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Kooperative Bestandserhaltung in Baden-Württemberg

550.000 badische Pflichttitel 1851–2020 im K10plus mit einer Erhaltungsgarantie markiert
  • Michael Fischer

    Dr. Michael Fischer

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    , Felix Geisler

    Dr. Felix Geisler

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    and Julia Freifrau Hiller von Gaertringen

    Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen

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Published/Copyright: October 6, 2021
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Zusammenfassung

In ihren Bundesweiten Handlungsempfehlungen von 2015 empfiehlt die KEK, für die Sicherung des gedruckten Schrifttums ab 1851 zunächst die Pflichtexemplarbibliotheken nach heutigen Zuständigkeiten in den Ländern in Anspruch zu nehmen. Sie sollen unabhängig von historisch tatsächlich gegebenen Pflichtexemplarregelungen für die in ihrem heutigen Verantwortungsbereich publizierten Drucke eine Erhaltungsverpflichtung eingehen. Damit wäre jeweils ein Exemplar der Mehrfachüberlieferung gedruckten Schrifttums im Bundesgebiet als das prioritär zu erhaltende Archivexemplar identifiziert und zwar in der Regel dasjenige, das aufgrund einer Rechtsverpflichtung ohnehin aufzubewahren ist. Das KEK-Projekt Einheitlicher Nachweis hat 2016–2018 ein Datenmodell für das PICA-Feld 4233 erarbeitet, das eine Struktur für die Dokumentation von Archivierungsabsprachen bereitstellt und die kooperative Bestandserhaltung überhaupt erst ermöglicht. Die Badische Landesbibliothek hat im überregionalen Gesamtsystem der Überlieferungsbildung und -sicherung ihre Verpflichtung bei den monographischen Titeln und den laufenden Periodika inzwischen eingelöst. Im Rahmen des Landesprojekts bwLastCopies wurden 549.796 badische Pflichttitel aus dem Zeitraum 1851–2020 – davon 80 Prozent im BLB-eigenen Bestand und 20 Prozent in den Beständen anderer Bibliotheken des Landes Baden-Württemberg – im K10plus mit einer Erhaltungsgarantie markiert und damit für die Zukunft gesichert.

Abstract

In its national recommendations for action 2015, the KEK suggested the deposit libraries of the federal states be the first targets mandated to safekeep printed works dating from 1851 onwards, and assume responsibility according to current preservation regulations, irrespective of historic laws on deposit copies and archiving. In 2016–2018, the KEK project Einheitlicher Nachweis developed a data model for PICA field 4233 to provide a reliable structure for documenting agreements on archivation, offering new possibilities of collaboration in the preservation management. The state library Badische Landesbibliothek has fulfilled the task with respect to monographic titles and current periodicals in the supra-regional system of archival appraisal and preservation. As part of the project bwLastCopies, 549,796 Baden titles from the period 1851–2020 – i. e. 80 percent of BLB’s own holdings and 20 percent of other libraries in the Baden-Wuerttemberg state – have been tagged with a preservation guarantee in K10plus to ensure their conservation for the future.

Im Rahmen des Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtexemplaren an die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe und die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart von 1976 sind in Baden-Württemberg erscheinende Publikationen an die jeweils zuständige Landesbibliothek ablieferungspflichtig.[1] Die Landesbibliotheken gewährleisten die dauerhafte Archivierung und Erhaltung der abgelieferten Pflichtexemplare. Dabei ist die Badische Landesbibliothek (BLB) für die Regierungsbezirke Freiburg und Karlsruhe zuständig, die Württembergische Landesbibliothek (WLB) für die Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen.

