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Verletzungen in der Grauzone. Eine rekonstruktive Studie zur Indexikalität sexueller Gewalt

  • Olga Kedenburg

    Olga Kedenburg, geboren 1990 in Berlin. Studium der Soziologie in Potsdam und Frankfurt am Main. Promoviert an der Universität Potsdam zur Grauzone sexueller Gewalt. Seit 2020 Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks Villigst und assoziiertes Mitglied des Forschungsprojekts „Umstrittene Gewaltverhältnisse. Die umkämpften Grenzen verbotener, erlaubter und gebotener Gewalt in der Moderne“, gefördert von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.

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Veröffentlicht/Copyright: 19. Februar 2025
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Zusammenfassung

Für sexuelle Gewalt ist eine besondere Uneindeutigkeit charakteristisch: Sie zeigt sich in den Erfahrungen (potenziell) Betroffener, in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Sexualität und Gewalt und in der gesellschaftspolitischen Debatte um die Grauzone sexueller Gewalt. In diesem Beitrag wird die Uneindeutigkeit sexueller Gewalt als Ausdruck ihrer Indexikalität interpretiert, der sich analytisch mit einer vergleichenden Heuristik von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen angenähert wird. Dieses Vorgehen ermöglicht es, der Ambivalenz von Erfahrungen sexueller Verletzungen Raum zu geben, ohne sie zu relativieren: Die indexikale Perspektive erschließt das Leiden an der Uneindeutigkeit als Dimension der Gewaltsamkeit sexueller Gewalt.

Abstract

Sexual violence is characterized by a particular ambiguity: it is evident in the experiences of (potential) victims, in the social science debate on the relationship between sexuality and violence and in the public discourse on the gray area of sexual violence. In this article, the ambiguity of sexual violence is interpreted as an expression of indexicality. The analysis distinguishes experiences of sexual violations from interpretations of those as violence. This approach allows to give space to the ambivalence of sexual violations without diminishing them: The indexical perspective reveals that this ambivalence is one dimension of the harm that sexual violence causes.

1 Einleitung

„Das kam wirklich erst mit der Zeit irgendwie, als ich von anderen Frauen gehört hab. (…) Und ich hör mir das an und denk so: ‚Okay, krass. Das ist genau das, was dir passiert ist. Wurdest du auch vergewaltigt? Nein, Quatsch. Hättest du ja gemerkt, wenn du vergewaltigt worden wärst. Das merkt man doch! Das weiß man doch!‘“[1]

Sexuelle Gewalt von gewaltfreier Sexualität zu unterscheiden, kann für Betroffene eine große Herausforderung darstellen. Im Vergleich zu anderen Gewaltformen zeichnet sie sich durch eine besondere Uneindeutigkeit aus, die mit ihrem Verhältnis zur Sexualität zusammenhängt: Das Gegenteil von sexueller Gewalt ist nicht nur keine Gewalt, sondern (die erotisch, pornografisch, romantisch aufgeladene) Sexualität (vgl. Wolters 2018: 6; Wolters 2022: 60). Setzen sich Betroffene mit der Komplexität ihrer Erfahrungen auseinander, müssen sie mit diversen Widersprüchen umgehen: Kann eine Erfahrung als Gewalt gedeutet werden, wenn die Betroffene[2] Ja gesagt hat? Lust empfunden hat? Sex mit dem Täter wollte, aber nicht in der Weise, wie es passiert ist? Mit ihm in einer sexuellen Beziehung war?

In diesem Artikel werde ich zunächst diese Uneindeutigkeit als charakteristische Eigenschaft sexueller Gewalt darstellen (Abschnitt 1), die in der feministisch-sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt vielfach behandelt und in der Debatte um die Grauzone auch gesellschaftspolitisch zum Problem wird. Ich schlage vor, diese Uneindeutigkeit als Ausdruck der Indexikalität sexueller Gewalt zu fassen. Für die Untersuchung der Grauzone bedeutet das, sich nicht dahingehend zu positionieren, anhand welcher Kriterien von Gewalt gesprochen werden sollte, sondern die Verhandlung der potenziellen Gewaltsamkeit sexueller Erfahrungen zu analysieren (Abschnitt 2). Ich nähere mich der potenziellen Gewalt in der Grauzone über eine Kontrastierung von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen. In Abschnitt 3 beschreibe ich das empirische Material, das ich für diesen Artikel heranziehe, und mein methodisches Vorgehen. Anhand einer empirischen Analyse ethnografischer Interviews schlage ich anschließend im vierten Abschnitt vor, Sexualität und Gewalt als ineinander verstrickt zu begreifen. Betroffene müssen ihre Erlebnisse mit Konzepten über Sexualität und Gewalt in Beziehung setzen, um sie voneinander zu entwirren. Die (Be-)Deutung eines Erlebnisses als Gewalt erschließt sich auch Betroffenen nicht unmittelbar, sondern erst durch diese Verarbeitung. Abschließend zeige ich, dass mit der indexikalen Perspektive eine wichtige Dimension der Gewaltsamkeit sexueller Gewalt zugänglich wird: Betroffene leiden nicht nur an dem, was ihnen widerfahren ist, sondern auch an der Uneindeutigkeit selbst (Abschnitt 5).

2 Die Grauzone: Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen

2.1 Feministische Perspektiven auf sexuelle Gewalt

Die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt ist in ihren Anfängen stark von der zweiten Welle der Frauenbewegung beeinflusst. In feministischer Theorie und Geschlechterforschung zu diesem Thema ist das Verhältnis von Sexualität und Gewalt von Beginn an ein zentrales Problem. Als erstes prägendes Werk zu diesem Thema gilt Susan Brownmillers „Against Our Will“ (Brownmiller 1982), in dem sie Vergewaltigungen als reine Gewalt konzipiert. Die Sexualität werde dabei instrumentell eingesetzt, um die Unterdrückung von Frauen aufrecht zu erhalten.[3] Kritikerinnen dieser Sexualisierungsthese betonen die Parallelen von Heterosexualität und Vergewaltigung so stark, dass aus dieser Perspektive gewaltfreie Heterosexualität kaum denkbar scheint (vgl. Cahill 2018: 14). Zwischen diesen extremen Positionen finden sich zahlreiche Arbeiten, die sich mit den Nuancen zwischen gewaltfreier Sexualität und sexueller Gewalt befassen. So konzipiert Liz Kelly (vgl. Kelly 1991) ein Modell sexueller Gewalt als Kontinuum, auf dem ein breites Spektrum an Erfahrungen angesiedelt werden kann. Aktuelle Auseinandersetzungen behandeln – spätestens seit #metoo – vielfach das komplizierte Verhältnis von Sexualität und Gewalt mit allen seinen Zwischentönen (vgl. z. B. Cahill 2001; Alcoff 2018; Gavey 2019).

Nicola Gavey (2019: 128) hat in diese Debatte den Begriff der Grauzone eingebracht, in der sie sexuelle Interaktionen verortet, die weder das eine noch das andere sind: Keine sexuelle Gewalt, aber auch keine gewaltfreie Sexualität. In dieser Vorstellung der Grauzone gibt es einen Bereich zwischen Gewalt und Sexualität, der ethisch verwerflich ist, aber keine Gewalt konstituiert. In der Grauzone, wie Gavey sie entwirft, finden sich Typen von Situationen bzw. Interaktionen, die mit Kriterien wie Unerwünschtheit, Verpflichtungsgefühlen oder Druck (vgl. ebd.) bzw. dem Fehlen von Handlungsmöglichkeiten (vgl. Cahill 2018: 10) charakterisiert werden. Mit dieser klaren Abgrenzung der Grauzone von Gewalt wird ihre Ambivalenz festgeschrieben, sodass auf eine eindeutige Unterscheidung zwischen sexueller Gewalt und gewaltfreier Sexualität verzichtet werden muss. Dieses Verständnis der Grauzone übersieht, dass die potenzielle Gewaltsamkeit ambivalenter Erfahrungen ergründet werden und sich ihre Bedeutung im Lauf der Zeit verändern kann (vgl. Alcoff 2018: 61). Gleiches gilt für die Forderung, die Rede von Grauzonen zugunsten klarer Unterscheidungen von Gewalt und Sexualität zu verabschieden, wie sie im Buch „Grauzonen gibt es nicht“ (Hassan & Sanchez-Lambert 2020) aufgestellt wird.

Zwar finden sich in der Auseinandersetzung auch Arbeiten, in denen die Grauzone weniger definitorisch gedacht wird: Lena Gunnarsson (2018) betont, dass sie aus dem Verhältnis von Diskurs und Erfahrung entsteht. Die Grauzone umfasse Erfahrungen, die „an der Schnittstelle von Konsens und Zwang“ (ebd.: 6, meine Übers.) liegen. Anschließend daran fassen Sophie Hindes und Bianca Fileborn (2019: 3) die Grauzone als Erfahrungen sexueller Gewalt, die nicht mit den diskursiv verfügbaren Kategorien als solche gefasst werden können. Obwohl diese Autorinnen Erfahrungen sexueller Gewalt und die Grauzone in Abhängigkeit zu Diskursen über sexuelle Gewalt denken, setzen also auch sie implizit eine eigene Definition sexueller Gewalt voraus: Gunnarsson macht diese am Kriterium „Konsens“ fest; Hindes und Fileborn fassen Erfahrungen in der Grauzone als Gewalt, die aufgrund diskursiver Konstellationen nicht als solche erkannt werden können. Damit übersehen auch sie das analytische Problem, das die Grauzone in Bezug auf Gewalt aufwirft. Die hier dargestellten Zugänge geben darüber Auskunft, welche Situationen und Interaktionen die Autorinnen in die Nähe von Gewalt rücken würden. Sie bieten damit eine eigene Antwort auf die Frage an, die im Feld aufgeworfen wird und empirisch untersucht werden sollte.

2.2 Gewaltsoziologische Auseinandersetzungen um einen adäquaten Gewaltbegriff

Die Rede von der Grauzone ist Ausdruck einer Uneindeutigkeit, die wie oben dargestellt für sexuelle Gewalt insgesamt charakteristisch ist. Sie wirft die Frage auf, wo sexuelle Gewalt beginnt und wie sie von gewaltfreier Sexualität abgegrenzt werden kann. Damit verweist die Grauzone auf ein Problem, mit dem sich die Gewaltsoziologie umfassend auseinandergesetzt hat: Theoretische gewaltsoziologische Debatten der letzten Jahrzehnte sind von der Frage geprägt, ob ein weit oder eng gefasster Begriff von Gewalt das Phänomen empirisch präziser fassen kann.[4] Mit einem weit gefassten Gewaltbegriff werden Ursachen von Gewalt in bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen einbezogen (vgl. Galtung 1984), während ein enger Gewaltbegriff den Fokus auf die Situationsdynamik legt und darauf abzielt, konkrete gewaltförmige Interaktionen phänomenologisch zu untersuchen (vgl. von Trotha 1997; Nedelmann 1997; Collins 2011). Beide Perspektiven beinhalten Annahmen darüber, worin die Gewalt besteht: Weit gefasst gehören dazu Ungleichheiten und Unterdrückungsverhältnisse, eng gefasst nur das Moment des physischen Angriffs. Auch sie gehen also jeweils von einem bestimmten Gewaltverständnis aus, nach dem Gewalt von Nicht-Gewalt unterschieden wird (vgl. Lindemann 2017: 17).

