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Neue Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen

  • Wolfgang Vogt

    Wolfgang Vogt, Arzt für Laboratoriumsmedizin, Anerkennung als Klinischer Chemiker, geboren 1942 in München. Medizinstudium an der LMU München. Ass.Arzt Klinisch-chemisches Institut am Städt. Krankenhaus München-Harlaching (EDV-Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft). Ltd.OA und C3-Professor Institut für Klinische Chemie am Klinikum Großhadern der LMU. Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin des Deutschen Herzzentrums München des Freistaates Bayern – Klinik an der Technischen Universität München. Wissenschaftliche Tätigkeit: „Trennen und Erkennen‟ (Ultraspurenanalyse mit Gaschromatographie, Massenspektrometrie, HPLC, Clusteranalyse, Computersimulation, Vanadiumbestimmung im Ultraspurenbereich). Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin (Präsidiumsmitglied, zuletzt als Präsident). Mitglied der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (Präsidiumsmitglied als Schriftführer). Vorsitzender von Beirat, Arbeits- und Fachgruppen für die RiliBÄK bei der Bundesärztekammer; Mitglied des Beirats des Deutschen EFQM-Centers bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität; Vorsitzender der Jury des Ludwig-Erhard-Preises; Gründungsmitglied und Vorsitzender der ärztlichen Gütegemeinschaft INQUAM e.V.; Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Laboratoriumsmanagement‟ der einschlägigen deutschsprachigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

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Veröffentlicht/Copyright: 2. Januar 2015

Die Laboratoriumsmedizin ist das medizinische Fach, das seit über 45 Jahren rechtlich vorgegeben Qualitätskontrolle und -sicherung betreibt. Von 1969/1970 an bis 2002 war die gesetzliche Vorschrift zur Qualitätskontrolle in der Laboratoriumsmedizin im Eichgesetz [1, 2] verankert. Seit 2002 gehört die Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen zum Bereich des Medizinprodukterechts [3].

Ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) ist Basis jedes professionellen Managements und seit vielen Jahren in der Medizin gesetzlich vorgeschrieben [4].

Grundsätzlich haben Qualitätsbestrebungen in der Laboratoriumsmedizin zwei Aspekte, nämlich die Verpflichtung gegenüber den Patienten, gerade bei Pauschalhonorierung mit der dadurch bedingten Tendenz zur Leistungsminimierung. Um dem entgegen zu wirken, müssen Mindestanforderungen als Standards definiert, behördlich überwacht und schwerwiegende Verstöße sanktioniert werden. Die Sicherung der eigenen Zukunft hingegen erfordert weit darüber hinausgehende Anstrengungen, die Orientierung am Model of Business Excellence [5].

Die Mindestqualität, die staatliche oder ermächtigte Stellen (Selbstverwaltung) im Interesse der Patienten fordern können und müssen, bezieht sich auf Strukturen, Prozesse und Ergebnisse. Diese Vorgaben müssen justiziabel, also detailliert und unmissverständlich formuliert sein, da sie sanktionsbewehrt sind. Man muss sich aber auch über die Probleme von derartigen Regelwerken im Klaren sein, dass es sich dabei nämlich um strikte, zu großen Teilen nicht mehr individuell anpassbare Anforderungen handelt. Deshalb darf nur das im Patienteninteresse liegende zwingend Erforderliche nach dem Grundsatz geregelt werden: Soviel wie nötig, aber so wenig wie möglich, um Räume für eigene Entscheidungen zu belassen.

Die neue RiliBÄK 2008 ist nach den Richtlinien der Jahre 1971, 1987 und 2001 das vierte Regelwerk der Bundesärztekammer, mit dem Mindeststandards für die Qualitätssicherung im medizinischen Laboratorium vorgegeben werden. Während sich die bis dahin geltenden Vorgaben ausschließlich mit der Ergebnisqualität einer abschließenden Liste quantitativer Untersuchungen befassten, beinhaltet nun die RiliBÄK im (allgemeinen) Teil A die wesentlichen Elemente eines Qualitätsmanagements, das sich am Schutz des Patienten orientiert. Teil A gilt für alle Anwender laboratoriumsmedizinischer Verfahren, unabhängig davon, ob für diese ein spezieller Teil B (B1 bis B5) vorliegt oder nicht. Die Umsetzung des Teils A der RiliBÄK erfüllt die gesetzlichen Vorgaben. Zusätzliche Orientierung kann im Übrigen die jeweils aktuelle QM-Norm ISO 9000 geben.

In den Teilen B (B1 bis B5) sind die Qualitätskriterien für die Ergebnisqualität und die Bewertung der einzelnen Untersuchungsverfahren festgelegt.

