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Dr. Ingetraut Dahlberg †

Published/Copyright: February 2, 2018
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 Dr. Ingetraut Dahlberg, 23. Mai 2014 in Krakau auf der 13. internationalen ISKO Konferenz (Foto: Renate Ohly)

Dr. Ingetraut Dahlberg, 23. Mai 2014 in Krakau auf der 13. internationalen ISKO Konferenz (Foto: Renate Ohly)

Im Alter von 90 Jahren, acht Monate nach ihrem Geburtstag, verstarb Ingetraut Dahlberg am 24. Oktober 2017 in Bad König. Für die ISKO war sie die zentrale Gründerin und wegweisende Persönlichkeit. Anlässlich ihres 80. Geburtstages stellte ich fest: alleine in Google wurde sie auf über 900 Internetseiten nachgewiesen, zehn Jahre später, Ende Oktober 2017, sind es bei Google sogar 13.300 Treffer, in der Wikipedia wird auf 300 Veröffentlichungen verwiesen und schon 2014 listet eine Personen-Dokumentation der ASIS 337 Veröffentlichungen auf – zweifellos ein großes Lebenswerk.

Sie wurde als Ingetraut Gessler am 20. Februar 1927 in Köln (Rheinland), dem Heimatort der Mutter Luzie, geboren. Es war die Zeit als es nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland wirtschaftlich wieder bergauf ging. Zwei Jahre später sollte allerdings der internationale Bankencrash kommen. Der Vater Theodor, der aus Wesel (nördliches Rheinland) stammte und in Köln Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, arbeitete erst in Düsseldorf, dann in Frankfurt am Main, wo auch Ingetraut mit ihrem Bruder und ihrer Schwester aufwuchs. Als sie im Alter von zehn Jahren eine Kamera geschenkt bekam, begann sie alles zu dokumentieren, was ihr wichtig erschien. Nach dem Besuch der Diesterwegschule in Frankfurt studierte Ingetraut Philosophie, Katholische Theologie und Anglistik in Frankfurt und Würzburg. Nach einem Studienjahr in den USA (Mary Manse College in Toledo, Ohio) lernte sie 1949 ihren späteren Mann Reinhard Dahlberg kennen, der aus Oppeln (Schlesien) stammte und ebenfalls in Frankfurt studierte (Physik). Sie heirateten 1955 und zogen nach Karlsruhe, die Geburt des Sohnes Wolfgang folgte und Ingetraut wechselte zeitweise zum Studium der Biologie. Reinhard sollte später für sein Konzept zur Technik der Solar-Wasserstoff-Umwandlung berühmt werden. Die Eheleute gingen aber wieder auseinander, nicht zuletzt weil die Eltern gegen diese Heirat waren, und Ingetraut zog nach Frankfurt zurück.

1959 fand Ingetraut eine Stelle am Gmelin-Institut (Direktor: Erich Pietsch) für Anorganische Chemie in Frankfurt, wo sie Bibliographien für die Atomkernenergie-Dokumentation (AED) zusammenstellte und damit ihre Karriere in der wissenschaftlichen Literaturdokumentation und Informationswissenschaft begann. 1961 wechselte sie zum Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW). In den Jahren 1962/63 nahm sie an einer Ausbildung zur wissenschaftlichen Dokumentarin teil. Danach arbeitete sie bei der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) an der Erfassung der bibliothekarischen Bestände sowie der Dokumentation der Literatur zum Thema Dokumentation, wozu ein Thesaurus entwickelt wurde. 1964/65 ging sie für ein Jahr zum Groth Institute for Crystallographic Data Documentation an der Florida Atlantic University in Boca Raton, später an deren Universitätsbibliothek. Zusammen mit Jean Perreault arbeitete sie dort an Problemen der Begriffsrelationen und ihrer Darstellung.

Nach ihrer Rückkehr aus den USA wurde sie Leiterin der DGD-Bibliothek und Dokumentationsstelle. Mit Unterstützung von Helmut Arntz (Vorsitzender der DGD 1962 bis 1972 und Vorsitzender des UDC-Revisionskomitees FID/C3 ab 1969) und Martin Scheele (Vorsitzender) gründete sie (als Sekretärin) das Komitee Thesaurusforschung und Klassifikation, woraus ein Sammelband und später Dagobert Soergels Buch Indexing languages and thesauri: Construction and maintenance entstanden. In dieser Zeit entwickelte sie ein Deskriptorensystem für die Informationswissenschaften. Zusammen mit S. D. Boon, Eindhoven, erhielt sie 1965 den Preis der International Association of Documentalists and Information Officers (A.I.D.).

