Sprache und Wissen (SuW)
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Herausgegeben von:
Ekkehard Felder
Die Reihe Sprache und Wissen (SuW) ist eine Plattform für hochwertige Arbeiten zur germanistischen Linguistik mit interdisziplinärer Ausstrahlungskraft. Sie greift aktuelle Tendenzen der Wissensgesellschaft unter linguistischer Perspektive auf, um zu zeigen, wie gesellschaftliches und fachspezifisches Wissen durch Sprache erst entsteht und dadurch perspektiviert wird. Die sprachwissenschaftliche Betrachtung diskursiv geprägter Wissensformate soll auf neuartige Weise das Fach und die an Sprache interessierten Wissenschaften voranbringen.
Die Reihe versammelt Arbeiten mit semantischen, pragmatischen und grammatischen Beschreibungsansätzen unter varietätenspezifischem sowie text- und diskurslinguistischem Erkenntnisinteresse.
Wissenschaftlicher Beirat:
Markus Hundt
Wolf-Andreas Liebert
Juliane Schröter
Berbeli Wanning
Ingo H. Warnke
Martin Wengeler
Fachgebiete
Diese diskurslinguistische Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie komplexe Phänomene von verschiedenen Akteur*innen und unter variierenden Bedingungen konzeptualisiert werden und wie sich diese Konzeptualisierung jeweils an der sprachlichen Oberfläche manifestiert. Das Phänomen ›Autismus‹ bietet sich hierfür als vielversprechender Untersuchungsgegenstand an, da es in multiplen Kontexten von Relevanz ist und sich als schwer begreifbar erweist. Daran anknüpfend ist die Frage nach der Konzeptualisierung zugleich eine nach Strategien der Komplexitätsreduktion im Kontext differenter Erkenntnisinteressen und Praktiken.
Es wird eine qualitative, explorative Annotationsstudie an einem Korpus durchgeführt, das sich aus Texten unterschiedlicher Diskursdomänen zusammensetzt. Den methodischen Leitfaden der Analyse bilden Grundzüge der Grounded Theory Methodologie.
Der gewählte Ansatz schließt in innovativer und reflektierter Weise an die Bemühung anderer pragmalinguistischer Annotationsstudien an, komplexe und implizite sprachliche Phänomene durch explorative Kategorienbildung zu operationalisieren, anhand linguistischer Indikatoren von der morphologischen bis zur pragmatischen Ebene zu erfassen und Intersubjektivität zu ermöglichen.
In welchem Verhältnis stehen Bedeutungs- und Bezeichnungsfixierungsversuche zum dabei antizipierten kulturellen, politischen und rechtlichen Wandel sowie zu empirisch beobachtbarem Bedeutungs- und Bezeichnungswandel? Dieser Frage widmet sich die vorliegende Arbeit auf theoretischer und empirischer Ebene.
Im Theorieteil dienen hier mechanistische, „sprachmagische“ Vorstellungen von Wort-Welt-Verhältnissen als Kontrastfolie für die Frage nach möglichen soziopolitischen, affektiv-moralischen und reputationellen Motivationen hinter Bezeichnungskonkurrenzen und -fixierungsversuchen sowie für ein prestigeökonomisches Modell von Wortgebrauch und Wortbedeutung.
Den empirischen Untersuchungsgegenstand bietet der Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe. Neben dem diskursiven Wandel selbst wird vergleichend auch der Metadiskurs um die Bedeutung von Ehe sowie um konkurrierende Bezeichnungen für die gleichgeschlechtliche Ehe analysiert.
Dabei zeigt sich, dass die umkämpften Wörter nicht etwa von selbst Einfluss auf den Diskurs üben, sondern umgekehrt semantisch von diskursiv geprägten Äußerungsbedingungen und -bedürfnissen abhängig sind, da diese die Gebrauchsweisen des umkämpften Wortes beeinflussen, welche wiederum dessen Bedeutung bestimmen.
Angesichts des Todes stoßen die Sprache und mit ihr die menschlichen Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten an ihre Grenzen. Gleichwohl evoziert der Tod besonders in der Trauer eine Reihe von Praktiken, die in Zeiten des alltäglichen Gebrauchs digitaler Medien zu neuen Sichtbarkeiten, Formen und Möglichkeiten der Erforschung gelangt sind. Um diese in analogen und digitalen Kontexten zu erschließen, kombiniert dieser Band Beiträge aus Linguistik, Theologie und weiteren Disziplinen. Denn trotz des Sprachlosigkeitstopos, der Tod und Trauer anhaftet, zeigen sich online wie offline verschiedene sprachliche und multimodale Praktiken im Umgang mit dem Tod, in denen unter anderem Transzendierungen auf die Verstorbenen hin vollzogen und religiös konnotierte Vorstellungen artikuliert werden. Die zusammengestellten Beiträge zeigen dabei einerseits die bleibende Verwobenheit von Online- und Offline-Praktiken auf und veranschaulichen andererseits die Fruchtbarkeit eines interdisziplinären, insbesondere linguistisch-theologischen Ansatzes im Bereich von Tod und Trauer.
Der Band trägt den Erkenntnisstand zur grammatischen Analysen von Diskursen in Theorie, Methodologie und anhand praktischer Analysen zusammen. Die Autorinnen und Autoren untersuchen die Dynamik von Grammatik im Diskurs und adressieren dabei vier Leitfragen: Wie entsteht Grammatik, wie variiert sie, welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Gesellschaft und Grammatik und wie hängen Zeichenmodi, Situation und grammatische Strukturen zusammen? Die Beiträge betrachten Grammatik als Prozess, der im gesellschaftlichen und kommunikativen Kontext entsteht und sich wandelt. Mit unterschiedlichen Zugängen, von der sozialen Semiotik über die funktionale Pragmatik, Variationslinguistik und interaktionalen Linguistik bis hin zur Korpuspragmatik, zeigen sie auf, wie gesellschaftliche und grammatische Prozesse miteinander verflochten sind. Die Analysen beziehen sich auf relevante lebensweltliche Kontexte wie Palliativmedizin, Parlamentsdebatten und Erinnerungsdiskurse. Das Buch bietet damit wichtige Impulse für Forschende und Studierende, die sich mit der diskursiven Entwicklung von Sprache befassen, und erweitert das Verständnis von Grammatik als sozial geprägtem Phänomen.
Als eine besondere Herausforderung für die sprachhistorische Forschung gilt es, Sprachgebrauch in früheren Jahrhunderten, so auch im 18., ausfindig zu machen und damit Zugang zu Menschen, Diskursen und Kontexten der jeweiligen Zeit zu ermöglichen. Die Textsorte der Herrnhuter Lebensbeschreibung bietet eine außergewöhnliche Möglichkeit diesem Desiderat nachzukommen.
Bei Lebensbeschreibungen aus der Herrnhuter Brüdergemeine handelt es sich um privat verfasste Texte, die im Rahmen des Begräbnisrituals der Gemeinde öffentlich vorgetragen werden. Ziel ist es, den eigenen religiösen Lebensweg zu versprachlichen. Hierbei zeigen sich textsortentypische Muster im Sprachgebrauch (Lexik und Phrasen), die insbesondere die Verortung der Gläubigen in ihrer Gemeinschaft sprachlich repräsentieren.
Der aus zwei Teilen bestehende Band umfasst zunächst einen Analyseteil, der textlinguistische, lexikalische und semantische Zugänge miteinander vereint, des Weiteren wird durch die im zweiten Teil vorgelegte kritische Edition handschriftlicher Texte Archivmaterial zugänglich gemacht, das so bisher nicht für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stand.
Vertrauen hängt in allen Domänen des Lebens von der Kommunikation ab – sei es im Privatleben, in Institutionen, in der Medizin, Bildung und anderen Bereichen. Entsprechend deren Vielfalt variieren die Mechanismen von Vertrauen. Wie hängen dabei Vertrauen und Sprache zusammen? Diese Frage muss differenziert beantwortet werden. Der Sammelband fokussiert die linguistische Perspektive und verbindet sie mit Facetten aus benachbarten Disziplinen.
Einem Zeugen, der von einem „Unfallfahrzeug“ berichtet, wird mehr Glauben geschenkt als einem Zeugen, der selbiges Fahrzeug als „Auto“ bezeichnet – dies legen die Ergebnisse der vorliegenden Studie zum Einfluss bildungssprachlicher Merkmale auf die Glaubwürdigkeitsattribution bei der Vernehmung auf dem Schriftweg nah. Ob einem Deliktbeteiligten geglaubt wird, hängt, wie das Beispiel zeigt, nicht nur von den Inhalten seiner Schilderung, sondern auch von seinen sprachlichen Charakteristika ab. Als einer der entscheidenden Wirkmechanismen kristallisiert sich der sprachlich vermittelte Eindruck von Kompetenz heraus. Wer als kompetent empfunden wird, dem wird in der Regel eher geglaubt als einem inkompetent wirkenden Kommunikator. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Einsatz von Bildungssprache als glaubwürdigkeitsfördernd. In ihrer sozialsymbolischen Dimension wird sie mit Prestige assoziiert und begünstigt so positive Spracheinstellungen.
