Rezensionen
Cornelia Briel: Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet: NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945. Hrsg. von Hans Erich Bödeker und Gerd-Josef Bötte in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Mit einem Geleitwort von Barbara Schneider-Kempf. Berlin: Akademie-Verlag, 2013. 406 S.; Ill.; 25 cm. – ISBN 978-3-05-004902-1. € 69,80
Bereits seit einigen Jahren ist die Staatsbibliothek zu Berlin darum bestrebt, ihren Bestand nach geraubten und unrechtmäßig erworbenen Büchern zu durchsuchen. Eine in diesem Zusammenhang umfassende Aufklärung der institutionellen Strukturen, der politischen Hintergründe und Handlungsspielräume beteiligter Akteure wurde vorgenommen, um das Netzwerk, durch das beträchtliche Mengen beschlagnahmter oder geraubter Literatur eingezogen und verteilt wurden, verstehen zu können. Aus diesem Forschungsprojekt erwuchs eine Untersuchung der Projektbearbeiterin Dr. Cornelia Briel über die Aktivitäten „zweier zentraler Einrichtungen des deutschen Bibliothekswesens in der Zeit des Nationalsozialismus“ (S. 7): der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle. In ihrem hierzu jüngst erschienenen Buch nähert sich die Autorin den beiden großen Themenkomplexen sehr ausführlich und auf einer außerordentlich breiten Quellenfülle basierend an. Eingeleitet wird das Werk durch ein Geleitwort der Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf und durch eine fachkundige Einführung der beiden Herausgeber Hans Erich Bödeker und Gerd-Josef Bötte.
Die durch eine Verordnung vom Januar 1926 erschaffene Reichstauschstelle wurde zunächst als eine Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses der 1920 gegründeten Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft eingerichtet (S. 34). Im Zuge der ab 1933 von den Nationalsozialisten betriebenen Umstrukturierungsbestrebungen, trennte sich die Notgemeinschaft von ihrem Bibliotheksausschuss. Die drei im Bibliotheksausschuss verankerten Institutionen Reichstauschstelle, Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken und Deutsch-Ausländischer Buchtausch wurden darauf dem Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek Hugo Andreas Krüß administrativ unterstellt, während Adolf Jürgens als Geschäftsführer der Reichstauschstelle und Gisela von Busse als seine Stellvertreterin in ihrer bisherigen Stellung verbleiben konnten (S. 44). Cornelia Briel zeigt gut verständlich und detailliert die zuweilen „schwer zu durchschauenden Vorgänge um die Angliederung der Reichstauschstelle“ (S. 39) auf, wobei sie zu dem Ergebnis kommt, dass die drei Dienststellen tatsächlich von außen als zur Preußischen Staatsbibliothek gehörig wahrgenommen wurden, obwohl sie zu keiner Zeit Abteilungen der Preußischen Staatsbibliothek waren (S. 303).
Es hängt wohl damit zusammen – so Briel –, dass die Reichstauschstelle v. a. im Verlauf der 1930er-Jahre nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügte, und deshalb eine bemerkenswerte Dynamik bei der Erschließung von neuen Ressourcen und der kostenfreien Erwerbung von Literatur entwickelte. Dank dieser Erfahrungen wurde ihr 1943 schließlich das Wiederaufbauprogramm für die teilweise oder ganz durch Luftangriffe zerstörten deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken zugetragen (S. 94–151). Als eine Institution mit einer derartigen Aufgabenerweiterung konkurrierte die Reichstauschstelle mit anderen Machtzentren des NS-Regimes, wie z. B. dem Sicherheitsdienst der SS (z. B. S. 103 ff). Die Autorin beschreibt sehr schön die Konkurrenzsituation verschiedener Kontrahenten um die Ausweitung persönlicher Machtbereiche im NS-Herrschaftssystem, in deren Kontext sich auch Adolf Jürgens behaupten musste.
Bei den Buchbeständen die von der Reichstauschstelle erschlossen und verteilt wurden, handelte es sich zunächst hauptsächlich um die Bestände aufgelöster Behördenbibliotheken der preußischen Ministerien. Erst Ende der 1930er-Jahre kam sie in den Besitz von Raubgut, wobei die Autorin einräumt, dass aufgrund der schlechten Quellenlage nur Anhaltspunkte über den Umfang der vor dem Krieg verteilten Raubgutbestände gegeben werden können (S. 61, S. 305). Als im Zuge des Wiederaufbauprogramms 1943 schließlich Ankaufmittel zur Verfügung standen, waren die meisten Bücher aus den Haushalten emigrierter oder deportierter jüdischer Deutscher bereits verteilt. Die Reichstauschstelle erwarb in der kommenden Zeit häufiger Privatbibliotheken, Verlagsbestände und Antiquaria im Deutschen Reich und den besetzten westlichen Gebieten.
Am Ende des Krieges hatte die Reichstauschstelle ca. 40 Depots angelegt, in denen ca. 1 000 000 Bände ausgelagert worden waren (S. 151–159). Die bemerkenswerte „Stärke der Reichstauschstelle bestand neben der Ausstattung von neuen Bibliotheken mit Verwaltungsliteratur darin, einzelne schwer erhältliche Titel zu beschaffen, mit denen die Bibliotheken Lücken in ihren Beständen“ ergänzen konnten (S. 62).
Im zweiten großen Themenkomplex des Buches wird die Rolle der Preußischen Staatsbibliothek eingehend dargestellt. Ein zentrales Untersuchungsergebnis in Cornelia Briels Ausführungen ist die Feststellung, dass die Preußische Staatsbibliothek stärker als bisher angenommen bei der Bearbeitung und Verteilung geraubter Bücher mitwirkte und sich darüber hinaus aktiv um Bibliotheksbestände verfolgter Organisationen und Personen bemühte. Dies wird schon daran deutlich, dass der Generaldirektor Hugo Andreas Krüß bereits ab Mai 1933 zu erreichen versuchte, den Erhalt von Exemplaren eingezogener Schriften für seine Bibliothek zu veranlassen (S. 161 f., S. 166). In dem Erlass des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 wurde die Preußische Staatsbibliothek schließlich dazu ermächtigt, aus der in Preußen beschlagnahmten Literatur Exemplare für ihren Bestand auszuwählen und für sich nicht brauchbare Literatur an andere Bibliotheken, vornehmlich Universitätsbibliotheken, weiterzuleiten (S. 163). Die Erwerbungsabteilung, die sich der sog. „Unterverteilung“ widmete, wurde somit zu einem wichtigen Zentrum im Verteilungsnetz des NS-Raubzugapparats. Interessant ist, dass – so die Autorin – nicht alle Universitätsbibliotheken davon begeistert waren, „mit unverlangten Zusendungen überschüttet zu werden“ (S. 183).
Hatte es sich bei der Preußischen Staatsbibliothek zunächst – bis Ende der dreißiger Jahre – um die Verteilung aufgelöster bzw. von Polizeibehörden beschlagnahmter Bibliotheken politischer Organisationen und religiöser Vereinigungen oder um Bestände von linken sowie liberalen Intellektuellen gehandelt, bestimmten zwei Erlasse des Reichsfinanzministeriums vom 10. September 1938 und vom 12. Juni 1939 die Preußische Staatsbibliothek zur Sammelstelle für beschlagnahmte Hebraika und sogenannte Judaika (S. 207). Die Reichstauschstelle wurde laut eines Rundschreibens des Generaldirektors der Preußischen Staatsbibliothek in die Verteilung mit einbezogen (S. 206), wohingegen sie augenscheinlich bei der sog. „Unterverteilung“ in den Vorjahren nicht eingesetzt worden war (S. 204).
Cornelia Briel hebt hervor, dass die Staatsbibliothek sich bei der Übernahme bzw. beim Kauf der angebotenen Judaika und Hebraika eher zurückhielt und die Bestände nur teilweise akzessionierte (bspw. S. 250). Ebenso zögernd erfolgte die Einarbeitung der nach 1939 eingelieferten Kriegsbeute aus dem besetzten Ausland. Zwischen 1941 und 1944 waren der Staatsbibliothek auch von der Wehrmacht Bücher aus Polen, Frankreich und der Sowjetunion überstellt worden. Möglicherweise wollte Krüß selbst nicht mit dem Raub „in Verbindung gebracht werden“ (S. 248), zumal er glaubte, dass „bei zu erwartenden Friedensverhandlungen“ die deutsche Position „moralisch geschwächt“ sein würde (S. 310). In diesem Sinne distanzierte er sich auch von den Diebstählen an den Kulturgütern durch das Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamtes in Polen und den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Frankreich.
Gleichwohl beläuft sich die Zahl der Kriegsbeute, die in die Preußische Staatsbibliothek– zumindest nach den vorläufigen Schätzungen der Autorin – ungeachtet der Kriegsverluste und Tauschabgaben einging, auf insgesamt rund 94 000 Bände (S. 301).
Vor dem Hintergrund der zunehmenden thematischen Auseinandersetzung mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut, darunter auch Büchern – basierend auf den Vorgaben der Washingtoner Prinzipien von 1998[2] und die daraus formulierte „Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der Kommunalen Spitzenverbände“[3] –, haben sich auch Fragen nach der Funktion, der Rolle und schließlich der Dimensionsfülle der am unrechtmäßigen Erwerb von NS-Raub- und Beutegut partizipierenden Institutionen ergeben. Die unrechtmäßige Bücherbeschaffung betreffend spielten die Reichstauschstelle und die Preußische Staatsbibliothek eine nicht zu unterschätzende Rolle. Cornelia Briel kommt am Ende ihres Buches zu dem Schluss, dass sich die Institutionen „durch die Übernahme von Raubgut“ durchaus bereicherten (S. 312). Das Ergebnis ist nicht weiter überraschend, doch in welchem Umfang dies geschah, mit welcher Geschäftigkeit sich die jeweiligen Akteure Vorteile im Ringen zwischen den Machteliten erarbeiteten oder wie die Mehrzahl der Mitarbeiter die neuen Aufgaben widerspruchsfrei erfüllten, berührt den Leser durchaus.