Gemäß den KEK-Handlungsempfehlungen von 2015 für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken in Deutschland ist diese Erhaltungsverpflichtung auch rückwirkend im Rahmen der jeweiligen territorialen Verantwortlichkeiten eine genuine Aufgabe der für das Pflichtexemplar zuständigen Bibliotheken.[2] Sie ist für sämtliche Erscheinungsjahre ab 1851 umzusetzen, da „Bücher aus der Zeit bis 1850 […] grundsätzlich in jedem noch vorhandenen Exemplar zu erhalten [sind], unabhängig von ihrer Sprache, ihrem Druck- oder Aufbewahrungsort. Durch die individuelle Fertigung (z. B. Druck, Einband, Kolorierung), durch Sammlungsmerkmale und Gebrauchsspuren besitzt jeder Band einen intrinsischen Wert.“[3]

Aus Perspektive der BLB waren nun alle badischen Pflichtexemplare der Erscheinungsjahre 1851 bis heute im PICA-Feld 4233 „Bestandsschutzmaßnahmen und (Langzeit-) Archivierung“ der K10plus-Verbunddatenbank als solche auszuzeichnen. Über den Start des Projekts hat die BLB bereits vor einem Jahr berichtet.[4] Die Markierungen wurden im Rahmen des vom Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg (BSZ) verantworteten Projekts bwLastCopies Anfang 2021 umgesetzt.[5]

Die BLB verfügt seit der Einführung des Lokalsystems aDIS/BMS im Jahr 2013 über eine konsistente Datengrundlage zur Identifizierung badischer Pflichttitel. Die Erwerbungsart „Pflicht“ ist für jeden einzelnen Zugang, sowohl für den Monographien- als auch für den Periodika-Bestand, in der Datenbank hinterlegt. Die rückwirkende Markierung aller badischen Pflichttitel für die Erscheinungsjahre 2013 ff. konnte also mittels einer aus aDIS/BMS exportierten PPN-Liste einfach umgesetzt werden. Für die Jahre 2013–2019 wurde das bereits Anfang 2020 erledigt, ein erster Nachtrag für den Pflichtzugang des Jahres 2020 erfolgte im März 2021. Zukünftig werden die abgeschlossenen Jahrgänge laufend nachgetragen.

Weit komplexer war die Umsetzung der rückwirkenden Markierung der badischen Pflichttitel für die Erscheinungsjahre 1851–2012. Dies betrifft sowohl jene badischen Pflichtexemplare, die sich im Bestand der BLB befinden, unabhängig davon, ob sie ihr aufgrund der aktuellen oder einer früheren gesetzlichen Grundlage zugegangen sind oder nicht (sog. reales Pflichtexemplar), als auch jene badischen Pflichtexemplare, die sich aus historischen Gründen nicht im Bestand der BLB befinden – unabhängig davon, ob sie diese aufgrund der aktuellen oder einer älteren gesetzlichen Grundlage besitzen müsste oder nicht (sog. virtuelles Pflichtexemplar). Der historische Bestand der BLB an Druckschriften aus Baden ist aus zwei Gründen sehr rudimentär: Das Pflichtexemplarrecht in Baden war zwischen 1868 und 1936 ausgesetzt, weshalb ein Großteil des badischen Schrifttums gar nicht in ihren Bestand gelangte.[6] Und auch das, was in diesem Zeitraum als badisches Druckerzeugnis in die BLB gelangte, ist nicht erhalten, denn die BLB erlitt 1942 kriegsbedingt einen Totalverlust ihres Druckschriftenbestandes.[7]

Bei der Markierung der virtuellen Pflichtexemplare wurden im Rahmen des Projekts bwLastCopies zunächst nur Bibliotheken berücksichtigt, die sich in Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg befinden. Da sich aber darüber hinaus viele virtuelle badische Pflichtexemplare im Bestand von Bibliotheken in nichtstaatlicher Trägerschaft befinden, wären auch hier Erhaltungsverpflichtungen wünschenswert. Erste freiwillige Erhaltungsverpflichtungen haben nun mehrere baden-württembergische Bibliotheken in kirchlicher Trägerschaft übernommen,[8] auf weitere Bibliotheken wird die BLB zugehen (z. B. kommunale Bibliotheken oder Bibliotheken in Trägerschaft des Bundes).