Gesellschaftliche Aushandlungen wie die um die Grauzone zeigen, dass sich im Verborgenen und Unausgesprochenen Gewaltsamkeiten ereignen können, die für Betroffene selbst zunächst nicht eindeutig als Gewalt erscheinen. Bevor sie diese als Gewalt artikulieren können, müssen sie eine Sprache für das finden, das ihnen widerfahren ist. Die dafür verfügbaren Begriffe sind wiederum geprägt von Gewaltverständnissen, die von sichtbaren und greifbaren Formen von Gewalt ausgehen (vgl. Hartmann & Hoebel 2020: 75). Bestimmte Aspekte theoretisch einem Gewaltphänomen zuzurechnen und andere davon freizusprechen, kann in solchen Konstellationen selbst eine Dimension der Gewaltsamkeit darstellen (vgl. Schinkel 2010: 14).

Die andauernden theoretischen Debatten um einen angemessenen Gewaltbegriff für die soziologische Analyse und die gesellschaftliche Umstrittenheit der Grenzen sexueller Gewalt verweisen auf eine Besonderheit von Gewalt als Phänomen: In einer Gesellschaftsform, die wie die Moderne auf dem Vertrauen in Gewaltlosigkeit beruht (vgl. von Trotha 1997: 12 f.; Reemtsma 2013: 182 f.), ist die Bezeichnung eines Geschehens als Gewalt folgenreich. Illegitime Gewalt zu tolerieren, würde das normative Selbstbild dieser politischen Lebensform in Frage stellen (vgl. Hartmann 2022: 12), sodass die Anerkennung eines Geschehens als Gewalt seine klare Verurteilung verlangt. Diese besondere Normativität stellt ein Problem für Gewalt als Forschungsgegenstand dar: Eine interpretative Haltung verlangt es grundsätzlich, die Perspektive des Feldes auf ein Phänomen zu rekonstruieren. Ist dieses Phänomen „Gewalt“, geraten Forschende in Konflikt mit ihren moralischen Überzeugungen, wenn sie diese Haltung einnehmen: Sie müssen entweder ein Gewaltverständnis übernehmen, das sie selbst nicht vertreten können oder sie fallen darauf zurück, dem Feld eine eigene Definition von Gewalt aufzuerlegen (vgl. Barth et al. 2021). Um Gewalt qualitativ zu untersuchen, ist daher ein Gewaltbegriff notwendig, der die diskursive Bearbeitung des Geschehens als Teil des Phänomens fasst (vgl. Reemtsma 2013: 470; Lindemann 2017, 2018: 68).[5] Gewalt wird so als sozialtheoretisches Konzept verwendet und nicht inhaltlich bestimmt (vgl. Barth et al. 2021)

Der ethnomethodologische Begriff der Indexikalität bezeichnet eine Vorstellung in der interpretativen Sozialforschung, nach der Äußerungen und Handlungen grundsätzlich nur in einem bestimmten sozialen Vollzugskontext Bedeutung erlangen (vgl. Hoebel & Koloma Beck 2019: 9). In qualitativen soziologischen Studien ist diese Perspektive so üblich, dass es zunächst trivial erscheinen mag, die Indexikalität von Gewalt zu betonen. Angesichts ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis moderner Gesellschaften und der begrifflichen Probleme, die damit für die Forschung zu Gewalt einhergehen, ist diese Sichtweise jedoch von Bedeutung: Ein indexikaler Begriff von Gewalt bezieht die Kontingenz der Benennung in das theoretische Verständnis von Gewalt ein. Als sensibilisierendes Konzept für die Gewaltforschung ermöglicht er es, die Artikulation und Identifikation von Gewalt – sowohl durch Betroffene als auch in der wissenschaftlichen Untersuchung – in ihrer Kontextgebundenheit zu analysieren (vgl. ebd.). Zu Gewalt wird ein Geschehen diesem Verständnis nach erst, wenn ihm die Bedeutung als solche zugeschrieben wird (vgl. Hartmann & Hoebel 2020: 72). In dieser Weise fasst auch der reflexive Gewaltbegriff von Gesa Lindemann (vgl. 2017: 26, 2018: 64 ff.) Gewalt einerseits als leibliche Interaktion, die jedoch nur kommunikativ vermittelt als solche ausgemacht werden kann. Diese Perspektive zielt auf die Gewaltkommunikation in spezifischen Verfahrensordnungen der Gewalt (vgl. ebd.: 69 ff.) ab, die jeweils ein geteiltes Verständnis davon institutionalisieren, gegen wen und von wem Gewalt angewendet und wie sie identifiziert werden kann, wann sie legitim ist und wann nicht, welche normativen Erwartungen sie als Recht verteidigen kann und auf welche Weise (vgl. ebd.: 70).

In der Grauzone sexueller Gewalt versuchen sich Betroffene zunächst an einer Artikulation des Erlebten, probieren verschiedene Beschreibungen dessen, was sie erlitten haben und wägen die potenzielle Gewaltsamkeit ihrer Erfahrungen ab. Sie bearbeiten die Uneindeutigkeit ihrer Erfahrung und versuchen Anschlüsse an unterschiedliche Konzepte von Verletzung und Gewalt, die ihnen verfügbar sind. Um diese Bearbeitung des Unbestimmten und Instabilen theoretisch zu fassen, eignet sich die Perspektive der Indexikalität besonders. Sie sensibilisiert für die Ambivalenz und Wandelbarkeit dieser Anschlüsse, da sie davon ausgeht, dass Bezüge auf potenzielle Gewaltsamkeit kontextabhängig und situativ hergestellt werden. Damit wird die Flüchtigkeit greifbar, die Artikulationen von Erfahrungen in der Grauzone auszeichnen kann. Mit einem indexikalen Verständnis von Gewalt gehe ich von diesen spezifischen empirischen Kontexten aus, zu denen auch die Interviewsituation selbst zählt.

Gemeinsam ist der reflexiven und der indexikalen Perspektive auf Gewalt die Bedeutung des Dritten: Wenn die Bedeutung eines Geschehens als Gewalt dafür entscheidend ist, wie Gewalt theoretisch gefasst wird, sind Dritte notwendig, die – gedacht oder real, an- oder abwesend – in die Aushandlung darüber eintreten, ob es sich bei diesem Geschehen um Gewalt gehandelt hat (vgl. Reemtsma 2013: 470 ff.; Koloma Beck 2011: 350 f.; Lindemann 2014: 253 ff.). Ohne den Bezug auf einen mindestens antizipierten Dritten ist auch die zögerlichste Annäherung an die Deutung einer Erfahrung als Gewalt nicht denkbar. Angesichts der unumgänglichen Indexikalität aller sprachlichen Äußerungen (vgl. Hoebel & Koloma Beck 2019) könnte das ebenso über jedes andere Phänomen gesagt werden. In der Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt in der Grauzone kommt dieser Feststellung jedoch eine besondere Bedeutung zu: Auf sie trifft geradezu paradigmatisch zu, was Eddie Hartmann und Thomas Hoebel als „Schweigsamkeit der Gewalt“ (Hartmann & Hoebel 2020: 75, Herv. i.O.) beschreiben: (Potenzielle) Sexuelle Gewalt findet in der Regel ohne Zeug:innen statt. Sexualität und Gewalt sind tabuisierte Themen, über die Betroffene häufig nicht sprechen wollen oder können. Da es – wie oben gezeigt – so schwierig ist, sie zu unterscheiden, zweifeln Betroffene häufig an der Bedeutung ihrer Erfahrungen.

Angesichts dieser Schweigsamkeit sind Reaktionen und Deutungsangebote Dritter entscheidend dafür, ob ein Erlebnis überhaupt als mögliche Gewalterfahrung ausgehandelt wird oder im Verschwiegenen verbleibt. Welche Erfahrungen als Gewalt anerkannt werden und inwiefern eine gesellschaftliche Verantwortung geltend gemacht wird, sie zu beenden, zu ahnden und zu vermeiden (vgl. Liebsch 2021: 60), hängt vom Grad der Sensibilisierung für das jeweilige Gewaltphänomen ab (vgl. Hartmann 2022: 16). Folglich sind auch das Theoretisieren, wissenschaftliche Benennen und Auffinden von Gewalt als indexikal zu betrachten.

2.3 Phänomenologische Annäherung an ein indexikales Gewaltphänomen

Die Indexikalität auch der wissenschaftlichen Identifizierung von Gewalt und der Anspruch ihrer reflexiven Untersuchung werfen die Frage auf, wie sich die Forschung der Gewalt annähern kann, von der sie theoretisch nicht sagen kann, wie sie aussieht und wo sie zu finden ist. Normative Gewaltkritik, wie sie in der feministischen Theorie, aber auch in pädagogischen und historischen Arbeiten formuliert wird, stellt die Erfahrungen Betroffener ins Zentrum (vgl. ebd.: 25). Anhand dieser Kritiken zeigt sich, dass Gewalt im Kontext moderner Gesellschaften an den Verletzungen derjenigen festgemacht wird, die sie erleiden. Angesichts des modernen Versprechens auf die Unversehrtheit des Einzelnen und die Wahrung der Menschenwürde (vgl. Lindemann 2018: 301 ff.) kann Gewalt also nur von ihrer Gewaltsamkeit ausgehend gedacht werden, die an den Verletzungen Betroffener festgemacht wird (vgl. Hartmann 2022: 30).

Um die Indexikalität sexueller Gewalt in der Grauzone empirisch zu untersuchen, fokussiere ich deshalb zunächst Erfahrungen sexueller Verletzungen. Eine kontrastierende Rekonstruktion von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen erlaubt es, Erfahrungen in der Grauzone einzubeziehen, deren Deutung für die Betroffenen selbst ambivalent oder unabgeschlossen ist. Im empirischen Material zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit einer potenziellen Erfahrung von Gewalt auch die Verhandlung anderer Dimensionen der Erfahrung beinhaltet: Aus artikulierten Verletzungen werden Ansprüche deutlich, die weit darüber hinaus gehen, keine Gewalt zu erfahren. Verletzt werden können Ansprüche an Sexualität, Liebe, Freundschaft oder Familie. Diese Verletzungen können in bestimmten Kontexten als potenzielle Gewalt verhandelt werden. Ob Betroffene zu dieser Deutung kommen (können), ist weniger durch die konkreten Erlebnisse bestimmt als durch die Verarbeitung zu einer bestimmten Erfahrung, in Auseinandersetzung mit Diskursen und Dritten.