Auf der Grundlage eines Korpus (2773 Texte aus taz, FR, SZ, FAZ, Welt) wird die Diskussion um die Legitimität von Auslandseinsätzen der Bundeswehr diskurslinguistisch untersucht. Es werden diskursrelevante Argumente identifiziert, deren Gebrauch und Erwähnung quantifiziert, Diskursakteure anhand ihrer Argumentationen charakterisiert sowie der Verlauf des Diskurses skizziert. Diese historisch-erklärende und -verstehende, induktiv und heuristisch vorgehende argumentationsanalytische Sprachgebrauchsanalyse sieht darin, in der Tradition der Düsseldorfer Schule, einen wesentlichen Zugangspunkt zur Beschreibung kognitiver, affektiver sowie volitiver Dispositionen einer gesellschaftlichen Kollektivität. Durch die Identifizierung prototypischer Argumente werden gleichzeitig das argumentative Inventar, die wesentlichen Akteure sowie Kontinuitäten und Brüche in Gebrauch und Erwähnung von Argumenten und Auftreten dieser Akteure in den Blick genommen. Auf der theoretischen Grundlage konstruktivistischer Sprachgebrauchsforschung werden deskriptive Aussagen über das gesellschaftlich akzeptierte wie strittige Wissen im Zeitraum 1990 bis 2015 zu einem diskurslinguistisch bislang weitgehend unerschlossenen Themengebiet getroffen.
Die vorliegende Arbeit untersucht die stilistische Variation in zwei konträr zueinanderstehenden Textklassen: rechtsextremen Droh- und Schmähbriefen sowie linksextremen Bekennerschreiben und Positionspapieren. Die über 150 authentischen Texte wurden mithilfe eines semi-automatisierten Clusterverfahrens hinsichtlich ihrer stilistischen Charakteristika gruppiert. Die resultierenden Stilausprägungen veranschaulichen einerseits die große Diversität linguistischer Merkmale innerhalb einer Textklasse, andererseits zeigt sich, dass einige Stilausprägungen gleichermaßen aus beiden Textklassen gespeist werden – trotz deren gegensätzlichen Funktionen und politischen Ideen. Die Ergebnisse dieser Studie bereichern nicht nur unser linguistisches Verständnis der beiden untersuchten Textklassen, sondern zeigen auch für die Praxis der Autorenanalyse neue Perspektiven und Herangehensweisen auf.
"Leiter setzte Geld in den Sand" titelte die Kasseler Lokalzeitung HNA im August 2017 und brachte geleakte Informationen aus dem Aufsichtsrat der documenta 14, einer weltweit renommierten Kunstausstellung, an die Öffentlichkeit: Die documenta gGmbH stehe kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, ein Defizit von ca. 7 Millionen Euro wird erwartet. Dieses soll durch die teils öffentliche Finanzierung voraussichtlich mit Steuermitteln aufgefangen werden. Es beginnt eine breite Debatte in der sich Personen aus Politik, Kulturbetrieb und Öffentlichkeit in Interviews, Petitionen oder Leserkommentaren beteiligen und in der es um den Einsatz von Steuern, die Verantwortung von Kulturinstitutionen und die künstlerische Freiheit geht.
Die Untersuchung nimmt digitale multimodalen Texte, die darin verwendeten Metaphern, intertextuellen Geflechte und die beteiligten Akteure in den Blick und rekonstruiert nicht nur die Debatte der documenta 14, sondern widmet sich darüber hinaus dem strittigen Verhältnis von Kunst und Ökonomie und wie dieses unser aktuelles Kulturfördersystem beeinflusst.
Ziel der Arbeit ist es, die verborgenen Mechanismen aufzuzeigen, die mediale Diskurse strukturieren, die Grenzen von Sagbarkeitsräumen zu erforschen und zu einer Sensibilisierung bei öffentlichen Prozessen der Meinungsbildung beizutragen.
Konnektoren bildeten zwar mit let alone den Startschuss für die Konstruktionsgrammatik, rückten danach aber aus ihrem Fokus – möglicherweise auch deshalb, weil sie auf mehreren Ebenen zum Verlassen ihrer Komfortzone einladen. Auf der Formseite sind ihre Realisierungsmöglichkeiten durch die Größe und Variabilität ihrer Slots komplexer als die Einheiten, die bislang bevorzugt als Konstruktionen beschrieben wurden. Auf der Bedeutungsseite verwischen sie die Grenzen von Kategorien wie Semantik, Pragmatik oder Informationsstruktur, indem sie sowohl an stabile Frames geknüpft sind als auch je nach Textsorte und kommunikativem Kontext unterschiedliche Präferenzen zeigen. Sie werfen damit die Frage auf, welche Realisierungsmöglichkeiten als Konstruktionen gelten sollten sowie welche Vorlieben in die Konstruktionsbeschreibung gehören und welche nicht. Dieses Buch stellt sich den genannten Herausforderungen am Beispiel von weil, da und denn. Bisherige Annahmen bezüglich dieser Konnektoren werden einer kritischen Prüfung unterzogen und in ein konstruktionsgrammatisches Schema überführt, das an drei verschiedenen Korpora erprobt und verfeinert wird, um das Zusammenspiel von Form, Funktion und Kontext konstruktional abzubilden.
Die Suche nach einem angemessenen Umgang mit Moral und ihrem rhetorisch-strategischen Einsatz in Diskursen führt unweigerlich zu der Frage, welche Perspektiven verschiedene Wissenschaftsdisziplinen aufmachen, wenn sie sich mit Moral und Moralisierung beschäftigen. Mit der Erörterung verschiedener Disziplinenzugänge ist auch das Spannungsverhältnis zwischen einem deskriptiven Erörterungsansatz und Aspekten der Bewertung inklusive der ihr zugrundeliegenden Werte angesprochen. Die Beiträge des Bandes geben auf diese Fragen keine abschließenden Antworten. Sie beginnen allerdings damit, ein multi- und interdisziplinäres Bild von Moralisierung zu zeichnen, das geschichts- und politikwissenschaftliche, linguistische, philosophische und theologische Sichtweisen einbezieht und miteinander ins Gespräch bringt. Das komplementäre Bild ist einerseits gekennzeichnet durch die kritische Auseinandersetzung mit Moralisierung als einer rhetorischen Strategie, der ein nicht unbeträchtliches diskursprägendes und sogar -schädigendes Potenzial innewohnt. Andererseits sperrt es sich gegen eine grundsätzliche Moralisierungsskepsis und weist stattdessen darauf hin, dass gesellschaftliche Debatten sich notwendigerweise zwischen Moralisierung und Entmoralisierung bewegen.
In dem vorliegenden Band Sprache und Religion – Tendenzen und Perspektiven werden aktuelle Forschungsprojekte, empirische und methodologische Weiterführungen der religionslinguistischen Ideen und Ansätze sowie mögliche Erweiterungen dieses umfassenden Forschungsfeldes präsentiert. Den strukturellen Rahmen dieses Bandes bilden (1) systematische Überlegungen zur methodischen und theoretischen Ausdifferenzierung der Religionslinguistik. Er vereint (2) empirische Analysen zeitgenössischer Diskurse auf der einen Seite und (3) Anwendungsbeispiele in sprachhistorischer Orientierung innerhalb des Arbeitsfeldes Sprache und Religion auf der anderen Seite für eine Religionslinguistik, die sich als Aspekt einer Transzendenzlinguistik versteht und Religion als anthropologisches Konstituens auffasst. Der Band nimmt mithin Sprachgebräuche sowie politische und kulturelle Praxen – um nur einige zentrale Gegenstände zu nennen – in den Blick, die auf Transzendenz(en) fokussieren.
Die im Kontext der Angewandten Linguistik verortete Arbeit befasst sich mit den transtextuellen rhetorischen Strategien, mit denen Agrarindustrie und Umweltschutzorganisation in der öffentlichen Debatte um den landwirtschaftlichen Einsatz neonicotinoider Pestizide wissenschaftliches Wissen konstituieren. Dazu wird ein überarbeitetes und rhetorisch erweitertes Modell der auf die Arbeiten von Paul Werth zurückgehenden Textwelttheorie vorgestellt, das sich als anschlussfähig an etablierte Zugänge aus Text- und Diskursllinguistik, Kognitiver Semantik und klassischer Rhetorik erweist. Die Analyse online veröffentlichter Informationsbroschüren der Debattenakteure führt zur Beschreibung zweier distinkter rhetorischer Strategien der Wissenskonstitution, die sich nicht nur im Hinblick auf Emotionalität, Fremd- und Selbstdarstellungen und Argumentationstopoi voneinander unterscheiden, sondern auch im Hinblick auf die epistemischen Architekturen, in die diese Phänomene als Wirklichkeitsentwürfe eingebettet sind. Die in der Arbeit angestellten Beobachtungen führen schließlich zur Skizzierung rhetorisch-hermeneutischer Textkompetenzen, die eine reflektierte Teilhabe an solchen öffentlichen Debatten erleichtern kann.
Die Studie geht der Frage nach, wie „nationale Identität“ im Zeitraum der so genannten Berliner Republik als epistemische Größe sprachlich in Erscheinung tritt.