Mit ihrer Studie hat Cornelia Briel eine wichtige Forschungslücke geschlossen, die gerade im Hinblick auf die zentrale Bedeutung dieser beiden Institutionen sehr wichtig ist. In diesem Sinne bietet das Buch einen kaum zu überschätzenden Beitrag für kommende Provenienzforschungsprojekte auch an anderen Bibliotheken, die sich mit ihrer Erwerbungsgeschichte im Nationalsozialismus befassen. Die in zahlreichen kürzeren Kapiteln zusammengetragenen Forschungsergebnisse sowie das Personenregister und das Register der Bibliotheken helfen dem Leser bei einer schnellen Recherche und geben dem Buch den Charakter eines Handbuchs. Insoweit stört es nicht, dass es nur eine größere Zusammenfassung am Ende des Werks gibt. Nicht fündig wird man allerdings, wenn man Auswertungen über Zugänge durch die Reichstauschstelle oder die Staatsbibliothek an die verschiedenen wissenschaftlichen Bibliotheken im Reich sucht, doch ist dies auch nicht Ziel des Buches. Allemal wird mit der Studie von Cornelia Briel ein wichtiger, genau recherchierter und gut leserlicher Beitrag zur längst überfälligen Aufarbeitung der deutschen Raub- und Beutegutgeschichte im Dritten Reich geboten. Das Werk ist für jeden Provenienzforscher eine unverzichtbare Lektüre.
Selbstbehauptung – Anpassung – Gleichschaltung – Verstrickung. Die Preußische Staatsbibliothek und das deutsche Bibliothekswesen 1933–1945. Hrsg. von Klaus G. Saur und Martin Hollender. Beiträge des Kolloquiums am 30. Januar 2013 in der Staatsbibliothek zu Berlin aus Anlass des 80. Jahrestags der nationalsozialistischen Machtübernahme. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2014. 261 S., s./w. Abb. (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; Sonderband 113). Fest. geb. – ISSN 0514–6364, ISBN 978-3-465-04213-6. € 62,10
Schon seit etlichen Jahren widmet sich die Staatsbibliothek zu Berlin mit großem Engagement der Erforschung ihrer NS-Vergangenheit. Das Berliner „Bedenkjahr“ 2013 aus Anlass des 80. Jahrestags der nationalsozialistischen Machtübernahme war dem Thema „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933–1938–1945“ gewidmet.[3] Am 30. Januar 2013 wurde im Deutschen Historischen Museum in Berlin die gleichnamige Ausstellung eröffnet. Die Staatsbibliothek veranstaltete am selben Tag ein Kolloquium „Selbstbehauptung – Anpassung – Gleichschaltung – Verstrickung. Die Preußische Staatsbibliothek und das deutsche Bibliothekswesen 1933–1945“.[4] Ein gutes Jahr später erschienen die 13 Vorträge im vorliegenden Tagungsband, der ursprünglich für das 3. Quartal 2013 angekündigt war. Die Beiträge wurden für die Veröffentlichung erweitert und mit zum Teil ausführlichen Anmerkungen ergänzt. Konzipiert wurde das Kolloquium von Christian Oesterheld, der als Fachreferent unter anderem auch das Buch- und Bibliothekswesen betreut. Wie die Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf in ihrem Geleitwort hervorhebt, hat sich die Staatsbibliothek mit drei weiteren Veranstaltungen in das Gedenkjahr eingebracht.
Die Referenten und Beitragenden sind zum überwiegenden Teil Mitarbeiter der Bibliothek oder kommen aus ihrem Umfeld, ein kleinerer Anteil setzt sich aus externen Experten zusammen. Für die Planung war ein wesentlicher Gesichtspunkt, dass die Preußische Staatsbibliothek nicht isoliert betrachtet wird, sondern in Bezug zu den Geschehnissen in anderen großen Bibliotheken des Deutschen bzw. Großdeutschen Reichs gesetzt werden sollte (S. 34). Dass dabei die „Nr. 2“, die Bayerische Staatsbibliothek, und die „Nr. 3“, die Nationalbibliothek in Wien, immer wieder – und dies nicht nur in den speziell ihnen gewidmeten Beiträgen – ins Spiel kommen, liegt auf der Hand.
Die den Band eröffnende Überblicksdarstellung von Christian Oesterheld ist mehr als eine Einführung. Sie bietet bei aller Kürze einen nützlichen Forschungs- und Literaturbericht. Die beiden nachfolgenden Beiträge von Sören Flachowsky und Jürgen Babendreier schaffen weitere Grundlagen für die anschließenden Themen. Flachowsky skizziert die Wissenschafts- und Bibliothekspolitik des „Tausendjährigen Reichs“, der sich die Protagonisten des Bibliothekswesens wenn schon nicht immer aus innerer Überzeugung so doch als Technokraten einfügten. Den Topos, dass man ja Schlimmeres verhüten wolle, trifft man bei ihnen nicht selten an. Wer die Veröffentlichungen von Babendreier kennt, weiß, dass er gerne eine auf den ersten Blick überraschende Herangehensweise wählt. Hier ist dies schon an der Überschrift zu seinem Beitrag „Über moralische und andere Katastrophen“ abzulesen. Er benutzt die Rhetorik als Leitmotiv, mit der die Jahre 1933 bis 1945 gepriesen, gestaltet, gerechtfertigt, verteidigt und selten verurteilt wurden, von der „Erdbebenrhetorik“ bis zur „Finalrhetorik“. Seine Akzentsetzungen mögen manchmal als Prokrustesbett erscheinen, doch er versteht es, die Dinge auf den Punkt zu bringen und zur Reflexion anzuregen.
Der zweite Themenblock beschäftigt sich mit den drei bereits oben genannten Großbibliotheken. Im Mittelpunkt stehen ihre Generaldirektoren, Hugo Andres Krüß in Berlin, Rudolf Buttmann, der „Parteigenosse Nr. 4“, in München und Paul Heigl in Wien. Alle drei standen in sehr speziellen Beziehungen zum Nationalsozialismus: Krüß als der in der preußischen Tradition verwurzelte Beamte – Buttmann als Bibliotheksfunktionär – Heigl als bedenkenloser Fanatiker. Die Herren sind bereits mehrfach in Publikationen „gewürdigt“ worden, was angesichts ihrer herausragenden Position nicht verwunderlich ist. Jede weitere Veröffentlichung trägt dazu bei, ihr Bild weiter zu differenzieren. Insbesondere Cornelia Briel ist mit „Hugo Andres Krüß – ein preußischer Beamter im NS-Staat“ eine Studie gelungen, die seine ambivalente Haltung auch aus mentalitätsgeschichtlicher Perspektive zu interpretieren versucht.
Der dritte Themenblock schlägt das traurige Kapitel der „Diskriminierung und Entrechtung von Bibliothekaren, Lesern und Förderern der Preußischen Staatsbibliothek“ auf. Klaus G. Saur bringt Kurzbiographien von 14 betroffenen Persönlichkeiten, die teils ins Exil, teils in den Tod getrieben wurden. Exemplarisch werden in eigenen Beiträgen Arthur Spanier, der bedeutende Hebraist (von Sophia Charlotte Fock und Eva-Maria Thimme) und Max Herrmann, der als Begründer der Theaterwissenschaft gilt, (von Martin Hollender) vorgestellt. Gwendolyn Mertz berichtet vom Schicksal der jüdischen Mitglieder des Vereins der Freunde der Preußischen Staatsbibliothek.
Im abschließenden Themenblock öffnet sich das weite Feld der Entwicklung der Sammlungen. Trotz aller Bemühungen der Provenienzforschung ist es über weite Strecken noch Terra incognita. So können die drei darauf bezugnehmenden Beiträge nur Teilbereiche abdecken. Jutta Weber, Leiterin des Referats Nachlässe und Autographen, untersucht die Erwerbungen für dieses Sammlungsgebiet. Michaela Scheibe beschreibt den Untergang geraubter Büchersammlungen, die auf verschiedene Bibliotheken verteilt wurden. Olaf Hamann schließlich erweitert mit „Raub, Zerstörungen und Verlagerungen von Bibliotheksgut im Krieg“ das Thema in eine europäische Perspektive hinein. Nach Meinung des Rezensenten besteht hier der größte, gewiss aber auch am schwierigsten zu bewältigende Forschungsbedarf.
Mosaiksteine lassen sich eigentlich nicht gewichten. Ausnahmsweise sei es aber gestattet, diesen Tagungsband als einen besonders wichtigen für ein Gesamtbild zu charakterisieren, nicht zuletzt in der begründeten Selbsteinschätzung des für das Konzept des Kolloquiums verantwortlichen Christian Oesterheld: Dass er (nämlich der Band) „die Preußische Staatsbibliothek und das deutsche Bibliothekswesen im Nationalsozialismus in neuer Differenziertheit vor Augen“ führt (S. 34). Er nennt eine umfassende Darstellung der Bibliothek im „Dritten Reich“ ein Desiderat. Aber man darf wohl feststellen, dass bereits jetzt die Summe der vorliegenden Veröffentlichungen mehr ist als die ihrer Teile. Es ist erfreulich, dass in diesem Zusammenhang die Arbeiten Werner Schochows, des langjährigen Chronisten der Staatsbibliothek, gebührend gewürdigt werden.[5] Die Karawane zieht weiter: auf eine weitere Neuerscheinung sei ausdrücklich hingewiesen: Cornelia Briel: „Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet. NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945“.[6]
Gertrud Enderle-Burcel, Alexandra Neubauer-Czettl, Edith Stumpf-Fischer (Hrsg.): Brüche und Kontinuitäten 1933–1938–1945. Fallstudien zu Verwaltung und Bibliotheken. Innsbruck: Studienverlag, 2013. 587 S. s./w. Abb. (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs; Sonderband 12). Brosch. – ISBN 978-3-7065-5198-4. € 49,20
Während in Deutschland ab der Mitte der 1980er-Jahre eine intensivere Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit des Bibliothekswesens zu beobachten war, setzten entsprechende Bemühungen in Österreich erst nahezu ein Jahrzehnt später ein.[+] Zu lang walteten die Hofräte „Vorsichterl“ und „Rücksichterl“ ihres Amtes. Etwa ein Jahrzehnt später begann der Prozess der „Bibliothekshygiene“, wie ihn Murray G. Hall so treffend nennt (S. 13), auch in Österreich; nicht weil die Zeit, die angeblich alle Wunden heilt, „reif“ war, sondern weil spektakuläre Ereignisse, wie die Beschlagnahme von Bildern des Malers Egon Schiele 1997 in New York, diesen Prozess auch im Bibliotheksbereich beschleunigten und zum Kunstrückgabegesetz von 1998 führten. Die Problematik der Kunstprovenienzforschung erfasste somit auch die Bibliotheken. Mit ein Grund für das lange Zögern war wohl auch, dass die Republik mit dem Staatsstreich der Regierung Dollfuß von 1933 und der nachfolgenden Periode des Austrofaschismus ein weiteres Tabuthema aufzuarbeiten hatte, an das die Politik nach 1945 um des inneren Friedens willen lange Zeit nicht zu rühren wagte. Der gerne gepflegte Mythos von Österreich als dem ersten Opfer von Hitlers Aggressionspolitik trug das Seine dazu bei.