In der phänomenologischen Auseinandersetzung mit dem Erleiden von Gewalt wird angenommen, dass ein leiblich gespürtes Widerfahrnis diesen Verarbeitungsprozess anstößt. Dieses bilde den „affektive[n] Kern“ (Bernhardt 2017: 11) einer Verletzungserfahrung. Schmerzen, Leid oder auch das vage Gefühl, dass einem etwas angetan wird, können diesen Ausgangspunkt für eine Interpretation des Erlebten als Verletzungserfahrung bilden. Die Fähigkeit, berührt zu werden (vgl. z. B. Nungesser 2019; Lindemann 2020: 13), nimmt hier die Form einer unangenehmen bis schmerzlichen Affizierung an: einer Verletzung (vgl. Delhom 2014: 156; Liebsch 2014: 365). Da sie ein unerwünschtes Getroffen-sein bezeichnet (vgl. Bernhardt 2017: 11), kann auch die Verletzung nur in Bezug auf sozial geteilte Annahmen[6] über einen Anspruch auf Unversehrtheit als solche verstanden werden. Wie auch immer dieser Anspruch geartet ist und begründet wird, er verweist auf die normative Dimension der Verletzungserfahrung. Sie kann also als erster Anhaltspunkt gedacht werden, um die Frage nach Gewalt aufzuwerfen: Nicht jede Verletzung verweist auf Gewalt, aber Gewalt setzt eine Verletzung voraus (vgl. Delhom 2000: 279).

Trotz ihrer normativen Dimension wird die Verletzung vom subjektiven Standpunkt aus artikuliert (vgl. ebd.; Liebsch 2014), während das Sprechen von Gewalt automatisch die Frage nach der Legitimität der Handlung aufruft (vgl. Lindemann 2014: 263, 2017, 2018: 60; Liebsch 2014). Daher erlaubt es die Differenzierung von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen, sich Erfahrungen anzunähern, die auf mögliche Gewalt verweisen, aber nicht mit verbreiteten Verständnissen von Gewalt übereinstimmen. Ob und wie Betroffene unter Bezug auf Dritte in die Aushandlung ihrer Erfahrung als Gewalt eintreten, ist aus dieser Perspektive eine offene empirische Frage. Um sie zu beantworten, lege ich keinen empirisch bestimmten Begriff von Gewalt an, sondern folge der Indexikalität sexueller Gewalt mit der vergleichenden Heuristik von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen.

3 Daten und Methode

In diesem Artikel beziehe ich mich auf Interviewdaten, die ich im Zeitraum von Oktober 2021 bis November 2023 erhoben habe. Mein empirisches Interesse an der Grauzone sexueller Gewalt ist mit der Schwierigkeit verbunden, dass diese kein abgegrenztes Feld darstellt. Um die Erfahrungen und Erzählungen zu finden, die die Grauzone bilden, habe ich über verschiedene soziale Medien Kontakt zu Frauen aufgenommen, die zu einem Gespräch mit mir bereit waren. Dabei habe ich nach Teilnehmerinnen gesucht, die von negativen sexuellen Erfahrungen berichten. Den Aufruf habe ich bewusst unbestimmt gestaltet, um auch Teilnehmerinnen anzusprechen, deren Erfahrungen uneindeutig geblieben sind. Begriffe wie „Gewalt“ oder „Verletzung“ hätten wichtige Aspekte der Grauzone aus dem Sample ausgeschlossen. Insgesamt habe ich 16 Interviews mit 15 Teilnehmerinnen geführt, die zwischen ca. 45 Minuten und anderthalb Stunden dauerten. Der Diskurs um sexuelle Gewalt und ihre Grauzone wird sehr vergeschlechtlicht geführt: mit Frauen als potenziell Betroffenen und Männern als potenzielle Täter. Mein Forschungsinteresse richtet sich auf den Zusammenhang von Erlebbarkeit, Benennbarkeit und Artikulationsfähigkeit von Erfahrungen als Gewalt. Ich habe mich deshalb entschieden, dem Diskurs in der Datenerhebung zu folgen und mich auf Gespräche mit Frauen zu beschränken, die sexuelle Begegnungen und Beziehungen mit Männern haben. Meine Untersuchung reproduziert dadurch das im Diskurs angenommene Geschlechterverhältnis und ermöglicht keine vergleichende Betrachtung der Erzählung und Deutung von Erfahrungen in verschiedenen Geschlechterkonstellationen. Die Teilnehmerinnen waren zwischen 23 und 42 Jahre alt und zum großen Teil akademisch gebildet.

Im Lauf der Forschung gewann ich weitere Feldkontakte als Interviewteilnehmerinnen. Ich suchte im Sinne des theoretical sampling gezielt nach Gesprächspartnerinnen, deren Erfahrungen Kontraste zu denen darstellten, die bisher im Sample vertreten waren. Die Interviews habe ich angelehnt an das explorative Interview der lebensweltanalytischen Ethnografie (vgl. Honer 2011: 41 ff.) geführt. Ich habe die Interviewführung jedoch so modifiziert, dass sie den ethischen[7] und methodischen Ansprüchen an die Forschung mit (potenziell) Betroffenen sexueller Gewalt gerecht wird. In der lebensweltanalytischen Methode nach Honer sollen latente Wissensbestände der interviewten Person unbemerkt entlockt werden. Dazu werden Aspekte von Alltagsgesprächen gezielt eingesetzt, um eine vertraute Atmosphäre zu schaffen. Dabei werden Erzählanreize gesetzt, sodass das alltagsähnliche Gespräch in eine Erzählung der interviewten Person übergeht.

Im Gegensatz zu diesem Vorgehen war ich von Beginn an transparent über meine Interessen, gab eigene Einschätzungen ab und teilte mit, wenn ich bestimmte Aspekte einer Erfahrung selbst in ähnlicher Form erlebt hatte. Ich bestätigte und bestärkte die Teilnehmerinnen in ihren Deutungen. Wenn ich unsicher war, ob ich sie richtig verstehe, versuchte ich, das Gesagte zu paraphrasieren oder machte Vorschläge, was sie mit einem unvollständigen Satz meinen könnten. Ich habe die Interviews zunächst in dieser sensiblen und engagierten Form geführt, um Rücksicht auf die Gefühle Betroffener zu nehmen. Diese Art der Interviewführung ermöglichte jedoch auch einen besseren Zugang zum Phänomen: Nur in einer Atmosphäre, in der Betroffene sich sicher fühlen, werden sie von potenziellen Erfahrungen sexueller Gewalt erzählen (vgl. Kavemann 2016: 57 f.). Die Interviewdaten habe ich mit einer konstruktivistischen Variante der Grounded Theory Methodologie (vgl. Charmaz 2006) analysiert. Im Lauf der Auswertung interpretierte ich meine Rolle zunehmend als die einer bestimmten Dritten: Wurde ich als Vertraute wahrgenommen und hatten die Gesprächspartnerinnen den Eindruck, dass ich ihre Erfahrungen verstehe, entstand eine harmonisch gemeinsam erzeugte Deutung des Erlebten. Stellte ich viele Rückfragen, die Teilnehmerinnen als kritisch auffassten, lesen sich Gespräche eher als Aushandlung um die richtige Bearbeitung des Geschehenen. Ein Gespräch zeigt rückblickend, dass ich nicht richtig erfasst habe, was die Teilnehmerin mitteilen will. Damit könnte ich dazu beigetragen haben, dass sie über Aspekte ihrer Erfahrung geschwiegen hat.

4 Verstrickungen und Entwirrungen

Der Versuch, zwischen Sexualität und Gewalt eine trennscharfe Grenze zu ziehen, ist mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert: Theoretische Debatten verfangen sich in Widersprüche, die Erfahrungen Betroffener sind von Ambivalenzen geprägt. Die Diskussion um die Grauzone ist Ausdruck dieser Uneindeutigkeit der Grenzen sexueller Gewalt. Angesichts dieses Problems werden die Positionen formuliert, dass Sex und Gewalt sich widerspruchsfrei abgrenzen lassen (müssen) oder dass ihr Verhältnis in manchen Fällen im unklaren, grauen Bereich bleiben muss.

Ich schlage stattdessen vor, sie als ineinander verstrickt zu begreifen: Wie sexuelle Gewalt sich ereignet, hängt häufig von bestimmten Formen gelebter Sexualität ab. Empirische Konstellationen sind zu komplex, als dass man sie nach den Formeln „Ja heißt Ja“ und „Nein heißt Nein“ in gewaltfreie Sexualität und sexuelle Gewalt einordnen könnte. Die Grauzone als diskursives Phänomen weist auf diese Komplexität hin. Um sich ihr stellen zu können, sollte die Grauzone nicht als abschließendes Urteil über eine Situation, sondern als Potenzial begriffen werden: Erfahrungen, die in der Grauzone liegen, können weiterbearbeitet werden. Dass sich ihre Deutung nicht unmittelbar erschließt, verweist nicht auf die Unmöglichkeit, sondern die Schwierigkeit einer Unterscheidung. Sie erfordert es, das Verhältnis gewaltfreier Sexualität und potenzieller Gewaltsamkeit in einer bestimmten Erfahrung entwirren.

Mit dem Bild der Verstrickung ist die Annahme verknüpft, dass Sexualität und Gewalt anhand konkreter empirischer Fälle voneinander gelöst werden können. Dies bedeutet nicht, dass sich theoretisch sagen ließe, wie die beiden voneinander zu unterscheiden sind. Vielmehr wird die Verstrickung in verschiedenen sozialen Kontexten ihrer Verarbeitung in unterschiedlicher Weise aufgelöst. In dieser Entwirrungsarbeit entsteht ein bestimmtes Verständnis dessen, was in dieser Situation als Gewalt zu bewerten ist. Auch die Grauzone formt sich anhand dieser Bearbeitung der Erfahrung: Welche Aspekte Betroffene beleuchten und auf potenzielle Gewaltsamkeit befragen und welche im Graubereich verbleiben, ist abhängig davon, welche Bezüge zu Konzepten sexueller Gewalt sie herstellen. In der Auseinandersetzung mit Dritten – im Freund:innenkreis, in politischen Gruppen oder im wissenschaftlichen Interview – werden Aspekte aufgegriffen und bearbeitet und andere nicht. Entlang dieser Linien formen sich die Grauzone und die Grenze zur Gewalt entsprechend den Konzepten, die im Kontext der Bearbeitung relevant gemacht wurden. Es handelt sich um ein dynamisches Verhältnis von Gewalt und Grauzone, sodass jede Grenzziehung als Momentaufnahme betrachtet werden muss.

Anhand von drei Fällen werde ich in den folgenden Abschnitten zeigen, dass die Uneindeutigkeit sexueller Gewalt schon in der Erlebbarkeit und Artikulationsfähigkeit von Verletzungen besteht. Das Erleben einer Verletzung nimmt zwar seinen Ausgangspunkt im subjektiven Erleiden, kann als bestimmte Verletzungserfahrung jedoch nur artikuliert werden, wenn Betroffene einen Begriff davon entwickeln, worin diese Verletzung besteht. Die Grauzone als der Bereich, in dem Unklarheit über das Verhältnis von Sexualität und Gewalt besteht, betrifft also nicht erst die Aushandlung von Kriterien für die Definition von Gewalt, sondern schon das Erleben selbst.