Am Beispiel von Teil B1, der mit Teil A zusammen als erster 2008 in Kraft trat [6], sollen Grundsätze der neuen RiliBÄK erläutert werden. Die tief greifende Überarbeitung der bis 2008 gültigen Richtlinien war aus verschiedenen Gründen notwendig geworden. So klafften die Realität moderner Gerätetechnik und daraus folgender laboratoriumsmedizinischer Praxis einerseits und die Vorgaben der RiliBÄK andererseits schon seit langer Zeit deutlich auseinander. Die grundlegende Konsequenz aus dem Einsatz von Geräten mit wesentlich erhöhter Messstabilität war, dass nicht mehr die Messwerte nach der Messung, sondern die Messverfahren zur Messung frei gegeben werden. Augenfälligste Änderung gegenüber den bisherigen Richtlinien ist, dass alle vom medizinischen Laboratorium durchgeführten quantitativen laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen der internen Qualitätskontrolle unterliegen. Weitere wesentliche Änderungen gegenüber den bisherigen Richtlinien sind: der Begriff der Serie entfällt, dafür wurden explizite Anweisungen zeit- und ereignisgesteuert formuliert, wann die Kontrollprobeneinzelmessungen (KPEM) durchzuführen sind; die internen Grenzen für die Tabelle 1 Messgrößen werden nicht mehr selbst ermittelt, sondern sind in der Tabelle vorgegeben, sie dienen der Frühwarnung; zur Beurteilung der Messabweichung wurde anstelle von Präzision und Richtigkeit als neuer statistischer Parameter der quadratische Mittelwert der Messabweichung eingeführt; zur Unterstützung der Laboratorien sind kritische Ereignisse an die Bundesoberbehörde (BfArM) zu melden und die Begriffe wurden ausführlich und präzise definiert.

Grundlegende Vorgaben für die Abfassung der Teile B waren die so weit wie möglich eindeutige Festlegung, der weitgehende Verzicht auf Ausnahmen und eben die Verpflichtung zur internen Qualitätskontrolle für alle Messgrößen. Als bewährte Vorgehensweise wurde das Prinzip der Traceranalyte für die Tabellen beibehalten.

Große Bedeutung wurde der zeitnahen Kontrolle beigemessen, da hier noch eingegriffen und Schaden vom Patienten abgewendet werden kann. Retrospektive Kontrollen sind zwar methodisch unverzichtbar, der Schaden von Fehlmessungen ist aber längst eingetreten.

Bei der Festlegung von Toleranzbereichen in den Tabellen von B1 waren klinische Relevanz und technische Machbarkeit zu beachten. Die Anforderungen an die Messgenauigkeit sind allerdings kontextabhängig. Für die Untersuchungen im ambulanten Bereich ist die interindividuelle Varianz mit Bezug auf den Referenzbereich klinisch nicht-Kranker nach wie vor wichtig. Zur Abschätzung des zulässigen Fehlers könnte hier die biologische Varianz [7] herangezogen werden. Um jedoch im Klinikalltag zwei aufeinander folgende Untersuchungsergebnisse mit einer vorgegebenen Irrtumswahrscheinlichkeit trennen zu können, wären die so abgeleiteten Grenzen zu weit. Leider reicht auch in den meisten Fällen nicht einmal die gegenwärtig technisch erreichbare Messgenauigkeit aus. Allgemein medizinisch relevante Fehlergrenzen vorzugeben geht demnach nicht, man muss deshalb (bedauerlicherweise) das technisch, realistisch Machbare als Grenze wählen.

Bedenken und Ängste vor der neuen RiliBÄK haben sich zwischenzeitlich wohl gelegt. Allerdings ist der Umsetzungsgrad der Vorschriften in den verschiedenen Arten von medizinischen Laboratorien noch sehr unterschiedlich, wie Ergebnisse der Überwachungsbehörden zeigen [8–10]. Die größten Defizite sind in den Praxen niedergelassener Nicht-Laborärzte festzustellen. Offenkundig werden auch die Vorgaben des SGB V dort nicht eingehalten.

