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Geschlechterperspektiven auf Verwaltung in der bundesdeutschen Nachkriegsdemokratie
  • Bernhard Gotto EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 1. Oktober 2021
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Im Spätsommer 1951 gab es Ärger im Grenzgebiet zwischen Oberbayern und Österreich. Ein Zollbeamter verdächtigte eine Frau, Rohkaffee aus dem nahe gelegenen Bad Reichenhall über die Grenze zu schmuggeln, und forderte sie auf, ihn zum Zollamt zu begleiten. Tatsächlich hatte die Frau unverzollten Rohkaffee bei sich. Neben Zigaretten war illegal eingeführter Kaffee eines der wichtigsten Schwarzmarktgüter; sein Anteil am Gesamtverbrauch lag Schätzungen zufolge zeitweise deutlich über 60 Prozent.[1] Um das Belastungsmaterial loszuwerden, gab die Erwischte vor, austreten zu müssen, doch der Beamte ließ sie dabei nicht aus den Augen. Die Frau musste sich vor dem Beamten entblößen, was ihr Schamgefühl verletzte. Wenige Wochen nach diesem Vorfall beschwerte sie sich über den Beamten. Sie argumentierte, dass das Grundgesetz die persönliche Würde und körperlichen Freiheit aller Staatsbürger vor Übergriffen schütze, dies gelte insbesondere für Frauen. Eine so entwürdigende Behandlung habe es nicht einmal im „viel geschmähten Reich der Konzentrationslager [gegeben], aber es gibt sie in einer Republik, in der die persönlichen Freiheiten ‚garantiert‘ sind“. Nachdem der Vorsteher des Zollamts ihre Beschwerde zurückgewiesen hatte, wandte sie sich an die nächst höhere Instanz und drohte damit, an die Presse zu gehen, falls ihre Anzeige nicht weiterverfolgt werde.[2]

Diese Episode wirft ein Schlaglicht auf die bislang von der Zeitgeschichtsforschung noch kaum ausgeloteten Zusammenhänge von Geschlecht, Verwaltung und Demokratie, das stutzig macht. Zwei Jahre nachdem das Grundgesetz in Kraft getreten war, argumentierte eine selbstbewusste Bürgerin mit ihren Grundrechten, setzte ihre Widersacher durch eine NS-Analogie ins Unrecht, kannte sich offensichtlich mit dem Instanzenzug der Zollbehörden aus, ließ sich nicht durch einen abschlägigen Bescheid beirren und wagte es sogar, die Presse als Druckmittel einzusetzen. Die Protagonistin dieser Episode passt weder in das Bild einer Retraditionalisierung von Geschlechterrollen in den 1950er Jahren noch entspricht sie der Figur „unbeholfener Demokraten“, die sich wegen ihrer diktatorischen Vergangenheit die neue Ordnung im Alltag erst mühsam zu eigen machen mussten.[3] Ganz offensichtlich prangerte die Frau das Vorgehen des Zollbeamten an, um aus der Position der Beschuldigten herauszukommen und selbst in die Rolle der Anklägerin zu schlüpfen. Dafür eignete sich der Rückgriff auf die NS-Zeit bestens: Auch im Grenzgebiet zu Belgien warfen ertappte Kaffeeschmuggler den Zollbeamten „Gestapo-Methoden“ vor und beriefen sich auf die im Grundgesetz garantierten Freiheits- und Persönlichkeitsrechte.[4] Ihr Handlungs- und Argumentationsgeschick hatte sich die Frau also allem Anschein nach als Akteurin in der Grauzone der Nachkriegsökonomie angeeignet.[5] Doch ganz unabhängig von den Motiven und Überzeugungen der Protagonistin offenbart die Episode, wie stark die Geschlechterordnung, Erwartungen an eine respektvoll auftretende Staatsverwaltung und demokratische Grundprinzipien von Akteurinnen und Akteuren aufeinander bezogen werden konnten.

