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Veerle Nouwens: China’s 21st Century Maritime Silk Road. Implications for the UK. London: RUSI Februar 2019.

  • Josie-Marie Perkuhn EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 30. Mai 2019

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Nouwens Veerle China’s 21st Century Maritime Silk Road Implications for the UK London RUSI Februar 2019


Veerle Nouwens untersucht in dieser Strategiestudie Chinas maritimes Seidenstraßenprojekt hinsichtlich der Bedeutung für das Vereinte Königreich und thematisiert damit in vier Kapiteln Chinas nach außen gerichtete weltpolitische Agenda. Nouwens widmet sich mit der „blauen Wirtschaftspassage“ einem bisher unterbeleuchteten Teilaspekt des weltweit größten Investitionsprogramms im 21. Jahrhundert, das als Belt-Road-Initiative (BRI, vormals auch OBOR One-Belt-One-Road-Initiative genannt) bzw. Chinas Seidenstraße bekannt ist. Sie stellt einleuchtend heraus, dass der Ausbau zur See nicht nur ein nationales, sondern auch ein internationales Prestigeprojekt der chinesischen Regierung ist, in dem sich die „wahrhaft globalen“ Ambitionen durch die verstärkte Präsenz zeigen (S. 11–12).

Die Studie fragt nach den Implikationen dieser maritimen Handelsrouten für das Vereinte Königreich – auch mit Blick auf die eigene politische Entwicklung hinsichtlich des anstehenden Brexit – und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Maritime Silk Road (MSR) den britischen Interessen gegenüber widerläufig seien. So erwartet Nouwens durch eine potenziell gestiegene Einflussnahme Chinas ein erhöhtes Risiko für Großbritannien. London suche zwar engere ökonomische Bindung mit Beijing für die Zeit nach dem Brexit, aber es würde dadurch risikoanfälliger werden (S.v-vi). Eine konkrete Gefahr bestünde etwa darin, dass Beijing in Konfliktsituationen den Zugang zu Häfen verweigern könne (S. 38). Nouwens Analyse geht auch auf den Ausbau der zivilen Handelshäfen durch China ein und thematisiert deren potenzielle militärische Bedeutung. In diesem Zusammenhang schaut sie vor allem auf Zielländer der BRI, wie Ghana oder Kamerun (S. 14).

Die Autorin führt konzise in das Thema ein, skizziert kurz die wirtschaftliche Dimension der One-Belt-One-Road-Initiative (S. 3–4) und konkretisiert die Rolle der neuen Seeverbindungswege für ein globales Netzwerk, welches eine MSR bildet und die aus mehreren losen Routen bestehe. Zu diesen gibt Nouwens einen fundierten Überblick der bereits etablierten sowie geplanten Routen und stellt weitere Überlegungen zu zukünftigen Schlüsselhäfen an, durch die See und Landwege strategisch verbunden werden (S. 9–16).

Chinas Regierung plane drei Wirtschaftspassagen zu Wasser, die allesamt ihren Startpunkt im südchinesischen Fujian haben: 1) die China–Indian Ocean–Africa–Mediterranean Sea Blue Economic Passage, 2) die China-Oceania-South Pacific passage, sowie 3) die Europe-Arctic Ocean passage, die auch „Polar-Seidenstraße“ genannt wird (S. 9). Eine Karte zur globalen Reichweite der MSR (Figure 2, S. 10) und eine Übersicht zu den etablierten und geplanten Hafenanlagen (S. 13) illustrieren ihre Ausführungen.

Kernstück ist die Analyse im vierten Kapitel zu den strategischen Implikationen der maritimen Seidenstraße. Hierzu beleuchtet Nouwens in drei weiteren Unterkapiteln den wirtschaftlichen Einfluss der Hafenprojekte (S. 17–23), den politischen Einfluss Chinas durch den Routenausbau und die gesteigerte globale Präsenz (S. 23–25) sowie die Aussicht auf eine zivil-militärische Doppelnutzung der Häfen, u. a. durch die Verwendung der Übersee-Anlagen als Versorgungsknotenpunkte für die Marine der Volksbefreiungsarmee (PLA-N, S. 25–33). Auch weist Nouwens auf eine zivil-militärische Verstrickung hinsichtlich der investierenden Unternehmen hin, so ist die Schifffahrtsgesellschaft COSCO der Hauptversorger der chinesischen Marine (S. 27), was in jüngster Vergangenheit auch schon zu Protokollbrüchen geführt habe, wie z. B. in Sri Lanka (S. 28).