Da der Zusammenhang von Sprachdatenanalysen und der Erforschung nationaler Identität nicht trivial ist, ist eine theoretische Grundlagenreflexion nötig, die sprach-, kultur- und sozialwissenschaftliche Instrumente zu einer spezifischen Methodik integriert. Ziel ist es, in mentalitätsgeschichtlichem Interesse und diskurslinguistischer Tradition diejenige Wissensformation aufzuschlüsseln, die wir mit dem sprachlichen Ausdruck ‚nationale Identität‘ verbinden. Sie ist von der Überzeugung geleitet, dass Zugänge zu gesellschaftlichen Wissensbeständen zu einem großen Teil durch sprachliche Produkte geschaffen werden – und zwar sowohl in der sozialen Wirklichkeit wie auch in der analytischen Praxis.
Das Buch wendet sich an alle, die sich für die Analyse gesellschaftlichen Wissens mit linguistischen Mitteln interessieren oder wissen wollen, wie sich (epistemologisch verstandene) Frame-Semantik für inhaltsorientierte Sprachgeschichtsschreibung eignet. Es leistet zudem einen dokumentarischen Beitrag der Diskursgeschichtsschreibung zu höchst aktuellen Fragen der europäischen Gegenwart.
Trotz einer Vielzahl kulturwissenschaftlicher Forschung ist Angst kein ausdiskutiertes Thema, insofern als nicht einmal die Semantiken der sprachlichen Ausdrucksmittel oder die Vielfalt der Konstruktionsformen genügend geklärt sind. Mit Blick auf die Gegenwart gilt es zu eruieren, welche Medien Ängste mit welchen Mitteln erzeugen und als angemessene Perspektive auf die soziale Wirklichkeit durchsetzen. Diesen Fragestellungen widmet sich der Band.
Ausgangspunkt ist die konstruktivistische Annahme, dass es auf eine solche Frage nicht nur eine richtige Antwort geben kann: Identitäten – und damit auch Konzeptionen des Deutschseins – sind immer an Menschen gebunden, die sie als das, was für sie der Fall ist, kommunikativ entwickeln, umkämpfen und tradieren. Exemplarisch werden in der Arbeit Muster und Strategien der multimodalen Konstruktion von Identität am Beispiel des Afrodeutschseins nachgezeichnet, das seit den 1980er Jahren im bundesdeutschen Raum explizit reflektiert und begründet wird. Dabei werden Aspekte der kritischen Reflexion von Rassismus deutlich, die nicht nur in der Auseinandersetzung mit dem Thema in den beginnenden 2020er Jahren eine Rolle spielen, sondern seit fast 40 Jahren rekurrent begegnen. Jenseits des konkreten Beispiels liegt das zentrale Ziel der Arbeit darin aufzuzeigen, dass sich kommunikative Prozesse nicht auf den Gebrauch von Sprache beschränken. Sie sind ganz wesentlich vom Zusammenspiel von Sprache und anderen Zeichenressourcen bestimmt, wie Typografie und Stimmgestaltung, Gestik und Mimik, Bildern oder Musik – ein Sachverhalt, der zunehmend in den Fokus gebrauchsorientierter linguistischer Studien rücken sollte.
Das Buch präsentiert die ersten Arbeitsergebnisse des wissenschaftlichen Netzwerks >Linguistik und Medizin< Patho- und Salutodiskurse im Spannungsfeld von objektivierter Diagnose, interaktiver Vermittlung und medialer Konstitution, gegründet 2017 und finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Aus unterschiedlichen linguistischen, medizinischen, historischen und soziologischen Perspektiven werden Prozesse der Wissenskonstitution, -aushandlung und des -transfers in Bezug auf Gesundheit und (psychische wie somatische) Krankheiten thematisiert. Mit Daten und Methoden der Gesprächs-, Korpus- und Diskurslinguistik, der Medizin und der Soziologie werden aktuelle und gesellschaftsrelevante Fragestellungen in der Arzt-Patienten-Kommunikation, den ö̈ffentlichen massenmedialen Diskursen und in der Fachkommunikation in einem interdisziplinären Dialog bearbeitet. Im Fokus stehen einzelne Krankheitsbilder und deren semiotische Konstruktion wie Schizophrenie, HIV/AIDS, Alzheimer, Depression; mannigfaltige interaktive Praktiken z.B. der Empathiebekundung, der Aufklärung, der Emotionalisierung in Arzt-Patienten-Gesprächen; Prozesse der gemeinsamen Wissensaushandlung in Online-Foren; fachliche Konstruktionen von Vorstellungen zu Normalität und Abweichung.
Aus Heroisierungen von der NS-Zeit bis in die Gegenwart wird induktiv eine Helden-Typologie abgeleitet, die differenziert zwischen
1. militärischen Helden,
2. zivilen Helden,
3. Helden, die nicht Helden genannt werden und
4. Helden ohne klassische Heldentat.
Die Untersuchungen dieser Helden liefern sowohl Erkenntnisse darüber, wie unsere Wahrnehmung der Welt durch die Setzung zentraler gesellschaftlicher Konzepte geprägt wird, als auch über die Ausgestaltung bundesdeutscher Mentalitäten und Identitäten. Damit belegen die Ausführungen, dass die Linguistik einen wichtigen Beitrag zur Erforschung gesellschaftlicher Phänomene leisten kann, weil ihre Methoden den Zugriff auf implizite Wissensbestände erlauben. Da unser kommunikativer Alltag geprägt ist von Prozessen der impliziten Bedeutungszuschreibung, können die Untersuchungen von Heldenkonstruktionen zudem auf verschiedenste Kontexte und Fragestellungen übertragen werden.
Der Band enthält grundlegende Beiträge aus Philosophie, Ethnologie, Psychologie und Linguistik in den Wissensdomänen Mensch-Tier-Kommunikation, Recht, Politik, Bildung, Wirtschaft, Medizin, Literaturwissenschaft, Kunst, Interkulturalität, Wissenschaftskommunikation und Sprachreflexion und umreißt so den Rahmen für eine zukünftige Linguistik der Empathie.
Während diverse geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Disziplinen unterschiedliche Zugänge zu Authentizität aufzeigen, blieb eine empirisch-diskurslinguistisch angelegte Untersuchung aus. Die vorliegende Studie versteht Authentizität gleichermaßen als Performativitäts- und Diskursphänomen und konzentriert sich in der Analyse auf Zuschreibungspraktiken. Dadurch schlägt sie die Brücke von diskursiver zu erlebter Authentizität: Die Herstellung personaler Authentizität ist stets an ihre soziale und situative Performanz gebunden. Was aber öffentlich-medial als authentisch erlebt (vermittelt) wird, ist erst in sprachlichen Zuschreibungen von Authentizität greifbar. Über die Analyse bestehender Narrative des (Nicht-)Authentischen werden Prozess und Konstituenten diskursiver Authentifizierzungen ermittelt und systematisiert. Mit diesem Modell lässt sich beschreiben, weshalb ein Akteur X einem Akteur Y innerhalb eines Bezugsrahmens Z Authentizität zuschreibt oder aberkennt.
Die epistemischen Interpretationsvarianten der Modalverben im Deutschen sind als solche an der sprachlichen Oberfläche nicht markiert. Es handelt sich bei flektierten Modalverben also um opake Elemente, deren Formen unterschiedliche Bedeutungen haben können, die von Notwendigkeit/Möglichkeit bis hin zu Vermutungen gehen, vgl. 'Sie muss die Arbeit morgen abgeben.' vs. 'Der Verdächtige muss der Mörder gewesen sein.' Durch diesen Umstand werden die Bewertungen in Bezug auf konkret vorliegende Bedeutungen in Belegbeispielen bis dato weitestgehend introspektiv vorgenommen.
Neben theoretischen Begriffsbestimmungen von Modalität und epistemischer Modalität im Besonderen, die auf dem Konzept der deiktischen Relationen fußen, wird der Fokus auf die empirische Fassbarkeit des Phänomenbereichs gerichtet. Quantitativ-empirische Studien sind im Bereich der epistemisch verwendeten Modalverben bis dato rar, da die fehlende eindeutige Markierung an der sprachlichen Oberfläche auf den ersten Blick einem sprachanalytischen Zugang entgegensteht. Es wird gezeigt, dass sich vor dem Hintergrund der spezifischen deiktischen Relationen epistemischer Modalverben Eigenschaften ableiten lassen, die beispielsweise das Subjekt/die Agensrolle, den Infinitiv oder die Modusmarkierung betreffen. Das Entscheidende ist, dass diese definierten Merkmale an der sprachlichen Oberfläche zugänglich sind. Anhand eines Großkorpus zum deutschen Gebrauchsstandard und mittels quantitativer Analysen wird gezeigt, dass sie einen signifikanten Beitrag zur Disambiguierung der Modalverbverwendungen leisten können.
Durch diesen Zugang gelingt es, die Interpretation der Modalverben im Deutschen nicht rein subjektiv vorzunehmen, sondern Gründe anzugeben, die zu einer (zumindest statistisch wahrscheinlichen) vergleichsweise objektiven Begründung einer Interpretationspräferenz führen.
