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Religiöser Nonkonformismus als Machtinstrument

Die Makkabäer und der Islamische Staat
  • Tobias Funke EMAIL logo und Christoph Günther
Veröffentlicht/Copyright: 9. März 2015
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Zusammenfassung

Dieser Aufsatz beleuchtet Parallelen zwischen den Aufstandsbewegungen der Makkabäer des 2. Jh. v. Chr. und der Vorgänger des sog. ,Islamischen Staates‘ (IS) im zeitgenössischen Irak. In beiden Fällen ringen religiös-politische Akteure um Macht und weichen dabei nicht vor dem Einsatz von Gewalt zurück, die mit religiösen Werten legitimiert wird.

Im Sinne einer theoretischen Schärfung des Begriffs „religiöser Nonkonformismus“ werden im ersten Teil Strategien diskutiert, die von religiös-politischen Akteuren gegenüber etablierten Inhabern politischer und religiöser Macht benutzt werden. Diese dienen zur Abgrenzung vom sozialen Umfeld sowie zur Konsolidierung der eigenen Bewegung, bestimmter Normen, Werte und Ideen, und sind Artikulation eines wechselseitigen Ablehnungsverhältnisses auf Basis kultureller, religiöser und politischer Prämissen, das sich auch in gewaltvollen Auseinandersetzungen Bahn bricht.

Der zweite Teil des Aufsatzes widmet sich einer Betrachtung der Bewegungen selbst. Hierbei wird deutlich, dass eine Gegenüberstellung beider Fälle trotz des historisch großen Abstandes auf der Ebene der Positionierungen der Bewegungen in ihrem gesellschaftlich-politischen Umfeld, ihrer Selbstlegitimation als Bewahrer bestimmter Traditionen und Repräsentanten einer offenbarten Ordnung sowie in Bezug auf die Anwendung physischer Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ansprüche sinnvoll ist. Neben einer Auseinandersetzung mit äußeren Mächten gilt vor allem die Konfrontationen mit dem ,inneren Feind‘, einem Konglomerat all jener, die in den Augen der Makkabäer bzw. der Ǧihādisten die Gemeinschaft der Rechtgläubigen unterwandern und somit den „Bund mit Gott“ gefährden, als wesentliches Movens für das Handeln der Bewegungen. Die Akteure gehen so weit, dass sie sogar Gewalt gegen ihre eigenen Glaubensbrüder einsetzen, die sie durch die selektive Verwendung der Traditionen (vor allem der „heiligen Schriften“) wie auch – wenn es ihrem Ziel nützt – durch offensichtliche Änderungen dieser Traditionen legitimieren. Diese Transformation kann als Prozess kultureller Dynamik beschrieben werden, die sich in religiöser Praxis wie auch medialer Produktion erkennen lässt; somit wird religiöser Nonkonformismus als Machtinstrument einsetzbar.

Abstract

This article explores parallels between the case studies of the Maccabean uprising in the 2nd century B.C. and Jihādist battles in contemporary Iraq conducted by the predecessors of the so-called Islamic State. In both cases, religio-political actors strive for power through the use of violent acts which they legitimate on the basis of religious duty.

In a first step, theoretical considerations of strategies used by certain religio-political actors to delineate themselves from their social environment, consolidate their beliefs and strengthen their own identity, will be discussed. Being regarded as „nonconformist”, they try to fight against those in power whom they consider as culturally offensive and politically as well as religiously illegitimate.

In the second part of this article we argue that, although one might find the case studies at hand historically too far apart from each other, they are nevertheless comparable in terms of the movements’ positions in their socio-political environment, their legitimization as preservers of particular traditions, and their use of violence in order to enforce their claims. Hence, we argue that the movements’ descriptions of their battles against the powerful and all the more their confrontations with the ‘enemy within’ both legitimize their action and motivate their followers. Thus, all people that are regarded by the Maccabees or ISIS as undermining the community of „orthodox” believers and as threatening their „covenant with God” are presented as such to provoke action of a particular kind. Being so strict and even conducting acts of violence against their coreligionists has to be legitimized through the selective use of traditions (mainly the „holy scriptures”) as well as through evident changes of traditions if that serves the very purpose. We regard this transformation as a process of cultural dynamics, recognizable in religious practice and the production of media.


Hinweis

Dieser Aufsatz ist unter dem Titel „Religiös legitimierte Gewalt und das Ringen um Macht“ in veränderter Form im Jahr 2012 als Working Paper 10 in der ,Working Paper Series of the Graduate Center Humanities and Social Sciences of the Research Academy Leipzig‘ beim Leipziger Universitätsverlag erschienen.


Online erschienen: 2015-3-9
Erschienen im Druck: 2015-3-31

© 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston

Heruntergeladen am 28.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfr-2015-0009/html
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