Welchen Sinn Betroffene einer erlittenen Verletzung zuschreiben, hängt davon ab, wie Sexualität und Gewalt in der erlebten Situation ineinander verstrickt waren und wie diese Verstrickung aufgelöst wird. Aus dem Benennen einer Verletzung ergibt sich noch nicht ihre Deutung als Gewalt. Wie die Verletzung verstanden wird, bedingt jedoch, ob sie die Frage nach Gewalt impliziert. Mögliche Anschlüsse an Konzepte wie Konsens, Willen, Lust, Verantwortung und Täterschaft können diskursiv verfügbar sein, von Dritten angeboten und von Betroffenen aufgegriffen werden oder nicht. Werden sie nicht mit der eigenen Erfahrung verknüpft, liegen diese Aspekte in einer Grauzone. Im Folgenden stelle ich Grauzonen dar, in denen die Entwirrungsarbeit je eine bestimmte Form annimmt, in der unterschiedliche Aspekte unbeleuchtet bleiben: als verstrickte Verletzung, theoretische Verwirrung und selektive Entwirrung.

4.1 Verstrickte Verletzung

Die Verstrickung von sexueller Gewalt und gewaltfreier Sexualität zeigt sich unter anderem darin, dass sie sich auf der Handlungsebene gleichen können und dabei von Betroffenen grundlegend unterschiedlich erlebt und gedeutet werden. Worin eine sexuelle Verletzung besteht, die potenziell als Gewalt verhandelt werden kann, ist aus der Beobachter:innenperspektive nicht auszumachen. Das Zufügen von Schmerzen kann ebenso verletzend wie lustvoll sein, sodass dieses theoretisch als Ausgangspunkt der Verletzungserfahrung ausgemachte Kriterium bei der Annäherung an sexuelle Verletzungen nicht uneingeschränkt hilfreich ist. Eine phänomenologische Haltung, die das leibliche Erleben auch als vermittelt (vgl. Waldenfels 1980: 12)[8] bzw. diskursiv begreift, ist zum Verständnis sexueller Verletzungen notwendig. Bedeutungen prägen Erleben und Erlebbarkeit von „etwas als etwas“ (Waldenfels 2002: 28, meine Herv.), sodass Schmerz an sich, oder eine „vereinnahmende antagonistische leibliche Interaktion“ (Barth et al. 2021: 6) zunächst keinen Hinweis auf mögliche Gewalt bedeuten müssen. Wie subtil der Übergang von gewünschten Schmerzen und Demütigung, die lustvoll erlebt werden, zu einer massiven Verletzung sein kann, zeigt sich im Gespräch zwischen Helena[9] (H) und mir (Interviewerin, I). Sie berichtet ihre Erfahrung von BDSM[10]-Sex, in der die gewünschte und ausgemachte Demütigung, Beleidigung und das Zufügen von Schmerzen in eine Verletzung umgeschlagen ist.

H: „Naja, ich hatte mal was mit einem Typ, aber da war ich auch mehr oder weniger ein bisschen selber schuld, den habe ich mal mit heimgenommen und ich hatte halt so Spielzeug daheim, aber so in die Sado-Maso-Richtung, weißt du?“

I: „Ja.“

H: „Ich lasse das mal so stehen, weißt du so. Und wenn du dann aber nicht vorher irgendwie ein Zeichen oder ein Wort ausmachst … bisschen blöd.“

I: „Kannst du genauer erzählen, was da passiert ist?“

H: „Naja du hast halt irgendwie was im Mund stecken, deswegen musst du halt irgendwie zwinkern oder irgendwas machen. Aber wenn ein Typ drauf steht, Dir eine zu langen und du eigentlich auch drauf stehst, Du aber keinen Bock mehr hast, aber kein Zeichen geben kannst … Naja, wie willst Du denn dann, wie will er es denn dann verstehen? (…) In so ’nem Game, wenn du in so ’nem Game drin bist, dann ist ja, ist ja das Spiel mit Unterwerfung … Und, und wenn du aber eine Gegenreaktion machst, wo du quasi sagst: ‚Nee‘, dann kriegst du ja eine gelangt! Verstehst du?“

I: „Ja. Ja, ja. Das heißt, er hat es interpretiert, das ist alles noch part of the game, für dich war es aber ein wirkliches …“

H: „Ja genau. So: ‚Wow, halt’s Maul, Junge! Halt’s Maul, was laberst denn du für eine Scheiße?‘“

I: „Das heißt, er hat Sachen gesagt …“

H: „… die ich uncool ohne Ende fand, ich habe den danach auch echt nie wieder getroffen und echt so boah …“

I: „Also beleidigende Sachen?“

H: „Nein, das wäre nicht schlimm, also …“ (lacht)

Aus dieser Passage unseres Gesprächs geht hervor, dass potenziell verletzende Handlungen wie das Zufügen körperlicher Schmerzen und Beleidigungen nicht unbedingt als Verletzungen erfahren werden müssen: Für die Verletzungserfahrung ist nicht entscheidend, was auf der Handlungsebene passiert ist, sondern wie es erlebt worden ist. Schläge und Beleidigungen können als potenziell gewaltsame Verletzungen erlebt werden, aber auch als Bestandteile einvernehmlicher Sexualität. Meine Nachfrage, ob ihr Gegenüber sie beleidigt hat, bringt Helena zum Lachen: Offensichtlich habe ich nicht richtig verstanden, an welchem Punkt die gewünschte Demütigung in eine Verletzung umgeschlagen ist. Aus der Beobachter:innenperspektive könnte man die einvernehmlichen Schläge und Beleidigungen als potenzielle Gewalt deuten. Helena jedoch wollte beleidigt werden, nur nicht in der Weise, wie ihr Gegenüber es getan hat.

Hier zeigt sich die Verstrickung von Sexualität und Gewalt besonders deutlich: Die Formen von Verletzungen, die in sexuellen Situationen auftreten können, sind abhängig von der Weise, wie die Sexualität praktiziert wird. Die Art, wie sie ihre Sexualität lebt, macht die Interviewteilnehmerin also in spezifischer Weise verletzbar, die bei anderen sexuellen Praktiken nicht gegeben ist: Sie hat sich willentlich so fesseln und knebeln lassen, dass sie bestimmten Verletzungen ausgeliefert ist. Wie sie sexuell verletzt worden ist, ist also nicht unabhängig davon zu begreifen, wie sie Sex hat.[11] Das bedeutet nicht, dass die Verletzungen direkt aus bestimmten Praktiken folgen oder dass die Betroffene dafür verantwortlich zu machen ist. Es bedingt jedoch, dass eine potenzielle Gewaltsamkeit der Situation für sie selbst nur verhandelbar wird, wenn sie sie aus dem Zusammenhang der konkreten Form ihrer Sexualität lösen kann. Um die Verletzungen als mögliche Gewalt verhandeln zu können, müssen sie vom gewünschten Grad an Auslieferung und Demütigung unterschieden werden. Dafür sind Kriterien notwendig, die an bestimmte Konzepte von Gewalt gebunden sind.

Diese Verstrickung erschwert es der Betroffenen, zu fassen und zu vermitteln, was an der Erfahrung für sie verletzend war. Sie wollte sich in eine Situation bringen, in der sie sich nicht entziehen oder verbal äußern kann. Ihre Versuche, sich dennoch verständlich zu machen und das „Game“ zu beenden, können aus der Beobachter:innenperspektive nicht von dem Spiel unterschieden werden, in dem sie mit Schlägen dafür bestraft werden soll, wenn sie sich wehrt. Ein mögliches Kriterium für eine illegitime, potenziell gewaltsame Verletzung könnte es sein, wenn ihr Sexpartner wissentlich ihre Willensäußerungen übergangen hätte. Ob ihr Gegenüber den Unterschied zwischen gespieltem Aufbegehren gegen seine Dominanz und dem tatsächlichen Willen, aus dem Spiel auszutreten, erkannt hat, bringe ich als Frage in das Gespräch ein.

I: „Hast du das Gefühl gehabt, oder weißt du das noch, dass er das gerade checkt, dass das für dich nicht mehr gut ist?“

H: „Ich weiß es nicht, da war ich mir auch echt unsicher. Oder ob es den dann, das macht die ja dann doch noch so geiler, das ist ja das Ding mit dieser Verlagerung von Macht und Devotheit. Weißt du, die finden es ja geil, wenn du es nicht geil findest. Das eine ist ja, der eine ist ja der ausführende Part, der steht ja drauf, wenn andere Schmerzen haben.“

I: „Aber eigentlich weiß er ja vorher, oder? Wenn das in ’nem Consent-Rahmen abläuft, dass man genau das will, dass es Play ist. Und wenn du in dem Moment sagst, du wirst erniedrigt, aber natürlich willst du es, sonst würdest du es ja nicht machen.“

H: „Ganz genau, ja. Aber es gibt ja auch immer eine Grenze, weißt du? Und beim körperlichen gibt es halt die Grenze, du kannst ja Lust empfinden, wenn du auf den Arsch bekommst, aber wenn du halt so dermaßen auf den Arsch kriegst, dass dir der Arsch blutet, dann ist das halt nicht mehr geil, ne?“

Die Verstrickung der sexuellen Lust mit der Weise, wie die Betroffene verletzt wurde, verkompliziert die Frage nach der Verantwortung für ihr Leiden. Diese bringe ich ins Gespräch ein, indem ich frage, ob ihr Sexpartner in dieser Situation registriert haben könnte, dass sie tatsächlich das Spiel beenden will. Für Helena ist diese Frage aber weniger wichtig als für mich mit meinem Forschungsinteresse an Gewalt. Anstatt seine mögliche Absicht zu fokussieren, sie zu verletzen, betont sie Eigenverantwortung der Beteiligten, die sich im Kontext des BDSM-Spiels Anderen ausliefern. Wie individuell und subtil die erotische Grenzüberschreitung in eine Verletzungserfahrung übergeht, verdeutlicht sie mit dem Bild körperlicher Schmerzen: Schon der Unterschied zwischen genau richtig und zu viel „auf den Arsch“ bekommen kann ein schmaler Grat sein. Hier kann die Grenzüberschreitung immerhin als körperliche Verletzung – z. B. durch Blut – sichtbar werden. Um ihr Leid zu beschreiben, kann sie sich nicht auf manifeste Kriterien wie Taten oder sichtbare Verletzungen beziehen. Mögliche Konzepte, um eine potenzielle Gewaltsamkeit festzumachen, wie ein bewusstes Antun oder ihren fehlenden Konsens, müssten aktiv herangezogen und mit der Erfahrung verknüpft werden.