Weiter wurde sie 1967 bis 1969 bei der Fédération Internationale de Documentation (FID) Vorsitzende des Revisionskomitees für die Universelle Dezimalklassifikation UDC-03/04 (Common auxiliaries of materials und Common auxiliaries of relations, processes and operations). Daraus entstanden 1968 die Klassifikation der Dokumentenarten und ihrer speziellen Aspektbegriffe mit weit über 1000 Begriffen und ein Vorschlag zur Revision der UDC, welche von der DGD anscheinend nur in wenigen Kopien gedruckt und vom FID Central Classification Committee nicht verabschiedet wurde.

1967 bis 1974 leitete sie im DIN-Normenausschuss Terminologie die Revision von DIN 2330 Begriffe und Benennungen; Allgemeine Grundsätze und DIN 2331 Begriffssysteme und ihre Darstellung. Später arbeitete sie auch bei DIN 32705 Klassifikationssysteme; Erstellung und Weiterentwicklung von Klassifikationssystemen und bei der International Organization for Standardization an der ISO/TC 37 Terminology and other language and content resources und ISO/TC 46 Information and documentation mit. 1970 arbeitete Ingetraut Dahlberg in der Working Group on Indexing and Classification im Rahmen des UNISIST-Programms (Unesco Intergovernmental Programme for Co-operation in the Field of Scientific and Technical Information; gegründet von der UNESCO, damals als World Science Information System bekannt und unter dem Vorsitz von Douglas John Foskett). 1971 schied sie bei der DGD aus und begann ein Promotionsstudium in Philosophie bei Alwin Diemer in Düsseldorf mit den Nebenfächern Allgemeine Linguistik und Geschichte der Naturwissenschaften. Im selben Jahr wurde sie in das Beratungsgremium Datenbanksystem für die Bundesrepublik Deutschland des Innenministeriums der Bundesregierung berufen (https://de.wikipedia.org/wiki/Ingetraut_Dahlberg – cite_note-20). 1972 bis 1973 erhielt sie von der DGD einen Projektauftrag zur Sammlung der Benennungen von Wissensgebieten. 1972 bis 1974 arbeitete sie im Gremium Subject-Field Reference Code der Gruppe FID/CR (Classification Research) bei der Erstellung des im UNISIST-Programm vorgeschlagenen Broad System of Ordering (BSO) mit.

1973 (also im Alter von 46 Jahren) wurde sie mit dem Thema Das Universale Klassifikationssystem des Wissens, seine ontologischen, wissenschaftstheoretischen und informationstheoretischen Grundlagen promoviert, das 1974 im Verlag Dokumentation Saur als Grundlagen universaler Wissensordnung veröffentlicht wurde. Hierin wurden die Klassifikationskonzepte und Probleme von Universal-Klassifikationssystemen untersucht und Vorschläge für ein neues Universal-Klassifikationssystem gemacht. Ingetraut Dahlberg behandelte in weiteren Veröffentlichungen bestimmte Anwendungsgebiete von Klassifikationen und Thesauri und die Idee der Facetten-artigen Unterteilung der UDC mit speziellen Hilfszahlen. 1974 brachte Ingetraut Dahlberg mit den Ko-Herausgebern Alwin Diemer, Jean .M. Perreault, Arashanipalai Neelameghan und Eugen Wuester die Zeitchrift International Classification IC heraus (1993 in Knowledge Organization KO umbenannt). In der ersten Ausgabe der IC erschien Ingetraut Dahlbergs Artikel Zur Theorie des Begriffs. Sie verstand Klassifikationen als Systeme, die aus der Natur der Dinge selbst herausgelöst werden könnten. Sie misstraute Systemen, die mit verschwommenen Begriffen und Ad-hoc-Beziehungen arbeiteten. In Verbindung mit einem Lehrauftrag an der Universität Mainz arbeitete sie 1976 bis 1979 am DFG-Projekt Logstruktur, das inhaltliche, von der Bezeichnung unabhängige Beziehungen zwischen Wissensgebieten aufdecken sollte. Es führte zu einer Reduktion der Anzahl der untersuchten Gebiete. 1977 stellte sie das facettierte universale Klassifikationssystem der Wissensgebiete mit ca. 6.500 Begriffen unter dem Namen Information Coding Classification (ICC) fertig. In Seminarveranstaltungen am Documentation Research and Training Centre (DRTC) in Bangalore wurde es dann näher vorgestellt. Diese Klassifikation (bis auf die dritte Ebene) wurde später auch auf die International Classification and Indexing Bibliography (ICIB) und die Bibliographie in der Zeitschrift KO angewendet (seit 2009 ist eine überarbeitete Form online verfügbar unter http://www.isko.org/lit.html).

