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Geschäftsprozesse im Fachreferat

Analyse, Dokumentation und Optimierung an der Universität Konstanz
  • Agnes Grützner

    Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (Fraunhofer IRB), Projektmitarbeiterin im Team Open Science, Nobelstraße 12, D-70569 Stuttgart

    and Oliver Kohl-Frey

    Bibliotheksdirektor & Stellvertretender Direktor des KIM, Universität Konstanz, Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM), Universitätsstr. 10, D-78457 Konstanz

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Published/Copyright: August 14, 2020

Zusammenfassung

Der vorliegende Aufsatz befasst sich mit einer Analyse der Geschäftsprozesse im Fachreferat an der Universität Konstanz. Dazu werden zunächst die Rahmenbedingungen an der Universität Konstanz dargestellt, insbesondere die durch die Fusion von Bibliothek und Rechenzentrum zum Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM) entstandenen Veränderungen. Nach einem kurzen allgemeinen Überblick über Geschäftsprozesse werden die Vorgehensweise und die Ergebnisse der Konstanzer Analyse vorgestellt. Abschließend wird der weitere Umgang mit den Ergebnissen sowie das praktische Vorgehen diskutiert.

Abstract

This paper is dealing with a business process analysis of subject librarian processes at the University of Konstanz, Germany. First of all the relevant framework at the university is presented, especially the merger of university library and university IT centre into a new common institution (KIM). Then a short general introduction into business process modelling is given. Based on this the Konstanz study (design, realization and results) is presented in detail. Finally, the further practical steps in improving the processes are discussed.

1 Einführung und Rahmenbedingungen

Das Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM)[1] der Universität Konstanz ist 2014 aus einer Fusion von Bibliothek, Rechenzentrum und weiteren IT-Einheiten der Universität entstanden. Die Rolle der Fachreferenten wurde bereits im streng einschichtigen System der Bibliothek der Universität Konstanz stark wissenschaftsorientiert interpretiert. Fachreferate sind an der Universität Konstanz die Schnittstelle zwischen der zentralen Einrichtung zur Literatur- und Informationsversorgung (früher die Bibliothek, heute das KIM) und den Wissenschaftlern in den Fachbereichen.[2]

Durch die Institutionalisierung des KIM als der zentralen Einrichtung der Universität für alle IT- und Bibliotheksdienste hat sich auch die Rolle der aktuell neun Fachreferenten[3] verändert. Denn durch die Erweiterung des Serviceportfolios des KIM hat sich das Spektrum der durch die Fachreferate in die Universität zu vermittelnden Services deutlich erweitert: Die Fachreferenten sind nun gegenüber den jeweiligen Fachbereichen ebenfalls die ersten Ansprechpersonen für IT-Services, z. B. Cloudlösungen und Hochgeschwindigkeitsrechnen. Um die Fachreferenten bei der Vermittlung der IT-Services zu unterstützen und zu begleiten, wurde die Position eines IT-Fachreferenten neu geschaffen. Organisatorisch ist die Abteilung Fachreferate direkt der KIM-Direktorin als Abteilungsleiterin zugeordnet.

Neben den klassischen Fachreferatsaufgaben in den jeweiligen Fächern (vor allem Erwerbungsentscheidungen, Sacherschließung nach der Konstanzer Systematik, Vermittlung von Informationskompetenz) sind die Fachreferenten einerseits in Drittmittelprojekte eingebunden und haben andererseits vielfältige Querschnittsaufgaben für die gesamte Institution, darunter Informationskompetenz/Lehrräume, Digitalisierung, Bibliometrie, Bestandserhaltung, Aus- und Weiterbildung, Digital Humanities, Sacherschließung und anderes mehr. Leitungsaufgaben im Sinne von Sachgebiets- oder Abteilungsleitungen sind mit dem Fachreferat in Konstanz seit jeher nicht verbunden, um die Konzentration auf die wissenschaftsunterstützenden Aufgaben zu ermöglichen. Die Projekt- und Querschnittsaufgaben sowie das um IT-Services erweiterte Portfolio machen eine möglichst schlanke Organisation der Geschäftsprozesse im Fachreferat notwendig, um innerhalb der bestehenden Organisations- und Personalstruktur die vielfältiger gewordenen Aufgaben bewältigen zu können.[4]

Als dann 2017 mit Agnes Grützner eine Bibliotheksreferendarin gewonnen werden konnte, die einen Hintergrund in Wirtschaftsinformatik und der Modellierung von Geschäftsprozessen mitbrachte, lag eine Integration dieser Kompetenzen und Erfahrungen in eine einschlägige Projektarbeit mit dem Fokus auf Geschäftsprozessen im Fachreferat nahe. Die Projektarbeit dauerte dabei etwa von November 2017 bis September 2018 an und ist in einem internen Report ausführlich dokumentiert.

