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Veränderung von Membranlipiden schützt vor neuronaler Insulinresistenz in Alzheimer-Modellen

  • Viola Nordström

    Dr. Viola Nordström (geb. 1981) studierte Biologie an der Universität Göttingen sowie an der Universität Lund in Schweden und promovierte 2010 am DKFZ in Heidelberg. Seit 2010 arbeitet sie als Wissenschaftlerin und seit 2012 als Projektgruppenleiterin in der Abteilung für Zelluläre und Molekulare Pathologie am DKFZ Heidelberg (Prof. Dr. H. J. Gröne). Seit 2013 ist ihre Arbeitsgruppe assoziiert mit dem Interdisziplinären Zentrum für Neurowissenschaften (IZN) der Universität Heidelberg. Im Jahr 2015 erhielt sie den Erwin-Niehaus-Preis der Erwin-Niehaus-Stiftung und der Alzheimer Forschung Initiative e. V. für ihr Alzheimer-Forschungsprojekt.

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    and Silke Herzer

    Dr. Silke Herzer (geb. 1982) studierte Biologie an der Universität Heidelberg und am Karolinska Institut in Stockholm/Schweden (Prof. Björn Meister) und promovierte 2016 am DKFZ in Heidelberg. Seit 2016 arbeitet sie als Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Dr. Viola Nordström, die in der Abteilung für Zelluläre und Molekulare Pathologie (Prof. Dr. H. J. Gröne) am DKFZ Heidelberg lokalisiert ist.

Published/Copyright: November 23, 2017
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Zusammenfassung

Morbus Alzheimer ist eine degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, welche durch ein progressives Absterben von Nervenzellen und Synapsen zu schweren Gedächtnis- und Orientierungsstörungen führt. Lösliche β-Amyloid-Oligomere sind eine hoch neurotoxische Vorstufe der bei Alzheimer gebildeten β-Amyloid-Fibrillen. Die Bindung dieser β-Amyloid-Oligomere an synaptische Insulinrezeptoren führt zu einer neuronalen Insulinresistenz und trägt entscheidend zur Verschlechterung der kognitiven Leistung bei.

Insulinrezeptoren befinden sich in der Zellmembran. Diese besteht aus einer Lipiddoppelschicht und weist eine hohe Konzentration von glykosylierten Lipiden, sogenannten Gangliosiden, auf. Ganglioside steuern die Aktivität von Insulinrezeptoren durch dynamische molekulare Interaktionen und begünstigen die durch β-Amyloid-Oligomere ausgelöste Insulinresistenz. Somit kann eine Hemmung der Gangliosidbiosynthese Nervenzellen vor den schädlichen Wirkungen der β-Amyloid-Oligomere schützen.

Morbus Alzheimer

Bei Morbus Alzheimer, erstmalig von Alois Alzheimer 1906 beschrieben, lassen sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten zwei Veränderungen feststellen; senile Plaques bestehend aus Ablagerungen von β-Amyloid (Aβ)-Eiweiß außerhalb der Nervenzelle sowie Neurofibrillenbündel, bestehend aus einer Ansammlung von hyperphosphoryliertem Tau-Protein innerhalb der Nervenzelle (Alzheimer, 1907).

Die charakteristischen Amyloid-Plaques entstehen durch Anhäufung und Verklumpung großer Mengen Aβ. Aβ entsteht aus dem Amyloid-Vorläuferprotein (APP). APP ist ein integrales Membranprotein, welches ubiquitär im Körper gebildet wird (Slunt et al., 1994). An der Zelloberfläche wird APP von zwei membranständigen Enzymen, der β-Sekretase und anschließend der γ-Sekretase (Preseniline-1/-2) zerschnitten und es kommt zur Freisetzung des Aβ. Diese Aβ-Fragmente können in ihrer Länge zwischen 35 und 42 Aminosäuren variieren. Im gesunden Organismus wird Aβ nur in geringen Mengen hergestellt und auch sehr schnell wieder vom Körper abgebaut. Bei der Alzheimer – Krankheit besteht jedoch ein Ungleichgewicht. Die Aβ-Produktion wird nicht mehr adäquat reguliert und es kommt insbesondere zu einem Überschuss von Aβ40 und Aβ42 im Gehirn. Diese Aβ-Spezies bilden fibrilläre Aggregate (Aβ-Fibrillen), welche verklumpen und sich im extrazellulären Raum zu Aβ-Plaques zusammenlagern (Simons et al., 1996). Therapieansätze, die dem Abbau dieser Plaques dienen sollten, konnten jedoch die Symptome der Erkrankung nicht vermindern (Head et al., 2008). Mehrere Studien belegten zudem, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Plaques und den Symptomen der Krankheit gibt (Bennett, 2006; Katzman et al., 1988). Diese zunächst paradox anmutende Erkenntnis konnte jedoch mithilfe neuerer Studien erklärt werden. Diese weisen darauf hin, dass kleine lösliche Aggregate des Aβ-Peptids, sogenannte Aβ-Oligomere, neurotoxische Eigenschaften besitzen und damit ursächlicher Auslöser der Symptome von Morbus Alzheimer sein könnten. Aβ-Oligomere sind eine Vorstufe der Aβ-Fibrillen. Sie umfassen lösliche Aβ-Aggregate verschiedener Größen und werden auch unter dem Begriff der ADDLs (Amyloid beta-Derived Diffusible Ligands (Lambert et al., 1998)) zusammengefast. ADDLs docken an synaptische Verbindungen an und stören dort die Kommunikation zwischen den Neuronen, was zu synaptischen Ausfällen und dadurch zum Untergang der Neurone führt.