Umso begrüßenswerter war es daher, dass die Österreichische Nationalbibliothek ein Zeichen setzte, als sie sich als vornehmste bibliothekarische Institution der Republik verpflichtet fühlte, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Mit Projekten und der von ihr initiierten Untersuchung von Murray G. Hall und Christina Köstner setzte sie gewissermaßen eine Wegmarke.[3] Es ist erstaunlich, welch große Zahl von Publikationen, sowohl von Monographien und Sammelbänden als auch von Beiträgen in verschiedenen Periodika, erschien, dazu außerdem unveröffentlichte Examensarbeiten entstanden sind.[4] Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass in den Jahren vorher bereits verdienstvolle Vorarbeit geleistet wurde.[5] Die Forschung schreitet voran, zahlreiche Lücken sind aber noch zu schließen. Selbst wenn man die gegenwärtige Situation weniger skeptisch einschätzt, ist Dieter A. Binder in diesem Buch beizupflichten, „dass man – gleichsam unter Berufung auf das Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 StGBl. 13 – den Nationalsozialismus amtlich und endgültig für erloschen betrachtet“ (S. 487–488). Lorenz Mikoletzky, Generaldirektor i. R. des Österreichischen Staatsarchivs, formuliert dazu ähnlich: „In letzter Zeit ist gelegentlich der Ruf nach einem Ende der Forschungen zur NS-Zeit in Österreich aus einschlägig bekannten Richtungen zu hören. Das Argument, es wäre schon alles ‚aufgearbeitet‘, greift in keiner Hinsicht und ist stets leicht zu widerlegen“ (S. 11). Sapienti sat!
Der hier vorzustellende voluminöse Band ist der beste Beweis gegen das erwähnte Argument. Seine Entstehung verdankt er einem ursprünglich größer geplanten Vorhaben „Verwaltung im Umbruch“. Verwirklicht werden konnte eine Vortragsreihe im Österreichischen Staatsarchiv in den Jahren 2011 und 2012 sowie ein Workshop 2011. Letzterer ist ein Verdienst der Mitherausgeberin Edith Stumpf-Fischer, die sich schon seit Jahren für die bibliothekshistorische Forschung engagiert. Aufgrund dieser Genese kamen zwei Themenblöcke zusammen, 6 Beiträge zur Verwaltung im engeren Sinn und 17 zum wissenschaftlichen Bibliothekswesen, die sich hervorragend ergänzen, dazu zwei einleitende Texte: „Von der Projektinitiative ‚Verwaltung im Umbruch‘ zum MÖSta-Sammelband“ von Gertrude Enderle-Burcel[6] und „Wissenschaftliche Bibliotheken – ein weites Forschungsfeld“ von Edith Stumpf-Fischer.
Noch eine Erläuterung zum Titel! „Bruch“ 1933 bedeutet für Österreich zunächst den Übergang von der Demokratie zum autoritär regierten Staat unter dem Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und nach dessen Ermordung durch nationalsozialistische Attentäter unter Kurt von Schuschnigg; 1938 und 1945 sind wohl selbsterklärend. „Kontinuitäten“ beschreibt nicht nur den nahezu nahtlosen Übergang einzelner Protagonisten vom sogenannten christlichen Ständestaat in den NS-Staat bzw. von diesem in die Zweite Republik, sondern ist zugleich Erklärung für die erst spät einsetzende Überwindung der Tabus durch einen Generationenwechsel, der nicht selten erst in der dritten Generation erfolgte.
Ein Vorzug des Sammelbands ist darin zu sehen, dass er einen Überblick über den aktuellen Stand der Erforschung auch einzelner Bibliotheken vermittelt. Darunter befinden sich Institutionen, über deren Geschichte während der NS-Herrschaft wenig oder noch nichts bekannt war. In Wien werden ein Dutzend Bibliotheken vorgestellt: neben der Österreichischen Nationalbibliothek, der Universitätsbibliothek mit zwei Teilbibliotheken, der Bibliothek der Technischen Universität und weiteren Universitäts- und Hochschulbibliotheken auch die Wienbibliothek im Rathaus (früher Stadt- und Landesbibliothek), die Parlamentsbibliothek und die Bibliothek der Wiener Arbeiterkammer, um wenigstens die wichtigsten aufzuzählen. In Graz werden die Universitätsbibliothek und die Steiermärkische Landesbibliothek berücksichtigt, in Innsbruck die Tiroler Universitäts- und Landesbibliothek, in Linz die Studienbibliothek (heute Oberösterreichische Landesbibliothek) und in Salzburg ebenfalls die ehemalige Studienbibliothek (heute Universitätsbibliothek). Ihre Schicksale waren höchst unterschiedlich. Die Bibliothek der Hochschule für Bodenkultur (heute Universität für Bodenkultur) kam „Ruhig durch unruhige Zeiten“ (so schon in der Überschrift des Beitrags), die Österreichische Nationalbibliothek unter ihrem Generaldirektor Paul Heigl gerierte sich als Musterschülerin und war Hauptnutznießerin des Regimes, die bedeutende sozialwissenschaftliche Bibliothek der Arbeiterkammer Wien hingegen wurde de facto ausgelöscht.
Abhängig von der Quellenlage und vom Fortschreiten der Forschung haben die Beiträge einen Umfang von 4 bis über 30 Seiten. Ebenso unterscheidet sich die Akzentsetzung: Zum einen die Brüche in Bibliotheksorganisation und ‑verwaltung, zum anderen die biographischen Aspekte, wobei hier die Frage der Kontinuitäten von besonderem Interesse ist. Die menschlichen Schicksale dokumentieren Suizide und Zwangspensionierungen nach Kriegsende und Wiedererlangung der Souveränität bis hin zu Auszeichnungen und ehrenvollem Ausscheiden aus dem Amt von „Ehemaligen“. Einige Beiträge lassen sich als biographische Artikel charakterisieren, so im Fall des bedeutenden Musikwissenschaftlers Gustav Donath (Bibliothek der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien) und des Schriftstellers und Direktors der Steiermärkischen Landesbibliothek Julius Franz Schütz.
Ein Teil der Texte entstand als Originalbeitrag, andere sind Berichte über Projektergebnisse, ferner ursprüngliche Diplom- oder bibliothekarische Hausarbeiten sowie Zusammenfassungen andernorts publizierter Arbeitsergebnisse ihrer Autoren. Wie Murray G. Hall in seinem Geleitwort bemerkt, „geben die Beiträge ein Zeugnis dafür ab, inwiefern dieses Forschungsgebiet ‚work in progress‘ ist [...]“ (S. 14). Es ist daher hilfreich, dass Edith Stumpf-Fischer in ihrem Beitrag „Wissenschaftliche Bibliotheken – ein weites Forschungsfeld“ einen Überblick über das, was der Leser erwarten darf, versucht und in die einzelnen Artikel einführt.
Hervorgehoben seien die „79 Kurzbiographien von Personen, die in leitender Funktion in Bibliotheken tätig oder für die jeweilige Bibliothek von Bedeutung waren“ (S. 17). Es wäre wünschenswert, wenn die Absicht, diese biographischen Artikel als Basis für ein biographisches Lexikon österreichischer Bibliothekare zu verwenden, in nicht zu ferner Zukunft in die Tat umgesetzt werden könnte. Zum Schluss sei noch auf das Personenregister und ein ungewöhnlich detailreiches Verzeichnis der Autoren hingewiesen.
Es ist nicht übertrieben, diese Veröffentlichung, wenn sie sich auch wie erwähnt als „work in progress“ versteht, bis zum Vorliegen einer elaborierteren Darstellung als Handbuch zu charakterisieren, das die Reihe der bisher von österreichischer Seite vorgelegten verdienstvollen Arbeiten eindrucksvoll fortsetzt.[7]
Frank Möller:Das Buch Witsch. Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch. Mit einem Vorwort von Helge Malchow. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2014. 778 S. 185 Abb. Fest geb. – ISBN 978-3-462-04130-9. € 29,99
Joseph Caspar Witsche zählt zu denjenigen prominenten Volksbibliothekaren in der Zeit des Nationalsozialismus, über die überdurchschnittlich viel geforscht und publiziert wurde. Dies betrifft Zeitschriftenbeiträge ebenso wie monographische Arbeiten.[+] Darüber hinaus beschäftigen sich mit ihm alle größeren Darstellungen zur Literaturpolitik und zum Bibliothekswesen des „Dritten Reichs“.[+] Vermutlich hätte Witsch von bibliothekarischer Seite weniger Aufmerksamkeit gefunden, hätte er nicht nach 1948 seine „Vita nuova“ als Verleger begonnen, als einer der innovativsten und kulturell wie politisch einflussreichsten. Über seine zweite Karriere und den späteren Verlag Kiepenheuer & Witsch liegen noch wesentlich mehr Veröffentlichungen vor als über sein Wirken als Bibliothekar.[+] Wenn der Autor Frank Möller den Titel seiner Monographie mit dem Zusatz „Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch“ versieht, ist das ausnahmsweise nicht als reißerisch zu tadeln, sondern entspricht durchaus den Tatsachen.
