‘cello’) “.[23] Nun könnte argumentiert werden, dass sich diese Problematik durch eine zweite, entgegengesetzte Relation mit entsprechender Bezeichnung lösen ließe. Folglich könnte z. B. eine Abstraktionsbeziehung in Form einer Relation von Unter- zu Oberbegriff (<ist ein(e)>) und einer von Ober- zu Unterbegriff (<ist Oberbegriff von>) repräsentiert werden. Auch wenn dies bei kleineren Begriffsmengen ggf. die Eindeutigkeit und Verständlichkeit eines Begriffssystems erhöhen könnte, führt dies zu einem größeren Aufwand bei der Erstellung, weil jede Begriffsbeziehung durch zwei entgegengesetzt beschriftete Relationen repräsentiert werden müsste.

Bei hierarchischen Begriffsbeziehungen stellt sich folglich die Frage, ob der Mehraufwand durch die doppelte Auszeichnung in einer Concept-Map (s. Abb. 4) gerechtfertigt ist, wenn eine hierarchische Darstellung ohne gerichtete und beschriftete Relationen (s. Abb. 1) bei gleicher inhaltlicher Aussage weniger Aufwand bedeutet.

Doch auch bei der Repräsentation von nichthierarchischen Begriffsbeziehungen treten ggf. Probleme auf. Bevor eine Relation ausgezeichnet wird, muss ihre Ausrichtung beachtet werden. So kann z. B. das Außenohr Ohrenschmalz produzieren, nicht aber umgekehrt (s. Abb. 3). Allerdings sind auch hier zwei entgegengesetzt bezeichnete Relationen denkbar: eine aktive Bezeichnung (Außenohr <produziert> Ohrenschmalz) und eine passive Bezeichnung (Ohrenschmalz <wird produziert durch> Außenohr).

Abb. 5 Schematische Darstellung eines Ontologie-Ausschnitts nach Weller (2013, 208).
Abb. 5

Schematische Darstellung eines Ontologie-Ausschnitts nach Weller (2013, 208).

Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich bei der Visualisierung auf eine Relation bzw. eine Richtung zu beschränken, wobei die jeweils andere Begriffsbeziehung nur indirekt aus der Concept-Map hervorgeht. Hier müsste also eine konkrete Entscheidung getroffen werden. Als Inspirationsquelle lohnt sich ggf. ein Blick auf andere Wissensorganisationssysteme.

Abb. 4 Arten von Begriffsbeziehungen nach DIN 2342 (2011, 8f.); eigene Darstellung im LookUp-Wissensmodul mit zwei Relationen zur Repräsentation der jeweiligen Abstraktionsbeziehung.
Abb. 4

Arten von Begriffsbeziehungen nach DIN 2342 (2011, 8f.); eigene Darstellung im LookUp-Wissensmodul mit zwei Relationen zur Repräsentation der jeweiligen Abstraktionsbeziehung.

Ein Blick über den Tellerrand

Ein Vergleich der Relationen innerhalb von Begriffssystemen bzw. Terminologien auf der einen Seite und Wissensorganisationssystemen wie etwa Taxonomien und Ontologien auf der anderen ist nicht neu – tatsächlich sind „die Inhalte beider Wissensstrukturierungen (Begriffssystem und Ontologie) [...] außerordentlich ähnlich“.[24] Taxonomien und Ontologien strukturieren ihr Vokabular u. a. anhand sog. Klassen, die „Allgemeinbegriffe repräsentieren und zur Bündelung von Einzelbegriffen anhand von gemeinsamen Eigenschaften dienen“.[25] Unterschieden wird dabei zwischen Oberklassen (z. B. Person) und Unterklassen (z. B. Trainer), also sind sie hierarchisch strukturiert, wobei die Hierarchie häufig nur anhand von Abstraktionsbeziehungen (z. B. <is a>) modelliert wird (s. Abb. 5).[26] Ggf. wird eine solche Klassenhierarchie durch Instanzen erweitert, also konkrete Vertreter einer Klasse (z. B. Lucien Favre).[27] In Ontologien werden Klassen und Instanzen darüber hinaus mit Relationen verknüpft, die differenzierte projektspezifische, nichthierarchische Begriffsbeziehungen abbilden.[28]

Bzgl. der Relationen identifizieren z. B. Ghomari und Zemmouchi-Ghomari (2012) in ihrem Vergleich von Ontologien und Terminologien aus der Perspektive von Fachleuten, die Ontologien erstellen, u. a. Ähnlichkeiten, indem sie Relationen aus einer Ontologie aus Hulden (2007) ihren Äquiva­lenten aus ISO 704 (2009) gegenüberstellen (s. Abb. 6).[29] Gemäß der Klassifikation nach DIN 2342 (2011) handelt es sich dabei um Bestandsbeziehungen, sequenzielle (temporal und kausal) sowie pragmatische Begriffsbeziehungen.