Zur Identifikation der baden-württembergischen Pflichtexemplare in der K10plus-Verbunddatenbank diente eine Liste mit allen Erscheinungsorten in Baden-Württemberg. Eine solche baden-württembergische Ortsliste wurde bereits 2015 zur Beantwortung einer KEK-Anfrage zum Pflichtexemplar aus dem damals an der BLB eingesetzten Erwerbungstool ibis e2 exportiert und umfasste mehr als 3.000 Ortsnamen. Auf dieser Grundlage wurde nun in Zusammenarbeit mit der WLB die Liste an baden-württembergischen Orten durch Daten aus dem an beiden Landesbibliotheken im Einsatz befindlichen elektronischen Medienauswahltool eMAS ergänzt sowie mit Ortsdaten aus dem Lokalsystem aDIS/BMS komplettiert.[9] Diese neue Ortsliste enthält nun 10.164 Ortsnamen, inklusive vieler Verweisungsformen und unterschiedlicher Schreibweisen, davon 4.167 in Baden und 5.997 in Württemberg.

Mit dieser Ortsliste hat das BSZ den Gesamtbestand in der K10plus-Verbunddatenbank abgefragt und eine Liste aller monographischen Titel der Erscheinungsjahre von 1851 bis zur Gegenwart mit einem baden-württembergischen Erscheinungsort erstellt.[10] Insgesamt konnten so 602.787 badische Pflichttitel im Zeitraum 1851–2019 ermittelt werden, an denen eine Bibliothek im früheren „Einzugsgebiet“ des SWB Bestand hat.[11] Für den hier im weiteren interessanten Zeitraum 1851–2012 waren dies 525.782 badische Pflichttitel.

In den jeweiligen Beständen der baden-württembergischen Landes- und Universitätsbibliotheken befinden sich folgende Mengen an badischen Pflichttiteln:

Tab. 1:

Badische Pflichttitel in den Beständen der baden-württembergischen Landes- und Universitätsbibliotheken 1851–2012 und 1851–2019.

1851–2012

1851–2019

BLB

355.102

414.993

WLB

223.503

256.343

UB Freiburg

120.427

144.004

UB Heidelberg

132.630

139.767

UB Tübingen

112.598

122.318

UB Mannheim

86.947

94.397

KIT-Bibliothek

78.394

84.475

KIM Konstanz

75.186

82.661

UB Stuttgart

75.799

81.183

KIZ Ulm

31.501

33.591

KIM Hohenheim

18.707

22.102

Die mittels der Ortslisten-Abfrage erstellte Titeldatenliste war u. a. sortierbar nach dem badischen und dem württembergischen Landesteil und enthielt die Information, in welchen Bibliotheken (nach Sigeln) der jeweilige Titel mit mindestens einem Exemplar Bestand hat. Bei dieser Abfrage wurden auch Bestände erfasst, die gemäß der aktuell geltenden Pflichtexemplarverordnung[12] von der Abgabepflicht ausgeschlossen sind, z. B. Mehrfachauflagen innerhalb eines Jahres, Amtsdruckschriften, Patentschriften, Praxisanleitungen, Schulungsmaterialien, Akzidenzien, Sonderdrucke etc. Ausgeschlossen wurden hingegen alle „echten“ Dissertationen, also solche mit Hochschulschriftenvermerk im PICA-Feld 1131 und ohne Angabe eines Erscheinungsorts (insgesamt ca. 44.000 Titel), sowie alle sonstigen Hochschulschriften (u. a. Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten) – eine Archivierungspflicht für Dissertationen obliegt gemäß Beschluss der Kultusministerkonferenz auch in Baden-Württemberg jener Hochschule, an der die Dissertation eingereicht wurde; das Pflichtexemplargesetz trifft keine Regelung dazu und hat für Dissertationen außerhalb des Buchhandels keine Sammelpraxis begründet.

Auf dieser Grundlage ließ sich die Markierung aller realen badischen Pflichtexemplare, also solcher, die sich im Bestand der BLB befinden, einfach umsetzen: für die Erscheinungsjahre 1851–2012 hat das BSZ mehr als 350.000 badische Pflichttitel im PICA-Feld 4233 „Bestandsschutzmaßnahmen und (Langzeit-)Archivierung“ mit der Kennung $aaa$fPEBW$5DE-31 ausgezeichnet. Hierbei steht „aa“ im Unterfeld $a für „Archivierung/Langzeitarchivierung gewährleistet“ und im Unterfeld $f das Kürzel „PEBW“ für die Rechtsgrundlage, in diesem Fall das baden-württembergische Pflichtexemplargesetz. In Unterfeld $5 wird der ISIL der archivierenden Bibliothek eingetragen, hier natürlich mit „DE-31“ die BLB.[13]