In den häufigsten Fällen ist die Ursache für die Erkrankung an Alzheimer nicht bekannt. Diese Fälle werden unter dem Synonym der sporadischen Alzheimer zusammengefasst. Mit zunehmendem Alter erhöht sich das Risiko, an sporadischer Alzheimer zu erkranken. Ebenso gelten Umweltfaktoren, ein ungesunder Lebensstil und bestimmte Vorerkrankungen, wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 2, als mögliche Risikofaktoren. Ein kleiner Prozentsatz (< 1%) aller Alzheimer-Fälle lässt sich auf genetische Faktoren zurückführen, die eine familiäre Häufung aufweisen und auch schon in jüngeren Jahren (< 50 Jahre) auftreten können. Sie werden als familiäre Alzheimer-Erkrankung (familial Alzheimer’s Disease (FAD)) bezeichnet und durch Mutationen im APP-Gen oder dem Gen für Präsenilin-1/-2 verursacht. Diese FAD – Mutation macht man sich bei der Generierung von Alzheimer-Mausmodellen zu nutze. Sogenannte 5xFAD – Mäuse tragen sowohl drei verschieden humane Mutationen im APP-Gen als auch zwei weitere im Presenilin-1-Gen. In diesen Mäusen ist eine Bildung der Aβ-Plaques schon nach acht Wochen nachzuweisen und erste kognitive Einschränkungen lassen sich nach neun Monaten feststellen (Oakley et al., 2006).

Der neuronale Insulinrezeptor

Das Peptidhormon Insulin spielt eine wichtige Rolle in der Regulation des Blutzuckerspiegels. Es wird von der Bauchspeicheldrüse ins Blut sezerniert und gelangt somit in den gesamten Körper. Dort bindet es an Insulinrezeptoren (IR) in der äußeren Lipidmembran der Körperzellen. Durch die Insulinbindung kommt es zu einer Autophosphorylierung und hierdurch zu einer strukturellen Veränderung des IR. In seiner nun aktiven Form kann der IR intrazelluläre Adapterproteine binden, welche im Zellinneren Signalkaskaden aktivieren (Abb. 1). Diese Signale veranlassen die Translokation von Glukose-Transportern (GLUT4) in die Zellmembran, wodurch die Zelle in der Lage ist, Glukose aus dem Blut aufzunehmen und zur Energiegewinnung zu nutzen. Große Mengen an IR sind hauptsächlich in Muskel- und Leberzellen und im Fettgewebe zu finden.

Seit einiger Zeit weiß man jedoch auch, dass IR in vielen Bereichen des Gehirns gebildet werden. Die höchsten Mengen konnten im Hypothalamus, Hippocampus, frontalen Kortex und dem Bulbus Olfaktorius nachgewiesen werden (Marks und Eastman, 1990). Ein Großteil der IR ist an den synaptischen Endigungen von Neuronen lokalisiert (Schwartz et al., 1992). Im Unterschied zum peripheren IR weist der neuronale IR ein geringeres Molekulargewicht auf. Ferner wird seine Menge auf der Zelloberfläche durch erhöhte Insulinkonzentrationen nicht herabgesetzt (Heidenreich et al., 1983). Eine der ersten physiologischen Funktionen, die für den neuronalen IR im Hypothalamus gezeigt werden konnte, ist die Kontrolle und Regulation des Energiehaushaltes im Körper. Dazu bindet das aus der Peripherie stammende Insulin an IR – spezifischer Neuronenpopulationen im Hypothalamus. Dort verändert es die Aktivität und Feuerrate der Neurone, was im Zusammenspiel mit dem Adipokin Leptin einen direkten Einfluss auf das Essverhalten und den Energieverbrauch des Organismus hat.

Zusätzlich zu der Beeinflussung des Energiestoffwechsels konnten dem Insulin auch neurotrophe Funktionen nachgewiesen werden. Mehrere Studien konnten zeigen, dass die Stimulation von IR-Signalkaskaden einen wichtigen Einfluss auf das Überleben neuronaler Zellen sowie auf das Auswachsen von Neuriten und die Synapsenbildung hat (Chiu und Cline, 2010; Wozniak et al., 1993). Im Speziellen konnte der Einfluss der insulinabhängigen Signaltransduktion auf kognitive Prozesse und Gedächtnisbildung im Hippocampus und präfrontalen Kortex gezeigt werden. Beide Bereiche bilden große Mengen an IR und weisen eine hohe synaptische Plastizität auf. Studien an Ratten zeigten, dass die Inaktivierung der neuronalen IR durch interzerebroventrikuläre Injektion von Streptozotozin zu einer Beeinträchtigung des Lernverhaltens und des Erinnerungsvermögens der Versuchstiere führten (Zhao und Alkon, 2001). In diesem Zusammenhang fand man ebenfalls eine Verringerung der Synaptogenese im Hippocampus (Biessels et al., 1996; Lannert und Hoyer, 1998). Umgekehrt erhöhte sich in Ratten die Expression der IR im Hippocampus, nachdem ihre kognitive Fähigkeiten trainiert wurden.