Der Forschungsbereich der Digitalen Daten ist in den qualitativ arbeitenden Geisteswissenschaften bislang kaum erschlossen. Unter dem populären Schlagwort Big Data versammeln sich jedoch derzeit neue und allumfassende Formen der Kommunikation in Gestalt der Nutzung und des Austauschs elektronischer Daten, die räumlich als Erweiterung des eigenen Aktionsradius, zeitlich als Beschleunigung von Such- und Kommunikationsvorgängen erlebt werden. Die Beiträge in diesem Band analysieren einerseits „semantische Kämpfe“ (Felder 2006) zum Thema Digitale Massendaten auf der sprachlichen Meta-Ebene, indem sie z.B. Ideologien enthüllen, die bei der kommunikativen Aneignung des Digitalen entstehen. In den Dialog treten diese Ansätze andererseits mit solchen, die untersuchen, wie User/-innen der digitalen Medien (Twitter, Kommentarforen) in actu mit dem Digitalen umgehen. Ergänzend dazu werden theoretische Reflexionen angestoßen, die die vielfältigen Zusammenhänge der digitalen Massendaten mit den Begriffen der Macht, des Subjekts und der Programmierung, der Selbstbestimmung und der Algorithmisierung, des Erkenntnispotenzials und des potenziellen Nichtwissens betreffen. Vor allem aufgrund der Methodenvielfalt der Beiträge kann dieser Sammelband somit als qualitativer Brückenschlag der ,traditionellen‘ Geisteswissenschaften in das neue Forschungsfeld der Digital Humanities verstanden werden.
In öffentlichen Diskursen seit dem 11. September 2001 lässt sich ein vielschichtiger Sprachgebrauch von Sicherheit beobachten. Der Vermutung, dass mit Sicherheit eine zentrale gesellschaftliche Legitimationsvokabel der jüngeren Vergangenheit vorliegt, geht die vorliegende Studie mit diskurslinguistischen Mitteln der Düsseldorfer Schule nach. In den Diskursen des „11. September 2001“, der „Eurokrise“ und der „NSA-Affäre“ werden die Mechanismen der sprachlichen Etablierung gesellschaftlicher „Sicherheits-Wirklichkeit“ analysiert. Die Untersuchung zeigt, wie als „existenziell“ perspektivierte Bedrohungsszenarien den Aufstieg von Sicherheit zu einem politischen Schlüsselbegriff ermöglichen. Mit dessen u. a. aus religiöser, staatstheoretischer und anthropologischer Semantik bezogener persuasiver Kraft werden politisch umstrittene Maßnahmen legitimierbar; entsprechend vehement konkurrieren die politischen Akteure um das Mehrheiten verheißende Etikett der „Sicherheitsgewährleistung“. Die in den Diskursen beobachtbaren Konzepte gesellschaftlicher Problemlösung zeugen von „Machbarkeit“ und „Beherrschbarkeit“ und untermauern die gesellschaftliche Bedeutsamkeit der Leitvokabel Sicherheit gerade in als Krisen erlebten Zeiten.
1. Bei der ersten Perspektive steht die Frage nach der Wahrnehmung der Wirtschaft durch die Bildmedien im Fokus. Beiträge, die diesen Blickwinkel einnehmen konzentrieren sich auf die mediale Darstellung der Ökonomie als gesellschaftliche Wissensdomäne.
2. Häufig wird der Begriff Ökonomie entgrenzt und sprachlich auf weitere Bereiche übertragen. Untersucht wird, auf welche Weise ökonomische Konzepte in andere Bereiche eingehen und welche Relevanz das ökonomische Vokabular in anderen Bereichen entfaltet.
3. Die dritte Perspektive beschäftigt sich damit, welche Theorien der Wirtschaftswissenschaften in Bildmedien aufgegriffen werden und welche (Meta-)Aussagen Medien über die Ökonomik machen.
Schulamokläufe sind ein ergiebiges Thema für eine linguistische Diskursanalyse: Sie sind zeitlich klar zu fassende Ereignisse, die eine die gesamte Gesellschaft umfassende Welle der Berichterstattung nach sich ziehen. In Pressetexten werden individuelle Beobachtungen, wissenschaftliche Erklärungsansätze und legislative Maßnahmen unentwegt neu ausgehandelt und diskursiv vernetzt. Verschiedenste Sprecher_innen – von Fachleuten, Politiker_innen bis hin zu Betroffenen – kommen zu Wort und prägen den Diskurs mit.
Das öffentliche Wissen über das Phänomen Schulamoklauf speist sich zuallererst aus seiner journalistischen Vermittlung. Entscheidungen über den Umgang der Gesellschaft mit dem Problem werden daher innerhalb des Rahmens getroffen, den die Perspektiven der unterschiedlichen Medien überhaupt erst erzeugen.
Die pragma- und textlinguistische Analyse eines Korpus aus Bild-Zeitung, Süddeutscher Zeitung, taz, Spiegel und Spiegel Online, ergänzt durch Texte einschlägiger Expert_innen, soll diese Dynamiken der Wissenskonstitution einer modernen Mediengesellschaft greifbar machen. Nicht das Phänomen des Schulamoklaufs als solches steht dabei im Vordergrund, sondern die Frage nach der kommunikativen Gestaltung des öffentlichen Raums.
Die Studie leistet Pionierarbeit, da bisher keine anderen Publikationen vorliegen, die auch praktisch-empirisch Bedeutungs- und Begriffswissens-Frames so umfassend und intensiv beschreiben und frame-semantisch darstellen wie hier. Die Aspekte und Probleme einer solchen korpusgestützt und empirisch detailliert arbeitenden Frame-Analyse werden ausführlich dokumentiert und diskutiert. Sie zeigen die Leistungsfähigkeit dieser Methode (aber auch, wo ihre Grenzen liegen). Insofern kann diese Arbeit Vorbild für ähnlich orientierte Studien auch zu anderen Sprachgebrauchs- und Wissens-Domänen sein, und das geplante Buch deshalb auf das Interesse anderer in diesem Feld tätiger Forscherinnen und Forscher stoßen.
Die empirische Untersuchung zeigt, wie konzeptuelle Metaphern zusammenwirken und Szenarien entfalten, in denen auch ohne spezifische Kenntnisse über wirtschaftliche und ordnungspolitische Zusammenhänge Krisen und ihre Bewältigung plausibel werden. Darüber werden Veränderungen in den Welt- und Gesellschaftsbildern der Zeitgenossen sichtbar, die sich in den metaphorischen Szenarien kristallisieren und zur Legitimation politischen Handelns verwendet werden.
Erstaunlich wenig systematisch ist bislang untersucht worden, wie Sprache im Einzelnen am Aufbau von Geschlechtervorstellungen und Rollenbildern mitwirkt. Dieses Buch geht der programmatischen Frage nach, wie Geschlechterkonzepte sprachlich vermittelt werden, und erweitert sie um die stärker nach Erklärungen suchende Frage, wie diese Geschlechterkonzepte in die untersuchten Texte gelangen.
Auf dem Weg zu einer Antwort stellt die Studie eine linguistische Methode vor, mit der beschreibbar wird, auf welche Weise Sprache am Aufbau von Geschlechtervorstellungen mitwirkt. Sie vollzieht ferner in einem mehrstufigen Verfahren nach, wie es kommt, dass gerade diese (und keine anderen) Geschlechterkonzepte formuliert werden.
Die Untersuchung erfolgt am Beispiel von Schulbüchern für den Deutschsprachunterricht und Rechen- bzw. Mathematikunterricht aus den 1890er bis 2010er Jahren. Sie richtet sich also auf selbstverständlich vorausgesetzte, nicht eigens reflektierte oder zu rechtfertigende Systematisierungen und Zuschreibungen im Zusammenhang mit der Kategorie Geschlecht.
Die Monographie wurde mit dem Kulturpreis Bayern 2017 (https://idw-online.de/de/news684136) und dem Georg-Eckert-Forschungspreis 2018 (https://idw-online.de/de/news707269) ausgezeichnet.
Unter linguistisch-epistemologischen Vorzeichen widmet sich der Band zentralen Aspekten der Trias Sprache, Wissen und Diskurs. Dies geschieht in systematischer Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Konzept einer linguistischen Epistemologie.
Im Einzelnen stehen folgende Forschungsfelder im Vordergrund: historische Semantik und Frame-Semantik; bedeutungstheoretische Grundlagen; Sprache und (Welt-)Wissen, Sprache als Medium der Wirklichkeitskonstruktion; Sprachtheorie und Sprachverstehenstheorien: verstehensrelevantes Wissen, linguistische Hermeneutik; Rechtslinguistik; Diskurstheorie und diskurssemantische Analysen; öffentlicher Sprachgebrauch: semantische Grundfiguren, politische "Begriffe".
Die AutorInnen des Sammelbandes greifen unterschiedliche Gesichtspunkte aus diesen zusammenhängenden Feldern auf, um zu zeigen, wie einerseits theoretische, methodologische und empirische Aspekte einer linguistischen Epistemologie zur fruchtbaren Weiterentwicklung der Germanistischen Linguistik beigetragen haben und in welche Richtungen diese andererseits ausgebaut wie auch empirisch erprobt werden (können).
