Die Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Lichte der Genossenschaftsforschung
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Nicole Göler von Ravensburg
1 Auf dem Weg zu einer deutschen Économie Sociale?
Endlos erschienen manchen Politiker*innen bisher die europapolitischen Debatten zur Social Economy oder Social and Solidarity Economy (jüngst z.B. Staatssekretär Sven Giegold anl. der 9. Internationalen EMES Tagung in Frankfurt am Main am 12.9.2023, Video Semi-Plenary 2.1, Minute 15f.), fand man doch in Deutschland keine wirklichen Entsprechungen. Hierzulande stieß und stößt die Vorstellung eines eigenen Sektors neben Staat und Marktwirtschaft auf wenig Gegenliebe (Münkner 1995b). Die deutsche Sozialwirtschaft ist schon lange gut etabliert, aber wenig sozialistisch geneigt. Der Gewerkschaftssektor hegt nach schlechten Erfahrungen kaum gemeinwirtschaftliche Ambitionen. Und der Genossenschaftssektor sieht sich traditionell eher dem Mittelstand verpflichtet. Über einen gelegentlichen Flirt hinausgehende Berührpunkte mit einer strukturierten Gemeinwirtschaft gibt es in kaum einer dieser Sozialbewegungen. In der Wirtschaftswissenschaft war die Beschäftigung mit gemeinwohlorientiertem Unternehmertum lange eher exotisch, was sich auch durch Einführung mehrerer Studienangebote zum sogenannten Social Entrepreneurship im Laufe der letzten 20 Jahre nur unwesentlich verändert hat. Die in den letzten Jahren von der OECD veröffentlichten Politikpapiere [1] wurden in der Literatur so gut wie nicht kommentiert, obgleich Social Ecomomy bzw. Gemeinwohlorientiertes Wirtschaften mittlerweile weniger ideologisch, dogmatisch oder ordnungspolitisch verstanden wird.
Dieses Verharren kontrastiert maximal mit den rapiden Veränderungen der natürlichen und sozialen Umwelten, welche auch in Deutschland eine grüne, digitale und nachhaltige Transformation der gesamten Wirtschaft zur großen strukturellen Aufgabe unserer Zeit werden lassen, sowie mit einer nie dagewesenen Vielzahl an Neugründungen gemeinwohlorientierter Unternehmen (Kiefl 2022, S. 22-23).
Aber jetzt scheint Bewegung in den politischen Diskurs zu kommen. Deutschland hat auch die Resolution der Vereinten Nationen zur Förderung der Sozial- und Solidarwirtschaft (A/77/281) vom 18. April 2023 unterstützt. Der Aktionsplan der EU-Kommission für die Sozialwirtschaft (EU-Kommission 2021) gibt einen konkreten Fahrplan für die nationale Förderung von Social Entrepreneurship vor. Dabei fußen die Ein- und Ausschlusskriterien nicht mehr auf Rechtsformen, sondern auf einzelwirtschaftlichen Merkmalen, allem voran einem satzungsmäßigen Gemeinwohlzweck und einer mindestens teilweisen Verteilungsrestriktion für Überschüsse bzw. Vermögen. [2] Hierauf aufbauend hat die Bundesregierung eine Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen verabschiedet, die ausdrücklich auch Genossenschaften adressiert. [3]
Dieser Beitrag möchte den Leser*innen die politische Ratio hinter und die für (gemeinwohlorientierte) Genossenschaften wesentlichsten Inhalte der Strategie näherbringen. Hierzu wird auf ein videographiertes Semi-Plenary zurückgegriffen, bei dem die beiden wichtigsten politischen Fürsprecher*innen anlässlich der neunten internationalen Wissenschaftstagung des Forschungsnetzwerkes EMES am 12. September 2023 in Frankfurt sprachen: Der für die Grundlinien der wirtschaftspolitischen Orientierung zuständige Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Sven Giegold, und die Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Zarah Bruhn (Video Semi-Plenary 2.1).
Zugleich richtet dieser Beitrag sich an alle, die deutsche Genossenschaften beforschen und fordert sie auf, sich mit Studien an der Ermittlung der tatsächlichen gesellschaftlichen Effekte gemeinwohlorientierter Genossenschaften zu beteiligen, die Eignung der Organisationsform hierfür komparativ zu betrachten, die eingesetzten Förderinstrumente zu bewerten und empirisch Daten zu generieren, mit denen die Förderinstrumente auch für gemeinwohlorientierte Genossenschaften bedarfsgerechter und zielführender gestaltet werden können. Denn die deutsche Genossenschaftswissenschaft kann auf vielfältige empirische und theoretische Forschungen zurückgreifen, welche das genossenschaftliche Wirtschaften z.B. in den wirtschafts-, sozial- und entwicklungspolitischen Kontext stellen.