Weit komplexer hingegen war die Markierung jener badischer Pflichttitel mit den Erscheinungsjahren 1851–2012,[14] die sich als virtuelle Pflichtexemplare nicht im Bestand der BLB, sondern nur an einer anderen Bibliothek in Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg befinden. Von der für diesen Zeitraum ermittelten Titelmenge besitzt die BLB ca. 68 Prozent aller badischen Pflichttitel in ihrem Bestand, d. h. ca. 32 Prozent aller badischen Pflichtexemplare 1851–2012 befinden sich als virtuelle Pflichtexemplare nur in den Beständen anderer Bibliotheken.

Um zu ermitteln, welche Bibliothek in Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg sinnvollerweise eine (freiwillige) Erhaltungsverpflichtung für eines dieser virtuellen Pflichtexemplare übernehmen sollte, wurde ein Verpflichtungsalgorithmus entwickelt: immer dann, wenn sich ein Titel nicht im Bestand der BLB befindet, prüft dieser in folgender Aufreihung, ob der Titel in der jeweils nächsten Bibliothek vorhanden ist: Württembergische Landesbibliothek, UB Heidelberg, UB Freiburg, UB Mannheim, KIT-Bibliothek, KIM Konstanz, UB Tübingen, UB Stuttgart, KIM Hohenheim, KIZ Ulm. Die Reihenfolge ergibt sich aus den historischen und gegenwärtigen gesetzlichen Zuständigkeiten für das baden-württembergische Pflichtexemplar: die Pflichtexemplare des heutigen Landes Baden-Württemberg werden seit jeher komplementär zur WLB gesammelt, die Universitätsbibliotheken in Freiburg und Heidelberg hatten zeitweise ein eigenes Pflichtexemplarrecht für das Großherzogtum Baden, und die UB Freiburg besaß das Pflichtexemplarrecht für das im Dezember 1945 in der französischen Besatzungszone gegründete Südbaden mit Freiburg als Hauptstadt, welches ihr bis 1964 erhalten blieb.[15] Für das württembergische Pflichtexemplar wurde ein genau gegenläufiger Verpflichtungsalgorithmus verabredet, so dass die „Belastung“ der Universitätsbibliotheken mit der Erhaltungsverpflichtung für das baden-württembergische virtuelle Pflichtexemplar „gerecht“ verteilt ist.

Tab. 2:

Der Verpflichtungsalgorithmus für das badische und württembergische Pflichtexemplar nach den Sigeln der beteiligten Bibliotheken.

Baden

Württemberg

nicht 31, aber 24

nicht 24, aber 31

nicht 31/24, aber 16

nicht 24/31, aber 21

nicht 31/24/16, aber 25

nicht 24/31/21, aber 93

nicht 31/24/16/25, aber 180

nicht 24/31/21/93 aber 100

nicht 31/24/16/25/90, aber 90

nicht 24/31/21/93/100, aber 289

nicht 31/24/16/25/180/90, aber 352

nicht 24/31/21/93/100/289, aber 25

nicht 31/24/16/25/180/90/352, aber 21

nicht 24/31/21/93/100/289/25, aber 16

nicht 31/24/16/25/180/90/352/21, aber 93

nicht 24/31/21/93/100/289/25/16, aber 180

nicht 31/24/16/25/180/90/352/21/93, aber 100

nicht 24/31/21/93/100/289/25/16/180, aber 90

nicht 31/24/16/25/90/180/352/21/93/100, aber 289

nicht 24/31/21/93/100/289/25/16/180/90, aber 352

nicht 31/24/16/25/90/180/352/21/93/100/289, aber in Trägerschaft des Landes (aufsteigend nach Sigeln)

nicht 24/31/21/93/100/289/25/16/180/90/352, aber in Trägerschaft des Landes (aufsteigend nach Sigeln)

An die Universitätsbibliotheken anschließend folgen, in der Abfolge des Sigelverzeichnisses, alle weiteren Bibliotheken in baden-württembergischer Trägerschaft, also u. a. die PH-Bibliotheken, die HAW-Bibliotheken und die DHBW-Bibliotheken, beginnend bei der Bibliothek des Landtages Baden-Württemberg (Sigel 81) und endend mit der Bibliothek des Staatsarchivs Wertheim (Sigel Wh 1). Dieser komplexe Verpflichtungsalgorithmus wurde von der BLB technisch umgesetzt und umfasst knapp 100 Bibliothekssigel (inklusive BLB und WLB). Dabei wertet er Daten über einen Zeitraum von ca. 170 Jahren aus.

