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日本の情報学 ・Informationswissenschaft studieren im „Land der aufgehenden Sonne“

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Published/Copyright: February 5, 2016
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Als Studentin der Bibliotheks- und Informationswissenschaft kennt man die Annahme von Freunden und Verwandten, dass es sich dabei um eine etwas blumigere Bezeichnung für die Ausbildung zur Arbeit in einer Bibliothek handelt. So man das „Bibliotheks-“ weglässt kommt unweigerlich die Frage „Ja, was macht man denn da oder damit später mal?“. Gute Frage! Ich orientiere mich bei der Antwort so knapp es geht natürlich am Lehrplan meines Instituts, dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin. Derzeit werden im Masterstudiengang Module angeboten zu Forschungsmethoden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Digitalen Bibliotheken, Medien- und Bestandsmanagement, Bibliometrie/Informetrie/Scientometrie, Informationspolitik, -ethik, -recht, Information Retrieval und Informationsvermittlung, ausgewählten Aspekten digitaler Informationsversorgung, Kommunikations- und Wissensmanagement, Informationsmanagement und Digitaler Langzeitarchivierung.

Die Neugier packte mich in Japan, als ich während meines einjährigen Sprachstudiums an der Ritsumeikan-Universität von Kyoto an einem Gebäude auf einem Hinweisschild „Information Science“ las (Abb. 1). Die „Graduate School of Language Education and Information Science“ schien nur leider niemand auf dem Campus zu kennen und auch in der Universitätsbibliothek konnte man mir nicht weiterhelfen. Zudem war das besagte Gebäude immer abgeschlossen. Der Webauftritt der Ritsumeikan brachte mich ein bisschen weiter. Diese Graduate School befasst sich mit der Ausbildung von Studenten zu Englisch- und Japanisch-Lehrern. Inwieweit Aspekte von „Information Science“ nach meinem Verständnis integriert sind, konnte ich nicht herausfinden. Bei zwei anderen Universitäten in Japan wurde ich jedoch fündig:

Die – je nachdem wen man fragt – zweit- oder erstbeste staatliche Universität Japans, die Kyoto-Universität,

Abbildung 1: Institutsschild an der Ritsumeikan-Universität von Kyoto (Japan) (Foto: Clara Weisel).
Abbildung 1:

Institutsschild an der Ritsumeikan-Universität von Kyoto (Japan) (Foto: Clara Weisel).

bietet im englischsprachigen Lehrplan des Department of Social Informatics der Graduate School of Informatics durchaus Inhalte an, die es auch am IBI gibt. Während in Berlin eine engere Verbindung zu der Bibliothekswissenschaft besteht, lassen sich Social Informatics näher bei der Informatik einordnen. In Tabelle 1 ist die Struktur des Departments aufgeschlüsselt. Bei den Gruppen der einzelnen Divisionen sieht man in welchen Gebieten geforscht und gelehrt wird. Für fast jede Gruppe gibt es ein „Laboratory“, welches den Namen der gegenwärtigen Leitung trägt. Wenn man sich für einen Master in Japan bewerben möchte, muss man sich zu allererst an einen wissenschaftlichen Angestellten dieser Einheit wenden. Sofern man einen Gutachter für das eigene wissenschaftliche Forschungsthema gefunden hat, ist die Bewerbung um das Stipendium der japanischen Regierung „MEXT“ beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) um einiges aussichtsreicher. Für den Studienbeginn im April und Oktober 2017 können Bewerbungen bis zum 31. März 2016 eingereicht werden. Die Webseiten des DAAD und der Botschaft von Japan in Deutschland informieren ausführlich über den genauen Ablauf des Bewerbungsprozesses und die zu erfüllenden Voraussetzungen.

Tabelle 1:

Department of Social Informatics, Graduate School of Informatics, Kyoto-Universität (Quelle: http://www.soc.i.kyoto-u.ac.jp/en/divisions/). Englischsprachiger Lehrplan: http://www.i.kyoto-u.ac.jp/curriculum/pdf/SOC.pdf

DivisionGruppeKontakt
Social Information ModelDistributed Information Systems(Hr.) „Yoshikawa Laboratory“
Digital Library(Hr.) „Tanaka Laboratory“
Information SocietyHr. Katsumi Tanaka
Social Information NetworkGlobal Information Network(Hr.) „Ishida & (Hr.) Matsubara Laboratory“
Information Security(Hr.) „Okamoto/(Hr.) Abe Laboratory“
Market and Organizational Information Systems„Market and Organizational Information Systems Laboratory“ Hr. Makoto Yokozawa
Biosphere InformaticsBioresource InformaticsHr. Kazuyuki Moriya
Environmental InformaticsHr. Nobuhito Ohte
Regional and Disaster Management Information Systems (Partnerdivision)Integrated Disaster Management Systems(Hr.) „Takano Laboratory“
Emergency Management for Disaster Reduction Systems(Hr.) „Yamori Laboratory“
Crisis Information Management System(Hr.) „Hayashi Laboratory“
Medical Informatics (Partnerdivision)(Hr.) „Kuroda Laboratory“
Information Fluency Education (Partnerdivision)(Hr.) „Kita Laboratory“
EHR (Electronic Health Records) Research UnitHr. Naoto Kume