Die Verletzungserfahrung bleibt in Helenas Erzählung in die Einzelheiten der sexuellen Situation verwickelt. Sie findet keine Worte, um zu vermitteln, inwiefern die Beleidigungen ihres Sexpartners über die einvernehmliche Inszenierung des BDSM hinausgegangen sind und wie sie dadurch getroffen wurde. Ihrer Verletzung verleiht sie keinen bestimmten Sinn, sondern steht ihrem Leid sprachlos gegenüber:

H: „Naja, ich war total neben der Spur, total neben der Spur einfach. Ich kann dir das gar nicht beschreiben, wie als hättest du zu viel Keta genommen. Ich weiß nicht, hast du schonmal Keta genommen?“

I: „Nee, ich habe gehört, dass es …“

H: „Es ist sehr, sehr geil, aber wenn du zu viel nimmst, (…) wenn du einfach zu viel Keta genommen hast, dann bist du, bisschen arg lethargisch und sehr pfff pfff, was weiß denn ich …? (…) Dir ist schwindelig und dir ist halt so ein bisschen, du stehst einfach voll neben dir und hast eine Wolke im Kopf.“

I: „Aha, und so war das so ein bisschen?“

H: „Ja, aber halt nüchtern ’ne Wolke im Kopf, weißt du einfach so … Wie wenn dir halt irgendwas schlimmes passiert ist, wo du einfach … Ich kann dir das schwer beschreiben. Wie wenn jemand gestorben ist, oder was Schlimmes einfach passiert ist, wo du es einfach nicht greifen kannst. Schock, Schockzustand.“

Helena versucht, ihre Lähmung und die fehlende Kongruenz ihrer Erfahrung zu vermitteln, indem sie sie mit der Überdosierung des Narkosemittels Ketamin vergleicht, das auch als Partydroge eingenommen wird. Da ich diese Erfahrung nicht teile, entsteht nicht die Resonanz, die erlebt wird, wenn das Gegenüber versteht, wie sich etwas anfühlt. So ringt[12] sie weiter um eine passende Beschreibung. Dass sie sich gefühlte habe „wie, wenn etwas Schlimmes passiert ist“ macht deutlich, dass sie kein politisches, (sexual-)ethisches oder legales Konzept anlegt, um zu bewerten, ob tatsächlich etwas passiert ist, dass nach geteilten Kriterien mit Dritten als nicht legitim zu beurteilen ist. Damit bleibt ihre Schilderung am subjektiven Ausgangspunkt der Verletzungserfahrung stehen. Sie stellt keine Bezüge zu Konzepten her, die eine normative Beurteilung der Situation, der Verantwortung ihres Gegenübers und damit einer potenziellen Gewaltsamkeit der Erfahrung erlauben würden. Sie kann nur ihre Reaktionen auf die Verletzung rekonstruieren, findet jedoch keine Interpretation dafür – im Sinne des phänomenologischen „etwas als etwas“ – was ihr zugestoßen ist. Ihr Leiden ist damit nicht verständlich zu machen, sie kann nicht vermitteln, was an der Erfahrung so schlimm war.

„Ich stand so total neben mir, weil mir das so … so als hätte ich da halt auch mitgewirkt, weißt du, als wäre das meine Schuld irgendwie gewesen, weil ich hab’ halt den Deppen mir rausgesucht. Aber da wusste ich dann so: ‚Okay, wenn du sowas noch mal machst, dann machst du halt vorher auch mal aus.‘ Du musst ja vorher irgendwie was ausmachen, so.“

Das Konzept der Eigenverantwortung, das sie zur Beurteilung der Situation heranzieht, ermöglicht ihr eine Handlungsstrategie für den zukünftigen Umgang mit den Risiken des BDSM. Es bildet den zentralen Maßstab zur Beurteilung der Situation. Damit ist auch eine eigene Schuld am Erlebten impliziert, die ein zusätzliches Leiden an der Erfahrung bedingt. Für den erlittenen Schmerz jedoch bietet es keine Möglichkeit der Einordnung, sodass sie der Verletzung selbst keinen Sinn verleihen kann.

Im Gespräch zwischen Helena und mir verbleibt die potenzielle Gewaltsamkeit ihrer Erfahrung in der Grauzone. Sie artikuliert eindrücklich eine Verletzung, zieht jedoch keine Kriterien heran, die ihr eine Einordnung des Geschehens erlauben würden. Hier zeigt sich deutlich, dass die Aushandlung der (Be-)Deutung von Verletzungserfahrungen und ihrer potenziellen Gewaltsamkeit ein soziales Geschehen ist, für das Dritte notwendig sind. Die Artikulation der Verletzungserfahrung geht vom subjektiven Erleben aus. Die Bedeutung der Verletzung und ihr potenzieller Status als Gewalt jedoch müssen ausgehandelt werden. Dazu sind Konzepte notwendig, die es ermöglichen, die konkrete Situation mit all ihren empirisch gegebenen Verstrickungen so zu ordnen, dass der Bezug auf allgemein gültige Normen artikuliert und vermittelt werden kann. In einer solchen Verarbeitung eines Erlebnisses greifen Betroffene die Perspektiven auf, die Dritte anbieten oder beziehen ihre Erfahrungen auf antizipierte Wertungen gedachter Dritter, die sie aus Diskursen über Sexualität und sexuelle Gewalt ableiten. Durch diesen Schritt kann die subjektiv erlebte Verletzung zu einem Unrecht werden, für das Dritte nach den Maßstäben der gewaltaversen Moderne verantwortlich sind: Sexuelle Gewalt ist im Gegensatz zu schlechtem Sex keine Privatsache. Ich habe – als eine Dritte – Anschlussmöglichkeiten für Helenas Erfahrung an ein bestimmtes Verständnis von Gewalt in das Gespräch eingebracht. Sie greift diese jedoch nicht auf und kommt zu keiner Deutung, die ermöglichen würde, ihre Verletzung als eine Erfahrung zu fassen, die unannehmbar ist (vgl. Hartmann 2022: 26). Dass ihr sexuelle Gewalt zugestoßen sein könnte, würde das leiblich gespürten Leid begreiflich machen. In dieser Form verbleibt die Erfahrung jedoch in der Grauzone: Die Verstrickung ist nicht entwirrt, der mögliche Zusammenhang zum Konzept „Gewalt“ nicht hergestellt. Die Betroffene bleibt mit dem Gefühl zurück, dass „etwas nicht stimmte“ (vgl. Moisi 2019).

4.2 Theoretische Verwirrung

Während Helena in unserem Gespräch eine Verletzung ohne Gewaltdeutung schildert, ringt die Teilnehmerin Lina um die Deutung einer Erfahrung, die sie als Gewalt interpretieren würde, ohne zum Zeitpunkt des Geschehens eine Verletzung erlebt zu haben. Die Verletzungserfahrung entsteht hier erst über die theoretische Bearbeitung des Erlebten, die eine Deutung als Gewalt nahelegt. Diese Konstellation verdeutlicht, dass Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen in einem dynamischen Verhältnis stehen. Wenn Verletzungen nicht unmittelbar zu denken sind und von Bedeutungen abhängen, können sie in großem zeitlichen Abstand zu dem Erlebnis entstehen, das rückblickend als verletzend begriffen wird. Ein Widerfahrnis verursacht nicht unbedingt eine Verletzung, die nachträglich als Gewalt verarbeitet werden kann. In fortlaufend stattfindenden Verarbeitungsprozessen biografischer Erfahrungen können Betroffene ebenso eine Deutung als Gewalt entwickeln, die die Frage nach einer Verletzung aufwirft.

Lina beschreibt Erlebnisse in ihrer Jugend, die für sie zu diesem Zeitpunkt eindeutig Ausdruck einer lustvollen gemeinsamen Sexualität waren. Seitdem hat sie eine feministische Haltung entwickelt und ordnet die Erfahrungen aus dieser Perspektive als sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung ein. Sexualität kann also nicht nur, wie oben dargestellt, von einem Moment zum anderen in eine sexuelle Verletzung umschlagen. Der Übergang kann ebenso Jahre dauern und eine Sensibilisierung für politische Dimensionen von Sexualität erfordern. Die Verstrickung mit Linas Sexualität besteht darin, dass sie in einer Situation sexuelle Lust erlebt hat, die sie im Rückblick als Übergriff beschreiben würde. Das lustvolle Erleben und das Fehlen der Verletzung im Moment des Geschehens lassen sie an ihrer Deutung zweifeln. Es ist dieser ungelöste Widerspruch angesichts der zurückliegenden Erlebnisse, der sie nicht loslässt. Das Geschehen liegt zum Zeitpunkt unseres Gesprächs über zehn Jahre zurück, affiziert sie aber durch die Offenheit der Deutung weiterhin, sodass sie nicht damit abschließen kann.

In ihrer Jugend hatte sie öfter mit Freund:innen in befreundeten WGs übernachtet. Dabei vollzog ein damaliger Freund mehrmals sexuelle Handlungen[13] an ihr, während sie sich schlafend stellte. Aus ihrer inzwischen entwickelten feministischen Perspektive erscheinen diese Handlungen ihr eindeutig als sexuelle Übergriffe:

„Und da war die Situation, dass das dann regelmäßig so war, dass wenn wir da beide geschlafen haben, ähm … der wirklich, und da bin ich mir unsicher, ne? Weil ich hab’ so getan, als würde ich schlafen. Und ähm, hatte auch, je mehr ich, also immer wieder, wenn ich darüber nachdenke, denke ich so, ja, es gab immer wieder Anhaltspunkte für mich, jetzt auch im Nachhinein, zu denken, dass er auch darauf gewartet hat, also dass er auch in dem Glauben war. Dass ich schlafe, so. Und dass das irgendwie so das Ziel war. Und dann so angefangen hat, so sexuelle Handlungen zu machen. Und für mich war das irgendwie aufregend und ich fand das gut, damals. So und jetzt denke ich mir so: ‚Jo, das … Wir haben da nie drüber gesprochen!‘ Das war, da hat nie irgendwie Einverständnis geherrscht und so wie ich, also ich hab’ mich ja auch einfach nicht bewegt. Also ich bin der Überzeugung, dass er wirklich geglaubt hat, dass ich schlafe. Und das ist dann einfach Vergewaltigung, so.“

In dieser Passage unseres Gesprächs bringt Lina ihren Konflikt deutlich zum Ausdruck: Aus ihrer Perspektive als Erwachsene ist sie vergewaltigt worden, hat diese Gewalttat jedoch zum Zeitpunkt des Geschehens als lustvolle sexuelle Erfahrung erlebt und gedeutet. Im Interview macht sie ihre feministischen Überzeugungen deutlich, die auch dafür entscheidend sind, wie sie inzwischen ihre Sexualität lebt. Die Erfahrung, die sie anhand politischer Kriterien als Vergewaltigung beschreibt, ging nicht mit dem Erleben einer Verletzung einher. Im Gegenteil beschreibt sie diese als spannend und erregend. Diese Verstrickung der fraglichen Gewalt mit ihrer eigenen Lust erschwert es ihr, das Gewaltsame der Erfahrung aus dem Gesamtzusammenhang der Geschehnisse zu lösen. Sie ringt um eine Interpretation, in die sie diesen Widerspruch einfügen kann. In der Erinnerung ihres Erlebens fehlt das Moment, das in der phänomenologischen Diskussion als leiblich erlittener Ausgangspunkt der Verletzungserfahrung gefasst wird: Sie hat keine Schmerzen und kein Leid erlebt. Selbst ein unbestimmtes, schwierig zu artikulierendes Gefühl fehlt ihr als Ausgangspunkt, um sich der Frage anzunähern, worin die Verletzung bestanden hat.

