Held oder Harlekin? Der sterbende Seneca bei Tacitus
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Stephan Schmal
Zusammenfassung
Tacitus schildert den Freitod des Philosophen Seneca (65 n. Chr.) sehr ausführlich und, wie es scheint, wohlwollend als einen Akt der Seelenstärke und der philosophischen Läuterung (Tac. ann. 15.60.2–64). Doch wer Tacitus und dessen Hang zur Ironie kennt, der merkt, daß der Historiker dem Philosophen eitle Phrasen und hohles Pathos in den Mund legt. Nicht umsonst läßt er wenig später den Dichter Petronius ganz anders sterben, nämlich unter gezielter Vermeidung jeglicher Inszenierung (Tac. ann. 16.19.2 f.).
Seneca war als Politiker, als Lehrer Neros und als einer der reichsten Männer Roms höchst umstritten. Sein theatralischer Tod paßt für Tacitus zu einem Menschen und Literaten, dem der schöne Schein immer wichtiger war als Wahrheit und echter Anstand.
Summary
Tacitus portrays the suicide of the philosopher Seneca (65 AC) in great detail and, it seems, benevolently as an act of a strong character and philosophical catharsis (Tac. ann. 15.60.2–64). But anyone who is familiar with Tacitus and his tendency toward irony will notice that the historian quotes vain remarks and pathos from the philosopher. It is no accident that the poet Petronius dies soon thereafter in a completely different manner, i.e. explicitly avoiding all theatrics (Tac. ann. 16.19.2 et seq.).
As a politician, a teacher of Nero, and one of the richest men in Rome, Seneca was very controversial. For Tacitus, a dramatic death is fitting for this man and writer, for whom appearance was always more important than truth and genuine integrity.
© Akademie Verlag
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