Reviewed Publication:
Harrell Peter E. Rosenberg Elizabeth Economic Dominance, Financial Technology, and the Future of U.S. Economic Coercion Washington, D.C Center for a New American Security April 2019
Der Bericht fragt danach, wie lange die USA und mit welcher Effektivität sie in der Lage sein werden, ihre Interessen mit internationalen wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Die Verfasser identifizieren fünf Trends, die für die Fähigkeit der USA, wirtschaftsbasierte Erzwingungsmaßnahmen durchzusetzen, entscheidend sein werden.
Der erste Trend betrifft den Übergang von einer multilateralen Sanktionswelt, in der die USA entweder Absicherung über die UNO (Nordkorea) oder über Koalitionen (Iran, Russland) suchen, zu einer unilateralen Sanktionswelt, die aggressiv wirkt und historisch eigentlich nur als letzte Option angesehen wurde. Beispiele hierfür sind die kürzlich ergänzenden Maßnahmen gegen Russland und, nach Aufkündigung des Nuklearpakts, gegen den Iran. Hinzu kommen viele kleinere Einzelsanktionen, beispielsweise gegen Venezuela, gegen in den Mord an El Kashoggi involvierte Persönlichkeiten aus Saudi-Arabien oder der Türkei. Ergänzend zu diesen primären Sanktionen sind sekundäre Sanktionen zur Abschreckung Dritter durch das extraterritoriale Durchsetzen amerikanischer Erzwingungsmaßnahmen bedeutsam, insbesondere das Sanktionieren ausländischer Unternehmen, die auf dem amerikanischen Markt tätig sind, wenn sie mit von Sanktionen betroffenen Ländern Geschäfte machen.
Der zweite Trend betrifft die zunehmende Einmischung des Kongresses in Sanktionsmechanismen, insbesondere in deren Kontrolle, so dass eine neue Spannung zwischen der Legislative und der Exekutive entstand, was auch die Verhandlungsflexibilität der Regierung unterminiert, die zunehmend unter Sanktionsprärogative gerät.
Der dritte Trend betrifft die unbeabsichtigten Folgen von Sanktionen, die zu hohen Compliance-Kosten für Unternehmen führen, die nunmehr in Sorge sind, ob sie alle Auflagen der eigenen Regierung einhalten oder möglicherweise selbst gegen Sanktionsregimes verstoßen. Die damit verbundene Bürokratie wurde ganz besonders bei den Stahl- und Aluminiumzöllen sichtbar. Auch die Folgen für die eigene Wirtschaft werden bisher zu selten bedacht, weshalb eine Effizienzanalyse und eine gesamtwirtschaftliche Evaluierung erfolgen müssten. Das beste Beispiel seien die Sanktionen gegen russische Oligarchen eines Aluminiumkonzerns, die dazu geführt haben, dass die amerikanischen Aluminiumpreise in die Höhe schnellten und daraufhin Ausnahmeregelungen greifen mussten, um die eigene Wirtschaft nicht zu beschädigen.
Der vierte Trend betrifft die zunehmende Umgehung von Sanktionen, auch dadurch, dass neue Institutionen von Sanktionsunwilligen bzw. von nicht an Sanktionen teilnehmenden Staaten geschaffen werden. Zwar verfügen die USA durch die Dominanz des Dollars und des Zahlungssystems über eine erhebliche Machtposition, diese könnte aber schnell erodieren, wenn sich andere Länder auf Parallelsysteme einigen. Daraus folgt unmittelbar, dass die USA alles tun müssen, um in den Bereichen der monetären finanzwirtschaftlichen Innovationen an führender Stelle zu bleiben.
Darauf aufbauend betrifft der fünfte Trend die Rolle der Technologien, die einerseits die Verifikation von Sanktionen, beispielsweise über Satelliten oder Drohnen, erleichtern, aber zugleich auch Umgehungsmöglichkeiten bieten und Gegenattacken provozieren: Auch hier seien deshalb wieder Innovationsvorsprünge der USA maßgeblich, um sich die Fähigkeit zu ökonomischen Erzwingungsmaßnahmen weiterhin zu erhalten.
Der Beitrag gibt ein Bündel sachlogisch sehr einleuchtender Elemente, um die Überlegenheit der USA im Bereich der internationalen Sanktionen aufrechtzuerhalten, stellt aber dabei die richtige Frage, welche Bedeutung das eigene Innovationssystem hat, um tatsächlich eine Überlegenheit bei ökonomischen Erzwingungsmaßnahmen zu gewährleisten. Dem Beitrag fehlt eine Ausformung der Betrachtung von Bündelungseffekten beim Einsatz von einzelnen Sanktionsmechanismen, wie es in der integrierten Gefechtsführung üblich ist. Denn tatsächlich handelt es sich hier um die Diskussion von Waffensystemen in einem Wirtschaftskrieg. Hier wäre es notwendig gewesen, die einzelnen staatlichen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkungen stärker zu differenzieren. So gibt es gewisse Mittel, die sich gegenseitig verstärken, aber auch andere, die sich aufheben oder möglicherweise Gegenreaktionen auslösen, auf die der Ersthandelnde dann keine Antwort hat. Das betrifft im Falle der USA nicht nur den besagten Aluminiumfall im Inland, dessen Preise dramatisch gestiegen sind, sondern auch die Zerstörung der Zivilgesellschaft bzw. von oppositionellen Gruppen in den Sanktionsländern, die dann die Einwirkung auf das Land noch schwerer als vorher machen. Genau diese Effekte paralysieren die Sanktionsbemühungen derzeit in Russland oder im Iran.
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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 - Joel D. Rayburn/Frank Sobchak (Hrsg.): The U.S. Army in the Iraq War. Carlisle PA: United States Army War College Press, 2019, 2 Bände, 696 und 668 Seiten
 - Benjamin Schreer / Andrew T. H. Tan (Hrsg.): Terrorism and Insurgency in Asia: A contemporary examination of terrorist and separatist movements. 256 Seiten, Milton Park, Abingdon und New York: Routledge 2019
 - Ajey Lele: Strategic Technologies for the Military: Breaking New Frontiers. London: Sage Publ. 2019, 220 Seiten.
 - Bildnachweise
 
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