Gegenstand des Bandes sind Ethnostereotype über China bzw. Chinesen in der deutschsprachigen Medienöffentlichkeit. Im Fokus stehen dabei die kulturellen, sprachlichen und medialen Konstitutionsbedingungen stereotyper Perspektivierungen, ihre besonderen Ausprägungen seit der Jahrtausendwende sowie qualitative und quantifizierende, computergestützte Verfahren zu ihrer Untersuchung. Der Band gibt einen Überblick zur bisherigen Forschung, dokumentiert die Ergebnisse eines dreijährigen Projektes zur Linguistischen Imageanalyse Chinas und formuliert Vorschläge für die zukünftige deutsch-chinesische, interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit. Der Band richtet sich nicht nur an Geistes- und Sozialwissenschaftler, sondern auch an Praktiker aus Politik, Wirtschaft und interkultureller Kommunikation.
Auf dem interdisziplinären Feld der Entscheidungsforschung fehlen linguistische Beiträge, obwohl die meisten Entscheidungen an Sprache gebunden sind. Diesem Desiderat widmet sich das vorliegende Buch, indem es das Entscheiden unter linguistischen Gesichtspunkten modelliert. Auf der Basis einer Darstellung der interdisziplinären Entscheidungsforschung wird der Untersuchungsgegenstand in einem heuristischen Verfahren linguistisch formiert. Dabei wird deutlich, dass die kommunikative Praxis des Entscheidens nur angemessen analysiert werden kann, wenn der Ansatz der Funktionalen Pragmatik und der Diskurslinguistik zur Anwendung kommen. Daher werden erstmals zwei bisher getrennt betrachtete Paradigmen systematisch auf ihre Erkenntnismächtigkeit hin geprüft. Diese innovative Herangehensweise wird methodologisch reflektiert und methodisch an einem Kommunikationsausschnitt exemplifiziert. Die Untersuchung demonstriert am Beispiel des parlamentarischen Entscheidens im deutschen Energiediskurs von 1983 bis 2013 das erarbeitete Analyseverfahren und gibt zugleich Aufschluss über die interessenpolitische Vorgeschichte der erneuerbaren Energien, die von Nuklearkatastrophen und umstrittenen Wegen bzw. Umwegen gekennzeichnet ist.
Trotz der historischen, gesellschaftlichen und politischen Relevanz des Krisen-Begriffs wird in der Forschung kaum reflektiert, wie das vorherrschende Wissen über „Krise" geprägt ist. So finden Fragen nach der Rolle von Sprache als Faktor für die Vorstellungen von „Krise" nur vereinzelt Berücksichtigung.
Am Beispiel der öffentlich-politischen Diskurse zur „Ölkrise" (1973/74), zur „Wende" 1982 und zur sog. Agenda 2010 im Jahr 2003 wird die sprachlich-argumentative Konstruktion von „Krise" als soziale Tatsache untersucht. Die Studie geht der Frage nach, wie die Krisen-Konstruktionen in den Prozess der Legitimation politischen Handelns eingebunden sind. Im historischen Vergleich wird gezeigt, welche Einstellungen sich in den Konstruktionen manifestieren und sich gegen konkurrierende Ansichten durchsetzen.
Das Buch führt in das Forschungsgebiet der Linguistischen Diskursgeschichte ein und schreibt es unter theoretisch-programmatischen, methodologischen und methodischen Gesichtspunkten fort. Die empirische Untersuchung leistet einen auch für angrenzende Wissenschaftsdisziplinen, wie Geschichts-, Sozial-, und Politikwissenschaft, relevanten Beitrag zur zeitgeschichtlich verstandenen Sprachgeschichtsschreibung.
Gegenstand dieser Studie sind nonagentive Konstruktionen des Deutschen, die sich maßgeblich durch die ihnen eigene Perspektivierungsleistung auszeichnen. Sie werden als eigenständige Formate aufgefasst mit konkreten Formen und spezifischen Bedeutungen. Damit wird das ‚Konversenmodell‘ der ‚aktivischen und passivischen Handlungsformen des Verbs‘ suspendiert.
Mit den Konstruktionen der ASKRIPTION, der KOMMUTATION und der AKZEPTATION werden drei Grundtypen modelliert und in einer korpuslinguistischen Studie aus dem Sprachgebrauch rekonstruiert. Dafür wurden über 18500 systematisch erhobene Konstruktionsrealisierungen analysiert, in die die Verben sein, bleiben, scheinen, erscheinen, wirken, aussehen, gehören, werden, bekommen, erhalten, kriegen und haben eingebettet sind.
Die sprachgebrauchsbasierte Beschreibung ermöglicht es erstmals, einen Ausschnitt eines semantisch motivierten Konstruktikons als prototypisch geordnetem Konstruktionsnetzwerk zu entwerfen.
Die Studie richtet sich an ein grammatisch interessiertes Fachpublikum.
Die Weltfinanzkrise von 2008 hat die globale Wirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Die Wurzeln dieser Erschütterung sind vom Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung und Deregulierung der Märkte nicht zu trennen. Wie werden die zugehörigen Entwicklungen und Erfahrungen jeweils in Ost und West konzeptualisiert und kommunikativ begleitet? Exemplarisch soll hier der kommunikative Reflex der genannten Ereignisse erfasst werden, insofern er in einschlägigen Texten ausgewählter prominenter Presseorgane in Deutschland bzw. China prozessbegleitend manifest ist. Untersucht wird der Zeitrahmen von 1992 bis 2012, speziell die Resonanz auf die globalen Transformationsprozesse nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion (1990-1992), auf die Asienkrise (1997-1999), auf das Platzen der 'Dotcom-Blase' (2000-2002) sowie auf die aktuelle Weltfinanzkrise (2008-2012). Die Untersuchung liefert einen Einblick dazu, wie das wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Handeln maßgebender Akteure in den Texten reflektiert, kommentiert und bewertet wird. Methodisch greift die Untersuchung das Verfahren der linguistischen Frame-Analyse auf und verbindet dieses auf innovative Weise mit Verfahren der qualitativen Forschung aus den Sozialwissenschaften.
Viele Rechtsexperten und Linguisten sind sich der performativen Kraft der Sprache (noch) nicht bewusst. Um die Einsicht in dieses Phänomen insbesondere für rechtliche Zusammenhänge zu verbessern, widmet sich der vorliegende Band ausdrücklich dem performativen Charakter von Sprache in rechtlichen Kontexten.
Die verschiedenen Beiträge dieses Bandes verdeutlichen die Bandbreite der Möglichkeiten, mit denen sich dem Phänomen sprachlichen Handelns in rechtlichen Kontexten gewidmet werden kann. Zum einen werden beispielsweise Muster, Traditionen und Strukturen in der Rechtssprache aufgedeckt und somit der performative Charakter dieses Tätigkeitsfeldes aufgezeigt. Zum anderen wird aber auch die performative Kraft der Sprache in Zusammenhang mit der Tatschreibenanalyse diskutiert. Beiträge zur Rechtsphilosophie sind in diesem Band ebenso zu finden, wie Diskursanalysen, die aufzeigen, wie Recht performativ erzeugt wird.
Der Band bietet einen guten Überblick, um das Verständnis performativen Sprachhandelns in verschiedenen rechtlichen Kontexten zu vertiefen.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Frage, welche Vor- und Nachteile des informationstechnisch gestützten Arbeitens von Geisteswissenschaftler/inne/n gesehen werden – insbesondere im Bereich digitale Editionen. Im Mittelpunkt stehen Bedarfsaspekte, die in einer Interview-Studie erhoben und inhaltsanalytisch ausgewertet werden. Nutzerbedarfsforschung zu virtuellen Forschungsumgebungen, Werkzeugen und Datenbanken wurde in den digitalen Geisteswissenschaften bislang überhaupt nicht oder unzureichend betrieben – etwa durch Befragungen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, die bedeutende Anforderungsaspekte ausblenden. Die methodisch aufwändigere, offenere und transparentere Erhebung und Auswertung in dieser Studie beleuchtet das Bedarfsspektrum und seine Facetten umfassend. Dabei wird deutlich, dass nicht etwa einfach benutzbare Werkzeuge zentral sind, sondern dass digital vernetzte Inhalte und damit verbundene Möglichkeiten des Transfers und der Aushandlung von Wissen die entscheidenden Faktoren darstellen. Textuelle und diskursive digitale Strukturen bilden den thematischen Kern der Arbeit und werden aus editionsphilologischer, text- und diskurslinguistischer sowie informations- und wissen(schaft)stheoretischer Sicht analysiert.
Die Arbeit ist innerhalb der Wirtschaftslinguistik zu verorten und vertritt die Kernthese, dass Unternehmen nicht nur mit Rohstoffen oder Dienstleistungen handeln, sondern durch ihren Sprachgebrauch systematisch Fakten/nicht-physische Sachverhalte wie IDENTITÄT als Teil ihrer Gegenstandswelt konstruieren.