Möller, vom Studium her Historiker, Germanist und Medienwissenschaftler, beruflich tätig als Redakteur, Verleger und Journalist übernahm einen Auftrag des Verlags, denn „Kiepenheuer & Witsch wollte selbst mehr über seine Geschichte in Erfahrung bringen lassen“ (S. 619), nachdem eine Dokumentation des Kultursenders ARTE aus dem Jahr 2006 mit dem schönen Titel „Benutzt und gesteuert. Künstler im Netz des CIA“ sozusagen die Initialzündung geliefert hatte (S. 618).[+] Dass er hier die beiden (Berufs)Leben von Joseph Caspar Witsch zusammenführt, erscheint nicht nur folgerichtig sondern geradezu zwingend. Ohne Kenntnis seines Werdegangs – aktiv in der „Freideutschen Jugend“, im Wandervogel, im katholischen Milieu des „Quickborn“, seine Nähe zur linken Sozialdemokratie, seine umstrittene teils beruflich engagierte, teils persönlich distanzierte Einstellung zum Nationalsozialismus, seine Mitgliedschaft in der SED und seine antikommunistische Einstellung als Folge seiner Arbeit unter sowjetischer Besatzung – blieben viele Fragen offen und machten eine abschließende Beurteilung seiner Persönlichkeit schwierig.
Möller bewältigt seine Aufgabe mit Bravour, abgesichert durch ein ebenso umfangreiches wie sorgfältiges Quellenstudium, das übrigens von dem spektakulären Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 betroffen war. Er entspricht in hohem Maß den Kriterien der neuen Biographik mit ihrer stärkeren Berücksichtigung der Mentalitätsgeschichte. Der enorme Detailreichtum erschwert streckenweise die Lektüre, die andererseits aber in ihren politischen Passagen durchaus auch spannend wird.
Witsch, der in Köln geborene Sohn eines Dachdeckermeisters und Inhabers eines Baugeschäftes, absolvierte 1928/29 den ersten Lehrgang der eben erst gegründeten Westdeutschen Büchereischule Köln. Die Abschlussprüfung legte er im April 1931 in Leipzig ab. Danach arbeitete er bei den städtischen Volksbüchereien in Köln und war seit dem Wintersemester 1930/31 auch an der Universität zu Köln immatrikuliert. Da er 1933 bei der NSDAP als Kommunist denunziert wurde, wurde er von der Stadt Köln entlassen, trat aber, wohl um sich abzusichern, 1934 der SA bei und konnte 1934 seine soziologische Dissertation einreichen.
Den Ermittlungen der Gestapo in Köln entging er, da er 1935 eine Anstellung bei der Stadtbücherei Stralsund fand. Dies war allerdings nur eine Zwischenstation, denn im August 1936 berief ihn der thüringische Ministerpräsident als Leiter der Öffentlichen Lesehalle Jena und der Staatlichen volkstümlichen Landesstelle für das Büchereiwesen in Thüringen. Hier erwarb er sich durch die Reform des Büchereiwesens fachliches Renommee und rückte in die erste Reihe der Volksbibliothekare im Deutschen Reich auf. Von 1939 bis 1945 leistete er Kriegsdienst, wurde aber immer wieder zur Fortsetzung seiner Arbeit freigestellt. Es ist hier nicht der Platz, en détail auf sein Verhalten während der NS-Zeit einzugehen. Angelika Hohenstein hat in ihrem Buch eine einleuchtende Erklärung angeboten.[9] Möller wählt dafür den methodischen Weg, durch ein fiktives, „semidokumentarisches“ Gespräch mit Witsch in dieser Frage eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Gleich nach der Rückkehr Witschs aus dem Krieg, noch 1945, konnte er seine frühere Position in Jena wieder einnehmen. Er gründete 1946 die Universitätslehranstalt für Buch- und Bibliothekswesen, kurz Volksbibliothekarschule Jena genannt, an der sein Freund Max Bense, später Professor an der Universität Stuttgart, als Dozent mitwirkte. An der Vorbereitung des Thüringischen Büchereigesetzes war er maßgeblich beteiligt, war aber nicht bereit, die zentrale Lenkung und Aufsicht durch den Staat mitzutragen. Dies führte zum offenen Bruch mit seinen Vorgesetzten. Angriffe gegen ihn wegen seiner politischen Vergangenheit hatte es freilich schon seit seiner Rückkehr 1945 gegeben. Jetzt wurde er vollends zur persona non grata, obwohl er faktisch seit 1946 Mitglied der SED war (S. 203–205). Möller charakterisiert die Situation, in der sich Witsch befand, treffend mit „Politische Angriffe von außen, erzwungene Solidarität im Binnenverhältnis, nicht ohne die Drohung mit Erpressung“ (S. 202). Als Folge eines verspäteten Entnazifizierungsverfahrens wurde er im Februar 1948 entlassen. Im März kehrte er von einer Dienstreise nach Hessen nicht mehr in die Sowjetische Besatzungszone zurück. Paradoxerweise gelang ihm die Flucht dank der Hilfe eines befreundeten sowjetischen Offiziers. Damit war für den 42-jährigen der erste Abschnitt seines Berufslebens beendet. Nach knapp 20 Jahren begann seine fast ebenso lange Karriere als Verleger. Möller widmet dieser Phase etwa ein Drittel des Textes. Der fachlichen Ausrichtung von „BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis“ entsprechend wurde ihr hier besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Die folgenden Kapitel 8 bis 17 dokumentieren die nicht weniger – euphemistisch ausgedrückt – abwechslungsreichen Folgejahrzehnte. Der Neuanfang erfolgte von Hagen aus, bevor Witsch in seine Heimatstadt Köln zurückkehrte. Am Anfang standen gemeinsame Pläne mit Gustav Kiepenheuer, die nach dessen Tod 1949 zu heftigen Konflikten mit der Witwe Noa Kiepenheuer führten, die erst 1951 beendet werden konnten und schließlich die Gründung des Verlags Kiepenheuer & Witsch bewirkten. Die Kapitel 10 bis 15 befassen sich überwiegend mit den politischen Implikationen, in die Witsch bis zu seinem Tod verflochten war und die von seiner fundamentalistisch antikommunistischen Einstellung geprägt waren. Möller spricht geradezu von „Antikommunismus als Verlagsprogramm“. Amerikanische Aufbauhilfe, die Edition der „Roten Weißbücher“, die Rolle als „Hausverlag“ der Bonner Ministerien und Behörden, der Congress for Cultural Freedom/Kongress für kulturelle Freiheit (CCF), das „Ostkolleg“ sind nur einige Stichwörter, damit verbunden prominente Namen wie Eugen Kogon, Manès Sperber, Arthur Koestler und viele andere. Dass sowohl CIA als auch die Stasi – Originalton „Die skrupellosen Gaunerstücke eines bundesdeutschen Verlegers“ – mit im Spiel waren, ist nicht weiter verwunderlich.[10]
Spannend ist das vorletzte Kapitel, das von Witschs Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus handelt. Wie von den meisten seiner Zeitgenossen sind auch von ihm keine Selbstzweifel über die eigene Rolle während dieser Zeit aktenkundig. Im Fall der tief in den Nationalsozialismus verstrickten Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Frenzel – sie war wissenschaftliche Angestellte bei Alfred Rosenberg – veröffentlichte er ihr mehrfach aufgelegtes Lexikon „Daten deutscher Dichtung“ (1953), dessen „skandalös einseitige ideologische Auswahl von Werken der deutschen Literatur“ kein Hindernis war, bis 2009 seine Stellung als Standardwerk für Schulen und Universitäten zu behaupten. Witschs Nachsicht mit Mitläufern und Tätern war, wie man weiß, bis in die 1960er-Jahre in der Bundesrepublik keine Ausnahme. „Eben dafür [...] besaß Joseph Caspar Witsch kein Sensorium. Er stand mit diesem Manko nicht allein“ (S. 595). Betrachtet man aber die Themen Krieg und Nationalsozialismus als Teil des Verlagsprogramms, ist doch festzuhalten, dass der Verlag unter anderem 1961 William L. Shirers höchst umstrittenes Buch „Aufstieg und Fall des Dritten Reiches“ herausbrachte.
Aus dem bisher Gesagten dürfte deutlich geworden sein, dass dieses „Buch Witsch“ nur eine Facette, die des „Homo politicus“, ausgeleuchtet hat (S. 623). Folgerichtig will der Verlag ein Jahr nach Erscheinen von „Witsch I“ einen Band „Witsch II“, der bereits in statu nascendi ist, folgen lassen, der sich mit dem literarischen Verleger beschäftigen soll. Man darf gespannt sein, wenn man an Namen wie Heinrich Böll, Erich Maria Remarque, Joseph Roth, Jerome D. Salinger, Saul Bellow, Ignazio Silone, John L. Carré und viele andere denkt, die der Verlag in sein Programm aufgenommen hat.
Möller hat sein Opus magnum sowohl mit einer umfänglichen Einleitung als auch zusammenfassend mit einem Schlusskapitel „Nachbetrachtung und Ausblick“ versehen. Erwähnenswert ist auch das Vorwort von Seiten des Verlags, geschrieben von Helge Malchow. Mit über 100 Seiten Anmerkungen ist der Text gründlich belegt. Dazu kommen ein Literaturverzeichnis, das die herangezogenen Buchpublikationen nachweist (Aufsätze werden nur in den Anmerkungen genannt), eine Auflistung der Archive, der Zeitzeugengespräche sowie ein Personen- und Sachregister. Die 185 Abbildungen im Text sind aufgelistet.