Anhand dieses theoretischen Problems und des inneren Konflikts der Betroffenen zeigt sich, dass Verletzungen ebenso wenig essenziell und unmittelbar gedacht werden sollten wie Gewalt. Im Bereich der Sexualität sind sie davon abhängig, welche sexuellen Wünsche die Beteiligten haben und welche normativen Maßstäbe sie an ihre Sexualität anlegen. Da sich potenzielle Gewaltsamkeit schon in die Sexualität selbst einnisten kann, mahnt Linda Martín Alcoff (vgl. 2018: 111) bei der Auseinandersetzung mit sexuellen Verletzungen nicht nur die Dimensionen Konsens, Begehren, Lust und Willen zu differenzieren, sondern jeweils die Bedingungen der Möglichkeit, diese auszuprägen. Mit ihrer feministischen Haltung in der Gegenwart hinterfragt Lina genau diese Lust am Übergriff: „Aber ich frage mich halt, warum fand ich es gut?“ Rückblickend erkennt sie, dass das Geschehen pornografischen Narrativen ähnelt, in denen sexuelle Handlungen an einer Schlafenden inszeniert werden. Die Annahme des Gegenübers, dass sie schläft und keine Möglichkeit hat, ihr Einverständnis zu geben oder zu entziehen, ist das zentrale Kriterium für ihre Gewaltdeutung. Gleichzeitig begreift sie, dass genau diese Missachtung des Willens der Frau in der pornografischen Darstellung, für ihren Jugendfreund und sie selbst den erotischen Reiz ausgemacht hat. Trotz ihrer feministischen Sensibilisierung für sexuelle Übergriffe sind Pornos mit diesem Motiv für sie bis heute sexuell erregend:

„Und ich ja auch weiß, ne? Dass es ganz viele Pornos gibt, die mit dieser, die diese Fantasie bedienen. Und ich spannenderweise auch das spannend finde. Und, ne? Man wird ja dann auch irgendwie so sexuell geprägt auf so frühe Erfahrungen.“

Nicht nur kann also die Weise, wie Betroffene ihre Sexualität leben, für potenzielle Gewalt verletzbar machen. Potenziell gewaltsame Erlebnisse können auch die Sexualität Betroffener prägen. So erklärt sich Lina ihre Vorliebe für Pornos mit ravishment fantasies[14]. Sexualität ist offensichtlich so sehr in Macht- und Gewaltverhältnisse verstrickt, dass die Unterordnung und Machtlosigkeit von Frauen und (sexuelle) Gewalt an Frauen typische Motive pornografischer Inhalte sind. Pornografie, Prostitution und BDSM sind seit der Second Wave der Frauenbewegung umkämpfte Themen in feministischen Bewegungen (vgl. Srinivasan 2022: 33 ff.). In den feministischen Porn Wars stehen sich zwei polarisierte Positionen gegenüber: Die Anti-Porn-Bewegung versteht Pornografie als Anleitung zur Vergewaltigung, Prostitution als ihre Praxis und BDSM als erotisierte Gewalt an Frauen. Selbst bezeichnete sex-positive Feministinnen betonen die sexuelle Selbstentfaltung und positionieren sich gegen politische Zensur der Sexualität und für das freie Ausleben von Fantasien und Lust (vgl. ebd.). Der Konsens der Beteiligten ist in dieser Auseinandersetzung wie in der Debatte um sexuelle Gewalt im Allgemeinen das wohl gängigste Kriterium, um sexuelle Situationen ethisch zu beurteilen (vgl. Wolters 2022: 85). Indem sie dieses Konzept heranzieht, kann Lina ihre Lust, die im Widerspruch zu ihren politischen Überzeugungen steht, von der Gewalterfahrung trennen: „Man kann ja Fantasien ausleben und die trotzdem vorher besprechen.“

Dennoch bleibt die Erfahrung aus ihrer Jugend für sie unabgeschlossen. Ihre theoretische Sensibilisierung für Formen sexueller Gewalt verkompliziert eine Erfahrung, die ihr zuvor als unproblematisch erschienen war. Feministische Deutungsangebote für das Erlebte bieten eine Möglichkeit, anhand des Konsens-Kriteriums die verstrickte Situation zu entwirren und die Tat als Vergewaltigung einzuordnen. Dass sie diese theoretisch als Gewalt ausgemachte Erfahrung lustvoll erlebt hat, erschüttert sie. Es quält sie bis heute, dass sie zum damaligen Zeitpunkt keinen Anspruch erhoben hat, die Fantasie zu besprechen, sodass sie einvernehmlich ausgelebt werden kann. So ist sie weniger getroffen von dem, was passiert ist, als davon, dass sie keine Verletzung gespürt hat. Diese Entfremdung vom vergangenen Ich ist der eigentlich schmerzhafte Aspekt ihrer Erfahrung. In ihrer Erzählung erscheint nicht der übergriffige Jugendfreund als Auslöser ihres Schmerzes, sondern sie selbst. Sie leidet unter ihrer eigenen Reaktion auf das Geschehen, die ihr rückblickend als Ausdruck einer fehlenden Sensibilität für die eigenen Grenzen erscheint.

„Das ist eine Situation, die mir auf jeden Fall noch oft ins Gedächtnis kommt und da denke ich einfach nur so: ‚Ach‘, also da habe ich eher so Mitgefühl mit meinem damaligen Ich, dass ich das nicht, dass ich das hab machen lassen, dass ich das auch noch genossen hab auf irgend ’ne Art und Weise. Ohne, dass man da irgendwie mal was verbalisiert hat. Weil es halt einfach so massiv respektlos und grenzüberschreitend ist, so einfach.“

Dass es möglich ist, eine massive Grenzüberschreitung nicht zu registrieren und als rein lustvoll zu erfahren, verweist auf die oben theoretisch dargestellte Schwierigkeit, dass schon das Erleben von Verletzungen normativer Maßstäbe bedarf.[15] Die Interviewteilnehmerin hatte im Verlauf des Gesprächs mehrfach erwähnt, ein sicheres Gespür für die eigenen Grenzen zu haben. Dass dieses scheinbar natürliche Empfinden auf eine Sensibilität für potenzielle Verletzungen angewiesen ist, stört ihr Gefühl der Sicherheit. Fassungslos blickt sie auf ihre Vergangenheit, in der sie ein Erlebnis, das sie heute als Vergewaltigung deutet, nicht im Mindesten als unangenehm erlebt hat.

Trotz der logischen Entwirrung von Lust und Gewalt anhand feministischer Konzepte bleibt in dieser Erzählung der Widerspruch bestehen, ein Erlebnis als Gewalt zu betrachten, das zum Zeitpunkt des Geschehens lustvoll erlebt wurde. Die Frage, ob die sexuelle Lust einer Betroffenen die Möglichkeit von Gewalt ausschließt, bleibt in unserer gemeinsamen Bearbeitung ihrer Erfahrung in der Grauzone. So ringt die Teilnehmerin das gesamte Gespräch über mit dem Unverständnis über ihre eigene Reaktion und findet keine Deutung, die ihr den Schmerz über die fehlende Sensibilität der Vergangenheit erleichtern könnte. Die Verstrickung ihrer eigenen Lust in die Situation, die sie theoretisch als Vergewaltigung beschreibt, kann sie mit diesem diskursiven Anschluss nicht auflösen. Trotz ihrer feministischen Betrachtungsweise beleuchtet sie diesen Aspekt ihrer Erfahrung nicht, sodass der quälende Widerspruch bestehen bleibt.

4.3 Selektive Entwirrung

Die Erzählung der Interviewteilnehmerin Leyla bildet einen deutlichen Kontrast zu den beiden bisher dargestellten Bearbeitungen verletzender Erlebnisse. Sie illustriert, wie abhängig die Artikulation von Verletzungserfahrungen und ihre potenzielle Verarbeitung zu Gewalt von den sozialen Kontexten ist, in denen diese Bearbeitung stattfindet. Helena und Lina führen ihre Ansprüche auf lustvolle Sexualität und sexuelle Selbstbestimmung in den Erzählungen mit und machen sie mehr oder weniger explizit. Leyla hingegen verhandelt Erlebnisse und findet Deutungen für sie, die vor dem Hintergrund dieser Ansprüche nicht nachvollziehbar sind. Der Kontrast verdeutlicht die Indexikalität sexueller Gewalt und ihrer Grauzone: Wie eine Verletzung erlebbar wird, wie sie mit Dritten bearbeitet wird und welche Aspekte der Erfahrung als potenziell gewaltsam verhandelt werden, ist abhängig von sozialen Bezugsgruppen und geteilten Deutungsmustern. In Leylas Bearbeitung werden Konzepte wie Jungfräulichkeit, Ehre und Familie relevant gemacht, die aus den bisher dargestellten Perspektiven auf das Verhältnis von Sexualität, Verletzung und Gewalt abwegig erscheinen. In ihrer Erzählung entsteht eine Grauzone, die nicht nur vollkommen andere Aspekte unbeleuchtet lässt als die bisher skizzierten Graubereiche. Darüber hinaus wirft diese Grauzone die Frage auf, wie weit ein Begriff sexueller Gewalt gefasst sein muss, um verschiedene Gewaltsamkeiten beschreiben zu können und wie sich sexuelle Gewalt zu anderen Gewaltformen verhält.

In Leylas Erzählung nimmt die Verletzungserfahrung selbst wenig Raum ein. Sie schildert ihren ersten Sex als Jugendliche mit ihrem damaligen Freund als Nötigung. Ihre Interpretation dieser Erfahrung als Gewalt ist eindeutig und im Hinblick auf dieses Erlebnis scheint sich zunächst keine Grauzone aufzutun. Zwar habe sie eingewilligt, jedoch nur unter Zwang:

„Also ich wollte es eigentlich gar nicht. Er hat mich dazu gedrängt. Ne, das war so, so der Punkt, wo ich sage: ‚Das war schon Nötigung.‘ Also er hat mich gezwungen. Ich wollte eigentlich gar nicht. Ich wollte nicht. Und das habe ich ihm oft gesagt, er hat es nicht akzeptiert. (…) Und ja, und dann hab’ ich halt, naja dann hatten wir halt unser erstes Mal. Auch, ich wollte es eigentlich nicht. Ich hab’ dann auch, danach auch geweint. Währenddessen auch schon fast. Also es hat auch, tut ja auch irgendwie weh.“

Weite Teile unseres Gesprächs handeln von den Umständen, die diese Situation bedingt haben. Leyla erklärt mir, weshalb ihr Ex-Freund sie zum Sex zwingen konnte. Dies kann sie mir nicht vermitteln, ohne die drohende Gewalt darzustellen, die die Situation begleitet hat. Diese Bedrohung ist von ihrer Familie ausgegangen. Leyla wertet sie selbst jedoch nicht als Teil der erlebten Gewalt, sondern erläutert sie mir als eine kulturell vermittelte Praxis, für die beteiligte Akteur:innen nicht zur Verantwortung zu ziehen sind. So erzählt sie von einer liebevollen Kernfamilie, die jedoch von der Gemeinschaft des erweiterten Familien- und Freundeskreises dazu gedrängt worden sei, tradierte Geschlechterrollen mit Gewalt aufrecht zu erhalten. Dies habe besonders den Vater betroffen, an den die Verpflichtung herangetragen wurde, mit Gewalt die Unterordnung seiner Frau und Kinder zu demonstrieren und zu festigen.