Dafür steht eine systematische zeitgeschichtliche Analyse noch aus. Im Jahr 2005 vermaß Sabine Mecking erstmals das Forschungsfeld öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland aus der Genderperspektive. An ihrem Befund, dass aus zeitgeschichtlicher Sicht dieses Themenfeld Tabula rasa sei, hat sich bis heute nichts geändert.[6] Die Verwaltung kommt in den wichtigsten Sammelbänden zur Geschlechtergeschichte der Nachkriegszeit in Westdeutschland praktisch nicht vor.[7] Im Unterschied zur Erforschung der NS-Diktatur führt Verwaltungsgeschichte in der Historiografie zur Bundesrepublik ein Schattendasein. Daran hat auch die neuere Behördenforschung nichts geändert, die nahezu geschlechtsblind ist.[8] Ihr Fokus auf das administrative Leitungspersonal in den ersten Nachkriegsjahrzehnten und deren NS-Vergangenheiten blendet Frauen systematisch aus und lässt die Männer als geschlechtslose Wesen erscheinen. In den Demokratisierungsnarrativen der Zeitgeschichte geht es vor allem um Protestbewegungen und zivilgesellschaftliches Engagement.[9] Verwaltung erscheint in puncto Bürgerbeteiligung eher als Bremsklotz, gegenüber Aktivistinnen und Aktivisten der Neuen Sozialen Bewegungen als Gegenspielerin, wenn nicht sogar als Widerpart von Demokratisierung schlechthin.[10]

Um sich dem Zusammenhang von Geschlecht, Verwaltung und Demokratie anzunähern, sollten die drei Begriffe zumindest grob bestimmt werden. Unter Geschlecht wird im Folgenden eine mehrfach relationale Kategorie verstanden, mit der sich Praktiken und Positionen von differenten Individuen untersuchen lassen.[11] Verwaltung meint den öffentlichen Sektor im rechtsstaatlichen, demokratischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, und zwar als institutionell ausdifferenziertes System und als Praxis, das heißt als „Tätigkeit des Staats außerhalb von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Regierung“.[12] Verwaltung ist also an den demokratischen Rechtsstaat gebunden, und sie ist sowohl eine Arena für das Herstellen und Verändern von Geschlechterarrangements als auch Akteurin in diesem Prozess. Demokratie ist der politische, kulturelle und soziale Ordnungsrahmen.

Aus einer praxeologischen Perspektive heraus soll es im Folgenden im Sinne von „doing democracy“[13] in erster Linie um Auffassungen, Aneignungen und Veränderungen dieses Rahmens gehen.[14] Demokratie ist dabei diejenige der drei Bezugsgrößen, deren Wandlungen im Zeitverlauf erklärt werden sollen. Dies zielt nicht darauf ab, den vorherrschenden Demokratisierungsnarrativen der Bundesrepublik stärker verwaltungs- und geschlechtergeschichtlich argumentierende Alternativen entgegenzusetzen. Gerade mit Blick auf neuere Befunde, die derartige Perspektiven einnehmen, ist von gegenläufigen, phasenverschobenen, ungleichmäßigen und widersprüchlichen Entwicklungen auszugehen, die nicht in einem neuen Narrativ eingeebnet werden dürfen.[15] Ein Grundansatz dabei lautet gleichwohl, dass als Indikatoren für fortschreitende Demokratisierung vor allem Geschlechtergerechtigkeit, Partizipationschancen und Pluralität gelten sollen.