Christina Lembrecht:Bücher für alle. Die UNESCO und die weltweite Förderung des Buches 1946–1982. Berlin, Boston: De Gruyter, 2013. XIV, 608 S. 17 Abb., 12 Tab. (Archiv für Geschichte des Buchwesens – Studien; 9). Fest geb. – ISBN 978-3-11-030311-7, e-ISBN 978-3-11-030339-1, ISSN 2197–0351. €99,95
Dieses Buch ist im Rahmen eines Promotionsverfahrens am Institut für Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz entstanden. Es handelt sich um eine grundlegende, detailreiche Studie, die einen wichtigen Beitrag zur Buchgeschichte am Beispiel einer internationalen Organisation leistet. Genauer formuliert geht es um eine Analyse der Buchförderprogramme der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation, der UNESCO. Erkenntnisleitendes Interesse der Autorin war nicht eine theoretische „Bestimmung des gesellschaftlichen Leistungsvermögens des Mediums Buch für die (Welt-)Gesellschaft(en) [...]“ (S. 24), sondern die Funktion, welche die UNESCO dem Medium Buch zuschrieb. Laut Lembrecht begriff die Organisation das Buch als ein Medium, „das Manifestationen fremder Kulturen als Teil einer universellen Einheit erfahrbar machen konnte“ (S. 104). Der Zeitraum, den die Arbeit umspannt, wird bestimmt durch die Gründung der UNESCO 1946 auf der einen Seite und durch das Jahr 1982 auf der anderen. Letzteres markiert eine Veränderung der Schwerpunktsetzungen: Der Akzent verschob sich von der Buch- zur Leseförderung. Außerdem traf sie mit einer politisch bedingten institutionellen Krise zusammen. Dieses und noch mehr wird im ausführlichen Einleitungskapitel entwickelt. Den nachfolgenden Kapiteln 2 bis 11 ist eine Gliederung in drei Teile inhärent, die Lembrecht zwar erläutert, die aber nicht auf den ersten Blick durchschaubar ist. Sie spiegelt sich in den Zwischenüberschriften wider, unter denen jeweils mehrere Kapitel zusammengefasst sind. In ihrer Formulierung (S. 50):
Eine bessere Verfügbarkeit von Büchern als Beitrag zur Errichtung weltgesellschaftlicher Ziel- und Hoffnungswerte wie Frieden und internationale Verständigung
Bildung
Entwicklung und Modernisierung
Darüber hinaus benennt sie drei Analyseschwerpunkte (S. 44):
Die UNESCO als globale Akteurin
Die Konzeptualisierung des Buches in Bezug auf sein gesellschaftliches Leistungsvermögen
Die Ausgestaltung konkreter Buchförderungsprogramme
Die Grundlage für die Analysen sind gedruckte und archivalische Quellen, letztere aufbewahrt am Hauptsitz der UNESCO in Paris. Das Archiv wird allerdings bezüglich der Buchförderungsprogramme als unvollständig bezeichnet, wobei Lücken durch die Hinzunahme des Archivs des Centro Regional para el Fomento di Libro en América Latina y el Caribe (CERLALC) wenigstens teilweise geschlossen werden konnten.
Entsprechend der Programmatik der UNESCO steht ihre Arbeit für die Dritte Welt bzw. die Entwicklungsländer im Mittelpunkt. Der eklatante Büchermangel dieser Weltregionen vom Schul- und Lese- bis zum Fachbuch und die strukturellen Probleme der Versorgung mit Büchern lassen dies verständlich erscheinen. Als Fallstudie herausgehoben ist dabei Lateinamerika mit einem Viertel des Textumfangs. Die Projekte für Asien und Afrika werden aber ebenfalls berücksichtigt, wenn auch nicht im gleichen Umfang; diejenigen für den Wiederaufbau von Bibliotheken in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg spielten seit den 1950er-Jahren für die Weltorganisation nur mehr eine ephemere Rolle.
Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, seien exemplarisch folgende weitere Themen der Untersuchung stichwortartig aufgezählt: Vertriebsstrukturen des Buchhandels, Buchmärkte, Leser- und Käuferschichten, Wirtschaftspolitik für den Buchhandel, Förderprogramme und regionale Buchförderung, Urheberrechtsfragen, die Rolle des Staates usw. Eingeschoben ist ein Exkurs über Bücher im „Kalten Kulturkrieg“.
Dem Selbstverständnis dieser Zeitschrift entsprechend soll noch besonders auf die den Bibliotheken gewidmeten Abschnitte hingewiesen werden. Sie sind im Wesentlichen im Kapitel 5 „Die öffentliche Bibliothek als Universität für das Volk“ zusammengefasst. Sie werden als „Grundbestandteile weltweiter Bildungsinfrastrukturen“ charakterisiert und bilden in diesem Buch den Kern des zweiten Teils „Bildung“. In den 1950er-Jahren spielt der Aufbau von pilot public libraries eine wichtige Rolle. Die Entwicklung in der Dritten Welt sollte durch Modellbibliotheken gefördert werden. Das sogenannte Public Library Manifesto „The Public Library. A Living Force for Popular Education“ von 1949 nannte kurz gefasst und einprägsam die wesentlich Punkte.[2] Bibliothekssysteme sollten als Bestandteile einer koordinierten Bildungspolitik betrachtet werden, Bibliotheksentwicklungspläne die Marschroute vorgeben. Nicht vergessen werden sollte auch die bibliothekarische Ausbildung. Der Aufbau universitärer Bibliotheksschulen in Afrika und in der Karibik war ebenfalls ein Ziel der Förderung.
Die Stichwörter „Bibliothekspolitik“ und „Bibliotheksentwicklungspläne“ bieten die Gelegenheit zu einer krischen Anmerkung. Auch wenn Lembrecht für ihre Fallstudien in erster Linie die Entwicklungsländer heranzieht, was durchaus sachentsprechend ist, verwundert doch, dass für die frühen 1950er-Jahre die Denkschrift der deutschen UNESCO-Kommission „Deutschland braucht Büchereien“ aus dem Jahr 1952 mit keinem Wort Erwähnung findet, zumal die dort genannten Defizite und Entwicklungsperspektiven zumindest partiell mit denen der damaligen Dritten Welt zum Vergleich herangezogen werden können.[3] Die Denkschrift lässt sich geradezu als die Ausführungsanweisung zum Public Library Manifesto interpretieren.
Der für ein sperriges Thema gut lesbare Text des Buches wird ergänzt durch Abbildungen und Tabellen sowie durch einen Anhang von exakt 100 Seiten. Er besteht aus einer Dokumentation von 13 Positionen: Verzeichnisse, die im Rahmen der UNESCO erarbeitet wurden, Veröffentlichungen regionaler Institutionen, Übersichten über Stipendienprogramme, Konferenzen, Expertenmissionen, Fortbildungsangebote und vieles andere mehr. Daran schließt sich eine Bibliographie der Quellen und der Forschungsliteratur. Ein Buchhandels- und Verlagsregister, ein Personen- und ein Sachregister schließen den Band ab.
Die breite Anlage dieser Studie, die einerseits akribische Auswertung des Materials und andererseits die Behandlung grundsätzlicher gesellschaftlicher Fragen zur Rolle des Buches zeichnen diese Veröffentlichung aus. Dass darüber hinaus der „geographische Referenzrahmen“ in Richtung einer „global history“ (S. 6) erweitert wurde, ist ein zusätzliches Verdienst. Das von der Autorin festgestellte Defizit, „dass eine umfassende Darstellung und Analyse des Engagements der UNESCO zugunsten des Mediums Buch noch aussteht“ (S. 8), ist dank ihres Opus signifikant verkleinert worden.
Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Hrsg. von Ursula Georgy und Frauke Schade. Berlin, Boston: De Gruyter / Saur, 2012. 662 S. Abb. Register. ISBN 978-3-11-026042-7. € 129,95
Gleich im ersten Satz der Einleitung bringen die Herausgeberinnen die Bedeutung des Praxishandbuches auf den Punkt: „Marketing wird sowohl in Öffentlichen als auch in wissenschaftlichen Bibliotheken selten professionell praktiziert“ (S. 7). Gründe gibt es einige wie das „bibliothekarische Selbstverständnis“ oder ungenügende „Strategie- und Methodenkompetenz“, die für ein „strategisches Marketing“ unerlässlich sind (ebd.). Selbstverständlich, wie in diesem Praxishandbuch belegt, gibt es auch Ausnahmen. Um den Grad der Professionalisierung im Bereich Marketing zu fördern, bietet ein 25-köpfiges Autorenteam in 26 Beiträgen eine wertvolle Hilfestellung.
Ursula Georgy und Frauke Schade legen die Grundlage in ihrem Beitrag „Marketing für Bibliotheken – Implikationen aus dem Non-Profit- und Dienstleistungsmarketing“ für die weiteren Ausführungen, indem sie Bibliotheken als Non-Profit- und Dienstleistungseinrichtungen positionieren. Hervorzuheben sind vor allem die viergeteilte leistungstypologische Einordnung des Angebotsportfolios und dessen informationsökonomische Einordnung sowie die mit Beispielen dargestellten Charakteristika von (Informations-)Dienstleistungen und deren Besonderheiten, aber auch der öffentliche Auftrag und die Wettbewerbssituation werden thematisiert.
Albrecht Göschel folgt darauf mit einem sehr empfehlenswerten Beitrag über „Stadt und Kommune – soziales und politisches Umfeld von Bibliotheken im Wandel“. Darin geht es um die prekäre Lage öffentlicher Bibliotheken, die eine Neuausrichtung der Planungs- und Betriebskonzepte erforderlich machen. Göschel unterscheidet dabei die „Bibliothek und Stadt in der ‚organisierten Moderne‘ (ca. 1920 bis ca. 1970)“, wo der Funktionalismus (Daseinsvorsorgen, Standardisierung, Zweckbauten) im Mittelpunkt stand, und die „Bibliothek und Stadt in der ‚Postmoderne‘ (ca. 1970 bis zur Gegenwart)“, wo vor allem fünf Trend betrachtet werden: „Globalisierung/Internationalisierung“, „Übergang zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft“, „Demografischer Wandel“, „Wertewandel“ und „Ökologischer Wandel“.