Von den virtuellen badischen Pflichtexemplaren der Erscheinungsjahre 1851–2012 befinden sich gemäß dem obigen Verpflichtungsalgorithmus ca.

  • 22.000 Titel im Bestand der Württembergischen Landesbibliothek (≈ 20 Prozent der Gesamtmenge der für 1851–2012 ermittelten virtuellen badischen Pflichtexemplare)

  • 20.000 Titel im Bestand der UB Heidelberg (≈ 18 Prozent)

  • 14.500 Titel im Bestand der UB Freiburg (≈ 13 Prozent)

  • 14.000 Titel im Bestand der KIT-Bibliothek (≈ 13 Prozent)

  • 6.000 Titel im Bestand der UB Mannheim (≈ 5 Prozent)

  • 5.150 Titel im Bestand der UB Tübingen (≈ 5 Prozent)

  • 4.200 Titel im Bestand des KIM Konstanz (≈ 4 Prozent)

  • 4.100 Titel im Bestand der UB Stuttgart (≈ 4 Prozent)

  • 900 Titel im Bestand des KIZ Ulm (≈ 1 Prozent)

  • 550 Titel im Bestand des KIM Hohenheim (≈ 1 Prozent)

  • 18.300 Titel in den Beständen anderer Bibliotheken in baden-württembergischer Trägerschaft (≈ 16 Prozent)

Abb.: Verteilung der virtuellen badischen Pflichtexemplare 1851–2012 auf die baden-württembergischen Bibliotheken gemäß Verpflichtungsalgorithmus.
Abb.:

Verteilung der virtuellen badischen Pflichtexemplare 1851–2012 auf die baden-württembergischen Bibliotheken gemäß Verpflichtungsalgorithmus.

Die Direktionen der WLB, der baden-württembergischen Universitätsbibliotheken, der PH-, HAW- und DHBW-Bibliotheken erhielten im Januar 2021 eine „Beschlussvorlage der BLB zur kooperativen Erfassung einer Erhaltungsverpflichtung für das virtuelle bwPflichtexemplar 1851 ff. im K10plus“. Durch ihre Zustimmung

  • willigten sie in den Algorithmus der automatisiert in PICA-Feld 4233 einzutragenden Erhaltungsverpflichtung für das baden-württembergische Pflichtexemplar ein,

  • beauftragten sie das BSZ, eine Erhaltungsverpflichtung ihrer Bibliotheken im Unterfeld $5 von PICA-Feld 4233 automatisiert einzutragen und

  • erklärten sie sich bereit, in dieser Weise gekennzeichnete virtuelle Pflichtexemplare, wenn sie bei ihnen makuliert werden sollten, der jeweils im Unterfeld $h als verantwortliche Pflichtexemplarbibliothek angegebenen BLB oder WLB zur Übernahme anzubieten.

Geregelt wurde in diesem Zusammenhang auch, dass die Landesbibliotheken von einer Archivpflicht für die bei ihnen ggf. vorhandenen, aber dem Pflichtexemplarrecht nicht unterworfenen Exemplare der an den Landesuniversitäten erstellten Dissertationen ausgenommen werden, so dass auch die BLB ihrerseits einen größeren Bestand in den 1970er und 1980er Jahren gesammelter Dissertationen aussondern kann, den sie als sachlich nicht begründeten und fast durchgängig unbenutzten Sammlungstorso gebildet hat.

