Reviewed Publication:
Grossman Derek Beauchamp-Mustafaga Nathan Ma Logan Chase Michael S. China’s Long Range Bomber Flights. Drivers and Implications Santa Monica RAND Corp. 2018
Seit März 2015 sendet die chinesische Luftwaffe strategische Bomber des Typs Xian H-6K auf Langstrecken Patrouillenflüge – insgesamt 38 dieser Flüge sind dokumentiert. Diese Flüge finden in der Regel über internationalen Gewässern statt, sie zielen zumeist auf strategisch wichtige Gebiete ab. Die Bombenflugzeuge haben die Erste Linie der China umgebenden Insel passiert, haben die Südchinesische See und das Ostchinesische Meer überflogen und sich dabei Japan und Taiwan genähert. Die Verfasser der Studie beschreiben die Flüge und legen vier Erklärungsansätze vor.
Ein wesentlicher Grund für die Flüge sei, dass China dadurch eine Botschaft der militärischen Entschlossenheit in der Region verbreiten will. Dadurch sollen die maritimen Territorialansprüche Chinas in der Region untermauert werden, sei es in der südchinesischen See oder im Ostchinesischen Meer.
Zum Zweiten ermöglichen diese langen Flüge den Piloten und ihren Mannschaften verbesserte Trainingsmöglichkeiten unter erschwerten, aber realitätsnahen Bedingungen. Dadurch können Sie in Gebieten trainieren, von wo aus sie luftgestützte Marschflugkörper gegen US Ziele in der Region starten würden.
Drittens sind die Flüge ein Instrument um innenpolitisch Entschlossenheit und Überlegenheit zu demonstrieren. Mit ihnen kann der chinesische Präsident Xi Jinping seine Vision des chinesischen Traums einer Militärmacht von Weltklasse demonstrieren.
Viertens steht die Einschüchterung Taiwans im Mittelpunkt. Die Verfasser betonen, wie oft die Strategischen Bomber um die Insel herumgeflogen sind. Ziel sei es gewesen mit militärischen Mitteln politischen Druck auf die Regierung in Taiwan auszuüben.
Die Studie befasst sich mit den unterschiedlichen Reaktionen in der Region auf die Flüge der strategischen Bomber. Während Japan die Flüge regelmäßig abfängt und registriert, halte sich Taiwan deutlich zurück. In Japan werde die Zunahme der Flüge als Teil einer chinesischen Zermürbungstaktik angesehen, mit deren Hilfe China seine Ansprüche auf die Senkaku Inseln unterstreichen wolle. In Taiwan sieht man ebenso wie in Japan die Flüge auch als Zeichen einer zunehmenden Aggressivität und Risikobereitschaft der Führung in Beijing.
Ein weiteres Kapitel der Studie befasst sich mit der Frage, wie China mit derartigen Patrouillenflügen über internationalen Gewässern in der Zukunft verfahren wird, insbesondere wenn eine neue Generation von strategischen Bombern eingeführt worden ist. Ab 2020 wird erwartet, dass die neuen strategischen Bomberflugzeuge des Typs H-20 fliegen werden, die Reichweiten von bis zu 10.000 km haben und daher weitaus größere Strecken zurücklegen können. Diese werden dann amerikanische Einrichtungen hinter der zweiten Inselkette bedrohen können, einschließlich Guam und Hawaii. Zudem ist davon auszugehen, dass diese strategischen Bomber weitreichende Marschflugkörper tragen werden, die zusätzliche Angriffsoptionen erlauben. Zusammen mit weiteren Modernisierungsvorhaben der chinesischen Luftwaffe erwarten die Verfasser der Studie eine deutliche Verbesserung der chinesischen Fähigkeiten zur Machtprojektion im indo-pazifischen Raum.
Die Studie ordnet die Aktivitäten der strategischen Bomberflotte für die nuklearstrategische Balance ein. Die Verfasser gehen davon aus, dass die VR China dabei ist, eine komplette Triade an nuklearstrategischen Angriffskräften aufzubauen, die aus landgestützten und U-Bootgestützten Interkontinentalraketen und Mittelstreckenraketen sowie aus der strategischen Bomberflotte besteht. Vor allem die Mittelstreckenraketen und die strategischen Bomber hätten ein erhebliches Potenzial die bestehenden Allianzbeziehungen der USA in der Region unter Druck zu setzen.
Die Verfasser der Studie weisen außerdem auf die Gefahren hin, die sich im Zuge von Abfangmanövern anderer Staaten der Region ergeben könnten, etwa wenn es zu gefährlichen Nahbegegnungen kommt. Sie schlagen vor, bestehende Regelwerke anzuwenden bzw. auszuweiten, die Luftzwischenfälle vermeiden oder entschärfen sollen. Auch setzt sich die Studie mit der Frage auseinander, wie die USA auf die zunehmenden Patrouillenflüge chinesischer strategischer Bomber reagieren sollen. Eine Antwort wäre diese zu ignorieren, weil sie weitgehend über internationalen Gewässern stattfinden und auch die USA sich das Recht herausnehmen, strategische Bomber über internationale Gewässer fliegen zu lassen. Die Verfasser halten das für keine gute Idee, denn in erster Linie sei es Ziel dieser Flüge, die Allianzbeziehungen der USA zu ihren Partnern in der Region zu unterminieren und eine Drohkulisse gegenüber all jenen aufzubauen, die sich dem chinesischen Vormachtstreben widersetzen. Von daher wird eine aktive Politik der USA gefordert, ansonsten würden die Allianzbeziehungen tatsächlich gefährdet und würde die militärische Risikobereitschaft der Chinesen steigen. Konkrete Vorstellungen über die Natur einer aktiven amerikanischen Politik werden aber nicht ausgebreitet.
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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- Bulletin of the Atomic Scientists: Spotlight on Nuclear Modernization, Jg.75, Nr.1, Januar 2019.
- Buchbesprechungen
- Roger E. Kanet (Hrsg.): The Russian Challenge to the European Security Environment. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2017
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- Virginie Grzelczyk: North Korea’s New Diplomacy. Challenging Political Isolation in the 21st Century. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2018
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- Bildnachweise
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