2 Zielsetzung des Projekts

Das Ziel dieser Projektarbeit war es, die Geschäftsprozesse im Fachreferat erstmals detailliert zu erfassen, zu dokumentieren und durch die Optimierung von Prozessen weitere Kapazitäten im Fachreferat zu schaffen. So kamen beispielsweise über die Zeit immer mehr Querschnittsthemen zum Aufgabenspektrum der Fachreferenten im KIM hinzu (s. o.). Zwar werden die Querschnittsthemenfelder auf die einzelnen Fachreferenten in der Rolle des Hauptverantwortlichen aufgeteilt, dennoch betreut mittlerweile jeder Fachreferent mindestens ein Thema, das nicht zu den „klassischen“ Feldern des Fachreferates zählt. Unter die „klassischen Fachreferatsaufgaben“ zählen, im Rahmen der Projektarbeit, der Bestandsaufbau, im Sinne der Auswahl von Fachliteratur, die Bestandspflege inklusive Aussonderung, die Sacherschließung sowie die Vermittlung von Informationskompetenz. Um Zeit für die neuen, sich dynamisch weiterentwickelnden Querschnittsthemen zu schaffen, sollte im Rahmen der Projektarbeit eine Prozessanalyse der Geschäftsgänge im Fachreferat durchgeführt werden, die die Fachreferatstätigkeiten näher beleuchten und im besten Fall Optimierungspotentiale identifizieren sollte. Eine weitere Herausforderung stellten die unterschiedlichen Kommunikations- und Interaktionsformen zu den prozessual angrenzenden Abteilungen, wie z. B. der Medienbearbeitung, dar. Durch den hauptsächlich personenzentrierten Austausch und den daraus entstandenen persönlichen Absprachen für die jeweiligen Fächer, konnten Aufträge aus dem Fachreferat nicht ohne Weiteres von jedem Mitarbeiter der Medienbearbeitung ausgeführt werden. Diesbezüglich entstand auch die Frage, ob diese Absprachen durch disziplinspezifische Gegebenheiten am Publikationsmarkt und/oder der Community vorgegeben wurden oder die Absprachen aus der persönlichen Arbeitsweise entsprangen.

3 Einführung Prozessmanagement

Ein kurzer Abriss der Theorie zum Thema Prozess(-Management) soll dazu dienen, das Vorgehen besser zu veranschaulichen und nachvollziehbar zu machen. Welche Merkmale man einem Prozess zuordnen kann, ist im Hinblick auf die Literaturanalyse von Hilmer[5] sehr ausdifferenziert. Sie identifizierte 122 Prozessmerkmale und 50 Prozesstypen. Davenport und Short haben die Aspekte von Geschäftsprozessen unter folgender Definition auf den Punkt gebracht: „We define business processes as a set of logically-related tasks performed to achieve a defined business outcome.“[6]

Diese Definition legt die Merkmale fest, dass ein Geschäftsprozess aus logisch zusammenhängenden, aufeinanderfolgenden Aktivitäten besteht sowie ein definiertes Ziel verfolgt, das sich in einem Ergebnis, dem „Output“ widerspiegelt. Empfänger des Outputs sind entweder interne oder externe Kunden.

Eine weitere Differenzierung, die im Kontext der Arbeit relevant ist, ist die Unterscheidung zwischen unterstützenden Prozessen und Kernprozessen[7]. Österle spricht von Kernprozessen oder auch dem „Kerngeschäft“, wenn der Prozess einen „Output“ für den Kunden generiert. Wenn z. B. durch einen Beschaffungsvorschlag, der in diesem Fall als Inputgröße fungiert, der Prozess der „Bestellung Monografien“ in Gang gesetzt wird und als Ergebnis das gewünschte Medium an den Initiator ausgehändigt werden kann. Unterstützende Prozesse werden nochmals unterteilt in Management- und Supportprozesse. Bei Supportprozessen handelt es sich um wertsichernde Abläufe, die keinen direkten Kunden-Output erzeugen, aber zur Qualitätssicherung der Kernprozesse beitragen. Zum Beispiel trägt der Prozess der Erstellung von Statistiken zu keinem direkten Mehrwert beim Kunden bei. Jedoch können anhand der Statistiken für den Prozess „Makulatur gedruckter Medien“ Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, wie z. B. welche Bände – aufgrund niedriger Ausleihzahlen – ausgesondert werden sollen, um einen nachfrageorientierten Freihandbestand präsentieren zu können. Managementprozesse bilden den grundlegenden Rahmen und die strategische Ausrichtung für Kernprozesse ab.