In seinen Ausführungen über „Standortmarketing“ hebt Konrad Umlauf zwei Perspektiven hervor: die Sicht der Politik – „die politischen Entscheidungsträger“ sowie die der Unternehmen und Bürger. Ziel des Beitrages ist es, anhand der Vorgehensweise im Einzelhandelsmarketing, Strategien für Öffentliche Bibliotheken abzuleiten und somit eine Perspektive aufzuzeigen, wie Öffentliche Bibliotheken einen Beitrag für die Regionalentwicklung leisten können.
Information als Wirtschaftsfaktor in Form von Informationsgütern und deren Besonderheiten stehen im Mittelpunkt des informativen Aufsatzes von Frank Linde. In diesem Zusammenhang legt Linde Wert auf wichtige Faktoren im Informationsmarkt wie Rechtsordnung, direkte und indirekte Netzwerkeffekte, Information als öffentliches Gut.
Im Anschluss daran folgt Ragna Seidler-de Alwis mit „Markt- und Wettbewerbsanalyse für Bibliotheken“. Ob nun Öffentliche oder wissenschaftliche Bibliothek, jeder Typ kann einen wertvollen Beitrag leisten. Die dafür erforderliche Vorgehensweise zeigt die Autorin. Unklar bleibt, ob die Autorin einen Unterschied zwischen Daten und Information macht oder ob es sich um Synonyme handelt (s. S. 142)?
Passend zu Seidler-de Alwis Ausführungen beschreibt Frank Linde „Wettbewerbsstrategien auf Informationsmärkten“, indem er auf das bekannte Modell zur Branchenstrukturanalyse von Michael Porter und das weniger bekannte Modell des Wertnetzes von Nalebuff und Brandenburger abstellt und diese Ansätze für die Bibliotheken nutzbringen transferiert.
Welche Methoden der Marktforschung für Bibliotheken und Informationseinrichtungen zur Verfügung stehen, beschreibt Simone Fühles-Uhbach in sehr praxisorientierter und anschaulicher Weise, darunter auch das im Bibliotheksbereich zunehmend beliebte Instrument des Mystery Shoppings.
Frauke Schade befasst sich mit „Chancen und Grenzen der Marktsegmentierung auf der Grundlage von Milieustudien für Öffentliche Bibliotheken“. Sie nimmt Bezug auf die Postmoderne und deren „Multioptionaliät“ (S. 208). Zur Orientierung in der damit verbundenen Veränderungsdynamik dienen unter anderem „micron GeoMilieus“, das „Sinus-Milieu-Modell“, „Typologie der Wünsche“.
Mit Bezug auf Peter Drucker (Management by Objectives), Igor Ansoff (Produkt-Markt-Matrix), die Portfolio-Matrix der Boston Consulting Group entwickelt Hans-Christoph Hobohm seine Überlegungen zum „strategischen“ und „operativen Marketing“. An verschiedenen Stellen gibt es Aussagen und Akronyme mit Leitcharakter wie „Make knowledge visible“, „vom „Konsument zum Prosument“ (S. 235), „SEPTEMBER“ (S. 248) oder „SMART“ (S. 252).
Die Kernthese in Tom Beckers und Anja Flickers Beitrag lautet, dass Wissensmanagement, Wissensbilanzen und Informationsmarketing aufeinander rekurrieren. In ihrem Exkurs zeigen sie, wie dieser Ansatz nutzbringend für Bibliotheken – am Beispiel der Stadtbücherei Würzburg demonstriert – umgesetzt werden kann. Ein besonderes Augenmerk legt das Autorenteam auf eine Wissensbilanz, die durch die Erfassung des intellektuellen Kapitals entsteht.
„Um erfolgreich zu wirken, müssen Qualitätsmanagement und Marketing (et vice versa, W.R.) verknüpft werden“ (S. 287), lautet Cornelia Vonhofs Leitthema über strategisches Qualitätsmanagement für Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Neben einer kurzen Übersicht über verschiedene Managementausprägungen beschreibt sie Qualitätsmanagement als Dienstleistung und rückt somit das Thema Dienstleistungsqualität in den Mittelpunkt. Hierfür betrachtet die Autorin verschiedene Modelle.
In die Praxis des Innovationsmanagements führen Ursula Georgy und Rudolf Mummenthaler mit einem sehr lesenswerten Beitrag ein. Vor dem Hintergrund – insbesondere die Aktivitäten in der Bibliothek der ETH Zürich – thematisiert das Autorenteam die Grundzüge eines Innovationsprozesses und die damit verbundende Innovationskommunikation.
Es folgen drei sehr anschauliche und praxisnahe Beiträge zum Thema „Markenbildung“:
Frauke Schade befasst sich ihrem sehr informativen Beitrag über „Markenentwicklung in Bibliotheken“ damit, wie sich Bibliotheken eine Markenidentität erarbeiten können, um somit ihre Wahrnehmung bei den Zielgruppen erheblich verbessern zu können.
In die gleiche Richtung und ebenso informativ erklärt Dorothee Kaser, was zu einer gelungenen „Markenpräsentation“ gehört. Denn: „Ein Logo macht noch kein Erscheinungsbild“ (S. 369). Sehr hilfreich sind dabei, die von ihr beschriebenen fünf Entwicklungsphasen.
Ute Engelkenmeier baut auf die beiden vorherigen Beiträge auf. Sie erläutert, wie „Strategische Markenkommunikation“ funktioniert. Sie stützt sich dabei auf das Vierstufenprogramm von Perrey/Meyer und betont die Bedeutung einer integrierten Kommunikation.
Ein sehr heikles Thema behandelt Ralf Drechsler mit „Die Bibliothek in der finanziellen Krise: Handlungsempfehlungen für erfolgreiche Krisenkommunikation“. Ein wichtiger Handlungsstrang in diesem Zusammenhang ist eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit, die selbstverständlich auch in Nicht-Krisenzeiten zu betreiben ist und für einen Goodwill sorgt. Hervorzuheben sind in diesem Beitrag die Praxisbeispiele aus der Privatwirtschaft und die nützlichen Handlungsempfehlungen.
Während das Internet und insbesondere Social Media in einigen Beiträgen kurz behandelt wurden, legt Markus Trapp den Schwerpunkt seiner Ausführung auf dieses Thema. Er zeigt anhand von Beispielen wie ein Blog, wie Facebook, wie Twitter im bibliothekarischen Bereich eingesetzt werden können.
Wie Bibliotheken und Informationszentrum Marketing via mobiler Endgeräte (Smartphones, Tablets, E-Reader) betreiben können, darauf geht André Vetter mit ausgewählten Beispielen ein.
Barbara Lison setzt sich mit dem Thema „Kundenzufriedenheit“ und „Kundenbindung“ auseinander. Beide Ansätze werden unter dem Begriff CRM (Customer Relationship Management) zusammengefasst. Die Autorin geht auf die Grundzüge des Beschwerdemanagements ein, betrachtet kurz das Neuro-CRM, verweist auf die Bedeutung des Online-Marketings und zeigt dann an bibliothekarischen Beispielen, wie Kundenbindung funktionieren kann.
Die strukturellen Voraussetzungen für ein effektives und effizientes Netzwerkmanagement für Bibliotheken liefert Christian Jahl. Der Autor geht auf die verschiedenen Netzwerkformen ein, um dann den Fokus auf Bibliotheken zu richten, wobei das Internet-Networking eine bedeutende Rolle einnimmt.
Claudia Lux’ Beitrag über „Bibliothekspolitische Forderung und Lobbyarbeit für Bibliotheken“ gehört zu den Highlights des Praxisbuches. Im Wesentlichen geht es ihr um die Sichtbarmachung und zielgruppengerechte Information und Kommunikation bibliothekarischer Arbeit.
Angesicht schwieriger Haushaltslagen rücken die verschiedenen Formen des Fundraisings immer weiter in den Vordergrund. Darauf legen Ursula Georgy und Frauke Schade ihren Schwerpunkt.
Das bürgerschaftliche Engagement als Bestandteil einer Corporate Social Responsibility-Strategie (CRS) beschäftigt Uta Keite, insbesondere demonstriert durch den „Medienboten“ der Bücherhallen Hamburg. Sie geht auf die verschiedenen Ausprägungen des CSR ein. Ihrer Behauptung, dass Begriffe wie Corporate Social Responsibility o. ä. in der bibliothekarischen Literatur nicht zu finden seien – wobei sie sich auf das Buch „Lobbyarbeit für Information Professionals“ (Ratzek 2010) bezieht – muss widersprochen werden. Es gibt dort vom Verfasser einen Beitrag „Soziales Kapital, soziale Netzwerke und Corporate Social Responsibility“ (S. 37 ff.).
Ein weiteres Highlight des Praxishandbuches bildet Oliver Obsts Beitrag „Die Zukunft des Bibliotheksmarketing“. Das folgende Zitat bringt es auf den Punkt: „Wenn Studierende dank Google, Google Books und der ubiquitären Ressourcen der mobilen Bibliothek jederzeit und überall lernen können, dann entscheiden nicht die Basics, sondern die Marginalien über den Erfolg der Bibliotheken: ‚weiche‘ Faktoren wie die Anwesenheit von Peers, Essen und Trinken, Wohlfühlstimmung, Atmosphäre“ (S. 586). Es folgen dann eine Reihe von Möglichkeiten und Szenarien wie Hausbesuche, Near Field Communication, Appsologie, Augmented Reality.
Eine sinnvolle Ergänzung zum vorangegangenen Artikel liefert Ursula Georgy mit „Emotionale Nutzenberechnung des Gehirns: Erfolg durch Emotion Marketing“. In diesem hochinteressanten Beitrag geht es unter anderem um „Lovemarks“, „Der Ort als Erlebnismarke“ oder „Geschlechts- und genderspezifisches Marketing“.