Wie in der Abb. 1 zu sehen ist, führt die Stimulation der IR zur Aktivierung sowohl des MAP-Kinase//ERK1,2-Signalweges als auch des AKT-Signalweges. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass der MAP-Kinase//ERK1,2-Signalweg die synaptische Aktivität und die neuronale Verknüpfung unabhängig vom Glukosestoffwechsel fördert. Diese Erkenntnisse rücken den neuronalen IR in den Fokus der Forschung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dem Verlust der kognitiven Fähigkeiten bei neurodegenerativen Erkrankungen entgegenzuwirken.

Abb. 1:  Insulinrezeptor-Signaltransduktion. Durch Bindung von Insulin an den IR kommt es zur Autophosphorylierung an verschiedenen Tyrosinresten. Dort können anschließend die Adaptermoleküle Insulin Receptor Substrate-1 (IRS-1) und IRS-2 binden, welche hierdurch aktiviert werden. Abhängig von den Adaptermolekülen können zwei verschiedene Signalkaskaden aktiviert werden: a) Bei der Akt-Kaskade wird durch Interaktion mit IRS-1 die regulatorische Untereinheit der PI-3-Kinase (p85) aktiviert. Diese wiederum katalysiert in der Zellmembran die Generierung von phosphatidylinositol-3,4,5-triphospate  (PIP3). PIP3 aktiviert die Kinase PDK, welche ihrerseits Akt (protein kinase B) phosphoryliert und aktiviert. Dies reguliert Prozesse wie Glukoseaufnahme sowie Protein-und Lipidsynthese. b) Bei der zweiten Signalkaskade, wird über IRS-1/-2 das Adapterprotein Grb-2 und anschließend mSOS rekrutiert. Dieser Komplex aktiviert die GTPase Ras, wodurch über weitere Kinasen (Raf-1, MEK 1/2) am Ende die MAP-Kinase ERK 1/2 aktiviert wird. Über diesen Signalweg können Wachstum, Differenzierungsprozesse und die Viabilität der Zelle beeinflusst werden (Abb. 1 modifiziert aus Herzer et al., 2016).
Abb. 1:

Insulinrezeptor-Signaltransduktion. Durch Bindung von Insulin an den IR kommt es zur Autophosphorylierung an verschiedenen Tyrosinresten. Dort können anschließend die Adaptermoleküle Insulin Receptor Substrate-1 (IRS-1) und IRS-2 binden, welche hierdurch aktiviert werden. Abhängig von den Adaptermolekülen können zwei verschiedene Signalkaskaden aktiviert werden: a) Bei der Akt-Kaskade wird durch Interaktion mit IRS-1 die regulatorische Untereinheit der PI-3-Kinase (p85) aktiviert. Diese wiederum katalysiert in der Zellmembran die Generierung von phosphatidylinositol-3,4,5-triphospate (PIP3). PIP3 aktiviert die Kinase PDK, welche ihrerseits Akt (protein kinase B) phosphoryliert und aktiviert. Dies reguliert Prozesse wie Glukoseaufnahme sowie Protein-und Lipidsynthese. b) Bei der zweiten Signalkaskade, wird über IRS-1/-2 das Adapterprotein Grb-2 und anschließend mSOS rekrutiert. Dieser Komplex aktiviert die GTPase Ras, wodurch über weitere Kinasen (Raf-1, MEK 1/2) am Ende die MAP-Kinase ERK 1/2 aktiviert wird. Über diesen Signalweg können Wachstum, Differenzierungsprozesse und die Viabilität der Zelle beeinflusst werden (Abb. 1 modifiziert aus Herzer et al., 2016).

Alzheimer, Neuroinflammation, und neuronale Insulinresistenz

In den vergangenen Jahren sind verschiedene Hypothesen zur Ätiologie und zum Verlauf der sporadischen Alzheimer-Krankheit aufgestellt worden. In diesem Review soll insbesondere auf den Zusammenhang zwischen neuronaler Insulinresistenz und Morbus Alzheimer eingegangen werden.

Adipositas und Diabetes mellitus Typ II stehen im Verdacht, das Risiko für eine spätere Alzheimer-Erkrankung zu erhöhen (Walker und Harrison, 2015). Im Jahr 2012 wurde gezeigt, dass Adipositas und fettreiche Ernährung zu entzündlichen Reaktionen im Gehirn, der sogenannten Neuroinflammation, führt (Thaler et al., 2012). Neuroinflammation zeigt sich sowohl in einer morphologischen Veränderung der Gliazellen (Astrogliose und Mikrogliose) als auch in einer Erhöhung von Entzündungsmarkern (z. B. TNF-α and IL-1β). Die 2013 begründete „Inflammation hypothesis of Alzheimer’s disease“ besagt, dass neuroinflammatorische Vorgänge im Gehirn krankhafte Veränderungen der Alzheimer-Krankheit begünstigen (Krstic und Knuesel, 2013). Beispielsweise werden Mikroglia in ihrer physiologischen Funktion gehemmt, Abfallstoffe (z. B. fehlgefaltete oder unzureichend degradierte Proteine) zu beseitigen. Dies führt zu einer Destabilisierung der Synapsen. Neuroinflammation begünstigt ebenfalls die Bildung der neurotoxischen ADDLs im Gehirn. Diese binden an synaptische Transmembranrezeptoren und blockieren deren normale Aktivität. Zudem verursachen ADDLs eine Reduktion der IR an der Nervenzelloberfläche (De Felice et al., 2009). Ein entsprechender Verlust der Insulinsignale führt neben Störungen des Glukosestoffwechsels auch zu Funktionsbeeinträchtigungen der Synapsen und trägt entscheidend zur Degeneration der betroffenen Neurone bei.

