Reviewed Publication:
O’Hanlon Michael Afghanistan after Mattis. A Revised Strategy to focus on Counterterrorism and the Afghan Security Forces Washington, D.C Brookings Institution Januar 2019
Die Studie von Michael O’Hanlon von der Brookings Institution widmet sich vor dem Hintergrund des Rücktritts von US-Verteidigungsminister James Mattis der Frage, mit welcher Strategie die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Ziele in Afghanistan realistisch erreichen können. Dem Autor zufolge sei dabei eine Aufrechterhaltung der derzeitigen Truppenstärke von 14.000 US-Streitkräften zu bevorzugen, die von Präsident Trump beabsichtigte Reduzierung der amerikanischen Militärpräsenz in Afghanistan sei jedoch nicht mit einem akzeptablen Ergebnis unvereinbar.
O’Hanlon spricht sich dafür aus, dass der Fokus der US-geführten NATO-Mission in Afghanistan weder auf „Nation Building“ noch der Expansion der Territorialkontrolle der afghanischen Regierung liegen sollte. Stattdessen sei es entscheidend, die afghanischen Sicherheitskräfte widerstands- und leistungsfähiger zu machen und ihre Fähigkeit auszubauen, auch weiterhin große Städte und Hauptstraßen sichern zu können. Der Autor sieht die hohen Opferzahlen und Rekrutierungsschwierigkeiten von Polizei und Armee als eine Bedrohung für die afghanische Nation – und damit letztlich auch für die Fähigkeit der USA zur Terrorismusbekämpfung in Südasien.
Infolgedessen präsentiert die Studie einen Strategievorschlag, wie die Verluste innerhalb der Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) reduziert und ihre Rekrutierung sowie Bindung verbessert werden könne:
Das Konzept der Afghan National Army Territorial Force (ANATF) solle in den Jahren 2019–2020 maßstabsgetreu angewendet werden. Dies könne zur Anwerbung und Bindung vieler Afghanen beitragen, welche die Verteidigung ihrer Heimatgebiete bevor zögen. In Anlehnung an frühere Bemühungen sollen ANATF-Einheiten als vollwertige Armee-Mitglieder ausgebildet, ausgerüstet und überwacht werden. Sie könnten eine Größe von circa 10.000 Mann erreichen.
Die Rotations- und Ruhepolitik der afghanischen Spezialkräfte, mit den expliziten und gut geplanten Zyklen – Heimaturlaub, Ausbildung und Einsatz oder Operationen –, solle auf die reguläre Armee und Polizei übertragen werden.
Feste Kontrollpunkte der Polizei und Armee sollen auf weniger, besser verteidigte Außenposten reduziert werden. Dies würde die Gefahr eines Überraschungsangriffs der Taliban reduzieren. Mindestens ein Dutzend des Personals solle sich dabei im Umkreis – und eine schnelle Eingreiftruppe innerhalb eines angemessenen Bereichs zur Verstärkung – befinden. Die Fernerkundung mit Technologie könne darüber hinaus die Rolle der geschlossenen Kontrollpunkte teilweise ersetzen.
Die afghanische Regierung solle dabei unterstützt werden, mehr medizinische Evakuierungskapazitäten auf dem Schlachtfeld zu erhalten. Dies könne mehr verwundete Truppen am Leben erhalten. Sollten die afghanischen Streitkräfte noch nicht über die erforderliche Mobilität verfügen, könnten mit Hubschraubern ausgerüstete, private Sicherheitsunternehmen unterstützend wirken.
Beamten und Mitgliedern des afghanischen Parlaments sollen bescheidene Sicherheitsmittel zum persönlichen Schutz zur Verfügung gestellt werden, um die reguläre Polizei zu entlasten.
O’Hanlon betont in seiner Studie die Dinglichkeit dieser – wenn auch zum Teil nicht ganz neuen – Ideen für das Wohlergehen, die Leistungsfähigkeit und die Nachhaltigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte. Die im Zuge mancher Ansätze erforderliche Aufgabe der Regierungspräsenz oder Kontrolle einiger abgelegener Gebiete wäre dem Autor zufolge dabei zwar suboptimal, aber akzeptabel.
Zu Recht macht er darauf aufmerksam, dass die Erfolgsaussichten der ANATF aufgrund der Vorerfahrungen mit der Afghan Local Police (ALP) nüchtern betrachtet werden müssen. Die taktische und materielle Schwäche lokaler Sicherheitskräfte gegenüber einem meist wesentlich stärkeren Gegenüber stelle eine besondere Herausforderung für ihre Nachhaltigkeit dar. Als sinnvoll könne sich daher insbesondere der Vorschlag einer Quick Reaction Force erweisen, welche im Sinne einer „Hit and Stay“ Taktik im Umkreis fester Stützpunkte eingesetzt würde.