Auf Anregung der britischen Classification Society wurde 1977 von ihr zusammen mit Robert Fugmann, Martin Scheele, Hanns-Hermann Bock u. a. die Gesellschaft für Klassifikation (zunächst als GFK, ab 1979 als GfKl abgekürzt) gegründet. Sie führte ihre erste Tagung 1977 in Münster durch. Im Auftrag der Deutschen Bibliothek führte sie 1978 bis 1979 die Pilotstudie DB-Thesaurus durch, um deren Schlagwörter auf Thesaurusfähigkeit zu untersuchen. Ab 1979 arbeitete sie im Committee on Conceptual and Terminological Analysis der International Political Science Association und der International Sociological Association mit (COCTA, gegründet u. a. von Fred W. Riggs, Univ. Hawaii und Giovanni Sartori, Univ. Florenz) und organisierte u. a. die COCTA-Konferenz in Bielefeld 1981.

1979 gründete Ingetraut Dahlberg zusammen mit ihrem Sohn Wolfgang das Unternehmen INDEKS zur Erstellung von Registern und Klassifikationssystemen. Später wurde daraus der INDEKS Verlag. 1981 bis 1987 hatte Ingetraut Dahlberg den Vorsitz des FID–Committee on Classification Research (FID/CR) inne. 1983 stellte sie für die FID die Expertendokumentation Who Is Who in Classification and Indexing zusammen. Lehraufträge hatte sie 1984/85 an der Universität Saarbrücken, 1985 bis 1987 an der FH Hannover und 1988/89 an der FH Darmstadt.

Als die Numerische Taxonomie und Datenanalyse in der GfKl überhandnahm, gab 1989 Ingetraut Dahlberg die Geschäftsstelle dieser Gesellschaft auf und gründete, u. a. zusammen mit Robert Fugmann, Padmini Raj und Rudolf Ungvary, die International Society for Knowledge Organization (ISKO) mit stärker begrifflicher Ausrichtung, deren Publikationsorgan die Zeitschrift International Classification IC, bzw. später Knowledge Organization KO wurde. Die erste Tagung fand 1990 in Darmstadt statt. Um die universelle Teilnahme zu fördern, erließ sie in den Anfangsjahren Mitgliedern aus weniger entwickelten Ländern die Mitgliedsbeiträge. 1996 erhielt Ingetraut Dahlberg den International Ranganathan Award für ihre grundlegenden Arbeiten in der Klassifikationsforschung.

Nach Ableben der Eltern sowie des einstigen Ehemannes und nach einer Krebsdiagnose für sie (die Schwester starb hieran 1998), gab Ingetraut Dahlberg 1997 im Alter von 70 Jahren ihre offiziellen Ämter auf und zog 1998 von Frankfurt am Main nach Bad König im Odenwald. Gesundheitlich gab es immer wieder Rückschläge und neue Beeinträchtigungen, die sie aber durch natürliche Heilverfahren (Hildegard von Bingen) und Spiritualität ausgleichen konnte. Nicht zuletzt gab ihr tiefes Interesse an der anhaltenden Debatte über dokumentarische Ansätze neue Kraft.

Ihr INDEKS-Verlag ging an den Ergon-Verlag über. Neue Chefredakteure der Zeitschrift Knowledge Organization wurden aus dem Kreis der ISKO bestellt (nachfolgend ab 1998-3: Charles Gilreath, The Texas A&M University System). Neue Präsidentin der ISKO wurde Hanne Albrechtsen, Royal School of Librarianship, Kopenhagen (https://de.wikipedia.org/wiki/Ingetraut_Dahlberg – cite_note-37). Ihre umfangreiche Bibliothek zu Klassifikation, Terminologie und den Informationswissenschaften ging an das Maastricht (Eric) McLuhan Institute (MMI), European Centre for Digital Culture, Knowledge Organisation and Learning Technology (Direktor: Kim Veltman), diese musste aber 2004 von ihr wieder zurückgenommen werden. 2006 erhielt sie den Eugen-Wüster-Sonderpreis des Internationalen Informationszentrums für Terminologie (Infoterm, Wien). Auf der Deutschen ISKO-Tagung 2009 trug Ingetraut Dahlberg die „Desiderate für die Wissensorganisation“ vor, welche dann auch in der KO-Zeitschrift 2011-1 veröffentlicht wurden („How to improve ISKO’s standing: ten desiderata for knowledge organization“). In Kooperation mit Walter Koch, TU Graz, wurde 2010 ein überarbeiteter Teil der ICC digitalisiert. Hermann Bense, textOmatic AG entwickelte mit ihr zusammen 2013 eine graphische Darstellung der Wissensgebiete mit ihren Untergliederungen bis zur zweiten Stufe um Möglichkeiten der Strukturierung des Semantic Web auszuloten. Die folgenden Jahre waren mehr der Erläuterung der ICC im Kontext von Konkordanzen und Internetanwendungen sowie Rückblicken und allgemeineren Betrachtungen gewidmet.