Auf vertrautem Terrain bewegt sich, wer Verwaltung mit Max Weber als Exekutivinstrument begreift, mit dem der Staat seine Herrschaft im Alltag verwirklicht, rationalisiert und legitimiert.[16] Mit dieser Perspektivierung ist gender als Analysekategorie für geschlechterspezifische Machtrelationen kompatibel. Verwaltung erscheint dann als Bewahrerin von Heteronormativität und Patriarchat. In diesem Sinne führte die feministische Staats- und Bürokratiekritik ihren „case against bureaucracy“.[17] Sie zeigt, auf welche Weise Verwaltung als Institution und als Herrschaftstechnik die männliche Vormachtstellung im öffentlichen Raum stabilisiert, rechtfertigt und normalisiert. Die Geschlechtergeschichte steht in dieser Tradition widerständiger historischer Dekonstruktion patriarchalischer Machtverhältnisse.[18] In diesem Sinne lässt sich der Staatsdienst als dezidiert männliches Herrschaftsprivileg historisieren.[19] Aus einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive lässt sich fragen, inwiefern „Korpsgeist und Staatsbewusstsein“ oder die immer wieder beschworene Treue der Beamten dezidiert männlich codiert waren.[20] Biografien über Exotinnen auf dem administrativen „Männerparkett“[21] liefern Einsichten in die Mechanismen, zu denen sich erfolgreiche Frauen verhalten mussten, und in Strategien, wie sie sich gegen Geschlechterstereotype und Widerstände zur Wehr setzten.[22] Ähnliche Analyseperspektiven ergeben sich, wenn von einem queer-feministischen Blickwinkel aus erörtert wird, wie die Verwaltung die heteronormative Geschlechterordnung stabilisierte.[23]

Verwaltung als sozialer Handlungsraum war nicht nur eine traditionelle Männerdomäne, sondern auch eine Sphäre, die fernab von Partizipationsansprüchen konstruiert war: Stark ausgeprägte und fest institutionalisierte Hierarchien prägten die Verwaltungskultur,[24] das demokratische Grundrecht auf Streik gab es für Beamtinnen und Beamte nicht oder nur stark eingeschränkt, Mitbestimmungs- und Personalvertretungsrechte waren schwach ausgebildet. Insgesamt war Verwaltung daher ein Residualraum für ein patriarchalisches Herrschaftsverständnis, während in anderen Bereichen die Kritik daran wuchs. Doch es wäre zu einseitig und aus historischer Perspektive auch grundverkehrt, die Verwaltung per se als eine Zone irreversiblen demokratieresistenten Androzentrismus zu fassen.[25]

Zweifelsohne verlängerte und verfestigte die Verwaltung Geschlechterungleichheiten. Aber sie bewirkte auch das Gegenteil: Verwaltung transformierte die Geschlechterordnungen. Der öffentliche Dienst war vielfach ein Erfahrungsraum für Innovationen und Push-Faktoren wie zum Beispiel Frauenbeauftragte, die es zuerst in der Kommunalverwaltung gab.[26] Viele Frauen, die im öffentlichen Dienst tätig waren, nutzten ihre dort gesammelten Erfahrungen für ihre spätere politische Karriere.[27] Politische Wahlämter und Mandate auf unteren Ebenen waren Bewährungs- und Gewöhnungsraum zunächst für Frauen – die erste Bürgermeisterin Deutschlands war Erika Keck[28] –, später für nicht heteronormative Personen. Klaus Wowereits Laufbahn ist dafür nur das prominenteste Beispiel.[29] Genauso bedeutsam ist der öffentliche Dienst für die Implementierung von Gleichstellungsnormen und Antidiskriminierungsrichtlinien. Relevanz für die Transformation von Geschlechterordnungen und der demokratischen Kultur gleichermaßen gewannen Verwaltungsstellen schließlich durch ihre Interaktion mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren.

Dabei war insbesondere die Kommunalverwaltung für lokal agierende Gruppen aus den Neuen Sozialen Bewegungen wichtig, sowohl als Partner als auch als Gegner. Ohne die Kooperation mit kommunalen Stellen hätten viele Projekte wie Frauenhäuser oder Homosexuellentreffs nicht finanziert werden können.[30] Auch wenn derartige Initiativen scheiterten, trugen die Akteurinnen und Akteure ihre Anliegen und Forderungen über Verwaltungen in den lokalen Raum hinein und stellten Öffentlichkeit her. Noch in der Rolle des Angeklagten boten Verwaltungsstellen stellvertretend für die Frauenfeindlichkeit und Gender-Ungerechtigkeit der Gesellschaft einen Resonanzraum für Veränderungsanstöße.

