Absolutes im Strafprozeß? Über das Folterverbot, seine Verletzung und die Folgen seiner Verletzung
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Frank Saliger
Abstract
I. Das Folterverbot als prozedurales Tabu
Vor nunmehr 15 Jahren hat Winfried Hassemer über „Unverfügbares im Strafprozeß“ geschrieben. Anlaß war ihm die bei der 1986 geplanten Einführung einer „Kronzeugen“-Regelung durch das Terrorismus-Bekämpfungsgesetz relevant gewordene Frage, ob der Strafgesetzgeber rechtsstaatliche Grundsätze selbst in Zeiten großer innen- und justizpolitischer Bedrängnis („Ermittlungsnotstand“) nicht grenzenlos einschränken dürfe: ob sich im Straf- und Strafverfahrensrecht Prinzipien begründen lassen, die einer Abwägungsdogmatik entzogen sind, die also selbst dann nicht verfügbar werden, wenn ihre Einschränkung große Schäden wie den Tod einer Geisel oder eine terroristische Bedrohung verhindern könnte. Für Hassemer ist das Grundübel klar: „Solche Konstellationen sind so beschaffen, daß bereits die Wahl des Lösungsweges die Lösung enthält: Wer sich auf eine Abwägung zwischen den drohenden Schäden und den bedrohten Prinzipien einläßt, hat die Prinzipien schon an diesem Punkt der Überlegung aufgegeben.“ Hassemer sucht daher in Abkehr vom herrschenden güterabwägenden Rechtsdenken nach Neubegründungen der Unverfügbarkeit, die mangels alter naturrechtlicher Gewißheiten nur abwägungsfest und geschichtlich zugleich sein können. Als in diesem Sinne Unverfügbares im Strafprozeß erkennt Hassemer die Aussagefreiheit, die Unschuldsvermutung, das Prinzip „ne bis in idem“ und vor allem das Folterverbot: Auch in der Stunde höchster Not und vor der Erwartung eines „namenlosen“ Verbrechens sei Folter zur Gefahrbeseitigung nicht erlaubt. Die Gesamtheit dieser unverfügbaren Rechtsgrundsätze bildet für Hassemer die Zivilität oder „Rechtskultur“ des Strafverfahrens.
© Walter de Gruyter
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