Arbeit im ökologischen Wandel. Einführung in sozioökonomische Perspektiven und Alternativen
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Karin Sardadvar
Reviewed Publication:
Haas Barbara: Arbeit im ökologischen Wandel. Einführung in sozioökonomische Perspektiven und Alternativen. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich 2022, 237 Seiten. ISBN: 978-3-8252-5838-2, € 26,90
Die Sozioökonomie versteht sich als Disziplin, die Wirtschaft aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive betrachtet und eine Verbindung zwischen Ökonomie und Soziologie herstellt. Die Wirtschaft erachtet sie dabei als in die Gesellschaft eingebettet. An der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien hat die Sozioökonomie eine wichtige Stellung als Studium, Fachrichtung und Department. In diesem Umfeld lehrt und forscht die Soziologin Barbara Haas, die nun ein Lehrbuch zu Arbeit im ökologischen Wandel aus sozioökonomischer Perspektive veröffentlicht hat. Barbara Haas, Senior Lecturer am Department Sozioökonomie an der WU Wien, stellt damit ein Lehrbuch zu einer Thematik bereit, die für Lehrende im Bereich der Arbeitsforschung zunehmend an Aktualität gewinnt: die Betrachtung des Themenfeldes Arbeit im Licht von Nachhaltigkeitsfragen und Klimakrise.
„Mit dem Ziel, den aktuellen Wissensstand zur Arbeit im ökologischen Wandel überblicksmäßig darzustellen, wird ein weiter Bogen gespannt“, gibt Barbara Haas in ihrer Einleitung an (15). Ihr Anspruch ist es, aktuelle Theorien, Entwicklungen und Alternativen im Bereich von Arbeit und Nachhaltigkeit „möglichst leicht verständlich und praxisnah“ zu erklären (ebd.). In der Tat zeichnen Niederschwelligkeit, Nachvollziehbarkeit und Praxisnähe das Buch besonders aus. Die Autorin illustriert die Inhalte laufend an aktuellen Thematiken, an greifbaren Fallbeispielen oder auch an konkreten Anwendungen in der Lehre. Das macht die Lektüre anschlussfähig und kurzweilig. Das Buch wird dadurch sowohl für Bachelor- als auch für Masterstudierende – sowie für Lehrende im Themenfeld – zu einer geeigneten Quelle.
Das Buch ist in sieben Hauptkapitel gegliedert, die jeweils mit einer Einleitung starten und durch ein Fazit abgerundet werden. Das Literaturverzeichnis folgt am Ende des jeweiligen Kapitels. Die Publikation ist deshalb sowohl kapitelweise für die Lehre gut einsetzbar – die Kapitel sind in sich abgerundet – wie auch als gesamtes Lehrbuch. Einzelne Thesen oder Fallbeispiele lassen sich ebenfalls auf einfache Weise für die Lehre als Anschauungs- oder Diskussionsmaterial herausgreifen. Die Inhalte beziehen sich durchgehend sowohl auf Deutschland als auch auf Österreich – zum Beispiel bei statistischen Angaben oder politischen Rahmenbedingungen. Damit ist das Buch in der Lehre in beiden Staaten einsetzbar.
In Kapitel 1 – Nachhaltiger Wandel der Erwerbsarbeit – führt die Autorin in den Arbeitsbegriff ein, gibt einen Abriss zum Strukturwandel der Arbeitswelt und stellt das Konzept von Nachhaltigkeit vor, auf das sie sich bezieht: Es gibt ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte gleichermaßen Raum. In Kapitel 2 – Prekarisierung – ein Leben aus der Balance – stellt Haas Muster der atypischen Beschäftigung dar und setzt sich mit Definitionen und Erscheinungsformen prekärer Beschäftigung auseinander. Unterschiedliche Aspekte sozialer Ungleichheit werden in Kapitel 3 – Gender und Diversität – sowie Kapitel 4 – Milieus und Eliten – bearbeitet. Dabei behandelt die Autorin in Kapitel 3 unter anderem Gleichstellungsthemen, den Gender Pay Gap, die „gläserne Decke“ und Vereinbarkeitsfragen. In Kapitel 4 stützt sie sich vor allem auf den Zugang sozialer Milieus und erläutert auch Distinktionsprozesse (Bourdieu). Zentral ist in diesem Kapitel die Diskussion von Zusammenhängen zwischen Nachhaltigkeit und sozialer Ungleichheit.