In vier Fallbetrachtungen zu Sri Lanka, Myanmar, Pakistan und Schweden stellt Nouwens eine Verquickung wirtschaftlicher Interessen, wie der Stärkung des chinesischen RMB zu einer Weltwährung (S. 18), mit politischen Implikationen fest. Z. B. halte die China Merchants Group (CMG) über 85 % der Hambantota International Port Group (HIPG) in Sri Lanka und erlange damit quasi operative Souveränität (S. 21–22). In Myanmar und Pakistan habe es Vorbehalte gegen Chinas Investitionsprogramm und die daran gekoppelten Auflagen gegeben, berichtet Nouwens: So soll Pakistan sich gegen die Bedingung gewehrt haben, den chinesischen RMB als Handelswährung in der Gwader Free Zone zuzulassen (S. 23).

Aus strategischer Sicht ist das zweite Augenmerk der Studie zu der möglichen militärisch-zivilen Doppelnutzung besonders interessant. Nouwens weist darauf hin, dass Hafenausbauprojekte auch zu einer verstärkten globalen militärischen Präsenz Chinas führen könne und dass die bereits realisierten Projekte entsprechend flexibel angelegt sind. Diese können schon jetzt als Versorgungs-Knotenpunkte der PLA in Übersee fungieren (S. 25–33). Sowohl die beobachteten militärischen Übungen (wie live-fire tank exercises und ammunition drills) bezeugen eine militärische Nutzung, als auch die eigene Darstellung in den chinesischen Medien, wie Nouwens anführt. So habe die staatliche Nachrichtenagentur Xinhuanet berichtet, dass der Hafenausbau der MSR mit Chinas wachsender globaler Präsenz einherginge (S. 27). Die Autorin stellt überzeugend dar, dass China zwar eine zivile Nutzung vorsieht, aber mit Blick auf veränderte Konfliktdynamiken auch eine strategische Entscheidung getroffen hat, um schnell reaktionsfähig sein zu können, sprich „die Hafenanlagen können in Krisenzeiten militarisiert werden“ (S. 27).

Die Studie endet mit vier Schlussfolgerungen: 1) die MSR sei eine globale Initiative ohne konkrete Routen und habe eine hohe Flexibilität in der Festlegung der Schlüsselhäfen; 2) die Zielhäfen greifen ineinander, um Schiffswege zu kontrollieren sowie (flexibel) umzulegen und um Chinas Außenhandel durch die Nutzung eigener Containerhäfen zu steigern; 3) diese Investitionsprogramme dienen auch der Möglichkeit einer politischen Einflussnahme und 4) die Wirtschaftshäfen der MSR stünden potentiell alle für eine zivil-militärisch Doppelnutzung bereit und fungieren möglicherweise als Vorläufer späterer Stützpunkte (S. 36–37). Insgesamt liefert Nouwens eine relevante Strategiestudie, die auf einer Quellenanalyse mit einem ausgewogenen Kontrast globaler und chinesischer Quellen basiert und mit der laufenden Berichterstattung verknüpft.