Es bleibt anzusprechen, dass der Autor im Rahmen der Studie zwar angepasste Sicherheitsmittel für Beamte und Parlamentsmitglieder vorschlägt, eine angemessenere Bezahlung der ANDSF jedoch unerwähnt bleibt. Letztere könnten zusätzliche Anreize für eine langfristige Bindung schaffen und die Problematik, dass sich afghanische Sicherheitskräfte teilweise aus der Bevölkerung versorgen, adressieren.
Die Studie von O’Hanlon zieht das Fazit, dass die US-amerikanischen Kernziele in Südasien durch eine Strategieverbesserung in Bezug auf die Stärkung der afghanischen Sicherheitskräfte zu geringeren Kosten und Risiken erreicht werden könnten. Ein vollständiger militärischer Sieg oder ein umfassender Aufbau des afghanischen Staates dürfte sich – wie der Autor folgerichtig hervorhebt – auch in den kommenden Jahren als schwer fassbar erweisen. Letztlich sei daher Geduld im Friedensprozess und in der Erreichung eines Ergebnisses zu den von Washington und Kabul bevorzugten Bedingungen gefordert.
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
 - Editorial
 - Editorial
 - Aufsätze
 - Zivil-militärische Stabilisierung als Handlungsfeld im internationalen Krisenmanagement – eine Bilanz
 - Peacekeeping Labor Mali: Deutschland und der MINUSMA Einsatz
 - Lehren aus deutschen Krisenengagements gibt es reichlich – aber auch Lernfortschritte?
 - Weit genug gedacht? Drei Jahre PeaceLab im Rückblick
 - Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration: Ein unzureichend genutztes Instrument der Diplomatie im Jemen
 - Ergebnisse internationaler strategischer Studie
 - Internationale Stabilisierungsoperationen und Wiederaufbauprogramme
 - Saskia Brechenmacher: Stabilizing Northeast Nigeria After Boko Haram. Washington, D.C: Carnegie Endowment for International Peace, Mai 2019
 - Anthony Cordesman: The State of Fighting in the Afghan War in the Mid of 2019. Washington, D.C.: CSIS, August 2019
 - Anthony Cordesman: Creating a real peace in Afghanistan. Washington, D.C.: CSIS: Juli 2019
 - Michael O’Hanlon: Afghanistan after Mattis. A Revised Strategy to focus on Counterterrorism and the Afghan Security Forces. Washington, D.C.: Brookings Institution, Januar 2019.
 - Seth G. Jones/Danika Newlee/Nicholas Harrington/Joseph S. Bermudez Jr.: Iran’s Threat to Saudi Critical Infrastructure: The Implications of U.S.-Iranian Escalation. Washington, D.C.: CSIS, August 2019
 - Geo-ökonomische Trends
 - Aaron Milner/Erol Yayboke (2019) (Eds.): Beyond Technology. The Fourth Industrial Revolution in the Developing World, Washington, D.C.: CSIS, Mai 2019
 - Peter E. Harrell/Elizabeth Rosenberg: Economic Dominance, Financial Technology, and the Future of U.S. Economic Coercion. Washington, D.C.: Center for a New American Security, April 2019
 - Joshua P. Meltzer/Neena Shenai: The US-China economic relationship. A comprehensive approach. Washington, D.C.: The Brookings Institution, Februar 2019
 - Beziehungen zu Russland
 - Eugene Rumer and Richard Sokolsky: Thirty Years of U.S. Policy Toward Russia: Can the Vicious Circle Be Broken? Washington, D.C.: The Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2019
 - Peter B. Zwack/Marie-Charlotte Pierre: Russian Challenges from Now into the Next Generation: A Geostrategic Primer. Washington, D.C. Institute for National Strategic Studies der National Defense University, Dezember 2018
 - Europäische Verteidigungspolitik
 - Emmanuelle Maitre: The Franco German Tandem. Bridging the Gap on Nuclear Issues. Paris: IFRI, Januar 2019
 - Élie Tenenbaum: The Strategic Role of Land Forces: A French Perspective. Paris: IFRI, Juli 2019
 - Nichtverbreitungspolitik
 - Taisuke Mibae/James L. Schoff: Diplomacy Surrounding the Korean Peninsula and the Future of US Forces in Northeast Asia. Washington, D.C.: The Atlantic Council, Juni 2019
 - Richard H. Speier/George Nacouzi/Carrie A. Lee/Richard M. Moore: Hypersonic Missile Proliferation. Hindering the Spread of a New Class of Weapons. Santa Monica, CA: RAND Corp., 2017
 - China und die Welt
 - Heribert Dieter: Chinas Verschuldung und seine Außenwirtschaftsbeziehungen. Peking exportiert ein gefährliches Modell. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2019
 - Robert O. Work/Greg Grant: Beating the Americans at their Own Game. An Offset Strategy with Chinese Characteristics. Washington, D.C.: Center for a New American Security, Juni 2019
 - Buchbesprechungen
 - Joel D. Rayburn/Frank Sobchak (Hrsg.): The U.S. Army in the Iraq War. Carlisle PA: United States Army War College Press, 2019, 2 Bände, 696 und 668 Seiten
 - Benjamin Schreer / Andrew T. H. Tan (Hrsg.): Terrorism and Insurgency in Asia: A contemporary examination of terrorist and separatist movements. 256 Seiten, Milton Park, Abingdon und New York: Routledge 2019
 - Ajey Lele: Strategic Technologies for the Military: Breaking New Frontiers. London: Sage Publ. 2019, 220 Seiten.