Unter dem Begriff des Prozessmanagements (PM) wird allgemein die Verwaltung der Prozesse in einer Institution verstanden. Dabei gibt es auch beim PM unterschiedliche Darstellungen, die sich durch ihren Detaillierungsgrad unterscheiden. Zusammengefasst beinhaltet jedes PM folgende Phasen, die sich in einem fortwährenden Kreislauf befinden: Prozessidentifizierung, Prozesserhebung und -dokumentation, Bewertung und Prüfung der bestehenden Prozesse und Optimierung/Anpassung der Prozesse.[8]

An der Universität Konstanz unterstützt die Stabstelle „Qualitätsmanagement“ die Abteilungen bei der Erfassung ihrer Prozesse. Sie bieten hierzu Leitlinien für die Modellierung von Prozessen in der Modellierungssprache BPMN 2.0 sowie das Modellierungstool Signavio[9] an. Dieser institutionelle Rahmen wurde auch für die vorliegende Arbeit genutzt.

Die Thematik des Bedarfs an Prozessmanagement in Bibliotheken ist nicht neu, ebenso wenig wie die Fragestellung, welche Vorteile die Einführung eines Prozessmanagements mitbringen kann.[10] So beschäftigt sich beispielsweise die Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart mit diesem Bedarf und bietet unter anderem eine Zertifizierung „Ausgezeichnete Bibliothek“ an, in dessen Rahmen auch die Prozesse der Bibliothek analysiert und bewertet werden.[11]

4 Vorgehen bei der Projektarbeit

Der Fahrplan für die Projektarbeit gestaltete sich wie folgt: Es wurden im Rahmen der Einarbeitungsphase die zur Erhebung relevanten Prozesse im Fachreferat identifiziert. Es lagen keine einheitlichen Dokumentationen der Geschäftsgänge in den einzelnen Fachreferaten oder der Abteilung „Fachreferat“ vor, weswegen die Abläufe im ersten Schritt durch neun einzelne Interviews mit den Fachreferenten erfasst wurden. Als Befragungstechnik wurde das leitfadengesteuerte Interview gewählt, um einen Spielraum bei der Beantwortung der Fragen zu ermöglichen und auch um die Abfolge der Fragen flexibel gestalten zu können, da es zunächst offen war, wie die Geschäftsgänge sich für die einzelnen Fachreferenten darstellten. Die Interviews waren umfangreich und beinhalteten nicht nur die Aufnahme der Abläufe, sondern umfassten Fragen zum Arbeitsumfeld,[12] den angewendeten Tools und Arbeitstechniken für die Aufgaben sowie den verwendeten Reports für das Monitoring des Fachbudgets. Denn während der Einarbeitungsphase kristallisierte sich heraus, welchen Einfluss die genannten Themen auf die Abläufe nehmen können. Die Fachreferenten wurden einzeln befragt, da die Ausgangslage sich aufgrund der fachbereichsspezifischen Gegebenheiten sehr heterogen darstellte und ein Abteilungsworkshop in dem vorliegenden Fall als nicht zielführend eingestuft wurde. Es wurde somit Raum für die Fachreferenten geschaffen, ihre eigenen Abläufe wiederzugeben sowie persönliche Anmerkungen zu den Abläufen hinzuzufügen. Der Fokus der Interviews lag auf den Aufgaben der Fachreferenten und den damit zusammenhängenden Prozessen. Im Vorfeld konnte nicht genau abgeschätzt werden, wie stark sich die einzelnen Prozessabläufe zwischen den Fachreferenten und deren betreuten Fachgebieten unterscheiden. Um eine erste Annäherung an überschneidenden und abweichenden Prozessschritten zwischen den einzelnen Fachreferaten vorzunehmen, wurden die Prozesse während der Interviews mithilfe von Bildkarten auf einem Whiteboard visualisiert. Ein Basis-Set an vordefinierten Bildkarten wurde auf Grundlage der Einarbeitungsphase der Mitautorin in das Fachreferat Wirtschaftswissenschaften vor dem ersten Interview erstellt. Die Fachreferenten durften die Karten während des Interviews bei Bedarf beliebig um weitere Karten erweitern oder diese umformulieren. Es gab für die Modellierung der Abläufe nur rudimentär vordefinierte Modellierungskonventionen. Diese setzten sich zusammen aus:

  1. Modellierungsrichtung von links nach rechts

  2. weiße Karten zur Abbildung der Aufgaben/Tätigkeiten

  3. orange Karten zur Abbildung der Abteilungen. Diese konnten optional hinzugefügt werden, um Schnittstellen zu anderen Abteilungen visuell besser hervorzuheben.

  4. grüne Karten zur Darstellung von Input- (Pfeil oben rechts) und Output-Größen (Pfeil unten links).

  5. Blaue Karten konnten optional eingesetzt werden, um den Einsatz von unterstützenden Werkzeugen hervorzuheben. Diese Symbolik wurde nach Durchführung der ersten Interviews aus dem Kartensetting entfernt, da die Modellierung dadurch zu umfangreich und unübersichtlich wurde. Der Einsatz von unterstützenden Werkzeugen in den einzelnen Handlungsschritten wurde zur Vereinfachung der Modellierung im Protokoll parallel notiert.

Die Ergebnisse wurden abschließend fotografiert und dem Interviewprotokoll angehängt. Um einen übergreifenden Blick der Abteilung „Fachreferat“ zu erhalten, wurden zusätzlich die Teams der Medienbearbeitung, die direkt Anknüpfungspunkte zum Fachreferat haben, im Rahmen von Gruppeninterviews über ihre Erfahrungen der Zusammenarbeit befragt.

Abb. 1 Beispielhafte Skizze von Makulaturvorgängen aus einem Interview
Abb. 1

Beispielhafte Skizze von Makulaturvorgängen aus einem Interview

Nach Abschluss der neun Einzelinterviews wurden die Fotoprotokolle zu den jeweiligen Prozessen nebeneinandergelegt und auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausgewertet. Es konnte festgehalten werden, dass sich die Prozessausführungen im Hauptstrang nicht stark voneinander unterscheiden. Dies wurde bereits während der Interviews deutlich, da die vorbelegten weißen Karten kaum erweitert wurden und die Fachreferenten ihre Arbeitsschritte damit abbilden konnten. Abweichungen ergaben sich sowohl aus der Verwendung unterschiedlicher Unterstützungstools als auch bei der Schnittstellenkommunikation zu anderen Abteilungen. Parallel zur Review-Schleife der Interviewprotokolle durch die Fachreferenten wurden die Prozesse in Signavio mithilfe der Modellierungssprache BPMN 2.0 als Entwürfe für den weiteren Abstimmungsprozess modelliert. Des Weiteren wurde zur Übersichtlichkeit über die Prozesse ein erster Entwurf[13] einer Prozesslandkarte erstellt. Nicht alle identifizierten Tätigkeiten im Fachreferat können zugleich in einem Prozess dargestellt werden. Die Eckpunkte für die Abbildung einer Tätigkeit in einem Prozess hängt davon ab, ob:

  1. der Prozessablauf abteilungsübergreifend vorliegt UND/ODER

  2. die Tätigkeit in weitere Unteraufgaben untergliedert werden kann UND/ODER

  3. die gleiche Tätigkeit in mehreren Fachreferaten vorliegt.

Aus den Interviews konnten die nachfolgend benannten Prozesse für das Fachreferat identifiziert werden:

  1. Bestandsaufbau

    1. Bestellung gedruckter Monografien

    2. Bestellung elektronischer Monografien

    3. Bestellung von Abonnements

    4. Schenkung via Fachreferat und Teams

    5. Approval Plan

  2. Bestandspflege

    1. Makulatur einzelner gedruckter Bände

    2. Makulatur größerer gedruckter Abschnitte in der Systematik

  3. Sacherschließung

    1. Systematisierung

    2. Erweiterung der Konstanzer Systematik

    3. Signaturkorrektur

    4. Systemstellenkorrektur

  4. Informationsvermittlung

    1. Erstellen eines Informationskompetenzkurses

    2. Durchführung eines semesterbegleitenden Informationskompetenzkurses

Im nächsten Schritt erfolgte ein gemeinsames Review der modellierten Prozesse durch die Fachreferenten im Rahmen einer Abteilungsrunde (Fachreferentensitzung). Ziel des Reviews war es, dass sich alle Fachreferenten zu den modellierten Prozessen committen und sich alle Fachreferenten in den abgebildeten Prozessen wiederfinden können. Ein einheitliches Verständnis stellt die Grundlage für die weiteren Schritte dar, wie z. B. über Prozesse zu diskutieren, diese zu verändern oder entlang der Schnittstellen zu anderen Abteilungen zu standardisieren.