2012 starb ihr Sohn Wolfgang unter nicht ganz geklärten Umständen in seiner Wahlheimat auf Santorin. Er hatte das Studium der Physik, Geschichte der Naturwissenschaften, Philosophie und Linguistik mit einer Dissertation abgeschlossen und zunächst die Geschäftsstelle der GfKl und den INDEKS Verlag tatkräftig unterstützt. So war das Emblem der GfKl ein Geschenk von ihm zum 50. Geburtstag von Ingetraut Dahlberg. Später ging er seinen eigenen Weg und machte sich publizistisch einen Namen u. a. mit mehr als 40 Buchveröffentlichungen.

In 2013 hielt Ingetraut Dahlberg auf der Deutschen ISKO-Tagung einen eingeladenen Vortrag zu Was ist Wissensorganisation?, der dann auch auf Englisch als Brief communication: What is knowledge organization? in KO- 2014-1 erschien. Dieser Vortrag, der zum Thema ihres Interviews in KO 2008-2/3 zurückkehrte, regte sie dazu an, ihr reiches Wissen umfassend 2014 durch ein Buch „Wissensorganisation: Entwicklung, Aufgabe, Anwendung, Zukunft“ zu resümieren. Diese Monographie entstand innerhalb von wenigen Wochen und wurde von der Deutschen ISKO im Ergon-Verlag herausgegeben.

Im Verständnis von Ingetraut Dahlberg ist „Wissensorganisation“ eine eigenständige Wissenschaft, zumindest aber ein Teil der Wissenschaftswissenschaft, eine Behandlung als Hilfswissenschaft oder als Teil einer technischen oder ökonomischen Betrachtungsweise von Information lehnte sie immer ab. Entsprechend galt ihr letzter Einsatz der Verwirklichung der Institutionalisierung der Wissensorganisation. Mit der Übergabe ihrer Bibliothek an Ernesto de Luca, Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, Braunschweig, könnte sich dies nun verwirklichen. Die Zuständigkeit für die Pflege und Weiterentwicklung der ICC wurde von ihr in die Hände der Deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Wissensorganisation (ISKO) gelegt.

Ihre jüngsten Veröffentlichungen sollten eine Brücke zwischen ihrem Ansatz und der semantischen Vernetzung im Internet schlagen. So arbeitete sie an einer Besprechung des Handbook on Metadata, Semantics and Ontologies 2014 von Miguel-Angel Sicilia (ein Buch mit 570 Seiten!). Mit Ernesto de Luca veröffentlichte sie 2014, aber auch noch 2017 (zusammen mit Lena-Luise Stahn) zu Lexical Linked Data.

Am Ernst-Schröder-Zentrum für Begriffliche Wissensverarbeitung, Darmstadt, trug sie 2015 sowie nochmals beim Workshop Buchprojekt „Corporate Semantic Web“ in Dagstuhl 2016 Warum Universalklassifikation? vor und in Information – Wissenschaft und Praxis 2016-4 publizierte sie schließlich ihre frühere Arbeit bei der DGD zu UDC-Ergänzungszahlen.

Ich möchte nun Otto Sechser, ein früher Begleiter und Mitglied der ISKO von Anfang an, von dem ich am 30. Oktober 2017 eine E-Mail erhielt, zitieren: „Dr. Inge Dahlberg was and is going to remain one of great personalities of Classification, Documentation, and Knowledge Organization. Her interests, achievements, and worldwide contacts will be the theme of dissertations.