Die Suche nach Selbstverortung ist in der westlichen Industriegesellschaft ein brisantes Thema – so wird ›Unternehmensidentität‹ oder engl. Corporate Identity vor allem im Rahmen von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie in semi-linguistischen Ratgebern behandelt, ihre performativ-sprachlichen und semiotischen Implikationen werden jedoch verkannt. Das Innovationspotential der Arbeit ist es daher, ›Unternehmensidentität‹ durch die zur Verfügung stehenden sprachlichen Zeichensysteme in textuellen Selbstkonzeptualisierungen auszudeuten und die sprachlich-diskursive Konstruktion nachzuzeichnen. Methodisch geschieht dieses Desiderat anhand eines differenzierten diskursanalytischen Modells auf der Ausdrucks-, Inhalts- und Sprachhandlungsebene sowie der Ebene der Situationalität, das in ein anwendungsorientiertes Kompendium von 49 Sachverhalten mündet, aus denen Unternehmensidentität schließlich konstruiert wird.
Die Kampagne liegt bisher im ‚toten Winkel‘ der linguistischen Forschung. Dabei findet eine an Wissensformen und Mentalitäten interessierte Sprachwissenschaft in ihnen einen reichen Gegenstand: So sind sie nicht nur appellative Gerinnungsformen von Interessen oder Kommunikationsstrategien von Öffentlichkeitsakteuren. Ebenfalls können Kampagnen als Sinnangebote, als Wirklichkeitsentwürfe und als (Re-)Produktionsräume gesellschaftlichen Wissens um sich selbst betrachtet werden. Basis der Untersuchung bilden drei große Kampagnen sehr verschiedener Akteure (IG Metall, BDI, Aktion Mensch) Sie wurden daraufhin betrachtet, wie sie ideale Vorstellungen der Gemeinwohlerzeugung in Deutschland entwerfen oder stabilisieren und dadurch die Kontur der bundesrepublikanischen kollektiven Identität erschließbar machen. Als methodischer Zugang dienen u.a. die Analyse von Schlag- und Fahnen-/Stigmawörtern, die Metaphern- sowie die Topos-Analyse. Darüber hinaus werden neue Zugriffe, wie topische Spannungsmuster, Vagheiten oder Positiv-Negativ-Fokussierungen aufgezeigt, die sich insgesamt auf die Befassung mit politischer Sprache übertragen lassen.
Die Studie ist an der Schnittstelle von Diskurstheorie, Korpuslinguistik und Konstruktionsgrammatik angesiedelt. Sie behandelt den Zusammenhang von sprachlichen Zeichen und sozialer Rolle aus der Perspektive der sprachlichen Zeichen. Der Autor zeigt in drei korpuspragmatischen Analysen zu Konstruktionen mit „Mensch“, „können“ und APPR ADJA NN, welchen Einfluss die gesellschaftlichen Hintergründe sprachlichen Verhaltens auf die sprachliche Interaktion haben. Zu diesem Zweck wird ein Korpus analysiert, das aus mündlichen und schriftlichen Beiträgen zur Bioethikdebatte in deutscher Sprache besteht. Die Studie liefert empirische und theoretische Evidenz dafür, Sprache als Spur sozialer Interaktion zu begreifen. Während sprachliches Rollenverhalten in Soziolinguistik, Sprachethnographie und Gesprächsanalyse bisher stets von den handelnden Personen her untersucht wurde, wird hier erstmals die Perspektive umgekehrt und eine Analyse sozialer Positionen ausgehend der Variation grammatischer Konstruktionen gegeben. Damit liegt ein methodisch innovativer und theoretisch breit fundierter Ansatz zur Neuorientierung der diskursorientierten Linguistik vor, der Anregungen und Diskussionsstoff auch für die empirische Sozialwissenschaft bietet.
Eine systematische Analyse der Struktur von Uwe Johnsons monumentalem Roman Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl ist bislang ein Desiderat geblieben; die vorliegende Untersuchung soll diese Lücke schließen. Sie richtet ihr Augenmerk dazu primär auf jene Mnemopoetik, die dem Roman sein charakteristisches Gepräge gibt und die ihrerseits durch eine systematische Engführung der einzelnen Erinnerungen und ihrer Gehalte gekennzeichnet ist. Zur Beschreibung dieser strukturellen Eigenart werden sprach- und literaturwissenschaftliche Ansätze zu einem integrativen exegetischen Instrumentarium zusammengeführt, das die Inhalts- und die Formseite des Textes konsequent aufeinander bezieht. Es erlaubt so, Figuren der mimetischen Darstellung unbewusst ablaufender und potentiell unendlicher Erinnerungsvorgänge zum einen und solche der Konstitution einer reflektierten, intentionalen Erinnerung zum anderen nachzuzeichnen und jeweils an paradigmatische textuelle Muster rückzubinden. Dieses analytische Rüstzeug wird in einer Reihe von Einzelstudien erprobt und sukzessive erweitert; dabei fällt auch auf die Disposition des Romans im Ganzen wie auf seine poetologischen, erinnerungs- und sprachtheoretischen Voraussetzungen ein Licht.
Die Studie entwickelt theoretische, methodische und empirische Grundlagen einer Bedeutungstheorie, die sprachliche Innovationen und diskursive Dynamiken nicht als Sonderfall, sondern als Normalfall versteht. Durch die Integration system- und handlungstheoretischer Aspekte, werden Diskurse als Orte des Bedeutungswandels beschreibbar. Im Zentrum der Analyse stehen dabei metaphorische Muster als diskurssemantische Einheiten. Das Fallbeispiel zum Diskursobjekts Virus belegt, dass relativ stabile Protometaphern immer wieder in innovativen Setzungen ausdifferenziert werden: Neben der Analyse der Metapherninventare zu Virus als Bildempfänger (z.B. Kampf gegen Viren), erfolgt die Dokumentation transdiskursiver Driften des Lexems, die dazu führen, dass Virus in vielen Kontexten (in Zeitungsartikeln, in Bundestagsprotokollen und in Printanzeigen) auch als Bildspender fungiert (z.B. Virus der Korruption). Die Analyse von multikodalen Metaphern plausibilisiert die Diskurssensitivität von Bildern in Printanzeigen und führt zum Postulat der multikodalen Erweiterung von Diskursanalysen. Auf einer methodologischen Ebene evaluiert die Studie die Möglichkeiten, mit bestehenden Online-Textdatenbanken diskursanalytischen Fragen nachzugehen.
Wie Ärzte in Gesprächen mit Patienten zu ihrer Diagnose kommen, ist sowohl in der Medizin als auch in der Gesprächsforschung kaum untersucht. Neben Fragen, die auch schon diagnostisches Wissen dokumentieren, sind es insbesondere prädiagnostische Mitteilungen, mit denen Ärzte diagnostisch relevante Aspekte erfassen und für eine diagnostische Integration festhalten. In solchen Mitteilungen sagt der Arzt, was er gerade sieht, hört und fühlt oder denkt. Der Patient wird so am gedanklichen Diagnoseprozess beteiligt.
Die Untersuchung analysiert die Inhalte prädiagnostischer Mitteilungen, ihre linguistischen und interaktionalen Eigenschaften sowie die damit verbundene Dokumentation kognitiver Prozesse. Darauf aufbauend wird in ausführlichen Fallanalysen gezeigt, wie prädiagnostische Mitteilungen verschiedene explorative und auch schon therapeutische Funktionen erfüllen können, wie bspw. die Vorbereitung des Patienten auf weitere Untersuchungen, der Perspektivenwechsel zu psychosomatischen Zusammenhängen oder die Herstellung von Vertrauen.
Anhand von exemplarischen Analysen gehen die Beiträge in diesem Band grundlegenden Forschungsfragen nach, die sich aus der Konzeption von Grammatik als Netzwerk von Konstruktionen ergeben: Sprachliches Wissen setzt sich aus einem strukturierten Set an Form-Bedeutungspaaren (Konstruktionen) zusammen, das man als Netzwerk bzw. Konstruktikon auffassen kann. Relevante Aspekte betreffen theoretische und empirische Fragen zur Repräsentation von grammatischem Wissen in einem Netzwerk von Konstruktionen, konkrete Anwendungsbereiche in den Bereichen Morphologie, Syntax und Spracherwerb unter Einbeziehung synchroner und diachroner Untersuchungsgesichtspunkte sowie Möglichkeiten, die Konstruktionsgrammatik mit anderen, teilweise verwandten, teilweise konkurrierenden Ansätzen und Grammatiktheorien (FrameNet, Integrative Linguistik, HPSG, projektionsbasierte Ansätze) in den Dialog treten zu lassen.
Der Band richtet sich sowohl an ein fachkundiges Publikum als auch an jene, die sich für die Konstruktionsgrammatik interessieren und einen ersten Zugang zu gebrauchsbasierten Ansätzen suchen.
Der öffentlichen Diskussion um den Islam liegt ein Konzept 'Islam' zugrunde, das im Diskurs gespiegelt wird und zugleich dort auch entsteht. Die vorliegende Studie untersucht diesen Entstehungsprozess und zeigt, dass Bedeutung nicht nur an einzelne Ausdrücke geknüpft, sondern auch ein flächiges Phänomen ist. Dabei bewegt sich der analysierende Blick graduell gestuft auf die Texte (Zeitungen, Stellungnahmen, Abhandlungen usw.) zu: Der zu untersuchende Textausschnitt wird immer kleiner gewählt, um ihn bei jedem Schritt genauer betrachten zu können.