Als langjähriger Vorsitzender möchte ich abschließend allen herzlich danken, die als Mitglieder des Beirats, der Arbeits- und Fachgruppen oder als Gäste durch ihre engagierte, fachkundige Mitwirkung zum Gelingen dieses gemeinsamen, umfangreichen Werks beigetragen haben: Ahmad-Nejad P., Wuppertal; Attenberger J., Hannover; Auch W.-D., Berlin; Bauersfeld W., Lörrach; Behre H.M., Halle; Bein G., Gießen; Berressem B., Berlin; Brüggemann M., Berlin; Burrichter H., Berlin; Carstanjen D., Berlin; Ceglarek U., Leipzig; Cooper T., Münster; Döring S., Schwielensee; Edelhäuser R., Bonn; Eller Th., Düsseldorf; Geilenkeuser W.J., Bonn; Haase G., Aachen; Halbach J., München; Held K.R., Hamburg; Hellenkemper B., Münster; Henrion A., Braunschweig; Keßler A., Bonn; Kiefel V., Rostock; Kliesch S., Münster; Knabbe C., Bad Oeynhausen; Knuth U., Hamburg; Kolanowski-Albrecht M., Dresden; Köppen B., Berlin; Kunz J., Berlin; Lackner K., Mainz; Lehnigk K., Schwerin; Macdonald R., Berlin; Malms-Fleschenberg W., Essen; Maly F., Düsseldorf; Mertens Th., Ulm; Meyer-Lüerßen D., Frankfurt; Michelsen A., Lahr; Mikoleit J., Magdeburg; Müller-Reible C.R., Würzburg; Nauck M., Greifswald; Neumaier M., Mannheim; Niederau Ch., Dortmund; Nieschlag E., Münster; Ochsenkühn R., München; Peters D., Oldenburg; Petersen N., Hamburg; Pick K.-H., Wiesbaden; Rabenau H., Frankfurt; Reinauer H., Düsseldorf; Rieder H., Düsseldorf; Rochell B., Berlin; Sack U., Leipzig; Schellenberg I., Bernburg; Schmidt M., Bonn; Schmutzler A.G., Kiel; Schoerner Ch., Erlangen; Schreck J.-U., Düsseldorf; Schuppe H.-Chr., Gießen; Siegemund G., Berlin/Bonn; Siekmann L., Bonn; Siekmeier R., Bonn; Soltau U., Bonn; Spannagl M., München; Steimer W., München; Stein W., Hamburg; Tannich E., Hamburg; Tönnies H., Berlin; Trumm S., Mainz; Vogt W., München; Westphal K., Bonn; Wiegel B., Deggendorf; Will, Bonn; Zeichhardt H., Berlin; Ziesing St., Hannover.


Korrespondenz: Wolfgang Vogt, Deutsches Herzzentrum München, Institut für Laboratoriumsmedizin, Lazarettstr. 36, 80636 München, E-Mail:

Über den Autor / die Autorin

Wolfgang Vogt

Wolfgang Vogt, Arzt für Laboratoriumsmedizin, Anerkennung als Klinischer Chemiker, geboren 1942 in München. Medizinstudium an der LMU München. Ass.Arzt Klinisch-chemisches Institut am Städt. Krankenhaus München-Harlaching (EDV-Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft). Ltd.OA und C3-Professor Institut für Klinische Chemie am Klinikum Großhadern der LMU. Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin des Deutschen Herzzentrums München des Freistaates Bayern – Klinik an der Technischen Universität München. Wissenschaftliche Tätigkeit: „Trennen und Erkennen‟ (Ultraspurenanalyse mit Gaschromatographie, Massenspektrometrie, HPLC, Clusteranalyse, Computersimulation, Vanadiumbestimmung im Ultraspurenbereich). Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin (Präsidiumsmitglied, zuletzt als Präsident). Mitglied der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (Präsidiumsmitglied als Schriftführer). Vorsitzender von Beirat, Arbeits- und Fachgruppen für die RiliBÄK bei der Bundesärztekammer; Mitglied des Beirats des Deutschen EFQM-Centers bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität; Vorsitzender der Jury des Ludwig-Erhard-Preises; Gründungsmitglied und Vorsitzender der ärztlichen Gütegemeinschaft INQUAM e.V.; Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Laboratoriumsmanagement‟ der einschlägigen deutschsprachigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

Literatur

1. Gesetz über das Meß- und Eichwesen BGBl I. 1969;759–70.Suche in Google Scholar

2. Verordnung über die Ausnahmen von der Eichpflicht BGBl I. 1970;960–5 und entsprechende Novellierungen.Suche in Google Scholar

3. Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3396), zuletzt geändert durch Art. 3 VO vom 11. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2010, 2072).Suche in Google Scholar

4. Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I: 2477), zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 12.7.2012 I 1504 Sozialgesetzbuch V, §§ 135a und 137.Suche in Google Scholar

5. European Foundation for Quality Management, Geschäftsstelle Brüssel, Avenue des Olympiades 2, 8-7740 Brussels, Belgium Tel. +32 2 775 3577, Fax +32 2 775 3535, http://www.efqm.org.Suche in Google Scholar

6. Bundesärztekammer. Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen. Dtsch Arztebl 2008;105: A-341/B-305/C-301.Suche in Google Scholar

7. Ricós C, Alvarez V, Cava F, García-Lario JV, Hernández A, Jiménez CV, et al. Current databases on biological variation: pros, cons and progress. Scand J Clin Lab Invest 1999;59:491–500.10.1080/00365519950185229Suche in Google Scholar PubMed

8. Pernus M. Die Umsetzung der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK) aus Sicht der überwachenden Länderbehörden. J Lab Med 2014;38:129–35.10.1515/labmed-2013-0040Suche in Google Scholar

9. Döring S. Bericht in der Fachgruppe D1 2014.Suche in Google Scholar

10. Schade Th. persönliche Mitteilung 2014.Suche in Google Scholar

Online erschienen: 2015-1-2
Erschienen im Druck: 2015-3-1

©2015 by De Gruyter

Heruntergeladen am 27.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/labmed-2015-0006/html
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