Aufgrund der zeitlichen Begrenzung der Projektarbeit wurde der Schritt der Ausarbeitung von Verbesserungsansätzen nicht gemeinsam in einem Abteilungsworkshop erarbeitet, sondern es wurden durch die Projektbearbeiterin ausgearbeitete Verbesserungsvorschläge als Diskussionsgrundlage in einer weiteren Abteilungssitzung präsentiert und das weitere Vorgehen entlang des Prozessmanagementkreislaufs festgelegt.

5 Ergebnisse aus der Projektarbeit

Es wurden insgesamt 13 Prozesse in der Abteilung Fachreferat des KIM identifiziert und festgehalten. Die Darstellung erfolgte nach den Modellierungsrichtlinien der Universität Konstanz im Modellierungstools Signavio. Abb. 1 zeigt einen Ausschnitt aus einem im Interview modellierten Prozesses zur Makulatur von gedruckten Büchern. In dem vorliegenden Beispiel liegt die Besonderheit zugrunde, dass eine E-first-Strategie gefahren wird, weshalb bei Makulaturen mit Ersatzbeschaffung auch der elektronische Bestand überprüft wird. Diese Besonderheit fließt in den modellierten Prozess ein, da die Prüfung des elektronischen Bestands mittlerweile auch in anderen Fachreferaten Anwendung findet (siehe Abb. 2 „Prüfen ob Buch in elektronischer Form in Bestand vorliegt“). Abb. 2 stellt den final abgestimmten IST-Prozess für die Makulatur von gedruckten Abschnitten dar. Im Folgenden wird der Ablauf kurz schriftlich für eine bessere Verständlichkeit dargestellt.

Abb. 2 Modellierung des Prozesses: Makulatur größerer gedruckter Abschnitte in der Systematik
Abb. 2

Modellierung des Prozesses: Makulatur größerer gedruckter Abschnitte in der Systematik

Es gibt unterschiedliche Auslöser für die Durchführung größerer Makulaturen[14] im Bestand. So wurden bespielweise in der Phase der Sanierung der Bibliothek und des anschließenden Rückumzugs vom externen Magazin in die Bibliothek große Makulaturen durchgeführt. Aber auch der wiederkehrende Platzmangel im Buchbereich durch die kontinuierliche Neuerwerbung führt letztendlich dazu, dass der Fachreferent seine Bestände – ggf. ganze Systematikbereiche – regelmäßig prüfen und aussondern muss. Zur Vorbereitung der weiteren Schritte werden über Crystal Reports Statistiken für diese Abschnitte erstellt. Es gibt hierzu einen vordefinierten Report, der auf Basis des Systematikbereichs ausweist, welches Buch wie häufig in den letzten drei Jahren ausgeliehen wurde und wie hoch die kumulierten Ausleihzahlen sind. Daraus abgeleitet können folgende Tätigkeiten zur Entscheidungsfindung beitragen:

  1. Nach neuer Auflage recherchieren.

  2. Prüfen, ob das Thema des Bandes noch aktuelle Forschungsschwerpunkte der Lehrstühle abbildet.

  3. Überprüfen, wie viele Exemplare sich im Bestand befinden.

