Die Westdeutschen und ihr Verhältnis zur Luftbrücke und den Amerikanern
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Torben Giese
Zusammenfassung
Der Mythos von der entscheidenden Bedeutung der Berliner Luftbrücke für die Entstehung der deutsch-amerikanischen Freundschaft ist wahr und falsch zugleich. Das Verhältnis zwischen Besatzern und Besetzten änderte sich während der Luftbrücke zwar lediglich geringfügig, doch verband und verbindet die Erinnerung an dieselbe die Völker merklich. Schon kurz nach der Aufhebung der Blockade begann die symbolische Erhöhung des Airlifts auch von deutscher Seite, und ein gemeinsamer Mythos wurde über die Jahre der Erinnerung hinweg erarbeitet. Diese Aufladung der Luftbrücke zum Symbol für den Kampf um die Freiheit der Welt und die Solidarität unter den westlichen Völkern wurde in der amerikanischen Presse gleichsam vorweggenommen, die in der Luftbrücke schon während ihrer Existenz weit mehr als eine humanitäre Hilfsaktion sah. In der westdeutschen und Westberliner Presse hingegen wurde derselben relativ wenig Beachtung geschenkt und deren Bedeutung lange möglichst heruntergespielt. Den Besatzern sahen sich die Westdeutschen kaum zu Dank verpflichtet. Nur langsam kam ein Prozeß der Annäherung in Gang, der in Westberlin aber immerhin merklich schneller vonstatten ging als in den westlichen Besatzungszonen. Den Westdeutschen und Westberlinern wurde erst allmählich bewußt, welche Bedeutung die Luftbrücke eigentlich hatte, und so richtig erkannten sie diese erst mit der Aufhebung der Blockade.
Abstract
The significant fact that the Berlin Airlift laid the foundation for German-American relations is a myth that is both true and false. The change in this relationship, between a defeated and an occupying nation, during the Berlin Airlift itself was minimal, but the memories of this common event bound these two nations together. Shortly after the Blockade ended, the symbolic importance was propitiated by both nations, creating a universal myth which developed over the years. The Berlin Airlift became a symbol for the fight for freedom and the ensuing solidarity of Western nations, which was propagated by the American Press, which presented the Airlift as far more than just a humanitarian gesture of assistance. In comparison, the significance of the Berlin Airlift was far more played down by the West German and West Berlin press. The occupying countries refrained from considering their deeds worth obliging gratitude, nor did they attempt to be shown such. A slow process of rapprochement set in, somewhat quicker perhaps in West Berlin, than was the case in the Occupied Zones. After the blockade ended, the West Germans and West Berliners gradually realized the significance the Berlin Airlift actually had.
© by Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Wiesbaden, Germany
Artikel in diesem Heft
- Das Megarische Psephisma und der Ausbruch des Peloponnesischen Krieges
- Zwischen Elitenkooptation und Staatsausbau. Der polnische Adel und die Widersprüche russischer Integrationspolitik in den Westgouvernements des Zarenreiches (1772-1850)
- Die Westdeutschen und ihr Verhältnis zur Luftbrücke und den Amerikanern
- Außenpolitik, Öffentlichkeit, öffentliche Meinung. Deutsche Streitfälle in den langen 1960er Jahren
- Carl Diem Mythos oder Reizfigur?
- Allgemeines
- Altertum
- Mittelalter
- Frühe Neuzeit
- 19./20. Jahrhundert
- Eingegangene Bücher
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