Tatsächlich wurden eine verminderte insulinabhängige Signaltransduktion und geringere Mengen an IR in Gehirnen von Alzheimer-Patienten nachgewiesen (Steen et al., 2005). Der Versuch, diesen Verlust durch intranasale Insulinapplikation bei Alzheimer-Patienten auszugleichen, zeigte in der Tat Verbesserungen im Kurzzeitgedächtnis (Reger et al., 2006), die jedoch nicht über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden konnten. Dies könnte auf die verminderte Insulinsensitivität alzheimerbetroffenen Neurone zurückgeführt werden.

Die Lipidzusammensetzung der Nervenzellmembranen beeinflusst neben allgemeinen Vorgängen wie der APP-Prozessierung (Clement et al., 2010) auch die Aktivität und Sensitivität von IR (Herzer et al., 2015; Kabayama et al., 2007). Daher haben wir einen neuartigen Forschungsansatz entwickelt, bei dem eine veränderte Lipidzusammensetzung und eine damit einhergehende Erhöhung der Insulinsensitivität die Nervenzellen in verschiedenen Alzheimer-Modellen schützt.

Membranlipide modulieren Nervenzellrezeptoren

Ein bedeutender Teil der Signaltransduktion geht von Transmembranrezeptoren aus, welche die Zellmembran durchspannen. Krankhafte Veränderungen von Transmembranproteinen, wie beispielsweise irreversible Proteinmodifikationen als Konsequenz eines erhöhten oxidativen Stresses, tragen zum Sterben der Nervenzellen bei neurodegenerativen Erkrankungen bei (Hajieva et al., 2015). Neben prominenten Lipiden (Phospholipide, Cholesterin) befinden sich in der Zellmembran auch sogenannte Glykosphingolipide. Diese besitzen zusätzlich zu ihrem hydrophoben Membrananker eine variable hydrophile Kopfgruppe aus Kohlenhydratresten. Zu den Glykosphingolipiden gehören auch die speziell im Nervensystem gehäuft vorkommenden Ganglioside, die sich im äußeren Teil der Lipiddoppelschicht befinden (Abb. 2, Exkurs 1). Diese spielen eine essenzielle Rolle in der postnatalen Entwicklung des Gehirns (Jennemann et al., 2005) und modulieren die Aktivität von Transmembranrezeptoren in adulten Neuronen (Nordström et al., 2013).

In Zellmembranen gibt es sogenannte Lipid-Mikrodomänen (Abb. 2). Diese zeichnen sich durch eine hohe Dichte an Sphingolipiden und Cholesterin, aber auch an spezifischen Proteinen wie Caveolin-1 und Transmembranrezeptoren, aus. Innerhalb dieser dynamischen Nanostrukturen finden wichtige Membranprozesse, wie Signaltransduktion, Endo- und Exozytose, statt (Inokuchi, 2010). Ganglioside sind an der Bildung dieser Mikrodomänen beteiligt (Abb. 2). Wir konnten nachweisen, dass Ganglioside die Aktivität und Sensitivität von neuronalen Transmembranrezeptoren durch dynamische molekulare Interaktionen modulieren. In den folgenden Abschnitten beschreiben wir, wie Veränderungen der Gangliosidbiosynthese in Neuronen deren Insulinsensitivität sowie den Krankheitsverlauf in einem Alzheimer-Mausmodell beeinflussen.

Abb. 2:  Schematische Darstellung der neuronalen Zellmembran. Die Zellmembran besteht aus einer Lipiddoppelschicht. Ihre Hauptbestandteile sind Phospholipide und Cholesterin. Spezielle glykosylierte Lipide, die sogenannten Ganglioside, befinden sich im äußeren Teil der Lipiddoppelschicht. Dort sind sie an der Bildung sogenannter dynamischer Lipid-Mikrodomänen beteiligt, welche sich durch einen hohen Anteil an Gangliosiden sowie Cholesterin auszeichnen. Wichtige zelluläre Prozesse, wie beispielsweise Signaltransduktion von Transmembranrezeptoren, finden bevorzugt in Lipid-Mikrodomänen statt.
Abb. 2:

Schematische Darstellung der neuronalen Zellmembran. Die Zellmembran besteht aus einer Lipiddoppelschicht. Ihre Hauptbestandteile sind Phospholipide und Cholesterin. Spezielle glykosylierte Lipide, die sogenannten Ganglioside, befinden sich im äußeren Teil der Lipiddoppelschicht. Dort sind sie an der Bildung sogenannter dynamischer Lipid-Mikrodomänen beteiligt, welche sich durch einen hohen Anteil an Gangliosiden sowie Cholesterin auszeichnen. Wichtige zelluläre Prozesse, wie beispielsweise Signaltransduktion von Transmembranrezeptoren, finden bevorzugt in Lipid-Mikrodomänen statt.