Das von sämtlichen Universitäts- und Hochschulbibliotheken des Landes akzeptierte Modell wurde anschließend den 40 nichthochschulischen Bibliotheken des Landes (Archiv-, Museums-, Behördenbibliotheken), die ihre Bestände in der K10plus-Datenbank katalogisieren und in den Verpflichtungsalgorithmus einbezogen sind, zur Kenntnis gegeben und sofort im Anschluss daran umgesetzt. Die Darstellung im PICA-Feld 4233 erfolgt in folgender Weise:

$f: Rechtsgrundlage: PEBW

$h: Rechtliche Verantwortung: DE-31

$5: Archivierende Bibliothek/Institution: ISIL

Ein virtuelles badisches Pflichtexemplar im Bestand der UB Heidelberg bspw. wird demnach wie folgt im PICA-Feld 4233 gekennzeichnet: $aaa$fPEBW$hDE-31$5DE-16.

Das BSZ hat dann im Mai 2021 alle an der Verbundkatalogisierung teilnehmenden Bibliotheken über die Kennzeichnung baden-württembergischer Pflichtexemplare unterrichtet und den Sachverhalt auch in einem Praxishinweis Bestandserhaltungsmaßnahmen: Feld 4233 im K10plus-Wiki erläutert.[16]

Diese freiwillige Erhaltungsverpflichtung ist in der Bibliothekspraxis v. a. im Aussonderungsfall relevant: Sollte eine Bibliothek einen Titel, der als virtuelles Pflichtexemplar markiert ist, aussondern wollen, so ist das selbstverständlich ganz normal möglich. Die Bibliothek ist jedoch gebeten, den Titel zuvor der BLB (bzw. der WLB) zur Übernahme anzubieten. Erfolgt die Übernahme, wandelt sich das virtuelle Pflichtexemplar in ein reales und unterliegt fortan der Erhaltungsverpflichtung durch die zuständige Landesbibliothek. Will die für das virtuelle Pflichtexemplar zuständige Landesbibliothek den entsprechenden Titel nicht in ihren Bestand übernehmen (z. B., weil es sich um eine Mehrfachauflage innerhalb eines Jahres o. ä. handelt), kann der Titel wie üblich ausgesondert werden.[17]

Bei einer so umfangreichen und komplexen retrospektiven Massenauszeichnung sind Bereinigungsläufe sinnvoll und notwendig. Gegenwärtig ist ein solcher in Zusammenarbeit mit dem BSZ in Arbeit. Darin werden Ergänzungen vorgenommen (z. B. im Falle der freiwillig eine Erhaltungsverpflichtung eingegangenen kirchlichen Hochschulbibliotheken) und Korrekturen eingepflegt (z. B. die Löschung der Erhaltungsverpflichtung bei Hausverlusten oder noch zu beschaffenden Pflichttiteln). Ein Problem ist weiterhin der Umgang mit homonymen Erscheinungsorten, die es sowohl inner- als auch außerhalb von Baden-Württemberg gibt, z. B. Brühl (NRW), Lichtenau (NRW) oder Neuried (Bayern). Im Rahmen der Ortslisten-Abfrage wurden Titel mit solchen Orten auch dann als badische Pflichtexemplare identifiziert, wenn sich diese Orte nicht in Baden-Württemberg befinden. Die hier in Frage kommenden PPNs werden gegenwärtig – soweit möglich und sinnvoll – korrigiert. Dazu wurde die verwendete Ortsliste mit einer Liste aller Orte, die in Deutschland mehrfach existieren, abgeglichen und jene PPNs, die an einem solchen „Mehrfachort“ erschienen sind, wurden ausgegeben. Diese müssen nun noch überprüft werden – ein Teil konnte mit dem Merkmal „Verlag“ aus aDIS/BMS als richtig bzw. falsch identifiziert werden; Titel, die im Selbstverlag o. ä. erschienen sind, müssen jedoch intellektuell geprüft werden. Genauso werden noch Ergänzungen an der Ortsliste vorgenommen und umgesetzt. Bei diesen Bereinigungen wird allerdings keine Perfektion angestrebt.

Insgesamt wurden ca. 109.000 badische Pflichttitel gemäß dem oben skizzierten Verpflichtungsalgorithmus im PICA-Feld 4233 als virtuelle Pflichtexemplare markiert, so dass zusammen mit den realen badischen Pflichtexemplaren an der BLB für ca. 459.000 badische Pflichtexemplare des Zeitraums 1851–2012 auf Basis einer Ortslisten-Abfrage eine rückwirkende Erhaltungsverpflichtung eingetragen wurde. Die auf Basis der an der BLB durchgeführten Vorarbeiten mögliche Auszeichnung der in den Jahren von 1851 bis 2019 in Württemberg entstandenen Titel wird folgen.