Außerdem war und ist die Verwaltung eine zentrale Akteurin für Gleichstellungspolitiken. Wegen ihrer rechtlichen Bindung mussten Verwaltungen Gleichstellungsnormen und Antidiskriminierungsrichtlinien vollziehen, was den öffentlichen Dienst im Vergleich mit der Privatwirtschaft allerdings nicht automatisch zu einem weniger stark geschlechtlich segregierten Bereich machte. Dennoch konnten die Standards demokratischer Verwaltungspraxis das Aufbrechen von traditionellen Geschlechterarrangements auch begünstigen, so wie umgekehrt der Abbau traditioneller staatlicher Regulierungstätigkeit als Quelle einer zunehmenden Geschlechterungleichheit interpretiert worden ist.[31]

Schon allein wegen der großen Zahl der Beschäftigten ist der öffentliche Dienst schließlich ein wesentlicher Faktor für die Veränderung geschlechtlich strukturierter fordistischer Lebenslaufregime.[32] Früh zogen Frauen in die Amtsstuben ein und fanden dort zumeist als Schreib- und Registraturkräfte Erwerbsmöglichkeiten. Während Beamtinnen vor 1945 Ausnahmen bildeten, gelangten seit den 1950er Jahren mehr und mehr Frauen über Aufstiegskurse in untere und mittlere Laufbahnen. Dagegen öffnete sich der öffentliche Dienst verhältnismäßig spät für Teilzeitarbeit.[33] Bei diesen Wandlungsprozessen spielte die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr eine wichtige Rolle, allerdings folgten die Veränderungen nicht immer einem emanzipatorischen Leitbild.[34]

Wenn man Verwaltungsvollzug nicht primär als staatliche Herrschaftstechnik, sondern als demokratisches Verwaltungshandeln im Sinne von „doing democracy“ begreift, dann stellen sich Behörden und administrative Praktiken nicht mehr als Feld zufälliger Überschneidungen von Geschlecht und Demokratie dar. Sie lassen sich vielmehr als Aushandlungsort und -modus für die Geschlechterdemokratie begreifen.[35] Das methodische Instrumentarium der Genderforschung steht dann für zeitgeschichtliche Analysen zur Verfügung. So ließe sich analog zum von Stefan Hirschauer eingeführten Konzept „undoing gender“[36] heuristisch nach „undoing democracy“ fragen, um Prozesse der De-Demokratisierung und der Remaskulinisierung in administrativen settings miteinander in Beziehung zu setzen.

Das Zusammenspiel von Verwaltung und Geschlecht geht keinesfalls in einer stetigen Fortschrittsgeschichte auf, die ein Mehr an Geschlechtergerechtigkeit und Partizipation in der Verwaltung zu einer besseren Demokratie aufsummiert.[37] Die in jüngerer Zeit wieder zu beobachtende Retraditionalisierung von Geschlechterrollen ist dafür nur ein Beispiel, von der die Verwaltung keinesfalls ausgenommen ist.[38] Ein anderes Beispiel ist der Zusammenhang von Verwaltungsreformen und Gleichstellungspolitiken. So lässt sich etwa bezweifeln, dass der Einzug von Planungs- und Steuerungsmodellen in den 1960er Jahren im Verbund mit der elektronischen Datenverarbeitung die demokratische Qualität des Verwaltungshandelns, die Mitsprachemöglichkeiten des Personals oder gar die Geschlechtergerechtigkeit in den Ämtern und Behörden beförderte. Widersprüchlich erscheint auch die Gleichzeitigkeit, mit der in den 1990er Jahren einerseits alle Bundesländer Gleichstellungsgesetze verabschiedeten und implementierten, während das Steuerungsmodell des New Public Management zum Leitbegriff der Verwaltungsmodernisierung aufstieg, das auf privatwirtschaftliche Anreizsysteme und Organisationsformen setzte.