Hemmung der Gangliosidbiosynthese erhöht die Insulinsensitivität hippocampaler Neurone

Bereits vor einigen Jahren fand man heraus, dass das Gangliosid GM3 in weißen Fettzellen als natürlicher Hemmstoff der IR fungiert (Kabayama et al., 2007). Entsprechend konnten Fettleber und erhöhte Blutzuckerwerte in adipösen Mäusen erfolgreich durch Hemmung der Gangliosidbiosynthese behandelt werden (Zhao et al., 2009). Im Gegensatz zu Leber- und Fettzellen synthetisieren Neurone jedoch vorwiegend komplexe Ganglioside. Da individuelle Gangliosid-Spezies nicht redundant sind und Rezeptoren auf verschiedene Art regulieren können, musste zunächst untersucht werden, ob eine Verringerung der Ganglioside die Insulinsensitivität von Neuronen erhöhen und diese somit vor der schädlichen Wirkung der ADDLs schützen kann.

In unserer Studie haben wir das Schlüsselenzym der Gangliosidbiosynthese, die Glukosylceramidsynthase (GCS), mithilfe des pharmakologischen Hemmstoffes GENZ-123346 (GENZ) (Richards et al., 2012) in kultivierten hippocampalen Neuronen gehemmt (Abb. 3a). In der Tat zeigt sich eine verstärkte insulinabhängige Signaltransduktion in GENZ-behandelten Neuronen (Herzer et al., 2016). Die spezifische Erhöhung des ERK1/2-Signalweges in GENZ-behandelten Zellen ist insbesondere im Hinblick auf Alzheimer bemerkenswert, da eine erhöhte ERK1/2-Signaltransduktion das Überleben der Nervenzellen sowie die kognitive Leistungsfähigkeit stimuliert. Interessanterweise zeigt sich jedoch gleichzeitig, dass die GENZ-Behandlung nicht nur die Signaltransduktion, sondern auch die Menge der IR in den Neuronen erhöht (Herzer et al., 2016). Folglich haben wir untersucht, ob eine Hemmung der Gangliosidbiosynthese und eine damit verbundene Erhöhung der Insulinsensitivität die Neuronen in Alzheimer-Modellen schützen könnte.

Abb. 3:  Hemmung der Gangliosidbiosynthese schützt Neurone vor neurotoxischen β-amyloid-Oligomeren. a Das Schlüsselenzym der Gangliosidbiosynthese ist die Glukosylceramidsynthase (GCS). Die Gangliosidbiosynthese kann sowohl pharmakologisch durch das Ceramid-Analogon GENZ als auch genetisch durch zellspezifische Deletion des Allels (GCS flox//Cre-Mäuse) gehemmt werden. Der Promoter, welcher die Expression der Cre-Rekombinase kontrolliert, bestimmt, in welchen Zellen die Gangliosidbiosynthese unterdrückt wird. b ADDL-Exposition verringert die Viabilität von Neuronen. GENZ-behandelte Neurone sind jedoch resistenter gegenüber den schädlichen Effekten der ADDLs (Abb. 3.b) modifiziert aus Herzer et al., 2016).
Abb. 3:

Hemmung der Gangliosidbiosynthese schützt Neurone vor neurotoxischen β-amyloid-Oligomeren. a Das Schlüsselenzym der Gangliosidbiosynthese ist die Glukosylceramidsynthase (GCS). Die Gangliosidbiosynthese kann sowohl pharmakologisch durch das Ceramid-Analogon GENZ als auch genetisch durch zellspezifische Deletion des Allels (GCS flox//Cre-Mäuse) gehemmt werden. Der Promoter, welcher die Expression der Cre-Rekombinase kontrolliert, bestimmt, in welchen Zellen die Gangliosidbiosynthese unterdrückt wird. b ADDL-Exposition verringert die Viabilität von Neuronen. GENZ-behandelte Neurone sind jedoch resistenter gegenüber den schädlichen Effekten der ADDLs (Abb. 3.b) modifiziert aus Herzer et al., 2016).

Hemmung der Gangliosidbiosynthese schützt Neurone vor dem schädlichen Einfluss der ADDLs

Neuronale Insulinresistenz ist eines der sehr komplexen pathologischen Charakteristika der Alzheimer-Krankheit. Sie führt zu Funktionsstörungen der Synapsen und trägt entscheidend zur Neurodegeneration bei. Neurotoxische ADDLs, die bei Alzheimer gebildet werden, führen zum Verlust der dendritischen IR und somit zu Insulinresistenz (De Felice et al., 2009). Somit ist es ein sehr wichtiges Ziel gewesen, herauszufinden, ob die Hemmung der Gangliosidbiosynthese durch GENZ die hippocampalen Zellkulturen vor ADDLs schützen kann. In der Tat beobachten wir folgende neuroprotektive Effekte der GENZ-Behandlung (Herzer et al., 2016):

Viabilität. Der MTT-Überlebenstest ermittelt die Stoffwechselaktivität von Zellen. Die für diese Reaktion nötige zelluläre Enzymaktivität korreliert mit der Viabilität. ADDLs verringern die Viabilität von kultivierten hippocampalen Neuronen erheblich. Eine vorhergehende GENZ-Behandlung erhöht jedoch die Überlebensrate von Neuronen, die den ADDLs ausgesetzt sind (Abb. 3 b).

IR auf der Zelloberfläche. ADDLs bewirken eine Reduktion der IR an der Nervenzelloberfläche. Dies kann jedoch durch die Hemmung der Gangliosidbiosynthese verhindert werden.