Neben den inhaltlichen Überschneidungen fällt auch eine strukturelle Ähnlichkeit der Relationen auf. Sie verlaufen von einem Ausgangs- zu einem Zielbegriff – man spricht hier auch von Subjekt-Prädikat-Objekt-Tripeln (s. Abb. 7).

Auch in LookUp werden Begriffsbeziehungen mit Hilfe von Relationen so abgebildet. Eine solche Modellierung liest sich oft wie ein einfacher Aussagesatz. So weisen z. B. Noy und McGuinness (2001) in Bezug auf die Identifizierung relevanten Vokabulars bei der Erarbeitung von Ontologien darauf hin, dass Klassen bzw. Relationen als Substantive bzw. Verben in Sätzen aus dem jeweiligen Sachgebiet zu finden sind.[30] Wie sich bei einem Vergleich von Abb. 3 (Concept-Map) und Abb. 5 erkennen lässt, unterscheiden sich Begriffssysteme und Ontologien dabei nicht sonderlich (s. Abb. 7). Die Möglichkeiten im LookUp-Wissensmodul zur Visualisierung eines Begriffssystems als Concept-Map provozieren ähnliche Fragestellungen, wie jene, die sich bei der Erarbeitung von Ontologien ergeben:[31] Wie können die hierarchischen Begriffsbeziehungen zum Aufbau einer Hierarchie genutzt werden? Wie differenziert und umfangreich sollten nichthierarchische Begriffsbeziehungen definiert und ausgezeichnet werden?

Abb. 6 Gegenüberstellung von Beziehungen in Ontologien und Terminologien nach Ghomari/Zemmouchi-Ghomari (2012, 6).
Abb. 6

Gegenüberstellung von Beziehungen in Ontologien und Terminologien nach Ghomari/Zemmouchi-Ghomari (2012, 6).

Abb. 7 Darstellung von Begriffsbeziehungen als Subjekt-Prädikat-Objekt-Tripel.
Abb. 7

Darstellung von Begriffsbeziehungen als Subjekt-Prädikat-Objekt-Tripel.

Hierarchische Begriffsbeziehungen

Im Kontext der Erarbeitung von Ontologien gibt es bei der Entwicklung einer Klassenhierarchie bzw. Taxonomie u. a. diese beiden Ansätze:[32]

  1. top-down: Hier werden die allgemeinsten Klassen innerhalb eines Sachgebiets definiert und (in mehreren Hierarchiestufen) zu Unterklassen spezifiziert.

  2. bottom-up: Hier werden die spezifischsten Klassen definiert und (in mehreren Hierarchiestufen) zu Oberklassen generalisiert.

Es sei jedoch angemerkt, dass sich diese Ansätze auf die Identifizierung relevanten Vokabulars (Klassen und Relationen) beziehen, weniger auf die Visualisierung von Begriffsbeziehungen.[33] Ihre Benennungen werden dennoch adaptiert, um folgende Entscheidungsmöglichkeiten bzgl. der Modellierung hierarchischer Begriffsbeziehungen prägnant bezeichnen zu können:

  1. Nur vom Ober-/Verbandsbegriff zum Unter-/Teilbegriff (s. Abb. 9):

    1. Abstraktionsbeziehung: z. B. <ist Oberbegriff von>

    2. Bestandsbeziehung:z. B. <beinhaltet>

  2. Nur vom Unter-/Teilbegriff zum Ober-/Verbandsbegriff (s. Abb. 3):

    1. Abstraktionsbeziehung: z. B. <ist ein(e)>

    2. Bestandsbeziehung: z. B. <ist Teil von>

Nichthierarchische Begriffsbeziehungen

Die zusätzlichen Relationen in Ontologien (neben den hierarchischen innerhalb der Klassenhierarchie) sind frei definierbar, wodurch ein deutlich breiterer Spielraum bei der Modellierung und Visualisierung von Wissen entsteht.[34] Diesem Beispiel können Terminologiefachkräfte jedoch folgen, indem sie Begriffsbeziehungen nicht (nur) anhand der klassischen Klassifikation identifizieren und modellieren, sondern (auch) die im jeweiligen Wissensgebiet relevanten Assoziationsarten berücksichtigen und mit Hilfe entsprechender Relationen greif- und nutzbar für die Erstellung und Visualisierung von Begriffssystemen machen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie viele nichthierarchische Begriffsbeziehungen mit Hilfe von Relationen ausgezeichnet werden sollten. Dies ist allerdings zu einem gewissen Grad eine Ermessensentscheidung, die v. a. davon abhängt, durch welche Relationen die Nutzerinnen und Nutzer bei der Erschließung der Terminologie unterstützt werden würden.[35] Weiterhin sollten sie nur zwischen naheliegenden Begriffen ausgezeichnet werden und nicht zusätzlich zwischen ihren jeweiligen unter- bzw. übergeordneten Begriffen.35 Die getroffenen Entscheidungen bzgl. der Definitionen (Ausrichtung und Bezeichnung) der verschiedenen Relationen können in einem Relationskatalog für die weitere Erstellung und Pflege des Begriffssystems dokumentiert werden. Im Falle der mehrsprachigen Terminologiearbeit sollten zusätzlich fremdsprachliche Bezeichnungen aufgenommen werden (z. B. in Englisch) (s. Abb. 8).

Umsetzung in die Praxis

DGI-AKTS arbeitet an Folgeausgaben zu TID II-2006. Bezüglich der hierarchischen Begriffsbeziehungen in der TID-III hat sich der AKTS dazu entschlossen, nach wie vor nach dem Ansatz top-down vorzugehen. Dementsprechend wurde die Relation <ist Oberbegriff von> für die Abstraktionsbeziehung und die Relation <beinhaltet> für die Bestandsbeziehung im Relationskatalog dokumentiert und in der Concept-Map ausgezeichnet (s. Abb. 9). Des weiteren erprobt DGI-AKTS weitere mögliche Arten der Darstellung der Begriffsbeziehungen.

Anstatt wie in den bisherigen TID-Ausgaben nichthierarchische Begriffsbeziehungen nur indirekt mit unspezifischen Querverweisen im Definitionsteil als eine Art Assoziationsrelation auszuzeichnen, werden für die TID-III differenzierte Relationen verwendet. Zur Erläuterung wurden einige der für das Begriffsfeld Inhaltliche Erschließung relevanten Assoziationsarten identifiziert und entsprechende Relationen definiert. Durch die Relation <erfolgt durch> kann z. B. die Anwendung konkreter Methoden repräsentiert werden: So erfolgt die Inhaltliche Erschließung von Dokumenten u. a. durchAbstracting, Klassifizieren und Indexieren (s. Abb. 9).

Bezüglich der Anzahl nichthierarchischer Begriffsbeziehungen könnten z. B. die Begriffe Urheber, Herausgeber und Dokumentart nicht direkt mit dem Begriff Dokument verknüpft werden, sondern nur indirekt über den Begriff Formale Erfassung durch die Relation <gibt an>. Aus Sicht des AKTS könnte so vorrangig dargestellt werden, in welchem Teil des Dokumentationsprozesses (Bestandsbeziehung) welche Daten eines Dokuments beschrieben werden (Dokumentationsprozess <beinhaltet> Formale Erfassung <beschreibt> Dokument) als z. B. die Tatsache, dass ein Dokument einen Urheber hat. Zusätzlich würden dann nichthierarchische Begriffsbeziehungen nur zwischen möglichst naheliegenden Begriffen ausgezeichnet: z. B. durch die Relation <ist Mittel für> zwischen Klassifikation und Klassifizieren, nicht notwendig zusätzlich zu den erfassten Unterbegriffen (z. B. Hierarchische Klassifikation) (s. Abb. 9). Auch nebengeordnete Begriffe, die in anderen KOS ggf. miteinander verknüpft werden,[36] werden hier nicht über eine zusätzliche Relation wie etwa <ist nebengeordnet zu>) verknüpft, weil dies aus terminologischer Perspektive nicht vorgesehen ist.

Abb. 8 Vereinfachter Ausschnitt aus dem Relationskatalog des AKTS-Projekts.
Abb. 8

Vereinfachter Ausschnitt aus dem Relationskatalog des AKTS-Projekts.