Kapitel 5 – Wege der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit in der Arbeit – setzt sich mit der bedeutsamen Frage auseinander, inwieweit ein „Greening“ von Jobs und Wirtschaft innerhalb des vorherrschenden wachstumszentrierten Wirtschaftssystems möglich ist. Hier werden insbesondere drei unterschiedliche Ansätze mehr oder weniger weitgehenden alternativen Wirtschaftens erörtert: Green Jobs, Sharing Economy und Gemeinwohlökonomie. Kapitel 6 – Arbeitszeitverkürzung als nachhaltiger Weg der Wirtschaft und Gesellschaft? – befasst sich mit Chancen und Risiken einer Arbeitszeitverkürzung und liefert dabei illustrative konkrete Beispiele für bereits durchgeführte Arbeitszeitverkürzungen. Kapitel 7 – Wege der Politik zu mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft – nimmt schließlich politische Gestaltungsmöglichkeiten in den Blick und fokussiert dabei auf sozialpolitische Hebel (Policy Mix) und steuerpolitische Maßnahmen (Ökosteuern, Besteuerung von Finanzkapital). Es folgt ein weiteres, kurzes Kapitel in Form eines abschließenden Exkurses – Ausblick auf eine nachhaltige Arbeit nach Corona.
In der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Themen des Buches hat die Beachtung struktureller Ungleichheiten nach Geschlecht und anderen Ungleichheitsdimensionen einen festen Platz. Zwar gibt es auch die erwähnten Kapitel zum Thema soziale Ungleichheit (Kapitel 3 – Gender und Diversität, Kapitel 4 – Milieus und Eliten), doch ist das Thema soziale Ungleichheit über das gesamte Buch hinweg durchgehend in die Betrachtung eingewoben. Mit einer Perspektive, die Arbeit als durch gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse geprägt versteht, ist auch verbunden, dass Arbeit in diesem Buch nicht verengt ausschließlich als Erwerbsarbeit betrachtet wird, sondern auch unbezahlte Arbeit wie Haus- und Sorgearbeit einbezogen sind (53). Die Ausführungen zu den theoretischen Hintergründen sozialer Ungleichheit würden meiner Einschätzung nach von einer deutlicheren Berücksichtigung von Ansätzen profitieren, die die strukturellen Dimensionen von Rassismus und Geschlechterungleichheit ins Zentrum stellen (struktureller Rassismus, Geschlecht als Strukturkategorie).
Ein großes Verdienst des Buches neben der Anschaulichkeit und Zugänglichkeit besteht darin, dass es verschiedene Stränge eines vielfältigen Themas zusammenbringt und einen kompakten Überblick bereitstellt. Struktur und Sprache des Buches könnten an manchen Stellen noch etwas klarer und das Layout etwas übersichtlicher sein. Barbara Haas führt einerseits in die Arbeiten relevanter Wissenschafter*innen ein und steuert andererseits auch eigene Beiträge aus ihrer langjährigen Tätigkeit im Themenfeld bei. Die Autorin liefert zudem immer wieder praktische, aussagekräftige Zusammenfassungen zu sehr großen Themen. Da das Buch hochaktuelle Beispiele und Zahlen verwendet, kann es unter Umständen zur Herausforderung werden, diese Daten aktuell zu halten – neue Auflagen müssten hinsichtlich der aktuellen Daten und Fallbeispiele wohl immer wieder gründlich aktualisiert werden.
Zuletzt: Das Buch macht in der trüben aktuellen ökologischen Lage auch Mut, wie Anja Eberhartinger, ehemalige Studierende an der WU Wien und Absolventin des Masterstudiums „Socio-Ecological Economics and Policy“ in ihrem Vorwort schreibt: „Die Diagnose vielzähliger Herausforderungen kann das Gefühl hervorrufen, den Entwicklungen ausgeliefert zu sein, ohne aktiv eingreifen zu können. ‚Arbeit im ökologischen Wandel‘ zeigt jedoch eindrucksvoll, dass dem nicht so ist“ (11). Diesen Charakter des Buches – eine kritische, gleichzeitig aber lösungs- und handlungsorientierte Position einzunehmen – halte ich für besonders wertvoll in der Arbeit mit Studierenden, die sich mit Ökonomie, Gesellschaft und Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Trotz des zum Teil bedrückenden Themas bewahrt Barbara Haas einen gewissen Optimismus in ihrer Darstellung, der sich in konstruktiven Zugängen und Verweisen auf funktionierende Fallbeispiele widerspiegelt.
© 2023 Karin Sardadvar, publiziert von De Gruyter
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