Volume 128, Issue 2

Wie bei einem neueren Beschreibungsmodell kaum anders zu erwarten ist, wurde die Optimalitätstheorie nicht im Rahmen der historischen Sprachwissenschaft entwickelt, soll jetzt aber auch in klassischen sprachhistorischen Fragen dem eigenen, ausgeprägt universalistischen Anspruch gerecht werden. Sievers' Gesetz, das sich bis in jüngste Zeit optimalitätstheoretischer Aufmerksamkeit erfreut, ist das Beispiel für meine gegenüber den optimalistischen Behandlungen selbst vielleicht etwas kritischere Nachfrage, ob und wie sich die Optimalitätstheorie in Fragen diachroner Sprachwissenschaft bewährt. Anschließend wird eine geschichtlich ausgerichtete nichtlinearphonologische Betrachtung gegenübergestellt.

Professor Achim Masser, in volume twenty-one of ›Sprachwissenschaft‹, was the first to devote considerable attention to the philological difficulties presented by medieval Germanic renditions of John 2.4a. The focus of his study was the treatment of this verse in the Old High German ›Tatian‹, Otfrid's ›Evangelienbuch‹, and the Old Saxon ›Heliand‹. The purpose of what follows is to broaden the scope of his investigation by including classical and later medieval Germanic texts; to contest his opinion in one matter of theology; and, following Professor Masser's own exhortation, to examine more closely the deviant translation found in ›Tatian‹, which provides a rare window into the ›exegetisches Vorwissen‹ of the translator.

Joachim Bumke hat unlängst in einem Artikel zu ›Emotion und Körperzeichen‹ darauf hingewiesen, dass der Literarhistoriker es »niemals mit Emotionen zu tun hat, sondern immer mit literarischen Emotionsdarstellungen, also mit Konstrukten, die nicht auf ihren emotionalen Gehalt hin befragt werden können, sondern immer nur auf ihre Konstruiertheit«. Damit bekräftigt Bumke, was bereits einige Jahre zuvor in der Einleitung eines Bandes mit dem Titel: ›Emotionalität. Zur Geschichte der Gefühle‹ zu lesen war, dass sich nämlich »eine kulturhistorische Beschäftigung mit dem Thema ›Emotionalität‹ […] der Tatsache stellen [muß], daß sie es immer mit Repräsentationen von Gefühlen zu tun hat«, dass also »künstlerische Darstellungsformen von Emotionen […] nicht einfache Beschreibungen, sondern symbolische Transformationen von emotiven Erfahrungen« sind.

Wohin schaut man, wenn man jemandem under diu ougen schaut? Was gibt es zu sehen, wenn man einer Frau under diu ougen sieht? In Walthers von der Vogelweide vielbesprochenem ›Kranzlied‹ ›Nement, frowe, disen cranz‹ (L 74,20) – ich nenne es ›Kranzlied‹ und hoffe, deutlich machen zu können, warum ich diesen Titel sehr treffend finde – heißt es in jener Strophe, die wir in den meisten Editionen als die fünfte und letzte lesen: Mir ist von ir geschehen, daz ich disen sumer allen meiden muoz vaste under diu ougen sehen.