Babylon, Jerusalem, Athen, Rom. Vier Metropolen: Skizze eines europäischen Diskurses
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Justus Cobet
Zusammenfassung
Die literarische Traditionsbildung vom Verlauf der antiken Geschichte von den Büchern der Hebräischen Bibel über die klassische griechisch-römische Literatur bis zu den Texten der christlichen Spätantike brachte einen virtuellen Dialog von vier Metropolen hervor, dessen Assoziationsfelder bis heute in Gebrauch sind. Babylon, Jerusalem, Athen und Rom sind die vier Städte, deren Summe in einem umfassenden metaphorischen Sinn als Inbegriff europäischer Tradition gelten darf. Dieser metaphorische Dialog wird hier als ein historisch gewachsener Diskurs um die immanenten und transzendenten Geltungsansprüche von Herrschaft und Geist verstanden, wie er den Lauf der Geschichte aus der Sicht des europäischen Narrativs kommentierend begleitet. Babylon und Rom stehen für Weltlichkeit, Reich, Macht, Leidenschaften und Verblendung, Jerusalem und Athen für Kultur, Geist, Transzendenz, Weisheit, Philosophie, den Umgang mit Schuld und Tod. Am Ende der Antike erscheint Rom gleichsam als das Ziel des metaphorischen Spiels, überwand es doch die Weltlichkeit Babylons, indem es den Geist Athens und den Glauben Jerusalems in seinen universalen, zunächst herrschaftlich begründeten Anspruch integrierte. Das seit dem 19. Jahrhundert gewachsene Spannungsverhältnis zwischen dem traditionellen Diskurs über Geschichte und der modernen Quellenkritik wird dabei als ein reflexives Potential historischer Rekonstruktionsarbeit in europäischer Tradition gewertet.
Abstract
The development of the literary tradition out of the course of ancient history from the books of the Hebrew Bible, through classic Greek and Roman literature, to the texts of late Christian antiquity, produced a virtual dialogue between four metropolises. The associations these cities call forth are still powerful today. Babylon, Jerusalem, Athens and Rome are the four cities whose accumulative dialogue may be regarded in a comprehensive metaphorical sense as the essence of European tradition. This metaphorical discourse developed throughout ancient history and is a negotiation of validity claims on domination and spiritual values based on immanent and transcendent assumptions. Its commentaries accompany history as seen from the perspective of the European narrative. Babylon and Rome symbolize secularity, empire, power, passion and delusion. Jerusalem and Athens stand for culture, intellect, transcendence, wisdom, philosophy and ways of dealing with guilt and death. In the end it was Rome to tell the whole story. Combining the faith of Jerusalem with the intellect of Athens it could claim to have overcome the worldliness of Babylon, and justify anew its universal aspirations. Since the early nineteenth century, tensions between the traditional discourse on history and modern source criticism have increased. This I understand as a potential of reflection by means of the work of historians as achieved in European tradition.
© by Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Essen, Germany
Artikel in diesem Heft
- Babylon, Jerusalem, Athen, Rom. Vier Metropolen: Skizze eines europäischen Diskurses
- Falsches Spiel mit wahren Körpern. Freundschaftsgesten und die Politik der Authentizität im franko-burgundischen Spätmittelalter
- Bündnis und Kompromiß. Parteienkooperation im Deutschen Kaiserreich 1890–1918
- Eine neue Weltgeschichte der Alten Welt — Aufbruch zu neuen Ufern?
- Das Auswärtige Amt und seine Vergangenheit
- Allgemeines
- Altertum
- Mittelalter
- Frühe Neuzeit
- 19./20. Jahrhundert
- Eingegangene Bücher
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