  4. Das Regal sichten.

  5. Im ILS (Libero) recherchieren, ob das Buch in elektronischer Form im Bestand vorliegt.

Der Fachreferent hat die Wahl, ob er die zu makulierenden Bände aus dem Buchbereich holt und mit dem jeweiligen Makulaturzettel versieht oder einen Handlungsauftrag per E-Mail an das „Team Monografien“ verfasst. Der Handlungsauftrag kann dabei folgende Makulatur-Ausprägungen haben:

  1. eine Teilmakulatur bei mehreren Exemplaren

  2. eine vollständige Makulatur ohne Ersatzbeschaffung

  3. eine Makulatur mit Ersatzbeschaffung

Neben einer Makulierung, kann aber auch eine Signaturkorrektur durchgeführt werden, wenn bei den Überprüfungen ungeeignete Zuordnungen von Bänden auffallen. Dies würde den Teilprozess der Signaturkorrektur anstoßen. Der nächste Schritt hängt von der Umfangsgröße ab. Bei mehr als 50 Bänden ist eine vorausgehende Klärung mit der Leiterin der Abteilung Medienbearbeitung durchzuführen, um Kapazitäten im Team besser einplanen zu können. Bei einem Auftrag unter 50 Bänden geht dieser direkt per E-Mail an das „Team Monografien“. Nachdem der Auftrag vom „Team Monografien“ bearbeitet worden ist, erfolgt eine mündliche oder schriftliche Rückmeldung an den Fachreferenten; damit ist der Prozess abgeschlossen.

Unter anderem ergaben sich anhand des vorgestellten Beispiels Handlungsmöglichkeiten, die Prozesse zu optimieren. Es kristallisierten sich vor allem zwei Stellschrauben heraus: Es bestand zum einen Standardisierungsbedarf bei der Kommunikation an den Schnittstellen zu den Teams der Monografien- und Zeitschriftenbeschaffung. Darunter fällt bei der Auftragserteilung die Angabe von vordefinierten Informationen wie der Signatur, dem Titel und dem Autor, z. B. anhand einer standardisierten E-Mail-Vorlage. Auch die Umfangsgrenzen waren nicht einheitlich bei den Fachreferenten bekannt, was zu vermeidbaren Schleifen und Verzögerungen führt. Einen weiteren Handlungspunkt stellen zum anderen die statistischen Reports dar, die den Fachreferenten zur Verfügung gestellt werden. Die Kennzahlen, die die Fachreferenten für die Betreuung der Fächer benötigen, verteilten sich auf mehrere Reports, so dass die Fachreferenten diese händisch in ihre eigenen Statistiken überführten. Zudem benötigen die Fachreferenten ähnliche Kennzahlen, da diese einzeln nach Status Quo ermittelt werden, was während der einzelnen Interviews sichtbar wurde. Hierzu erfolgten weitere Abstimmungsrunden und Anpassungen der bestehenden Crystal Reports an die Anforderungen der Fachreferenten, um in Zukunft zusätzliche individuell geführte Statistiken zu vermeiden, die wiederum aufwändig sind und Kapazitäten binden. Abschließend wurde zudem angeregt, eine aktive Plattform für die Fachreferenten anzubieten, in dessen Rahmen Arbeitsweisen, Arbeitstechniken sowie unterstützende Tools ausgetauscht werden können.

6 Einordnung der Ergebnisse und weiteres Vorgehen

Die so beschriebene Analyse der Geschäftsprozesse im Fachreferat mündete zunächst in 13 Ablaufdiagrammen der Prozesse in dem universitätsweit eingesetzten Tool Signavio, in einem Projektbericht, in dem alle Prozesse im Fachreferat dokumentiert sind sowie einer ausführlichen Abschlussdiskussion im Kreise der Fachreferenten und einer internen Präsentation für das ganze KIM. Im Abschlussbericht wurde bei allen analysierten Prozessen Optimierungspotential aus der Sicht der Projektbearbeiterin benannt. Diese Unterlagen standen zum Jahresende 2018 zur Verfügung.

Im Jahr 2019 wurde dann mit der weiteren Diskussion der 13 Prozesse begonnen, um das Ziel zu erreichen, Prozesse in den beteiligten Abteilungen Fachreferat und Medienbearbeitung weiter zu standardisieren und zu optimieren und damit Kapazität in den beiden Abteilungen zu gewinnen. Die Aufgabe der jeweiligen Vorbereitung der Prozessanalysen und -diskussionen und der Nachbereitung und Dokumentation der Entscheidungen wurde dabei von der Abteilungsleitung der Abteilung Medienbearbeitung übernommen.