Fazit und Ausblick

Die Visualisierung eines gemischten Begriffssystems in Form einer Concept-Map stellt somit eine wertvolle Ressource für den Wissenstransfer dar. Die ansonsten isolierten Begriffe werden durch ihre Begriffsbeziehungen zu anderen Begriffen kontextualisiert, wodurch das in den Begriffseinträgen einer Terminologiedatenbank enthaltene Wissen erweitert wird. Die Visualisierung stellt darüber hinaus einen leicht verständlichen und somit schnelleren Wissenszugang dar, was einen effektiven und effizienten Wissenstransfer ermöglicht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Ausrichtung und Bezeichnung der Relationen eindeutig und verständlich sind. Um dies zu gewährleisten, plädiert dieser Artikel dafür, hierarchische Begriffsbeziehungen nur mit Hilfe einer Richtung (top-down oder bottom-up) auszeichnen. Weiterhin sollten nur die nichthierarchischen Begriffsbeziehungen ausgezeichnet werden, die bei der Nutzung der Terminologie hilfreich und relevant sein könnten, ohne tautologische Inhalte abzubilden. Die getroffenen Entscheidungen sollten in einem Relationskatalog dokumentiert werden, der allen Terminologiefachkräften, die an der Erstellung und Verwaltung des Begriffssystems bzw. der Concept-Map beteiligt sind, als Referenzdokument zur Verfügung gestellt wird.

Die aktuelle Überarbeitung und Erweiterung der TID durch den AKTS sieht mittelfristig die Publikation einer druckbaren Kurzversion vor. Langfristig wird angestrebt, die vollständige TID-III inkl. der Concept-Map online verfügbar zu machen. Eine wichtige Aufgabe fällt dabei der Definition weiterer Relationen zur Repräsentation nichthierarchischer Begriffsbeziehungen zu – auch in französischer Sprache. Diese werden dann sowohl den bestehenden Relationskatalog als auch die Concept-Map erweitern und bereichern.

Abb. 9 Ausschnitt aus dem aktuellen TID-III-Begriffssystem (ausgehend von „Inhaltliche Erschließung“).
Abb. 9

Ausschnitt aus dem aktuellen TID-III-Begriffssystem (ausgehend von „Inhaltliche Erschließung“).

Über den Autor / die Autorin

Andre Busch

Andre Busch schließt im September 2021 sein Studium der Mehrsprachigen Kommunikation an der Technischen Hochschule Köln ab. Grundlage dieses Artikels ist seine Bachelorarbeit, die er in Kooperation mit Beate Früh (Büro b3 Terminologiemanagement)[37] und dem AKTS[38] verfasste. Sein Interesse gilt vor allem der Erarbeitung mehrsprachiger Terminologie sowie der Erstellung und Visualisierung von Begriffssystemen. Im Oktober 2021 wird er an derselben Hochschule ein Masterstudium im Bereich Terminologie und Sprachtechnologie aufnehmen.

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Online erschienen: 2021-07-08
Erschienen im Druck: 2021-07-26

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Frontmatter
  2. Frontmatter
  3. Informationswissenschaft
  4. Was aus der Informationswissenschaft geworden ist
  5. Inhaltliche Erschließung
  6. #EveryNameCounts – Die Crowdsourcing-Initiative der Arolsen Archives
  7. Terminologie
  8. Terminologiemanagement: erfolgreicher Wissenstransfer durch Concept-Maps und die Überlegungen in DGI-AKTS
  9. Forschungsdatenmanagement
  10. Roadmap zur Servicestelle für Forschungsdatenmanagement am Beispiel der Universitätsbibliothek Duisburg-Essen
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  12. Datenqualität und -kuratierung als Voraussetzung für Open Research Data
  13. Scientometrie
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  17. Zwischen Sollen, Wollen und Dürfen
  18. Von Notizzetteln bis zu Emojis
  19. Informationen
  20. Informationen
  21. Buchbesprechungen
  22. Klar-text in Organisationen. Ein Ratgeber zur Optimierung administrativer Informationen Matthias Ballod. – Heidelberg: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, 2020. XI, 154 S., 25 Abb. 978-3-658-31763-8 (Softcover), 49,99 Euro; 978-3-658-31764-5 (PDF), 39,99 Euro. DOI 10.1007/978-3-658-31764-5
  23. Publikationsberatung an Bibliotheken. Ein Praxisleit-faden zum Aufbau publikationsuntersützender Services. Karin Lackner, Lisa Schilhan, und Christian Kaier (Hrsg.). Bielefeld: transcript, 2020. 396 Seiten. Print-ISBN 978-3-8376-5072-3, 39 € PDF-ISBN 978-3-8394-5072-7, Open Access EPUB-ISBN 978-3-7328-5072-3, Open Access https://doi.org/10.14361/9783839450727
  24. Aus der DGI
  25. Aus der DGI
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