In diesem Zusammenhang erinnert der Beitrag auch an das Schaffen des international renommierten Gesellschafts- und Genossenschaftsrechtlers Prof. Dr. Hans-H. Münkner, der im November 2023 verstorben ist. Da er sich, hätte seine Gesundheit es zugelassen, vermutlich interessiert und aktiv in den internationalen wissenschaftlichen Diskurs bei der o.g. EMES Tagung eingebracht hätte, soll auch diese gestreift werden, bevor ein kurzes Fazit gezogen wird.
2 Die Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen
Auch in Deutschland nehmen gerade junge Menschen die Grenzen bestehender marktwirtschaftlicher und staatlicher Allokationssystemen nur allzu deutlich wahr. So sind hierzulande laut Deutschem Startup Monitor „... drei aus vier Unternehmensgründer*innen positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkungen sehr wichtig.“ (https://startupverband.de/politik/nachhaltigkeit/). Laut Green Startup Monitor 2023 sind 35% aller Unternehmensgründungen „grün“ im Sinne der Nachhaltigkeit (Fichter et al 2023, S. 3). Konventionelle erwerbswirtschaftliche Unternehmen sehen eine Möglichkeit, ihre Lieferketten durch Produkte und Dienstleistungen von Social Enterprises nachhaltiger aufzustellen (Kiefl et al 2022, S. 7). Viele Startups basieren auf Innovationen, die auf die derzeitig vielfältigen Transformationsaufgaben gerichtet sind. Das gilt in gewisser Hinsicht auch für viele Genossenschaftsgründungen (u.a. Thürling 2019, Blome-Drees et al 2021, Kluth 2019 und 2022, Stappel 2022). Nach der Umfrage zum letzten Social Entrepreneurship Monitor 2021-22 (N= 396) (Kiefl et al 2022, S. 84) haben jedoch lediglich 1,7% der befragten Sozialen Unternehmen die Rechtsform der Genossenschaft angenommen (Kiefl et al 2022, S.25).
Allerdings orientieren sich in unserer Marktwirtschaft Investor*innen nach wie vor überwiegend an Renditeerwartungen. Da haben es gemeinwohlorientierte Unternehmen insgesamt und vor allem jene, die weniger auf technologische als auf soziale Innovationen setzen, schwer sich zu professionalisieren und an Kredite zu kommen. Das hemmt ein rasches Wachstum und damit ihre transformative Wirkung. Denn ihre soziale oder ökologische Zielerreichung lässt oft keine oder nur geringere Renditeerwartungen zu, und noch fehlen standardisierte Impact Measurement Instrumente, mit denen ihre sozialen und ökologischen Transformationsund Entlastungswirkungen monetär bewertbar würden und damit für Investor*innen oder Banken Vergleiche erlauben (Zarah Bruhn, 9. Internationale EMES Tagung in Frankfurt am Main am 12.9.2023, Video Semi-Plenary 2.1, Minute 30f., zum Vergleich Kiefl et al 2022, S. 38-39).
Die vom BMWK und BMBF gemeinsam entwickelte Nationale Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen soll diesen und anderen Hemmnissen begegnen (BMWK und BMBF 2023). Sie adressiert ausdrücklich auch Genossenschaften und sieht u.a. Änderungen am Genossenschaftsgesetz vor (ebd., insbes. S. 16 und 17). Im Vorfeld wurden rund 200 Online Statements von „Stakeholdern“ der Community eingeholt, darunter zwölf von eingetragenen, gemeinwohlorientierten Genossenschaften (eG), und im Herbst 2022 fanden sieben Workshops zur Strategieentwicklung statt (BMWK 2023).
Zu Beginn seiner Ausführungen bei der EMES Tagung (Video Semi-Plenary 2.1, Minute 15ff) stellte Giegold für das internationale Publikum klar, dass der die Strategie betitelnde Begriff „gemeinwohlorientierte Unternehmen“ dem englischen „Social enterprise“ entspricht. Er signalisiert damit zugleich das Ende einer langen, und aus politischer Warte wenig produktiven terminologischen Debatte. Für den Zweck ihrer Strategie schließt sich die Bundesregierung dem Begriffsverständnis der europäischen Konzeption an.[4] Folglich werden für Zwecke der Förderpolitik alle Unternehmen als gemeinwohlorientierte Unternehmen bezeichnet,
„für die das soziale oder ökologische, gemeinwohlorientierte Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt, was sich oft in einem hohen Maße an Sozialer Innovation äußert,
deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses Ziel zu erreichen und
deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse dieses Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.“ (BMWK und BMBF 2023, S. 4)
Mit der Strategie erkenne erstmals eine deutsche Regierung die Innovationen und Gemeinwohlbeiträge Sozialer Unternehmen und Genossenschaften in Deutschland auch politisch an. Die Strategie schaffe eine eigene unterstützende Rahmung für sie, und sorge damit für eine neue Beziehung zwischen staatlicher Wirtschaftspolitik und dem Sektor sozialer Unternehmen und Genossenschaften.