Insulinabhängige Signaltransduktion. Der Verlust der oberflächlichen IR beeinträchtigt die insulinvermittelte Signaltransduktion. Der innovative proximity ligation assay (PLA®, Duolink®) kann phosphorylierte und somit aktive IR in den Dendriten kultivierter Neurone nachweisen (Abb. 4a). Wie auch bereits von anderen Arbeitsgruppen beschrieben (De Felice et al., 2009), zeigt der PLA®, dass ADDLs die insulinstimulierte Phosphorylierung dendritischer IR vermindern. Dieser schädliche Effekt kann jedoch durch GENZ verhindert werden (Abb. 4b).

Abb. 4:  Erhöhte Insulinsensitivität von GENZ-behandelten Neuronen im Alzheimer-Modell. a Molekulare Interaktionen können durch die innovative Technik proximity ligation assay (PLA®) sichtbar gemacht werden. Der PLA® ermöglicht die Detektion von Interaktionspartnern durch Antikörper zweier verschiedener Spezies sowie durch oligonukleotidgekoppelte PLA®-Sekundärantikörper. Die Adapter-Oligonukleotide werden ligiert und bilden eine Matrize für die anschließende „Rolling-Circle Amplification“. Das entstehende Amplifikat wird mit einer fluoreszenzkonjugierten Sonde sichtbar gemacht. Phosphorylierte und somit aktive IR in neuronalen Dendriten können mit PLA® spezifisch nachgewiesen werden. b In einem Alzheimer-Modell werden kultivierte Neurone den neurotoxischen Aβ-Oligomeren (ADDLs) ausgesetzt. Der PLA® zeigt einen Rückgang der insulinstimulierten IR-Phosphorylierung nach ADDL-Exposition. Die Hemmung der Gangliosidbiosynthese durch GENZ hingegen erhält die Insulinsensitivität von Nervenzellen, die den ADDLs ausgesetzt sind (Abb. 4.b) modifiziert aus Herzer et al., 2016).
Abb. 4:

Erhöhte Insulinsensitivität von GENZ-behandelten Neuronen im Alzheimer-Modell. a Molekulare Interaktionen können durch die innovative Technik proximity ligation assay (PLA®) sichtbar gemacht werden. Der PLA® ermöglicht die Detektion von Interaktionspartnern durch Antikörper zweier verschiedener Spezies sowie durch oligonukleotidgekoppelte PLA®-Sekundärantikörper. Die Adapter-Oligonukleotide werden ligiert und bilden eine Matrize für die anschließende „Rolling-Circle Amplification“. Das entstehende Amplifikat wird mit einer fluoreszenzkonjugierten Sonde sichtbar gemacht. Phosphorylierte und somit aktive IR in neuronalen Dendriten können mit PLA® spezifisch nachgewiesen werden. b In einem Alzheimer-Modell werden kultivierte Neurone den neurotoxischen Aβ-Oligomeren (ADDLs) ausgesetzt. Der PLA® zeigt einen Rückgang der insulinstimulierten IR-Phosphorylierung nach ADDL-Exposition. Die Hemmung der Gangliosidbiosynthese durch GENZ hingegen erhält die Insulinsensitivität von Nervenzellen, die den ADDLs ausgesetzt sind (Abb. 4.b) modifiziert aus Herzer et al., 2016).

Caveolin-1-Verringerung durch GENZ stabilisiert die IR auf der Nervenzelloberfläche

Die aus dem Protein Caveolin-1 geformten Caveolae sind spezielle Mikrodomänen in der Zellmembran, in denen Endozytose stattfindet. In Caveolae befinden sich zudem hohe Mengen an Cholesterin sowie Sphingolipiden. Interessanterweise weisen gangliosiddefiziente Neurone deutlich weniger Caveolin-1 und eine entsprechend verringerte Zahl an Caveolae auf (Herzer et al., 2016).

Nach Ligandenbindung werden IR sowohl in clathrinbeschichteten Vesikeln als auch in Caveolae endozytiert. Somit reguliert Caveolin-1 die Menge an IR auf der Zelloberfläche. Da der Caveolin-1-Gehalt im Gehirn von Alzheimer-Patienten erhöht ist (Gaudreault et al., 2004), wird den Caveolae eine potenziell entscheidende Bedeutung bei der Krankheitsentstehung zugemessen. Mithilfe des PLA® können wir erstmalig direkt zeigen, dass ADDLs die molekularen Interaktionen zwischen a) Caveolin-1 und Gangliosid GD1a, b) IR und GD1a, sowie c) IR und Caveolin-1, signifikant verstärken. In gangliosiddefizienten Neuronen finden sich hingegen weniger Interaktionen zwischen IR und Caveolin-1. Wir vermuten, dass gangliosidinduzierte IR/Caveolin-1-Interaktionen für die IR-Endozytose notwendig sind (Herzer et al., 2016).

Somit postulieren wir einen neuartigen molekularen Mechanismus, bei dem Ganglioside in der Nervenzellmembran alzheimerinduzierte Insulinresistenz durch Stimulation der Expression von Caveolin-1 und molekularer Interaktionen mit IR begünstigen. Eine Hemmung der GCS und damit die Reduktion der Caveolae stabilisieren die IR in Neuronen, welche den neurotoxischen ADDLs ausgesetzt sind (Abb. 5).