Auf den Gesamtzeitraum 1851–2020 bezogen konnten sogar 80 Prozent aller relevanten Titel als reale badische Pflichtexemplare im BLB-Bestand gekennzeichnet werden, 20 Prozent als virtuelle Pflichtexemplare anderer Bibliotheken. Damit ist für 549.796 in Baden entstandene monographische Titel eine Erhaltungsgarantie ausgesprochen.

Tab. 3:

Anteil der in PICA-Feld 4233 als reale oder virtuelle badische Pflichtexemplare markierten Titel nach Bibliothek (1851‒2020).

BLB

80,19 %

WLB

3,99 %

UB Heidelberg

3,67 %

UB Freiburg

2,64 %

KIT-Bibliothek

2,52 %

UB Mannheim

1,04 %

UB Tübingen

0,93 %

KIM Konstanz

0,75 %

UB Stuttgart

0,72 %

KIZ Ulm

0,16 %

KIM Hohenheim

0,1 %

andere bwBibliotheken

3,29 %

Und wozu ist das badische Modellprojekt nun gut? Es kann den Ausgangspunkt bilden für eine geographische Ausweitung auf Bundesebene und für ein bundesweit strukturiertes und komplementäres Gesamtsystem. Ob überhaupt und wenn ja wann eine freiwillige Erhaltungsverpflichtung für das badische und württembergische virtuelle Pflichtexemplar über die in Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg befindlichen bzw. die Bibliotheken mit Pflichtexemplarbestand im „Einzugsgebiet“ des alten SWB hinaus umgesetzt werden soll, wird die Zukunft zeigen. Kooperativ überregional organisierte, freiwillige Erhaltungsverpflichtungen der Landesbibliotheken anderer Bundesländer wären ja möglich, die Regionalbibliotheken in zehn von 16 Bundesländern haben im K10plus eine gemeinsame Datenbasis dafür. Auf Basis von Gegenseitigkeit würde die BLB selbstverständlich auch Erhaltungsgarantien übernehmen für bei ihr überlieferte virtuelle Pflichtexemplare anderer Bundesländer. Das Gesamtsystem der kooperativen Überlieferungssicherung wird sich – ob dies nun eine freiwillige Selbstverpflichtung der Bibliotheken bleibt oder ein politischer Auftrag wird – im Wesentlichen auf die Landesbibliotheken stützen können.

Und es ist Referenz für die KEK-Strategie einer Massenentsäuerung in verteilter regionaler Zuständigkeit. Auf den Zeitraum 1851–1980 bezogen wurden 133.675 Datensätze als badische Pflichttitel markiert. Damit besitzt die KEK nicht nur eine valide Mengenangabe für die Massenentsäuerung im deutschen Südwesten, sondern bereits eine genaue Zuordnung der Zuständigkeiten. Mittel für Sicherungsmaßnahmen stehen seit 2017 im Bundeshaushalt bereit. Die Badische Landesbibliothek hat von 2017 bis 2021 mit Erfolg Anträge auf Sondermittel aus diesem Fonds gestellt und damit ihren durch starke Benutzung besonders geschädigten und aufgrund der landesbibliothekarischen Verpflichtung besonders erhaltenswerten Oberrheinbestand entsäuert. Das Gesamtvolumen von 208.000 Euro wurde zur Hälfte aus dem Landesrestaurierungsprogramm Baden-Württemberg finanziert. Damit konnten 29.000 Bände (13.500 kg) entsäuert werden. Die Maßnahmen sollen in den Folgejahren fortgesetzt werden. Dann kann die Badische Landesbibliothek auch das badische Erbe aus der Zeit der industriellen Buchproduktion in die Zukunft transportieren. Das erfolgreich durchgeführte Auszeichnungsprojekt hat die verlässliche Grundlage dafür geschaffen.

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Dr. Michael Fischer

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Dr. Felix Geisler

Dr. Felix Geisler

Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen

Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen

Published Online: 2021-10-06
Published in Print: 2021-10-05

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bd-2021-0105/html
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