Nach Überzeugung des Ministeriums sollte eine zeitgemäße Wirtschaftspolitik die richtigen gesetzgeberischen Grenzen setzen gegen ein Wirtschaften, das die natürliche und soziale Tragfähigkeit des Planeten überschreitet (Video Semi-Plenary 2.1, Minute 16ff). Zugleich müsse sie auf betriebswirtschaftlich externe, negative wie positive Effekte mit den richtigen Bepreisungen und Anreizen reagieren und eine unterstützende Infrastruktur schaffen, um die Transformation der Wirtschaft hin zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu bewerkstelligen. Um beides ringe die gegenwärtige Koalition kontinuierlich. In diesem Zusammenhang betonte Giegold, dass der für Europa enorm wichtige Green Deal der EU aus Deutschland maßgeblich mitgeformt worden sei. Und nicht zuletzt dieser Green Deal gebe dem Staat wieder eine gewichtigere wirtschaftspolitische Rolle, die er in Demokratien mit sozial mehr oder weniger eingehegten Markwirtschaften nur gut ausfüllen könne, wenn es auch eine ökonomisch aktive Zivilgesellschaft gäbe. Er meint, bislang sei – abgesehen von einzelnen Leuchttürmen – die Bedeutung von Gemeinwohlorientierten Unternehmen und Genossenschaften in dieser Transformation zwar noch sehr überschaubar, aber ihre Zahl wachse signifikant.
Gemeinwohlorientierte Unternehmen und Genossenschaften seien in der Vergangenheit immer da entstanden, wo trotz staatlicher Aktivität gesellschaftlich inakzeptable ökologische und soziale Probleme persistierten. Die soziale Marktwirtschaft in Deutschland sei nicht zuletzt so erfolgreich gewesen, weil sie auf einem Geflecht multipler Beziehungen zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Unternehmen unterschiedlicher Zielsetzung und organisatorischer Gestalt aufbauen konnte. Neue Soziale Unternehmen und Genossenschaften hätten jedoch in der Regel Schwierigkeiten, die bestehenden wirtschaftspolitischen Angebote wahrzunehmen und in vermachtete Märkte einzutreten. Die jetzige Regierung wolle hier einen gleichwertigen Zugang schaffen, aber keine Bevorzugung und erst recht keine permanente Abhängigkeit dieser jungen Unternehmen von staatlichen Fördermaßnahmen oder Subventionen. Konkret bedeute dies, existierende Fördermaßnahmen zugänglicher zu machen, oder, wo diese den Gemeinwohlorientierten Unternehmen und Genossenschaften nicht angemessen sind, neue zu schaffen. Als Beispiel nennt er, dass die neue Strategie vorsehe, regelmäßige Gipfeltreffen zwischen Ministerien und Organisationen der Gemeinwohlwirtschaft zu organisieren und Finanzierungsprogramme zu öffnen. Ein spezielles Finanzierungsproramm für lokale „Inkubatoren“ für Soziale Unternehmen und Genossenschaften in der Start-up Phase gäbe es schon (Exist with Impact), und eine ganze Reihe von Bildungsprogrammen sowie eine dem Thema soziale Innovation und soziales Unternehmertum gewidmete Internetpräsenz würden gerade entwickelt. Insgesamt habe man in der Strategie 70 Einzelmaßnahmen gebündelt, um das Entstehen und Wachstum sozialer Unternehmen zu fördern. Denn Unternehmen, die die Lösung gesellschaftlicher Probleme zum Kern ihres unternehmerischen Handelns machten, verdienten eine unterstützende Rolle des Staates, der sie nicht belächelt oder übersieht, dass es für die Transformation in eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neue verbindliche Regeln für alle Unternehmen brauche.