„So immer dieses: ‚Lass deine Frau nicht höher sein als du.‘, ‚Lass deine Kinder nicht auf deinem Kopf tanzen.‘ Immer diese Gespräche. (…) Meine Mama war immer eine arbeitende Frau, ne? Und das gefiel ja meinem Vater. Wieso? Weil es hat doch denen geholfen. Aber dann hieß es immer von außen: ‚Lass nicht alles zu. Hau ihr auch mal, hau ihr auch mal ins Gesicht. Hau ihr auch mal, hau auch deine Kinder.‘“

In Bezug auf ihr Aufwachsen als einzige Tochter der Familie erläutert sie mir die Anforderung an die gesamte Familie, ihre Jungfräulichkeit[16] bis zur Ehe zu schützen. Ihre Kindheit sei von Verboten geprägt gewesen, die weit mehr Bereiche umfassten als das Verbot, Beziehungen einzugehen und Sex zu haben. So sei sie vom Schwimmunterricht oder Verabredungen mit Schulfreundinnen ausgeschlossen worden. Dass die Verhaltensnormen für Frauen in Bezug auf Ehre (und damit Sexualität) mit Gewalt durchgesetzt werden können, bringt Leyla schon in ihre grundlegende Erörterung des Zusammenhangs von Religion, Kultur und Ehre ein:

„Ja, das wird in der Kultur, ich sag Kultur, nicht im Glauben. Weil der Glaube ist komplett was anderes. (…) Und die Kultur macht es einfach nur kaputt. Ne, also die Menschen an sich, die Erziehung, auch die Mütter heutzutage: ‚Es muss eine Jungfrau sein!‘ Und ach, katastrophal. (…) Vor allem auch, Sachen die dann auch geschehen, wie zum Beispiel auch: ‚Ah, sie blutet nicht!‘[17] Dann auch diese Ehrenmorde und so weiter. Das muss alles nicht sein.“

Bereits in dieser Differenzierung von Religion und Kultur scheint der Ehrenmord als Extremfall von Gewalt im Namen der Ehre auf. In der Darstellung ihres Aufwachsens, der Erziehung und Prägung durch Familie und Gemeinschaft ist dieser Zusammenhang von Ehre und Gewalt zentral. Die Verpflichtung zur Gewalt beschreibt Leyla als eine kontinuierliche Anforderung an die Männer in der Familie, die jedoch selbst nicht als gewalttätig charakterisiert werden. Dies wird besonders anhand ihrer Darstellung der Rolle ihrer Brüder deutlich: Sie entziehen sich der Verpflichtung, indem sie ihr Wissen um drohende Ehrverletzungen verleugnen:

„Also Schläge gab es auf jeden Fall nicht, auch wenn die mal was rausbekommen haben oder ich mal mit einem Typen telefoniert habe. Dann gab es so eine Telefonrechnung. Und dann mein Bruder so: ‚Ich will gar nicht erst da anrufen. Ich weiß, was das ist, überhaupt.‘ So, ne? Und ich meinte: ‚Mach’ es auch gar nicht.‘“

Im Interview erwähnt Leyla, dass ihr Vater den Anforderungen des Umfelds durchaus nachgekommen ist und seine Frau und Kinder geschlagen hat. Dennoch verhandelt sie seine Taten nicht als Gewalt. Anstatt als Täter begreift sie ihn ebenso wie ihre Brüder und die Mutter eher als Opfer einer gewaltfördernden Kultur. Diese übe einen derartigen Zwang auf die Familien aus, die Jungfräulichkeit der Töchter zu bewahren, dass die Frage nach der Verantwortlichkeit Einzelner sich in ihrer Erzählung nicht stellt.

Paradoxerweise begünstigt hier die Norm der Jungfräulichkeit das Einwilligen in voreheliche sexuelle Handlungen. Der bloße Umstand, dass Leyla in einer (wenn auch bisher nicht sexuellen) Beziehung ist, bedeutet bereits eine Verletzung der Familienehre. Aus dieser Perspektive macht es keinen Unterschied, ob sie tatsächlich mit ihrem damaligen Freund Sex hat oder nicht, da sie bereits als entehrt betrachtet wird. Die Ehrverletzung kann nur noch durch eine Hochzeit mit dem Mann rückgängig gemacht werden, der als ihr fester Freund bekannt geworden ist. Da ihr Ex-Freund mit der Trennung droht, wenn sie seinen sexuellen Wünschen nicht nachkommt, stimmt sie gegen ihren eigenen Willen zu. Sie erwartet die Bestrafung ihrer Familie, wenn die Hochzeit, die die Familienehre wieder herstellen soll, nicht zustande kommt.

L: „Ne? Das war auch immer deren Angst, ne? Dass ich halt zu einer Hure werde. Wie die es immer benannt haben, es ist ja eigentlich nicht so.“

I: „Aber das heißt, „Hure“ wärst du in dem Sinne gewesen, nicht, also wenn du einfach einen anderen …“

L: „Wenn ich ihn verlasse und einen anderen Freund hätte.“

I: „Auch wenn du noch „Jungfrau“ bist?“

L: „Auch, naja …“

I: „Oder war das nicht so ausgesprochen?“

L: „Also das wär’ schon … also die hätten mich nicht getötet. Sowas gab es nicht.“

Die Möglichkeit eines Ehrenmordes verneint Leyla hier, bringt sie aber gleichzeitig erst als Option in eine Abwägung ein, in der es um die Reaktion ihrer Familie ging, die sie im bisherigen Gesprächsverlauf als liebend und fürsorglich dargestellt hatte. Tatsächlich erlebt Leyla keine Bestrafung, nachdem sie die Beziehung beendet. Die Familie geht davon aus, dass sie noch „Jungfrau“ ist und entscheidet, die Ehrverletzung abzustreiten. Wie genau ihre Bestrafung hätte aussehen können, bleibt insgesamt diffus und erschließt sich nur durch beiläufige Erläuterungen wie das zitierte „Also die hätten mich nicht getötet“ oder Leylas Hinweis, wie eine Freundin bestraft wurde: „Sie hat zwangsheiraten müssen, weil sie einen Freund hatte. Sie hat genau das erlebt, was ich erleben sollte, eigentlich.“ So vermittelt sie das Ausmaß der Bedrohung, ohne ihre Familie konkret als Täter:innen in ihre Deutung der Gewalterfahrung einzubeziehen.

Vor dem Hintergrund dieser Sexualmoral entwickelt Leyla ein Verständnis ihrer Verletzung. Die Verarbeitung ihrer Erfahrung ist geprägt von den erlernten Vorstellungen über Sexualität, nach denen sie die Familienehre verletzt hat und damit als Schuldige, nicht als Betroffene, anzusehen ist. Ein eigenes sexuelles Begehren konnte sie in dieser Lage nicht in ihre Entscheidung einbeziehen: Bereits das Anbahnen einer sexuellen Beziehung war so sehr von drohender Gewalt überschattet, dass für die Entwicklung ihrer eigenen Sexualität kein Raum war. Aus dieser Perspektive dient die Sexualität der Frau ihrem (zukünftigen) Ehemann.

„Ich hätte ja auch gerne mein erstes Mal gehabt, wo ich auch richtig damit einverstanden bin. Ne? Wo ich sage, so von Herzen: ‚Weißt du was? Ich will dich. Nicht du mich, ich will dich!‘ Das hätte ich gerne gewollt, denke ich mir jetzt immer. Ist halt aber nicht so gewesen.(…) Ich wollte es zwar nicht, aber ich hab es dann auch irgendwo akzeptiert. Weil ich dann gesagt habe: ‚Okay, er ist ja mein Freund. Ich werde ja mit ihm heiraten.‘ So, immer so, kindische, so Kind-Gedanken einfach nur. Oder Werte, die mir halt vermittelt worden sind. Falsche Werte.“

Rückblickend kann Leyla in Worte fassen, dass ihrem eigenen Begehren in der Sichtweise auf Sexualität, die sie als Jugendliche erlernt hat, keine Bedeutung zukommt. Im Prozess ihrer Auseinandersetzung erschließt sich die Verletzung ihrer sexuellen Selbstbestimmung erst, als sie beginnt, sich von den erlernten sexualethischen Vorstellungen zu lösen. Mit diesem Schritt entsteht der Anspruch, sich der eigenen Lust entsprechend für oder gegen Sex zu entscheiden. Besteht dieser Anspruch nicht, gibt es keine Möglichkeit, seine Verletzung zu verstehen und zu artikulieren.

Obwohl ihre Gewaltdeutung in Bezug auf die isolierte Erfahrung des ungewollten ersten Sex sehr klar ist, zeichnet sich auch in dieser Erzählung eine Grauzone ab. Sie betrifft die Frage, welche Aspekte der geschilderten Erfahrung der Gewalt zuzurechnen sind und wen sie entsprechend dieser Unterscheidung als Täter:innen betrachtet. In der Grauzone bleibt damit auch der Kreis der Personen, die für diese Erfahrung verantwortlich gemacht werden. Die Nötigung ist nicht denkbar ohne die Bedrohung, die von ihrer Familie ausgeht. Sie verneint die Gefahr eines Ehrenmordes, der durch diese Negation jedoch erst am Horizont des Möglichen erscheint. Diese Spannung löst sie, indem sie die Handlungen ihrer Familienmitglieder kulturalisiert: Die familiäre Kontrolle und drohende Gewalt wird als kulturell vermittelte Verpflichtung dargestellt. In ihrer Erzählung wird die Kultur zur handlungsleitenden Instanz, sodass ihre Eltern und Geschwister von der Verantwortung für ihre Handlungen entlastet werden.