Jede der in der Studie angewandten Methoden besitzt diskursanalytische Vorzüge, ist aber als einzelne in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Mittels Kombination der – qualitativen und quantitativen – Methoden aus lexikalischer Semantik, Text- und Diskurslinguistik ist es schließlich möglich, das Konzept umfassend zu beschreiben.
Neben diesen linguistisch-methodischen Erkenntnissen liefert das Buch auch bezogen auf den Gegenstand Islam interessante Ergebnisse: Es wird gezeigt, wie Diskursteilnehmer z.B. mittels Kollokationen wie radikaler, politischer Islam bzw. moderater, dialogoffener Islam den Islam nicht nur beschreiben, sondern ihm durch die sprachliche Darstellung inhaltliche Konturen verleihen und ihn als so konturierte Größe zum Objekt der öffentlichen Auseinandersetzung machen – der Islam ist das, als was er im Diskurs erscheint.
Einen Großteil unseres Wissens nehmen wir in Diskurszusammenhängen wahr. Was in der Welt Gültigkeit hat, wird in Sprecherhandlungen als faktisch gegeben dargestellt. Unser Wissen über die Welt in Form von Fakten ist also in Diskurse eingebunden ‑ in diesen wird Faktizität konstituiert.
Der schillernde Begriff der Diskursanalyse scheint hierbei prima facie ein Erkenntnishindernis darzustellen. Diese vermeintliche Schwäche der Begriffsunschärfe ist Motivation für die Beleuchtung der Diskursanalyse aus dem Blickwinkel der jeweiligen Einzeldisziplin. Durch die Betrachtung des Diskursverständnisses innerhalb und außerhalb der Linguistik wird the state of the art kontrastiv vor allem durch die Beiträge der Soziologie, der Philosophie und der Risikoforschung facettenreicher und schärfer herausgearbeitet. Die dadurch perspektivierte Dynamik des Wissens im Spiegel des Erinnerns und Vergessens von „Faktischem“ wird hinsichtlich der Dechiffrierung von Diskurspraktiken mit Blick auf die Frage problematisiert, welches Wissen als erhaltenswert und welches im Diskurs als vernachlässigbar zu klassifizieren ist.
Für produktive Bildungen und für bestehende transparente sowie nicht bzw. teiltransparente Partikelverben mit „an“ wird ein Analyseformat erarbeitet. Komplexe Argumentstrukturen werden als mehr oder weniger selbstständige und mehr oder weniger schematische Konstruktionen, das heißt Einheiten aus Form und Funktion, analysiert. Die Partikel „an“ ist lexikalischer Bestandteil der Konstruktionen. Die Reihenfolge und Kasusmarkierung der Argumentstellen bilden die formale Seite. Die Bedeutungsseite wird in Form von Ereignistypen beschrieben, welche Instanzen von semantischen Frames sind. Das Zusammenspiel zwischen Verben und Argumentkonstruktionen wird als Profilierung und Perspektivierung zentraler oder peripherer Werte des verbalen Frames innerhalb der von den Argumentkonstruktionen ausgedrückten Ereignistypen beschrieben. Kompositionalität ist das wesentliche Prinzip sprachlicher Strukturbildung. Es beruht jedoch nicht auf Berechnung statischer Minimalwerte, sondern einem prozessualen Ein- und Ausblenden sowie Überführen frame-semantischer Werte zwischen Verb und Konstruktion. Das System der Partikelverben mit „an“ wird als Netz von Familienähnlichkeiten und flexiblen Schema-Instanz-Beziehungen dargestellt.
Am Beispiel der „Nicht-finiten Prädikationskonstruktion“ (z.B. „Ich und aufgeben?“) wird der Versuch unternommen, ausgehend von den alltagssprachlichen Formen und Funktionen einer grammatischen Konstruktion zu einem Modell ihrer Repräsentation im Sprachgebrauchswissen zu gelangen. Die Hauptdatengrundlage der Untersuchung bilden alltagssprachliche Beispiele aus dem Usenet und aus Foren. Im Anschluss an die Diskussion des Forschungsstands werden in Auseinandersetzung mit kognitions- und interaktionslinguistischen, aber auch zeichentheoretischen Positionen die theoretischen und methodologischen Konzepte herausgearbeitet, die für die Untersuchung der „Nicht-finiten Prädikationskonstruktion“ erforderlich sind. Die empirische Untersuchung der Konstruktion mündet dann wiederum in einen Vorschlag für ein Modell ihrer kognitiven Repräsentation im Sprachgebrauchswissen. Nach einem Ausblick auf einige Charakteristika der „Nicht-finiten Prädikationskonstruktion“, die in sprachvergleichender Hinsicht und im Hinblick auf den Problembereich Mündlichkeit und Schriftlichkeit aufschlussreich sind, schließt die Untersuchung mit einem Plädoyer dafür, Konstruktionen als Phänomene alltäglicher kommunikativer Praxis zu begreifen.
Der interdisziplinäre Band widmet sich systematisch der Frage, wie im gesellschaftlichen Wirkfeld der Kunst durch das Zusammenspiel von Bildern, Sprache und körperlicher Performanz Identitäten geschaffen werden. Er analysiert Bildende Kunst und Sprachkunst als Medien, die der kommunikativen Selbstvergewisserung des Einzelnen, der sozialen Gruppe und des ethnischen oder nationalen Kollektivs dienen. Renommierte Forscherinnen und Forscher untersuchen in Einzelbeiträgen diese anthropologische Grundfunktion
der Kunst unter dem Gesichtspunkt ihrer sprachlichen und multimodalen
Konstitution. Die im Band versammelten Studien entstammen den Bereichen Linguistik (insbesondere Diskurslinguistik und Gesprächsanalyse), Literaturwissenschaft, Sozialpsychologie, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Kunsttherapie und Kunstkritik. Die methodische Vielfalt der Zugänge sichert eine umfassende Darstellung des Themas und stellt ein Handbuch für alle bereit, die mit sprachlicher Identitätskonstitution sowie der Beschreibung, Vermittlung und Kritik von Kunst theoretisch und praktisch befasst sind.
Die juristische Textarbeit im Kontext der Gesetzgebung ist aus rechtslinguistischer Perspektive ein bislang unbearbeitetes Forschungsfeld. Hier setzt die vorliegende Studie an: Am Beispiel der Norm(text)genese der sog. „Online-Durchsuchung“ arbeitet sie empirisch die vielfältigen diskursiven Verknüpfungen und handlungsleitenden Konzepte der verschiedenen Akteure heraus. Berücksichtigt werden hierfür über 1000 Texte aus den Kommunikationsbereichen der Legislative, Exekutive, Judikative, Rechtswissenschaft und der Medien. Im Ergebnis zeigt sich die Genese rechtlicher Normen als semantischer Kampf um Kriterien für eine strukturierte Entscheidbarkeit antizipierter Sachverhaltskonflikte und damit verbundener Handlungs- bzw. Regelungsabläufe, auf den die verschiedenen Akteure sehr unterschiedlichen sprachlichen Einfluss nehmen können. Aus den empirischen Analysen werden induktiv a) Vorschläge für eine theoretische Modellierung der Normgenese und b) erste Überlegungen für eine Strukturierung der damit verbundenen juristischen Textarbeit diskutiert. Dabei werden rechtswissenschaftliche, (rechts-)linguistische, soziologische und psychologische Konzepte zu Elementen einer Theorie der Rechtsnormdiskursivität zusammengeführt.
Die vorliegende Studie ist eine rechtslinguistische Untersuchung zur Explizierung des textgestützten und diskursbasierten Rechtsstreits zwischen verschiedenen Rechtsarbeitern (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt) im Rechtsfindungsverfahren. Als Untersuchungskorpus gelten die authentischen Textmaterialien (Anklageschriften, Berufungs- bzw. Revisionsschriften, Urteile und Schriftsätze usw.) von sechs zusammenhängenden Rechtsfällen aus der deutschen Rechtspraxis. Die Analyse setzt sich zum Ziel, einerseits zugunsten des interdisziplinären Erkenntnisinteresses einen exemplarischen Beitrag zu der in Anbetracht ihrer Relevanz noch relativ wenig erforschten textlinguistischen Beschäftigung mit Rechtstexten zu leisten und andererseits den fachspezifischen Kommunikationsvorgang in stärkerem Maße anhand linguistischer Instrumentarien verständlich zu machen. Die entwickelten Beschreibungsansätze richten sich auf die differenzierten Sprachhandlungsmuster und die dabei verwendeten spezifischen Handlungsstrategien und Perspektivierungsanstrengungen. Dadurch wird sowohl juristischen Fachleuten als auch Laien ein transparentes Analysemodell der Rechtskommunikation unterbreitet.
Die vorliegende Arbeit stellt eine theoretische und methodische Auseinandersetzung mit der Diskurslinguistik sowie eine empirische Umsetzung dar. Diskurslinguistik im Anschluss an Foucault befasst sich mit textübergreifenden, sprachlichen Wirklichkeitskonstitutionsprozessen, die zugleich als kulturell und weltanschaulich bedingtes Wissen aufzufassen sind.