Here I want to write about Dr. Dahlberg as a good-hearted, modest, hard-working, high-principled woman, always ready to help, with enormous social intelligence. I met her first in 1969 as a Czechoslovak specialist visiting West European documentation centers. Since that time our correspondence contact was never interrupted. When I emigrated with my family to Switzerland in 1975 her advice helped me to establish contacts to my western colleagues. As member of Gesellschaft für Klassifikation and later of ISKO I had the opportunity to participate in many conferences organized by her, always with success. I know that I am by far not the only one from the „East Block“ who has reason to be thankful to her. She will be missed in ISKO.“

Auch ich durfte sie bereits um 1970 durch Mitarbeit in den DIN-Normenausschüssen kennenlernen, da ich an der Klassifikation der Sozialwissenschaftlichen Methoden in der UDC (FID/C 303) arbeitete. Ihre Dissertation 1973 zur Wissensordnung war für mich als Soziologen eine konzentrierte Einführung in die Welt der bibliothekarischen Klassifikation. Leider konnte ich damals ihrem Wunsch zur Mitarbeit bei der Bibliographie aus Zeitgründen nicht nachkommen. Das habe ich dann hoffentlich bei ihrer letzten Buchveröffentlichung 2014 wieder gutgemacht, indem ich diese Korrektur las. Noch lebendig in Erinnerung für mich sind viele ereignisreiche Tagungen, zu denen sie mich eingeladen hatte: z. B. die erste GfKl-Tagung in Münster 1977 mit den wissenschaftsübergreifenden Einführungen in die Klassifikation, die COCTA-Tagung in Bielefeld, die mich veranlasste die Wechselwirkung zwischen Wissenschaften erstmals bibliometrisch zu betrachten, die erste deutsche und internationale ISKO-Tagung in Darmstadt 1989, wo ich in einer Vorkonferenz über sozialwissenschaftliche Konzepte vertreten war. Anfang der 1980er Jahre bewegte sie mich anlässlich eines Aufenthaltes in der DDR, einen ausreisewilligen Clusteranalyse-Spezialisten zu besuchen – für ihn sicher eine moralische Unterstützung, wogegen ich fortan ins Visier der Stasi gelangte. Da Ingetraut Dahlberg mir immer wieder wichtige Anregungen und Impulse gab, kann ich durchaus sagen, dass sie für mich wie ein Mentor auf dem Gebiet der Wissensorganisation und Konzeptbildung wirkte. Es sollte mich nicht wundern, wenn auch Andere in- und außerhalb der ISKO sie im Rückblick so sehen würden. Ich bewunderte, wie sie nicht zögerte, mit der Zeit zu gehen und sich den neuen technischen Herausforderungen zu stellen: seien es E-Mail, Smartphone oder soziale Netze gewesen. Ihre Lebensansprüche waren bescheiden, vorausgesetzt, dass ihre inhaltlichen Ziele erreicht wurden. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten versuchte sie fast immer, andere zu verstehen, wie in der christlichen Nächstenliebe, und diese in ihrem Weg lenkend zu unterstützen. Ihre Worte zu mir im letzten Gespräch waren: „Wir sehen uns wieder im Himmel“, sie wusste dass sie nicht mehr lange leben würde, aber dass einige ihrer Ziele von anderen weitergetragen werden würden.

H. Peter Ohly, Int. ISKO-President 2010–2014

Verweise (Auswahl)

ASIS&T (2012): Ingetraut Dahlberg – 53 years driving innovation in the science of documentation and knowledge. Dr. Ingetraut Dahlberg – Oral history information. (Interview von Gerhard Romen). http://youtu.be/NtT5V9e4AsY.Search in Google Scholar

ASIS&T (2014): Leaders of Information Science and Technology Worldwide: Ingetraut Dahlberg-CV. https://web.archive.org/web/20160305153452/, http://infoscileaders.libsci.sc.edu/asis/wp-content/uploads/2014/04/Dahlberg- CV.pdf.Search in Google Scholar

Dahlberg, Ingetraut (1998): A Brief Self Report. (Portraits in Cataloging and Classification: Theorists, Educators, and Practitioners of the Late Twentieth Century). Cataloguing & classification quarterly 25, 151–155.10.1300/J104v25n02_11Search in Google Scholar

Dahlberg, Ingetraut (2008): Feature Interview with Ingetraut Dahlberg, December 2007. Knowledge Organization 35, 82–85.10.5771/0943-7444-2008-2-3-82Search in Google Scholar

Dahlberg, Wolfgang (1997): Contributions by Ingetraut Dahlberg to the Field of Knowledge Organization. Knowledge Organization 24, 35–40.Search in Google Scholar

Wikipedia (1. November 2017): Ingetraut Dahlberg. (maßgeblich zusammengestellt von Matthias Rewald, Ernst-Schröder-Zentrum für Begriffliche Wissensverarbeitung in Darmstadt). https://de.wikipedia.org/wiki/Ingetraut_DahlbergSearch in Google Scholar

Online erschienen: 2018-02-02
Erschienen im Druck: 2018-02-23

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2018-0003/html
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