 - Bildnachweise
 
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 - Editorial
 - Editorial
 - Aufsätze
 - Zivil-militärische Stabilisierung als Handlungsfeld im internationalen Krisenmanagement – eine Bilanz
 - Peacekeeping Labor Mali: Deutschland und der MINUSMA Einsatz
 - Lehren aus deutschen Krisenengagements gibt es reichlich – aber auch Lernfortschritte?
 - Weit genug gedacht? Drei Jahre PeaceLab im Rückblick
 - Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration: Ein unzureichend genutztes Instrument der Diplomatie im Jemen
 - Ergebnisse internationaler strategischer Studie
 - Internationale Stabilisierungsoperationen und Wiederaufbauprogramme
 - Saskia Brechenmacher: Stabilizing Northeast Nigeria After Boko Haram. Washington, D.C: Carnegie Endowment for International Peace, Mai 2019
 - Anthony Cordesman: The State of Fighting in the Afghan War in the Mid of 2019. Washington, D.C.: CSIS, August 2019
 - Anthony Cordesman: Creating a real peace in Afghanistan. Washington, D.C.: CSIS: Juli 2019
 - Michael O’Hanlon: Afghanistan after Mattis. A Revised Strategy to focus on Counterterrorism and the Afghan Security Forces. Washington, D.C.: Brookings Institution, Januar 2019.
 - Seth G. Jones/Danika Newlee/Nicholas Harrington/Joseph S. Bermudez Jr.: Iran’s Threat to Saudi Critical Infrastructure: The Implications of U.S.-Iranian Escalation. Washington, D.C.: CSIS, August 2019
 - Geo-ökonomische Trends
 - Aaron Milner/Erol Yayboke (2019) (Eds.): Beyond Technology. The Fourth Industrial Revolution in the Developing World, Washington, D.C.: CSIS, Mai 2019
 - Peter E. Harrell/Elizabeth Rosenberg: Economic Dominance, Financial Technology, and the Future of U.S. Economic Coercion. Washington, D.C.: Center for a New American Security, April 2019
 - Joshua P. Meltzer/Neena Shenai: The US-China economic relationship. A comprehensive approach. Washington, D.C.: The Brookings Institution, Februar 2019
 - Beziehungen zu Russland
 - Eugene Rumer and Richard Sokolsky: Thirty Years of U.S. Policy Toward Russia: Can the Vicious Circle Be Broken? Washington, D.C.: The Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2019
 - Peter B. Zwack/Marie-Charlotte Pierre: Russian Challenges from Now into the Next Generation: A Geostrategic Primer. Washington, D.C. Institute for National Strategic Studies der National Defense University, Dezember 2018
 - Europäische Verteidigungspolitik
 - Emmanuelle Maitre: The Franco German Tandem. Bridging the Gap on Nuclear Issues. Paris: IFRI, Januar 2019
 - Élie Tenenbaum: The Strategic Role of Land Forces: A French Perspective. Paris: IFRI, Juli 2019
 - Nichtverbreitungspolitik
 - Taisuke Mibae/James L. Schoff: Diplomacy Surrounding the Korean Peninsula and the Future of US Forces in Northeast Asia. Washington, D.C.: The Atlantic Council, Juni 2019
 - Richard H. Speier/George Nacouzi/Carrie A. Lee/Richard M. Moore: Hypersonic Missile Proliferation. Hindering the Spread of a New Class of Weapons. Santa Monica, CA: RAND Corp., 2017
 - China und die Welt
 - Heribert Dieter: Chinas Verschuldung und seine Außenwirtschaftsbeziehungen. Peking exportiert ein gefährliches Modell. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2019
 - Robert O. Work/Greg Grant: Beating the Americans at their Own Game. An Offset Strategy with Chinese Characteristics. Washington, D.C.: Center for a New American Security, Juni 2019
 - Buchbesprechungen
 - Joel D. Rayburn/Frank Sobchak (Hrsg.): The U.S. Army in the Iraq War. Carlisle PA: United States Army War College Press, 2019, 2 Bände, 696 und 668 Seiten
 - Benjamin Schreer / Andrew T. H. Tan (Hrsg.): Terrorism and Insurgency in Asia: A contemporary examination of terrorist and separatist movements. 256 Seiten, Milton Park, Abingdon und New York: Routledge 2019
 - Ajey Lele: Strategic Technologies for the Military: Breaking New Frontiers. London: Sage Publ. 2019, 220 Seiten.
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