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Die Zähigkeit als Werkstoff- und Bauteileigenschaft

  • Horst Blumenauer
Veröffentlicht/Copyright: 26. Mai 2013
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Kurzfassung

Von einem mechanisch beanspruchten Bauteil wird neben hoher Festigkeit eine ausreichende Zähigkeit als Sicherheit gegen Bruch verlangt. Im Unterschied zur spannungsbasierten Festigkeit, für die es seit mehr als 100 Jahren allgemein akzeptierte Definitionen und Prüfverfahren gibt, musste beim Zähigkeitsmaß lange Zeit auf aus Erfahrungen – meist sehr unangenehmer Art – abgeleitete Festlegungen zurückgegriffen werden. Infolge der daraus resultierenden Unsicherheit enthält das technische Vorschriftenwerk häufig noch zu konservative Anforderungen an die Zähigkeit der Werkstoffe. Höhere Leistungsparameter von Maschinen und Anlagen, ihr zuverlässiger und wirtschaftlicher Betrieb sowie die exakte Beurteilung der mit hochauflösenden zerstörungsfreien Prüfverfahren nachweisbaren Defekte machen es aber erforderlich, die bisher in den Dimensionierungsvorschriften dominierende Sicherheit gegen festigkeitskontrolliertes Versagen durch eine beanspruchungs- und bauteilgerechte Zähigkeitsbewertung zu ergänzen.

Abstract

Mechanically loaded components aside high strength require sufficient toughness for safety against fracture. In contrast to stress based strength for which generally accepted definitions and test procedures exist for more than 100 years, toughness parameter for a long time were taken from mostly non-convenient derivations based on experience. As a consequence of the uncertainties resulting from such procedures, technical standards frequently still contain too conservative requirements regarding the thoughness of materials.

However, the increasing power of machines and constructions, their reliable and economic service as well as the exact evaluation of defects evidentially identified by high resolution non-destructive test procedures require that the safety against strength controlled failure predominantly included in dimensional standards are supplemented by a load and component relevant thoughness evaluation.


Professor i.R. Dr.-Ing. habil. Dr. E. h. Horst Blumenauer, geb. 1935, studierte von 1953 bis 1959 in Magdeburg Werkstoffkunde. Nach der Assistentenzeit mit Promotion bei Ernst Schiebold und einer mehrjährigen Tätigkeit in der Industrie wurde er 1969 zum Professor für Metallkunde an die Technische Hochschule „Otto von Guericke“ (heute Otto-von-Guericke-Universität) berufen. Als langjähriger Leiter des Instituts für Werkstofftechnik und Werkstoffprüfung erfolgte nach Erreichen der Altersgrenze im Jahr 2000 die Versetzung in den Ruhestand. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die experimentelle Bruchmechanik und röntgenografische Spannungsanalyse. Zu den zahlreichen Publikationen gehören das von ihm herausgegebene Lehrbuch „Werkstoffprüfung“, die Mitarbeit an den Lehrbüchern „Werkstoffwissenschaft“ und „Konstruktionswerkstoffe des Maschinen-und Anlagenbaus“ sowie die gemeinsam mit G. Pusch verfasste Monografie „Technische Bruchmechanik“. Professor Blumenauer ist Ehrendoktor der TU Bergakademie Freiberg und Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Metallkunde.


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Online erschienen: 2013-05-26
Erschienen im Druck: 2005-02-01

© 2005, Carl Hanser Verlag, München

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