Diskurslinguistik wird handlungstheoretisch fundiert und darauf aufbauend ein Mehrebenendiskursanalysemodell als methodisches Verfahren entwickelt, das sprachstrukturelle, semantische, funktionale sowie situativ-kontextuelle Analysedimensionen umfasst.
Am Beispiel des öffentlich-politischen Bioethikdiskurses um Stammzellforschung wird gezeigt, wie Schlüsselwörter, Metaphern und Argumentationstopoi in den je eigenen weltanschaulichen Argumentationskontext gestellt und semantisch fixiert werden, was zu einer perspektivierten Konstruktion von Wirklichkeit führt. Kulturelle und weltanschauliche Voraussetzungen manifestieren sich dementsprechend immer schon in diskurstypischen Sprachgebräuchen, die als semantische Grundfiguren das diskursrelevante Hintergrundwissen bilden.
Die Chiffre „1968“ ist Name für einen Erinnerungsort, der insbesondere durch seine Sprache das kollektive Gedächtnis prägt. Nach vierzig Jahren ist die Zeit für eine Zwischenbilanz gekommen. Diese Bilanz wird in dem vorliegenden Sammelband gezogen. Er enthält die überarbeiteten Vorträge einer Tagung, die im Mai 2008 stattfand. Die Beiträge stellen die vielfältigen Ausprägungen und Aspekte dieser Sprache dar und machen damit deutlich, dass „die 68er-Sprache“ einen unbestreitbaren Platz in der Kulturgeschichte, insbesondere in der kulturwissenschaftlichen Linguistik, hat. Ihre Erscheinungsformen werden mit diskursanalytischem, sprachpragmatischem, textsortengeschichtlichem oder semiotischem Instrumentarium dargestellt und beschrieben. Der mit 68 eintretende Wandel kommunikativer Praktiken erschließt außerdem die kommunikationsgeschichtliche Perspektive. Damit wird insofern ein kulturwissenschaftlicher Beitrag geleistet zur Sprachgeschichte ebenso wie zur Semiotik, zur Medien- ebenso wie zur Zeitgeschichte.
Zeiten drohender oder eingetretener gesellschaftlicher Krisenlagen sind immer auch Hochzeiten der inner- wie außerwissenschaftlichen Diskussion über die Rolle der Massenmedien. Fast schon traditionell differenzieren sich die Positionen, die in dieser - immer auch von den Medien selbstreflexiv aufgenommenen - Debatte vertreten werden, anhand der normativen Pole „Abwiegelung“ und „Panikmache“. Die Arbeit geht anhand einer detaillierten textlinguistischen Analyse des massenmedialen Diskurses zur Vogelgrippe im Jahr 2006 der Frage nach, ob diese sich regelmäßig wiederholende Kontroverse auf bestimmte Funktionsprinzipien von (Medien-)Diskursen zurückführen lässt. Unter Bezugnahme auf den Foucaultschen Diskursbegriff entwickelt sie dabei die Schlüsselkategorie der „diskursiven Rolle“ ‑ verstanden als Träger diskursiver Handlungen ‑ und baut diese zu einem Modell des Diskurses als Rollenspiel aus. Die Arbeit weist nach, dass Mediendiskurse auf diese Weise als ein Miteinander- und Aufeinander-Einwirken der unterschiedlichen, in Texten sprachlich manifestierten diskursiven Rollen verstanden werden können. Erklärbar wird so nicht nur die Koinzidenz von sich scheinbar ausschließenden Merkmalen medialer Berichterstattung, sondern auch die frappierende Invarianz diverser gesellschaftlicher Diskurse gegenüber grundlegenden Neuentwicklungen im gesellschaftlichen und naturwissenschaftlichen Kontext.
Sprachgebrauchsmuster sind Indikatoren für Diskurse und Denkweisen. Diese Hypothese der diskurs- und kulturwissenschaftlichen Linguistik kann mit Methoden der modernen Korpuslinguistik getestet werden. Als Phänomene auf der sprachlichen Oberfläche lassen sich Sprachgebrauchsmuster als rekurrente lexikalische Einheiten mit maschinellen Methoden der quantitativen Textanalyse fassen. Die Arbeit mit umfangreichen Textkorpora bietet zudem die Chance, induktiv – corpus driven – Sprachgebrauchsmuster in den Daten zu entdecken und auf dieser Grundlage Hypothesen über die Bedeutung dieser Sprachgebrauchsmuster abzuleiten. Das Buch erarbeitet eine Methode der korpuslinguistischen Diskursanalyse, die es ermöglicht, in diesem Forschungsfeld empirisch zu arbeiten. An einer Reihe von Detailanalysen am Beispiel eines Korpus von knapp 45.000 Artikeln aus der Neuen Zürcher Zeitung von 1995 bis 2005 wird zudem gezeigt, wie diese Methode angewandt werden kann. Das Buch bietet eine leicht verständliche Einführung in die Korpuslinguistik für Diskurs- und Kulturanalyse und richtet sich sowohl an fortgeschrittene Forscherinnen und Forscher als auch an kulturwissenschaftlich interessierte Studierende.
Der vorliegende Band präsentiert die theoretischen und methodischen Grundlagen der Forschung zur Konstituierung von Wissen in sprachlichen Formationen. Nach einem theoretischen Teil, der die begrifflichen und sprachtheoretischen Grundlagen der linguistischen Wissensanalyse modelliert, wird darauf aufbauend ein Beschreibungsinstrumentarium vorgestellt, an empirischen Einzelanalysen exemplifiziert und zur Diskussion gestellt. Danach werden in Überblicksaufsätzen neue Forschungsbereiche aufgezeigt und in einem letzten Teil das praktische Gestaltungspotenzial linguistischer Forschung dokumentiert. Neben methodischen Fragen der Gesprächsanalyse, der Kognitiven Grammatik und der Konstruktionsgrammatik stehen besonders der Wissens- und der Diskursbegriff im Zentrum. In zahlreichen Einzelanalysen wird das vorgestellte Beschreibungsinstrumentarium an den Themen Nanotechnologie, Biomedizin, Politik, Bildung, Kunst, Religion, Mathematik, Recht und Wirtschaft exemplifiziert.
Der vorliegende Sammelband ist die zweite Publikation des Forschungsnetzwerks Sprache und Wissen (www.suw.uni-hd.de ).
In der Arbeit werden Grundzüge einer semantischen Frame-Theorie erarbeitet und im übergeordneten Zusammenhang einer holistischen Sprachtheorie diskutiert. Ausgangspunkt bildet die Annahme, dass sich Strukturen semantischen Wissens mittels Frames linguistisch genau beschreiben lassen. Frames sind konzeptuelle Wissenseinheiten, die zur Bedeutungserfassung aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Zu wissen, was ein Ausdruck bedeutet und wie er zu verwenden ist, heißt, über einen Frame zu „verfügen“, der mit dem Ausdruck konventionell assoziiert ist.
In sprachtheoretischer Hinsicht ist die Arbeit als ein Plädoyer für eine konzeptualistische Semantiktheorie zu verstehen, die sich konzeptionell an der Kognitiven Grammatik und Konstruktionsgrammatik orientiert.
Ausgehend von Fillmores Vorschlag, Frames als kognitive Organisationsstrukturen sowie als analytische Werkzeuge zu begreifen, wird der integrative Charakter der entwickelten Theorie an vielen sprachlichen Phänomenen (wie Metaphern, Präsuppositionen, diskurssemantischen Grundfiguren, indirekten Anaphern, Referenz, Prädikation) demonstriert. Der diskursanalytische Nutzen zeigt sich zudem in einer Korpusanalyse zur Metapher „Finanzinvestoren als Heuschrecken“.
Die mögliche Einführung der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland wurde in den Jahren 2000 bis 2002 öffentlich kontrovers diskutiert. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Diskussion war das Ringen um sprachliche Mittel zur Benennung neuer und umstrittener Sachverhalte. Die Arbeit geht der Thematisierung von Sprache in programmatischen Texten aus dieser Zeit nach. Sie zeigt, dass die systematische Suche nach metasprachlichen Elementen eine Fülle von sprachthematisierenden Markierungen ergibt, die in ihrer inhaltlichen Ausdifferenzierung auf zentrale Streitpunkte dieser Debatte zielen. Die semantische Analyse der so eruierten Ausdrücke und Phrasen liefert weit reichende Einblicke in die lexikalischen und semantischen Verschiebungen, die einzelne wichtige Ausdrücke in einem biomedizinischen Kontext erfahren. Die Studie reflektiert damit das sprachliche Potenzial einer gesellschaftlichen Kontroverse sowie das Verhandeln über die Angemessenheit bestimmter Ausdrucks- und Verwendungsweisen als Indiz problembewusster Sprachverwendung. Beides verweist gleichermaßen auf die Wichtigkeit sprachlicher Benennungen im öffentlichen Raum und verdeutlicht, dass gesellschaftliche Kontroversen stets auch sprachliche Kontroversen sind.