Bei der Graduate School of Library, Information and Media Studies der Tsukuba-Universität mit einem Campus in Tokio und etwas nördlicher davon in Tsukuba handelt sich um eine Institution, die wie das IBI der Gruppe der iSchools angehört. Ihr Ursprung ist ebenso wie beim IBI die Bibliothekswissenschaft. Forschungsschwerpunkte liegen nach eigenen Angaben in Bibliotheks- und Informationswissenschaft sowie Information Media Studies mit einem Fokus auf der gesamten Infrastruktur von zirkulierendem Wissen und Information. In Tabelle 2 ist nur eine kleine Auswahl der Forschungsfelder der Dozenten zu sehen. Die gesamte Liste ist schlicht zu umfangreich. Das Themenspektrum außerhalb des englischsprachigen Lehrplans mit Modulen zu „Legal Studies on Internet Issues“, „History of Libraries and Communication Media“, „Information Seeking and Retrieval“, „Requirements Analysis and Project Management“, „Natural Language Processing“, „Speech and Audio Processing“, „Digital Archiving“, „Organization of Information and Resources“,„Metadata“, „Library and Information Services in Culturally Diverse Communities“, „Management of Libraries“, „Media Education“, „Higher Education and Information Professionals“, „Academic Libraries and Information Infrastructure“, „Research Methods in Informatics“ und „Introduction to Library and Information Science“ umfasst alles nur erdenklich Fachverwandte von Archivwissenschaft bis künstliche Intelligenz. Unter http://www.slis.tsukuba.ac.jp/grad/english/research/staff_e/ findet man die Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter mit ihren Forschungsgebieten, die für eine Bewerbung angeschrieben werden können. Laut Website der Einrichtung sind Graduierte aller Fachrichtungen willkommen.

Tabelle 2:

Forschungsfelder und Kontaktpersonen der Graduate School of Library, Information and Media Studies, Tsukuba-Universität (Quelle: http://www.slis.tsukuba.ac.jp/grad/english/Introduction/dept-e.html). Englischsprachiger Lehrplan: http://www.slis.tsukuba.ac.jp/grad/assets/files/kyoumu/2015syllabus_MCen_20150916.pdf

GruppeAusgewählte Forschungsfelder der DozentenKontakt
Information Principles and Design Group– Information and Communication Network – Data Engineering – Databases – Library and Information Science Education – Digital Library – DataminingHr. Masatoshi Kawarasaki
Information Circulation Group– Academic Library Management – Digital Archives – Bibliometrics, Informetrics – Information Retrieval – Special LibraryHr. Nobuyuki Midorikawa
Media Innovation Group– Information Design – Sound and Music Computing – Robotics, Interface, Robot vision – Content Production – Human Interface – Representation Technology of Information – Video media, Video archive, Video content distribution over the internetHr. Teiichi Nishioka
Human Information Interaction Group– Social Computing – Reference Science – Information Behaviour – Information Access – Educational Engineering – Interactive Information RetrievalFr. Mariko Iwasaki
Information and Society Group– Library History – School Library – Consumer & Market Analysis – Lifelong Learning – Intellectual Property Law, Copyright LawHr. Yuji Hirakue

Wer einen Master in Library and Information Science machen möchte, sollte vor dem Blick nach Japan keinesfalls zurückschrecken. Die Themenvielfalt, die Kooperationsmöglichkeiten mit Forschern aus der ganzen Welt und das Stipendium, welches das zweijährige Studium ohne finanzielle Sorgen ermöglicht, sind es wert diesen Weg in Betracht zu ziehen. Auch das Flugticket für An- und Abreise wird vom Stipendium voll abgedeckt. Falls keine japanischen Sprachkenntnisse vorhanden sind, ist ein sechsmonatiger Intensivsprachkurs mit eingeschlossen, Die Arbeitssprache in den Laboren ist gewöhnlich Englisch. Unter wenig organisatorischem Aufwand wird ein anschließendes PhD-Studium ermöglicht, für welches der Betrag des Stipendiums erhöht wird. Für die Dauer der Promotion wird eine Aufenthaltsgenehmigung für Ehepartner oder -partnerin sowie Kinder gewährt.

Beide Universitäten leisten Unterstützung bei der Suche nach der ersten Unterkunft, in der Regel ein Studentenwohnheim. In Kyoto gibt es speziell Wohnheime für internationale Studenten.

Jeder Student ist für einen geringen Beitrag (ca. 20 Euro im Monat), welcher vom DAAD bezuschusst wird, Mitglied in der nationalen Krankenversicherung. In der Regel müssen bei jedem Arztbesuch und bei den Medikamenten zusätzlich 30 Prozent der Kosten von den Studenten selbst getragen werden. Falls man eine Krankheit hat, die ein finanziell tragbares Maß übersteigt, werden dafür sämtliche Kosten von der Versicherung übernommen.

Die Anerkennung von dem in Deutschland absolvierten Bachelor oder Diplom ist in Japan kein Problem. Ebenso werden die in Japan erworbenen Abschlüsse in Deutschland anerkannt. Wer sich nicht sicher ist, ob der Abschluss einer Hochschule in Japan als gleichwertig anerkannt wird, kann dies mit dem „Informationsportal zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse“ (http://anabin.kmk.org/anabin-datenbank.html) überprüfen.

Deskriptoren: Hochschulausbildung, Informationswissenschaft, Lehrplan, Japan

Clara Weisel ist Studentin am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft und Regionalstudien Asien/Afrika mit Schwerpunkt Japan der Humboldt-Universität zu Berlin. Thema der Bachelorarbeit war die Evaluation der Benutzerfreundlichkeit der Virtuellen Fachbibliothek CrossAsia. Von September 2014 bis September 2015 absolvierte sie ein japanisches Sprachstudium an die Ritsumeikan-Universität in Kyoto, Japan.

Online erschienen: 2016-2-5
Erschienen im Druck: 2016-2-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 29.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2016-0018/html
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