Ergänzend zu den letzten beiden Beiträgen – und den Abschluss des Praxishandbuches bildend – zeigen uns Hanneke Kunst und Isabelle van Woerkom, wie „Einzelhandel in niederländischen Bibliotheken“ funktioniert. Dabei wurden die Bibliotheken mit Fördergeldern des Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft unterstützt. So konnten zehn Bibliotheksverbünde von 2010 bis 2011 an der Entwicklung eines landesweiten Konzeptes zusammenarbeiten. Zur Veranschaulichung der Ergebnisse gibt es 15 Fotos.
Obwohl als Praxishandbuch deklariert, fehlen häufig Checklisten, über weite Strecken handelt es sich eher um theoretische Ausführungen. Offen bleibt auch, was eigentlich unter „Information“ zu verstehen ist. Einzig in Tom Beckers/Anja Flickers Beitrag wird ein nicht konsequent durchgeführter Versuch unternommen, einen qualitativen Unterschied zwischen Daten – Information – Wissen vorzunehmen. Ein aus meiner Sicht marketingstrategisches Alleinstellungsmerkmal für unsere Profession gegenüber der IT-Wirtschaft. Gerade auch weil Seidler-de Alwis in ihren Ausführungen hervorhebt: „Wissen und Information sind Schlüsselfaktoren für wirtschaftlichen Wohlstand und internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Bibliotheken tragen zu einem erheblichen (Anteil, W.R.) dazu bei [...]“ (S. 136). Warum dann nicht auch die Schlüsselfaktoren definieren? Zumal die Northsche Wissenstreppe in der wissensorientierten Unternehmensführung eine wichtige Rolle spielt. Da wird uns gezeigt, wie Zeichen – Daten – Information – Wissen usw. zur Wettbewerbsfähigkeit führen. In diesem Zusammenhang fehlt auch eine Definition von Bedürfnis bzw. Bedarf, zwar wird an vielen Stellen das Thema „Nachfrageanalyse“ aufgegriffen, die aber m. E. nicht an die Wurzeln des Problems geht, wie das beispielsweise Oliver Obst oder Ursula Georgy angehen. Wegen des Themenfokusses können auch Überschneidungen nicht ausbleiben. Das Praxishandbuch ist eine nützliche Unterstützung bei der Bewältigung von marketingspezifischen Fragestellungen. Sehr hilfreich dabei ist das ausführliche Register. Der Preis für das Praxishandbuch ist mit 129,95 Euro einfach zu hoch.
„Challenge accepted!“ Bibliotheken stellen sich der Herausforderung des demografischen Wandels. Positionen – Strategien – Modelle & Projekte. Hrsg. von Petra Hauke. Bad Honnef: Bock + Herchen 2014. XX, 392 S. (Bibliothek und Gesellschaft)
In der Reihe Bibliothek und Gesellschaft ist hier mit rund vierhundert Seiten ein recht umfangreiches Werk mit 28 Beiträgen und noch mehr verschiedenen Aspekten, sowie einem Vorwort des dbv-Vorsitzenden Frank Simon-Ritz entstanden, der gleich zu Beginn anmahnt, den „demografischen Wandel als Chance“ zu verstehen. Das gilt sicher insbesondere für das Bibliothekswesen, denn Geistesarbeiter sind im Rentenalter meist keine körperlich ausgelaugten Schwerarbeiter, und können manchmal noch in hohem Alter Hervorragendes leisten. Dieser Aspekt ist insbesondere darum interessant, weil zu oft das Menetekel einer alten senilen Gesellschaft an die Wand gemalt wird, die die jungen, nachwachsenden Generationen in absehbarer Zukunft nur noch belasten werden. Bevorzugt wird über „Großdruckbücher, Lesehilfen, Platz für Rollatoren“ etc. diskutiert, als ob alle „Alten blind, gebrechlich und lahm“ wären (S. 13). Stattdessen könnten etliche Rentner und Pensionäre durchaus noch als Berater, Information Broker, Freelancer oder ‚Senatoren‘ aktiv sein. Wenn ich Simon-Ritz richtig verstehe, gehen auch seiner Meinung nach die Überlegungen der jetzigen Bundesregierung durchaus in diese Richtung, so dass dann eine neue Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt aktiv wird. Es geht also nicht nur um die Ehrenamtlichen, die als ‚unqualifiziert‘, ‚unprofessionell‘ und ‚Arbeitsplatzvernichter‘ angesehen oder eingesetzt werden (S. 262, s. a. S. 306), sondern auch um die Qualifizierten, die noch nicht einsehen, warum sie z. B. als verrentete Wissensmanager nicht weiter gegen die „Bildungs- und Qualifikationsdefizite“ (S. 17) bei Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft mehr kämpfen sollen, frei nach dem Motto „rent a rentner“. Welchen Einfluss das auf die Zukunft der Bibliotheken haben wird, ist sicher eine spannende Frage, denn dass es einem Nutzer relativ gleichgültig ist, wo ihm welcher Experte auf der Welt online antwortet, wenn es heißt „Frag die Bibliothek“ (ask a librarian), ist insofern klar, weil er es ohnehin nicht immer weiß. Hauptsache die Antwort ist hilfreich und kostenlos bzw. den Preis wert. Es ist der alte Generationenvertrag, dass Menschen am Ende ihrer Lebenserfahrung den Kindern, die noch kein eigenes Geld verdienen, das geben, was diese für ihr selbstbestimmtes Leben brauchen werden.
Es würde sicher zu weit führen, hier alle Beiträge und Aspekte einzeln zu besprechen, darum beginnen wir zunächst mit einer scheinbaren Nebensächlichkeit. In dem Beitrag „Mehr Chancen als Risiken“ (S. 3) müsste es eigentlich heißen, mehr Chancen als Gefahren, denn das Wort Risiko beinhaltet ja gerade die Abwägung von Chancen und Gefahren. Nur weil immer mehr Menschen, das Wort Gefahr durch das scheinbar abmildernde Wort Risiko ersetzen, wird unsere Zukunft nicht weniger gefahrvoll, wenn wir heute Fehler begehen. Wenn wir uns beispielsweise mit der zunehmenden Digitalisierung auf ein großes Risiko einlassen, steigen neben den Gefahren auch die Chancen – insbesondere für weniger mobile Personen. Diese „mangelnde Mobilität, erhöhte Chancengleichheit und die Erfüllung des im Grundgesetz geforderten Zugangs zu öffentlich zugänglichen Informationsquellen“ (S. 367) kann und muss durch Barrierefreiheit angestrebt werden.
Gegenüber dem weit verbreiteten und auch berechtigten Bedauern über das Digital Divide können wir heute erkennen, dass z. B. „Tablet PCs für Seniorinnen und Senioren ... den Einstieg erleichtern“ (S. 158). Man muss also immer weniger die digitalen Grundkenntnisse früherer Generationen erworben haben, um heute rasch „state of the art“ zu sein. Insbesondere bei der „steigenden Nachfrage nach Medien, die speziell die Begleitung von Demenzerkrankten unterstützen“ (S. 333) kann, sind Erleichterungen erkennbar. Bibliotheken nehmen nicht „nur einen Informationsauftrag, sondern auch soziale Verantwortung wahr“ (S. 160), in dem sie dazu beitragen, auch ältere Menschen nicht in die geistige Isolation abgleiten zu lassen. Anderenfalls besteht in unserer Gesellschaft die Gefahr, auf eine „demografische und soziale Segregation“ (S. 7) zuzusteuern. Hierzu müssen sie die „Chance ergreifen [...], die Bibliothek auch als Ort veränderten Nutzungsbedürfnissen“ (S. 285) anzupassen. Wozu sie sich zusammenschließen, ein seit über hundert Jahren anhaltender Trend, bis hin zur weltumspannenden Digitalen Bibliothek.
Natürlich werden auch die Gefahren gesehen. „Gelingt diese Modernisierung der Strukturen und Vergütungen nicht, wird das Bibliothekswesen gnadenlos vom demografischen Wandel abgehängt“ (S. 18), und darum wird nicht von ungefähr, seit etlichen Jahren, über die Zukunft des Bibliothekswesens gestritten, gemutmaßt und berechtigt gekämpft.
„Schon jetzt engagieren sich Ältere in Fördervereinen oder Freundeskreisen für die Belange der Bibliothek oder übernehmen als Vorlesepaten regelmäßig Vorlesestunden für Kinder. Es ist anzunehmen, dass das bürgerschaftliche Engagement in den kommenden Jahren, bedingt durch den sich erhöhenden Anteil an aktiven Senioren, weiter ansteigen wird“, lesen wir auf S. 30 und wir können hinzufügen, dass die Ära der senior-citizen scientists gerade erst beginnt. Denn „Immer mehr ältere Menschen sehen die Altersphase nicht als ‚Ruhestand‘, sondern als Chance, sich mit ihrem Wissen und ihrer Lebenserfahrung in unsere Gesellschaft einzubringen“ (S. 118). Das liegt auch daran, dass in der westlichen Welt „heutige Senioren fitter denn je“ bleiben (S. 195). Darum muss auch genauer als bisher zwischen 65-, 75-, 85- oder 95-Jährigen unterschieden werden.
Das gilt trotz der Erkenntnis, „dass Ältere weniger bereit seien, ihr Wissen (kostenlos) zu teilen“ (S. 89), weil diese Beobachtung insbesondere 50–64-Jährige betrifft, die Gefahr laufen, dass sie rasch durch Jüngere ersetzt werden, sobald sie ihr Know How an diese abgeben. Sie müssen ihre „Wertschätzung“, gegenüber den jüngeren oft vitaleren und billigeren Kräften sichern. Das entfällt weitgehend, wenn eine ausreichende Rente erreicht worden ist.