Betrachtet man Verwaltung als geschlechtlich segregierte Raumkonstellation, so zeigt sich selbst in den 1950er Jahren mehr als eine homosoziale Herrschaftssphäre mit einem dienstbeflissenen Apparat von Sekretärinnen. Spezifische Betätigungsfelder für Frauen beschränkten sich nicht auf scheinbar typisch weibliche Sektoren wie Bildung, Gesundheit und Soziales. Andere Bereiche wie die weibliche Kriminalpolizei[39] oder Pressereferate im öffentlichen Dienst hielten spezifische Aufstiegskanäle bereit. Aufschlussreich ist dabei, welche Tätigkeiten Beamtinnen in traditionell für Frauen besonders schwer zugänglichen Ressorts zuerst anvertraut wurden. Im bayerischen Finanzministerium war die erste Referatsleiterin nach 1945 für die Verbindung zum Parlament zuständig. Dies war nicht die einzige Schnittstelle zwischen weiblicher Agency und demokratischem Wandel: Der christsoziale Finanzminister Rudolf Eberhard überließ einen Teil seiner Wahlkreisarbeit seiner Chefsekretärin, wenn er selbst keine Zeit dafür fand.[40] Die beiden Beispiele zeigen, dass sich bemerkenswerte informelle Gestaltungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume für Frauen eröffnen konnten. Sie lassen sich außerdem als Indiz dafür lesen, dass Männer zentrale Aufgabenfelder der Vermittlung und Legitimation demokratischen Regierungshandelns eher geringschätzten und daher an Frauen delegierten.

Betrachtet man Verwaltungen als gegenderten Raum, lässt sich nach spezifischen Normen für Weiblichkeiten und Männlichkeiten, ihren Ausprägungen und ihrem Verhältnis zueinander fragen. Ein zölibatärer, zumindest jedoch kinderloser Lebensentwurf war bis in die 1960er Jahre hinein die Voraussetzung für gut ausgebildete Frauen, um eine ihren Kenntnissen und ihrem Leistungsvermögen entsprechende Verwaltungskarriere zu durchlaufen. Ein Beispiel dafür ist die erste Referentin für Frauenfragen im Bundesinnenministerium Dorothea Karsten.[41] Bei der Auswahl von Frauen für die mittleren und untergeordneten Tätigkeiten in der Verwaltung präferierten die zumeist männlichen Vorgesetzten Eigenschaften und Kriterien, die mit einem traditionellen Rollenschema kompatibel waren.[42]

Dennoch entstanden Nischen für selbstbewusste Frauen, die sich einer vorschnellen Etikettierung als unbedarfte „Amtsfräulein“ entziehen. Auch für Männlichkeiten verspricht eine differenzierende Analyse Erkenntnisfortschritte. Einiges deutet darauf hin, dass unter den leitenden Beamten in den Verwaltungen nach 1945 ein Männlichkeitstypus überlebte, der einige Charakteristika der ansonsten weithin diskreditierten heroischen Männlichkeit bewahrte, beispielsweise Opferbereitschaft, Selbstverleugnung, unbedingte Treue und Hingabe an ein höheres Ziel.[43] Aus demokratiehistorischer Perspektive stellt sich die Frage, wie sich diese Form geschlechtlichen Standesbewusstseins in die sich entwickelnde demokratische Kultur einpasste und ob männliche Identitätspolitik für das Verwaltungshandeln eine ähnlich destruktive Rolle spielte, wie Michael Kimmel und Jürgen Martschukat dies für die amerikanische Demokratie herausstellten.[44] Schließlich lässt sich mit einem intersektionalen Ansatz erfassen, wie in die Bundesrepublik zugewanderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Geschlechterrelationen in den Behörden veränderten – bis zum Paradigmenwechsel vom Gender-Mainstreaming zum Diversity Management.

Published Online: 2021-10-01
Published in Print: 2021-09-24

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Heruntergeladen am 22.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/vfzg-2021-0049/html
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