Abb. 5:  Hemmung der Gangliosidbiosynthese schützt vor alzheimerinduzierter Neurodegeneration und Insulinresistenz. Die Ergebnisse legen nahe, dass Ganglioside die Aβ-induzierte Endozytose der IR in Caveolae und somit Insulinresistenz und Neurodegeneration begünstigen (linkes Schema). Die Hemmung der GCS hingegen verringert die Caveolin-1-Mengen und erhöht die Überlebensrate neuronaler Zellen sowie deren Insulinsensitivität in einem Alzheimer-Modell (rechtes Schema). Es wird vermutet, dass die Hemmung der GCS ebenso zur höheren Überlebensrate von gangliosiddefizienten Neuronen in Alzheimer-Mäusen beiträgt (Abb. 5. modifiziert aus Herzer et al., 2016).
Abb. 5:

Hemmung der Gangliosidbiosynthese schützt vor alzheimerinduzierter Neurodegeneration und Insulinresistenz. Die Ergebnisse legen nahe, dass Ganglioside die Aβ-induzierte Endozytose der IR in Caveolae und somit Insulinresistenz und Neurodegeneration begünstigen (linkes Schema). Die Hemmung der GCS hingegen verringert die Caveolin-1-Mengen und erhöht die Überlebensrate neuronaler Zellen sowie deren Insulinsensitivität in einem Alzheimer-Modell (rechtes Schema). Es wird vermutet, dass die Hemmung der GCS ebenso zur höheren Überlebensrate von gangliosiddefizienten Neuronen in Alzheimer-Mäusen beiträgt (Abb. 5. modifiziert aus Herzer et al., 2016).

Hemmung der Gangliosidbiosynthese schützt auch in einem Alzheimer-Mausmodell vor Neurodegeneration

In Neuronen adulter Alzheimer-Mäuse (5xFAD-Mäuse; Exkurs 2) kann die GCS und somit die Gangliosidbiosynthese gehemmt werden. Tatsächlich weisen diese Tiere eine geringere Neurodegeneration im zerebralen Kortex auf, trotzdem der Gehalt der Amyloid-Plaques nicht reduziert ist. Des Weiteren schützt die GCS-Deletion die Alzheimer-Mäuse vor einem Verlust neuronaler IR im Kortex.

Unsere Hypothese besagt, dass Ganglioside die Aβ-induzierte Internalisierung des IRs in Caveolae fördern. In der Tat zeigt sich, dass alzheimerbedingte molekulare Interaktionen zwischen Caveolin-1 und IR durch GCS-Deletion verhindert werden können (Herzer et al., 2016). Somit haben sich grundlegende Beobachtungen aus unseren Zellkulturarbeiten, nach denen die Hemmung der Gangliosidbiosynthese neuroprotektiv wirkt, in einem Alzheimer-Mausmodell bestätigt.

Ausblick

Seit vielen Jahren wird vermutet, dass Membranlipide nicht nur eine mechanische Barriere darstellen, sondern sowohl aktiv in die Modulation von Signaltransduktionsprozessen eingreifen als auch Prozesse bei neurodegenerativen Erkrankungen beeinflussen können. Spezifisch in Bezug auf Alzheimer wurde bereits gezeigt, dass die Membranfluidität, welche durch die Lipidzusammensetzung der Membran bestimmt wird, Vorgänge wie die APP-Prozessierung beeinflusst (Clement et al., 2010). Unsere Ergebnisse begründen nun eine weitere Hypothese, die besagt, dass Ganglioside in der Zellmembran die ADDL-induzierte neuronale Insulinresistenz und, als Konsequenz, die Neurodegeneration begünstigen können. Dies bedeutet in erweiterter Konsequenz, dass die neuronale Gangliosidbiosynthese potenziell eine entscheidende Rolle im Verlauf der Alzheimer-Krankheit spielen könnte. Die Hemmung des Schlüsselenzyms der Gangliosidbiosynthese, der GCS, könnte somit ein neues potenzielles therapeutisches Ziel für die Bekämpfung der Alzheimer-Krankheit darstellen. In dieser Hinsicht wird es am wichtigsten sein, zu erforschen, ob die Hemmung der GCS einen Effekt auf das kognitive Leistungsvermögen von betroffenen Tieren haben wird.

Hingegen bedarf diese Hypothese einer weiteren empirischen Untermauerung durch zielgerichtete experimentelle Studien. Ein mögliches therapeutisches Potenzial von GCS-Hemmstoffen wie GENZ muss beispielsweise im Detail in weiteren Tiermodellen, speziell der sporadischen Alzheimer-Krankheit, evaluiert werden.

Dabei spielen auch weitere Zelltypen im Gehirn, speziell die Gliazellen, eine wichtige Rolle. Diesen Zellen wird ebenfalls eine entscheidende Bedeutung bei der Entstehung und dem Verlauf von Morbus Alzheimer zugemessen. Neuroinflammatorische Veränderungen hervorgerufen durch Astrozyten und Mikroglia stehen im Verdacht, die sporadische Alzheimer-Erkrankung zu begünstigen, wenn nicht gar auszulösen. Somit wird es ein entscheidendes Ziel sein, herauszufinden, inwiefern Ganglioside in diesen Zelltypen zur Entstehung der Neuroinflammation beitragen. Dies kann durch eine Kombination aus in vivo- und in vitro-Versuchen mit Hemmung der GCS in Astrozyten oder Mikroglia erfolgen. Zunächst müssen die Morphologie der Gliazellen sowie kognitive Funktionen und Nervenzellverbindungen in betroffenen Mäusen mit GCS-Hemmung in Gliazellen untersucht werden. Dies wäre ein erster Schritt, um herauszufinden, ob Ganglioside Neuroinflammation und Neurodegeneration bei Alzheimer beeinflussen.