Im Jahr 2019 konnten so die folgenden Prozesse vollständig bearbeitet werden:

  1. Bestellung gedruckter Monografien

  2. Bestellung von Abonnements

  3. Schenkung via Fachreferat

Dabei wurden gemeinsam mit den Fachreferenten die Prozesse nochmals aufgearbeitet und an den jeweils zu standardisierenden Abschnitten die Vor- und Nachteile von individuellen versus standardisierten Abläufen behandelt. In den allermeisten Fällen konnte zu Gunsten der standardisierten Variante entschieden werden; nur in sehr wenigen Fällen blieben, z. B. aufgrund von Fachspezifika, unterschiedliche Varianten bestehen. Gleichzeitig wurde mit den Fachreferenten deren Bedarfe und Wünsche diskutiert, um z. B. mit standardisierten Statistik-Reports die Arbeit der Fachreferate zu unterstützen.

Im Jahr 2020 stehen nun die Prozesse Bestellung elektronischer Monografien, Approval Plan sowie Makulaturen an. Im Anschluss sollen alle weiteren noch offenen Prozesse bearbeitet werden.

7 Fazit

Mit der hier beschriebenen Dokumentation der Geschäftsprozesse im Fachreferat liegt am KIM der Universität Konstanz nun erstmals eine Gesamtübersicht dieser Prozesse inklusive der Schnittstellen in weitere beteiligte Bereiche vor.

Damit ergibt sich für die Direktion die Möglichkeit, gemeinsam mit den Fachreferenten diese Prozesse zu diskutieren und so ein tieferes, fundierteres Bild der Arbeit im Fachreferat zu erhalten.

Die aus der Analyse und der Diskussion gewonnenen Erkenntnisse können zu Standardisierung und damit zu Optimierung dieser Prozesse führen. So kann im – kostentechnisch besonders – wertvollen höheren Dienst an einer Institution wie dem KIM der Universität Konstanz Kapazität gewonnen und für andere wichtige Aufgaben eingesetzt werden. Um diese zu beziffern, ist es derzeit allerdings noch zu früh.

Zudem werden die Arbeitsweisen und Interessen der Fachreferenten als der Schnittstelle zwischen dem KIM und den universitären Fachbereichen wahrgenommen und Bedarfe der Fachreferenten adressiert.

Gleichzeitig wird in der Institution ein Verständnis für dieses Vorgehen aus der Betriebswirtschaftslehre bzw. der Wirtschaftsinformatik und dessen Zweck und Vorteile geschaffen. Durch das so erreichte Verständnis und sinkende Bedenken gegenüber einer solchen objektiven ökonomischen Vorgehensweise lassen sich derartige prozessoptimierende Verfahren auch in anderen Bereichen der Institution einfacher einsetzen.

Innerhalb der Universität, in der die Geschäftsprozessmodellierung durch die Stabsstelle Qualitätsmanagement mithilfe von Signavio bereits ein Routinevorgang ist, wird die Sichtweise auf das KIM einfacher und das KIM kann mit seinen Prozessen an das universitäre Vorgehen andocken.

Insgesamt sind wir der festen Überzeugung, dass eine derartige Analyse, Diskussion und Umsetzung trotz enormen Aufwands eine lohnende Investition darstellt, um ein besseres Verständnis interner Prozesse zu erhalten und dringend benötigte Kapazitäten im Fachreferat und weiteren Bereichen einer Institution zu erkennen und freizusetzen.

Über die Autoren

Agnes Grützner

Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (Fraunhofer IRB), Projektmitarbeiterin im Team Open Science, Nobelstraße 12, D-70569 Stuttgart

Oliver Kohl-Frey

Bibliotheksdirektor & Stellvertretender Direktor des KIM, Universität Konstanz, Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM), Universitätsstr. 10, D-78457 Konstanz

Literaturverzeichnis

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Online erschienen: 2020-08-14
Erschienen im Druck: 2020-07-29

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  32. Rezensionen
  33. Johannes Frimmel: Das Geschäft mit der Unzucht. Die Verlage und der Kampf gegen Pornographie im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. (Buchwissenschaftliche Beiträge; Band 99). Wiesbaden: Harrassowitz Verlag. VIII, 366 Seiten: 18 Abbildungen, fest gebunden. ISSN 0724-7001; ISBN 978-3-447-11269-7. 78,– €
  34. Annelen Ottermann: Die Mainzer Karmelitenbibliothek: Spurensuche – Spurensicherung – Spurendeutung. 2., überarb. Aufl. Berlin: Logos, 2018. 1020 S. (Berliner Arbeiten zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft: Band 27). Auch als E-Book: https://ebookcentral.proquest.com/lib/gbv/detail.action?docID=5520804
Downloaded on 14.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2020-0017/html
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