Vor rund drei Jahrzehnten konnte man das gut beobachten, als man viele der älteren Menschen vorzeitig in Ruhestand schickte, weil die Digital Natives und vor ihnen auch schon die Generation C64 mit Macht nachrückten, sie gewissermaßen verdrängten. Rasch merkten aber schon damals die über Vierzigjährigen, dass sie von ihren Kindern viel lernen konnten, und dass sie auf diesen Zug der Digitalisierung und insbesondere auf das Internet rasch aufspringen mussten. Heute verweisen Bibliotheken, dort wo es noch notwendig ist, ihre „Besucher gewöhnlich ans Internet. Gerade von den Älteren wird dieser Hinweis gerne aufgegriffen, und sie sind dann oft wirklich froh“ (S. 355). In der Folge denkt die Beschäftigungspolitik nun wieder mehr über eine altersmäßige Weiternutzung dieses Know Hows nach. Damit sinkt die Zahl der „Digital Immigrants oder vielleicht doch eher Aliens“ (S. 114) von Jahr zu Jahr. Zumal auch Technik „die Auswirkungen alterungsbedingter Einbußen und Einschränkungen vermeiden, hinauszögern, ausgleichen und abschwächen“ hilft (S. 122). Dass auch immer mehr Ältere das Internet täglich nutzen ist unübersehbar. Ohnehin besteht in Prognosen oft die Gefahr, dass bestimmte Entwicklungen extrapoliert werden, während andere übersehen oder unterschätzt werden. Wenn also bis 2030 „die Bevölkerung in Deutschland um 3,7 % schrumpfen“ wird (S. 5), dann gilt das natürlich nur unter der Annahme, dass wir bis dahin die Einwanderung ebenso restriktiv weiterführen wie bisher. Das kann sich aber rasch ändern. So denken immer mehr postindustrielle Länder daran, den Brain Drain, der einst die USA an die Weltspitze führte, nun in der „European Research Area“ zu nutzen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass 2030 die dann 65-Jährigen, heute 50 Jahre alt sind, und informationskompetenter sein werden als heute. In den USA „haben sich die Bibliotheken in besonderer Form auf die Bedürfnisse der Neuankömmlinge eingestellt“ (S. 75).
Wenn auf S. 11 „vielmehr intelligente Schrumpfungsstrategien und eine Hinwendung zu mehr Qualität als Quantität“ gefordert werden, sollte man diese Schrumpfungen in Deutschland immer auch im Zusammenhang mit den weltweit anhaltenden Wachstumsraten sehen, denn die Menschen aus etlichen aufstrebenden Nationen werden weiter, und immer stärker, in Länder mit demografischen Vakuen hineinströmen. Insofern gibt es auch hier, Chancen zu nutzen und Gefahren abzuwenden. „Zum demografischen Wandel gehört (darum auch, Anm. des Verf.) der wachsende Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ (S. 147). Wobei diese Entwicklungen „nicht zum Missverständnis führen“ dürfen, „die Bibliothek solle sich vor allem benachteiligten Zielgruppen zuwenden. Für dieses edle Anliegen ist die Bibliothek ein wenig geeigneter Hebel“ (S. 148). Im demografischen Wandel geht es vielmehr um die Förderung von Begabungen (nicht nur Hochbegabten) auch noch in hohem Alter. Darum zeichnet sich im internationalen Bibliotheksmanagement schon seit Jahren immer deutlicher ab, dass „Bibliotheken insbesondere im Bereich der interkulturellen Bibliotheksarbeit eine Schnittstellenfunktion wahrnehmen sollen“ (S. 38).
Erstaunlicherweise finden wir nur auf S. 27, im Zusammenhang mit dem „Trend zur Familienbibliothek“, einen einzigen Hinweis auf die Bedeutung von Großeltern, z. B. bei der Miterziehung von Kindern. Das mag daran liegen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Familien zerrissen waren, diese Generation seltener überlebt hatte, etc. Aber inzwischen wächst die Bedeutung dieser Großeltern für die Bildung der nun heranwachsenden Generationen wieder an, die auch in ihrer Informationskompetenz unterstützt werden sollte, wie es im Buch mehrfach anklingt. Auch von daher wären „altersgemischte Teams“ (S. 44) in den Bibliotheken wünschenswert, die an ihrem traditionellen Bildungsauftrag gemeinsam ihren Beitrag leisten. Mit Recht heißt es auf S. 21 „Bildungschancen sind Lebenschancen“ und auf S. 22, dass das „lebenslange Lernen, die Nutzung der Potenziale der älteren Generation“ erfordert. So wie Schulen die Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche sind, wird die Digitale Bibliothek immer mehr zum Angebot für das lebenslange Lernen, dem sich auch Siebzigjährige, beim heutigen rasanten Wandel unserer Umwelt, immer weniger entziehen können. Damit sollten die Bibliotheken den „Zusammenhalt zwischen den Generationen unterstützen“ (S. 26) und dies nicht nur durch ihr eigenes personelles Teamwork, sondern auch durch „Anschaffung regionaler Literatur“ (S. 362), durch örtlich Seniorenakademien (S. 361) oder die Erfassung gemeinsamer Familiengeschichte(n). Bibliotheken als Archive publizierter Information können sich heute im Zeitalter des Internets immer mehr auf die regionalen Bedürfnisse ihrer Nutzer konzentrieren. Auch dann, wenn Migranten unter den Schülern „Medien und Computer stärker in der Bibliothek“ nutzen (S. 147) als die anderen Schüler.
Das Buch ist voller Anregungen, und wenn hier immer nur Seitenzahlen zitiert werden, so lässt sich leicht erkennen, dass sich diese Impulse über das gesamte Werk erstrecken.
© 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston
This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License.
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Titelseiten
- Inhaltsfahne
- Schwerpunkt Informationsinfrastruktur für die Forschung. Vom Sondersammelgebiet zum Fachinformationsdienst
- Editorial
- Nachhaltige Infrastruktur für die Literatur- und Informationsversorgung: im digitalen Zeitalter ein überholtes Paradigma – oder so wichtig wie noch nie?
- Bibliotheken ohne Bestand?
- Das Ende der Sondersammelgebiete – Ende einer Infrastruktur
- Warum sich die SULB Saarbrücken nicht als FID bewirbt
- Fachinformationsdienste für die Wissenschaft – mehr als nur eine Umbenennung der Sondersammelgebiete
- Digitale Sammlungen – Vision eines Neubeginns
- Zukunftsgestalter in Bibliotheken 2014
- Editorial
- „Verbindende Schritte in eine digitale Zukunft.“ – Ein „All-in-One“-Projekt zur Learning- & Supporting-Library für praktizierende Lehrpersonen
- Zukunftsgestalter in Bibliotheken 2014 – Kurzberichte
- Individualisierte QR-Codes zur Verknüpfung von Print- und E-Bestand
- „Medien-Elternabend“: Stadtbibliothek Mannheim macht Mütter und Väter stark für die Medienerziehung ihrer Kinder
- Zukunftsgestalter: Die Vermittlung von Informationskompetenz im Ausland
- David gegen Goliath – Digitalisierung in Regionalbibliotheken
- Die Implementierung eines institutionellen Repository plus „all-inclusive“ Dienstleistungspaket
- Weitere Beiträge
- Linked Open Data – Wie das Web zur Semantik kam
- Gedenkjahr 2014 – ein Auftrag an Gedächtnisinstitutionen
- Die Geschichte der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784–1835
- Barrierefreiheit der Stuttgarter Bibliotheken
- Forschungsunterstützung an australischen Universitätsbibliotheken
- Für die Praxis
- Wer fragt was und wann? – Eine qualitative Auswertung der Nutzung digitaler Auskunftsangebote von Hochschulbibliotheken am Beispiel der DigiAuskunft
- Dokumente
- Die Bibliothek als Werkstatt der Wissenschaft
- Bibliographische Übersichten
- Zeitungen in Bibliotheken
- Rezensionen
- Rezensionen
- Informationen
- Gemeinsame Wissenschaftskonferenz
- Jahresinhaltsverzeichnis 2014
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Titelseiten
- Inhaltsfahne
- Schwerpunkt Informationsinfrastruktur für die Forschung. Vom Sondersammelgebiet zum Fachinformationsdienst
- Editorial
- Nachhaltige Infrastruktur für die Literatur- und Informationsversorgung: im digitalen Zeitalter ein überholtes Paradigma – oder so wichtig wie noch nie?
- Bibliotheken ohne Bestand?
- Das Ende der Sondersammelgebiete – Ende einer Infrastruktur
- Warum sich die SULB Saarbrücken nicht als FID bewirbt
- Fachinformationsdienste für die Wissenschaft – mehr als nur eine Umbenennung der Sondersammelgebiete
- Digitale Sammlungen – Vision eines Neubeginns
- Zukunftsgestalter in Bibliotheken 2014
- Editorial
- „Verbindende Schritte in eine digitale Zukunft.“ – Ein „All-in-One“-Projekt zur Learning- & Supporting-Library für praktizierende Lehrpersonen
- Zukunftsgestalter in Bibliotheken 2014 – Kurzberichte
- Individualisierte QR-Codes zur Verknüpfung von Print- und E-Bestand
- „Medien-Elternabend“: Stadtbibliothek Mannheim macht Mütter und Väter stark für die Medienerziehung ihrer Kinder
- Zukunftsgestalter: Die Vermittlung von Informationskompetenz im Ausland
- David gegen Goliath – Digitalisierung in Regionalbibliotheken
- Die Implementierung eines institutionellen Repository plus „all-inclusive“ Dienstleistungspaket
- Weitere Beiträge
- Linked Open Data – Wie das Web zur Semantik kam
- Gedenkjahr 2014 – ein Auftrag an Gedächtnisinstitutionen
- Die Geschichte der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784–1835
- Barrierefreiheit der Stuttgarter Bibliotheken
- Forschungsunterstützung an australischen Universitätsbibliotheken
- Für die Praxis
- Wer fragt was und wann? – Eine qualitative Auswertung der Nutzung digitaler Auskunftsangebote von Hochschulbibliotheken am Beispiel der DigiAuskunft
- Dokumente
- Die Bibliothek als Werkstatt der Wissenschaft
- Bibliographische Übersichten
- Zeitungen in Bibliotheken
- Rezensionen
- Rezensionen
- Informationen
- Gemeinsame Wissenschaftskonferenz
- Jahresinhaltsverzeichnis 2014