Exkurs 1: Ganglioside

Ganglioside sind Lipide mit einer spezifischen chemischen Struktur, die in der äußeren Schicht der Zellmembran vorkommen. Sie wurden 1942 erstmalig von Ernst Klenk aus Gehirngewebe isoliert und erhielten den Namen „Ganglioside“. Neben ihrem sehr hohen Vorkommen im Gehirn werden Ganglioside in nahezu allen Zellen des Körpers gebildet. Sie tragen zur Bildung dynamischer Mikrodomänen in Zellmembranen bei, in denen sie die Aktivität von Transmembranrezeptoren modulieren. Ganglioside besitzen einen hydrophoben Ceramidanker und eine hydrophile Kopfgruppe bestehend aus einer Kette von Kohlenhydratresten. Dabei besitzen Ganglioside typischerweise mindestens einen oder mehrere Sialinsäurereste in der Kopfgruppe. Das Schlüsselenzym der Gangliosidbiosynthese ist die Glucosylceramidsynthase (GCS), welche die Addition eines aktivierten Glukosylrestes an das Ceramid katalysiert. Die weitere Addition eines Galaktosylrestes führt schließlich zur Bildung des allgemeinen Gangliosidvorläufermoleküls Lactosylceramid. Durch die sequenzielle Aktivität weiterer Enzyme werden weitere Zuckerreste an das Lactosylceramid angefügt. Dies führt zur Bildung verschiedener Arten von Gangliosiden, welche sich somit durch ihre individuellen Kopfgruppen unterscheiden. Verschiedene Zelltypen weisen unterschiedliche Gangliosid-Expressionsmuster auf. In Nervenzellen befinden sich hohe Konzentrationen der komplexen Ganglioside GM1, GD1a, GD1b, GT1b, und GQ1b, wohingegen Astrozyten hauptsächlich Ganglioside mit einfachen Strukturen, wie GM3 und GD3, bilden.

Exkurs 2: Ganglisiddefiziente Alzheimer-Mäuse

Die Gangliosidbiosynthese kann durch Deletion des Schlüsselenzyms Glucosylceramidsynthase (GCS; Gen: Ugcg) zellspezifisch gehemmt werden (Jennemann et al., 2005). Dies geschieht mithilfe des sogenannten Cre-LoxP-Systems, mit welchem gezielt Sequenzen markiert („gefloxt“) und aus der DNA herausgeschnitten werden können. Der Promoter, der die Expression der Cre-Rekombinase kontrolliert, bestimmt die Zellen, in denen die Rekombinase aktiv sein soll. Mäuse mit „gefloxten“ Ugcg-Allelen werden demnach mit Tieren gekreuzt, die das schneidende Enzym Cre-Rekombinase spezifisch in Neuronen des Vorderhirnes, bilden (Nordström et al., 2013). Da die Cre-Expression bei diesen Tieren durch die Gabe von Tamoxifen erst induziert wird, kann die Gangliosidbiosynthese in adulten Neuronen gehemmt werden. Diese Tiere werden schließlich mit einem gängigen Mausmodell für Alzheimer, den 5xFAD-Mäusen (Oakley et al., 2006), gekreuzt, die eine progrediente Alzheimer-Erkrankung mit Amyloid-Ablagerungen und Neurodegeneration ab einem Alter von drei Monaten aufweisen.

About the authors

Viola Nordström

Dr. Viola Nordström (geb. 1981) studierte Biologie an der Universität Göttingen sowie an der Universität Lund in Schweden und promovierte 2010 am DKFZ in Heidelberg. Seit 2010 arbeitet sie als Wissenschaftlerin und seit 2012 als Projektgruppenleiterin in der Abteilung für Zelluläre und Molekulare Pathologie am DKFZ Heidelberg (Prof. Dr. H. J. Gröne). Seit 2013 ist ihre Arbeitsgruppe assoziiert mit dem Interdisziplinären Zentrum für Neurowissenschaften (IZN) der Universität Heidelberg. Im Jahr 2015 erhielt sie den Erwin-Niehaus-Preis der Erwin-Niehaus-Stiftung und der Alzheimer Forschung Initiative e. V. für ihr Alzheimer-Forschungsprojekt.

Silke Herzer

Dr. Silke Herzer (geb. 1982) studierte Biologie an der Universität Heidelberg und am Karolinska Institut in Stockholm/Schweden (Prof. Björn Meister) und promovierte 2016 am DKFZ in Heidelberg. Seit 2016 arbeitet sie als Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Dr. Viola Nordström, die in der Abteilung für Zelluläre und Molekulare Pathologie (Prof. Dr. H. J. Gröne) am DKFZ Heidelberg lokalisiert ist.

Danksagung

Unsere Arbeit wird unterstützt von der Alzheimer Forschung Initiative e. V. und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG-Grants NO-1107/1-1 und HE-7978/1-1).

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Anmerkung

Übersetzung der englischen Version des Artikels online verfügbar unter https://doi.org/10.1515/nf-2017-A007


Published Online: 2017-11-23
Published in Print: 2017-11-27

© 2017 by De Gruyter

Downloaded on 26.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/nf-2017-0007/html?lang=en
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