Leyla schildert Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit, die Kontrolle ihrer sozialen Kontakte und die ständige diffuse Bedrohung durch mögliche Bestrafungen als Kontext, der die sexuelle Nötigung erst ermöglicht hat. Sie befragt diese Erfahrungen jedoch nicht auf ihre potenzielle Gewaltsamkeit. In der gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Debatte über Gewalt im Namen der Ehre ist das Verhältnis dieser Gewaltform zu kulturellen und religiösen Zusammenhängen strittig (vgl. Kizilhan 2012: 67 f.). Mit dieser Auseinandersetzung geht die Frage einher, ob Gewalt im Namen der Ehre als eine eigene Form von Gewalt an Frauen unter bestimmten patriarchalen Bedingungen zu verstehen ist oder ob das Konzept eine Form häuslicher Gewalt rassifiziert und dadurch Besonderheiten überzeichnet (vgl. Gill & Brah 2014). Unterschiedliche Auffassungen über das Verhältnis von familiärem Zusammenhalt und persönlicher Freiheit – insbesondere der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen – können als kulturelle Unterschiede aufgefasst und toleriert werden. Ab welchem Grad der Einschränkung und Kontrolle von Gewalt gesprochen wird, muss ebenso ausgehandelt werden wie die Grenze zwischen Sexualität und Gewalt. In kulturwissenschaftlichen Analysen von Gewalt im Namen der Ehre wird die Einschränkung sozialer Kontakte und Bildungsmöglichkeiten sowie die einhergehende Kontrolle und Bedrohung häufig dem Gewaltphänomen zugerechnet (vgl. Begikhani et al. 2015: 4 f.). Auch Menschen- und Frauenrechtsaktivist:innen und staatliche Institutionen positionieren sich in dieser Weise (vgl. Böhmecke et al. 2011: 7; Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung 2017: 10; Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben 2024). Ob Betroffene sich dieses Gewaltverständnis aneignen und in Bezug auf ihre Erfahrungen von psychischer Gewalt sprechen, hängt davon ab, welche Vorstellungen von Familie, Erziehung und Selbstbestimmung sie haben. Sind ihnen Gewaltkonzepte diskursiv verfügbar und beziehen sie diese auf ihre Erfahrungen, besteht die Möglichkeit, dass sie ihre Erlebnisse als Gewalt thematisieren. In Leylas Erzählung bleibt die potenzielle Gewaltsamkeit dieser Aspekte ihres Aufwachsens in der Grauzone. Sie beleuchtet sie nur so weit, dass sie mir als außenstehende Dritte die sexuelle Nötigung verständlich machen kann.

5 Indexikalität und das Leiden an der Uneindeutigkeit

Die Rekonstruktion von Verletzungserfahrungen in der Grauzone hat gezeigt, dass schon die Erlebbarkeit von Verletzungen und die Möglichkeit ihrer Artikulation kontextsensibel untersucht werden müssen. Diese Herangehensweise ermöglicht es, das Ausmaß der Uneindeutigkeit zu erfassen, die sexuelle Gewalt auszeichnet. So wird die Grauzone als ein Bereich greifbar, in dem Betroffene sich einem Verständnis von Verletzungen annähern, sie artikulieren und auf ihre potenzielle Gewaltsamkeit befragen. Die Auseinandersetzung mit einer Verletzung beinhaltet neben dieser Frage nach Gewalt auch die Verhandlung weiterer Dimensionen der Erfahrung. Sexuelle Verletzungen können ebenso als potenziell gewaltsame Erfahrungen thematisiert werden, wie auf Ansprüche an erfüllende Sexualität und gute Beziehungen zu verweisen. Kriterien wie Konsens, Wille oder Lust, konkrete Handlungen wie Schmerzen, Schläge und Beleidigungen eignen sich nicht, um im Bereich der Sexualität theoretisch zu bestimmen, wie Personen einander verletzen können und unter welchen Umständen diese Verletzungen als Gewalt zu beurteilen sind. Über diese Fragen ist eine Aushandlung notwendig, in der Konzepte sexueller Gewalt immer wieder in Widerspruch zu den Erfahrungen Betroffener geraten und eine eindeutige Interpretation des Erlebten erschweren.

Mit einem indexikalen Gewaltbegriff erschließt sich, dass diese Kontingenz ein wesentliches Merkmal sexueller Gewalt ist, die sich empirisch in Verstrickungen mit Sexualität und andauernden Liebes-, Freundschafts-, Familienbeziehungen ereignet. Um die charakteristische Uneindeutigkeit sexueller Gewalt untersuchen zu können, beschränkt sich die Analyse nach diesem Gewaltverständnis darauf, die Gewaltdeutungen im Feld zu rekonstruieren. Dieser Fokus auf die Kontextualität von Erfahrungsbildung und Deutungsprozessen erfordert eine „radikal temporalisierte Perspektive“ (Hoebel & Koloma Beck 2019: 7): Erfahrungen von Verletzung und Gewalt müssen nicht in dieser Reihenfolge aufeinander folgen. Verletzungen können unmittelbar erlebt werden oder Jahrzehnte brauchen, um sich herauszubilden. Ob Betroffene sie als solche empfinden und wie sie sie deuten, kann sich im Lauf der Zeit immer wieder wandeln. Die Darstellung der Erfahrung im Interview ist eine Lösung für die Herausforderung, ihre Ambivalenzen verständlich zu machen, die im Kontext dieses Gesprächs funktioniert hat. Sie ist das Ergebnis der gemeinsamen Auseinandersetzung der Teilnehmerin und mir. In Aushandlungen wie diesen, die auch im Freund:innenkreis oder in politischen Kontexten geführt werden, bilden sich sexuelle Gewalt und die Grauzone in einem dynamischen Verhältnis zueinander heraus. Die Grauzone ist damit ebenso indexikal zu denken wie die Gewalt: Welche Erfahrungen ihr zuzurechnen sind und was sie auszeichnet, kann nicht theoretisch bestimmt werden. In den drei Erzählungen der Interviewteilnehmerinnen aus meinem Sample, die ich in diesem Artikel dargestellt habe, finden sich unterschiedliche Vorstellungen von Gewalt. Wie die erlittenen Verletzungen verhandelt werden und welche Aspekte als (potenziell) gewaltsam beleuchtet werden, ergibt drei sehr unterschiedliche Grauzonen. Verschiedene Anteile der Erfahrung können immer auch anders in Beziehung gesetzt werden: Unterschiedliche Aspekte rücken in Vorder- oder Hintergrund, werden ausgelassen oder neu beurteilt. Die spezifische Indexikalität sexueller Gewalt bedingt, dass der Erfahrung immer wieder eine andere Bedeutung beigemessen werden kann.

Ein indexikaler Gewaltbegriff stellt Forscher:innen vor die Herausforderung, den Verzicht auf eine eigene inhaltliche Bestimmung von Gewalt in der gesamten Untersuchung durchzuhalten. In der Auseinandersetzung mit empirischem Material begegnen ihnen Beschreibungen, die dem eigenen Verständnis nach als Gewalt markiert werden sollten (vgl. Barth et al. 2021). Die vergleichende Perspektive von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen erlaubt es, das im Material artikulierte Leid zu thematisieren, ohne über das Feld hinweg eine Deutung als Gewalt zu setzen. Der Hinweis auf die Uneindeutigkeit von Erfahrungen bedeutet mit dieser Herangehensweise keine Relativierung sexueller Gewalt. Die Indexikalität sexueller Gewalt ist nicht nur ein zentrales Merkmal dieser Gewaltform, sondern auch ihrer Gewaltsamkeit. Die Schwierigkeit, sexuelle Gewalt von gewaltfreier Sexualität zu unterscheiden und die erlebte Verletzung zu vermitteln, bedingt eine eigene Qualität des Leidens an dieser Mehrdeutigkeit. Eine Erfahrung sexueller Gewalt kann immer[18] auch als etwas anderes beschrieben werden, mit dem Betroffene Erwünschtes, Erfüllendes und Erotisches assoziieren. Diese Kontingenz der Gewalt bedingt ein Leiden am eigenen Zweifel über die richtige Deutung, an den vielen Widersprüchlichkeiten der eigenen Erfahrung oder der paradox erscheinenden Einsicht, dass ein Erlebnis, das heute als Übergriff interpretiert wird, zum Zeitpunkt des Erlebens kein Leid verursacht hat. Die Erzählungen, die ich in diesem Artikel dargestellt habe, sind geprägt von Momenten der Sprachlosigkeit und Entfremdungsgefühlen gegenüber dem früheren Selbst. Aspekte der Situation, zu denen Betroffene zugestimmt, an denen sie selbst mitgewirkt oder gegen die sie sich nicht gewehrt haben, lösen Scham- und Schuldgefühle aus. Ambivalente Momente in der Erfahrung können Betroffene sich selbst unglaubwürdig erscheinen lassen, sodass sie aus dem Abwägen und Zweifeln nicht herauskommen und der Deutungsprozess keinen Abschluss findet.

In diesem Artikel habe ich argumentiert, dass die Grauzone als indexikales Phänomen verstanden werden sollte, für dessen Untersuchung eine kontrastierende Rekonstruktion von Verletzungserfahrungen und Gewaltdeutungen aufschlussreich ist. Dieser Umgang mit der Indexikalität sexueller Gewalt ermöglicht es, auf ein empirisch bestimmtes, eigenes Verständnis von Gewalt zu verzichten, ohne die Gewaltsamkeit von Erfahrungen in der Grauzone zu relativieren. In feministischen Auseinandersetzungen mit sexueller Gewalt wird häufig die Verantwortung deutlich, die Gewaltphänomene in der Moderne aufrufen, insbesondere wenn sie politisiert werden. Implizit oder explizit erheben Autor:innen den Anspruch, sich auch als Wissenschaftler:in klar zu der Frage zu positionieren, wo von Gewalt gesprochen werden sollte. Anhand der Bedeutung der Indexikalität speziell für die „schweigsame“ sexuelle Gewalt und der Rolle des Dritten für die Identifizierung von Gewalt im Allgemeinen habe ich erläutert, weshalb ich diesem Anspruch mit meinem Zugang zum Phänomen „Grauzone“ nicht gerecht werden kann – so verständlich mir das Anliegen ist. Der Fokus auch auf Verletzungserfahrungen ermöglicht es jedoch, das Leiden Betroffener darzustellen, auch ohne diese Unterscheidung über das Feld hinweg zu treffen. In meiner Darstellung der Bearbeitung verschiedener Verletzungserfahrungen habe ich den zentralen Stellenwert konkreter Dritter – wie mir als Gesprächspartnerin im wissenschaftlichen Interview – herausgearbeitet. Die Bedeutung von Dritten illustriert, wie verhandelbar die Grenzen sexueller Gewalt und ihrer Grauzone sind. Diese Aushandlungen können nicht wissenschaftlich, sondern nur gesellschaftspolitisch geführt werden. Damit wird das Potenzial deutlich, das darin liegt, den Begriff der Grauzone analytisch zu wenden: Was zu einem Zeitpunkt im unbeleuchteten Grau liegt, kann als eine Erfahrung von Gewalt hervortreten, wenn Dritte bereit sind, zu fragen, zu hören, zu glauben und auszuhalten.

Über den Autor / die Autorin

Olga Kedenburg

Olga Kedenburg, geboren 1990 in Berlin. Studium der Soziologie in Potsdam und Frankfurt am Main. Promoviert an der Universität Potsdam zur Grauzone sexueller Gewalt. Seit 2020 Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks Villigst und assoziiertes Mitglied des Forschungsprojekts „Umstrittene Gewaltverhältnisse. Die umkämpften Grenzen verbotener, erlaubter und gebotener Gewalt in der Moderne“, gefördert von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.

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Online erschienen: 2025-02-19
Erschienen im Druck: 2025-02-28

© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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