https://rusi.org/sites/default/files/20190214_nouwens_maritime_silk_road_web.pdf

Published Online: 2019-05-30
Published in Print: 2019-05-27

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Quo Vadis?
  6. Das strategische Langfrist-Problem der NATO
  7. Military Non-State Actors in Syrien und im Irak – Eine Bestandsaufnahme
  8. Was will Russland mit den vielen Mittelstreckenwaffen?
  9. Analysen und Berichte
  10. Der INF-Vertrag – eine (fast) postmortale Betrachtung
  11. Bedrohungen Israels an seiner Nordgrenze
  12. Alte Bedrohungen in neuem Gewand: die maritime Bedrohung durch die Huthi-Rebellen im Roten Meer
  13. Reaktionen des Iran auf die Aufkündigung des JCPOA durch die USA
  14. Analysen und Berichte
  15. Was bedeutet „strategische Autonomie Europas“?
  16. Ergebnisse strategischer Studien
  17. China als militärische Herausforderung
  18. Defense Intelligence Agency: China Military Power. Modernizing a Force to Fight and Win. Washington DC: DIA, 2019.
  19. Derek Grossman/Nathan Beauchamp-Mustafaga/Logan Ma/Michael S. Chase: China’s Long Range Bomber Flights. Drivers and Implications. Santa Monica: RAND Corp. 2018
  20. Edmund J. Burke/Timothy R. Heath/Jeffrey W. Hornung/Logan Ma/Lyle J. Morris/Michael S. Chase: China’s Military Activities in the East China Sea. Santa Monica: RAND Corp. 2018
  21. Ashley Townshend/David Santoro/Brendan Thomas-Noone: Revisiting Deterrence in an Era of Strategic Competition. Sydney: United States Studies Centre at the University of Sydney, Februar 2019.
  22. Elsa B. Kania: Battlefield Singularity: Artificial Intelligence, Military Revolution, and China’s Future Military Power. Washington D.C.: Center for New American Security, November 2017.
  23. China als politische Herausforderung
  24. Veerle Nouwens: China’s 21st Century Maritime Silk Road. Implications for the UK. London: RUSI Februar 2019.
  25. Charles Parton: China-UK Relations, Where to Draw the Border Between Influence and Interference? London: RUSI Occasional Paper, Februar 2019
  26. Luba von Hauff: Chinas Seidenstraßeninitiative und die EU. München: Hanns Seidel Stiftung 2018
  27. Andrew Scobell/Bonny Lin/Howard J. Shatz/Michael Johnson/Larry Hanauer/Michael S. Chase/Astrid Stuth Cevallos/Ivan W. Rasmussen/Arthur Chan/Aaron Strong/Eric Warner/Logan Ma: At the Dawn of Belt and Road. China in the Developing World. Santa Monica: RAND Corp. 2018
  28. Europäische Sicherheit und die Rolle der NATO
  29. Alexander Vershbow/Philip M. Breedlove: Permanent Deterrence. Enhancements to the US Military Presence in North Central Europe. Washington, D.C.: Atlantic Council, Scowcroft Center for Strategy and Security, Februar 2019.
  30. Douglas Lute/Nicholas Burns: NATO at Seventy. An Alliance in Crisis. Cambridge, Mass.: Harvard University, Kennedy School, Belfer Center for Science and International Affairs, Februar 2019
  31. Raphael S. Cohen/Andrew Radin: Russia’s Hostile Measures in Europe. Understanding the Threat. Santa Monica: RAND Corporation 2019.
  32. Paul Stronski/Annie Himes: Russia`s Game in the Balkans. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 2019.
  33. John Herbst: Beyond Borderlands: Ensuring the Sovereignty of All Nations of Eastern Europe. Washington, D.C.: Atlantic Council, November 2018.
  34. Modernisierung strategischer Kernwaffen und strategische Rüstungskontrolle
  35. Bulletin of the Atomic Scientists: Spotlight on Nuclear Modernization, Jg.75, Nr.1, Januar 2019.
  36. Buchbesprechungen
  37. Roger E. Kanet (Hrsg.): The Russian Challenge to the European Security Environment. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2017
  38. Kerry Brown: Die Welt des Xi Jinping. Frankfurt a.M.: S. Fischer Verlag 2018
  39. Virginie Grzelczyk: North Korea’s New Diplomacy. Challenging Political Isolation in the 21st Century. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2018
  40. Jeffrey Lewis: The 2020 Commission Report on the North Korean Nuclear Attacks. Boston & New York: Mifflin Harcourt 2018
  41. Bildnachweise
Heruntergeladen am 21.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2019-2016/html?lang=de
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