Die Strategie umfasst sieben Leitlinien, elf Handlungsfelder und über 70 Maßnahmen (BMWK & BMBF 2023). An dieser Stelle kann nur auf einige für Genossenschaften spezifische oder besonders relevante Maßnahmen hingewiesen werden. So werden im Handlungsfeld 1 („Rahmenbedingungen optimieren und strukturelle Hindernisse beseitigen“) u.a. die Überprüfung gesellschafts-, genossenschafts- sowie gemeinnützigkeitsrechtlicher Rahmenbedingungen, genossenschaftliche Mitarbeiterunternehmen und eine neue Wohngemeinnützigkeit sowie ein Reallabore-Gesetz angesprochen (S. 16-17). Im Handlungsfeld 4 („Öffentliche Beschaffung als Hebel nutzen“) wird u.a. in Aussicht gestellt, die Sichtbarkeit gemeinwohlorientierter Start-ups in der öffentlichen Beschaffung zu erhöhen und so eine intensivere Nutzung der öffentlichen Auftragsvergabe zur Stärkung Sozialer Innovationen anzuregen (S.27). In Handlungsfeld 5 ist u.a. die Entwicklung von Wohnungsgenossenschaften mit einem Förderprogramm zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen vorgesehen (S. 31).
Daneben sind eine ganze Reihe von allgemeinen Fördermaßnahmen enthalten, die für gemeinwohlorientierte Genossenschaften ebenfalls interessant sein dürften, wie z.B. ein Ausbau von Gründer- und Förderberatung, die Verbesserung des Zugangs zu öffentlichen Fördermaßnahmen für KMU (teilweise durch REACT with impact und Exist schon zugänglich) und völlig neue Finanzierungszugänge (z.B. S. 20 und S. 34-35). In Handlungsfeld 5 („Förderinstrumente“) werden ein Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen (IGP) und das Bund-Länder-Programm Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) angeführt (S. 29).
Für die Genossenschaftsforschung könnte zudem das Versprechen interessant sein, Programme der öffentlichen Innovations- und Forschungsförderung der beteiligten Ministerien auf ihre Offenheit für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen zu prüfen (S. 16) oder sich über das Programm Kommunen innovativ für die partizipative Erforschung neuer sozialer Praktiken und Prozesse in der Kommune bzw. in der Pflege fördern zu lassen (S. 30).
Außerdem ist das Handlungsfeld 7 speziell der Forschung gewidmet (S. 38-39). Stichpunkte sind hier:
Förderrichtlinie zur Innovationsfolgenabschätzung (INSIGHT), die ausdrückliche Absicht, die Datenlage der Gemeinwohlorientierten Wirtschaft zu verbessern und
Einrichtung von Satellitenkonten zur Erfassung von Gemeinwohlorientierten Unternehmen zu prüfen, die Förderung der Erforschung und Erprobung Sozialer Innovationen für klimaneutrale und lebenswerte Städte und Kommunen in (inter-) regionalen Reallaboren („Transformationscluster Soziale Innovationen für nachhaltige Städte und Regionen“),
Nachwuchsgruppen in der sozial-ökologischen Forschung
Fördermaßnahme Stadt-Land-Zukunft „Nachhaltige Mobilität in regionalen Transformationsräumen – in Metropolregionen, Regiopolregionen und interkommunalen Verbünden“
Förderung eines „Bürgerrats Partizipative Verkehrswende“ im Rahmen der Forschungsagenda „Nachhaltige urbane Mobilität“
Wie tauglich diese Förderangebote für die Praxis sein werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hätten die Verbände hier Vermittlungs-, Vernetzungs- und auch Lobby-Aufgaben. Der Wissenschaft und Forschung kommt die Aufgabe zu, die Nutzung und Wirkung der Förderinstrumente auch für Genossenschaften kritisch zu begleiten. Dabei kann sie auf vielfältige empirische und theoretische Forschungen zurückgreifen.
An dieser Stelle sei dem 2023 im Alter von 88 Jahren verstorbenen Gesellschafts- und Genossenschaftsrechtler Hans-H. Münkner ein dankbares Gedenken gewidmet. Er hatte nicht nur durch unzählige Beratungsprozessen vor allem in Afrika (Kirk et al 2000) vielfältige Erkenntnisse zum entwicklungspolitischen Potenzial und geeigneten politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Genossenschaften gewonnen, welche er kurz vor seinem Tode noch einmal eindrücklich zusammenfasste (Münkner 2023a und 2023b). Vielmehr brachte er sich nämlich seit den späten 1990er Jahren mit seinen profunden Kenntnissen der europäischen Rechtskreise auch immer wieder in den Diskurs rund um Genossenschaften und die Économie Social ein (u.a. Münkner 1995b).
3 Hans-H. Münker und eine Gemeinwohl-basierte Förderung von Genossenschaften
In Deutschlands Genossenschaftsgeschichte hat schon früh der förderwirtschaftliche Genossenschaftstypus die Oberhand gewonnen (Göler von Ravensburg 2023, S. 996). Dieses Selbstverständnis von Genossenschaften und Verbänden setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen fort, während die Genossenschaft in Ostdeutschland immer mehr in politisch und zentral geplante Wirtschaftsstrukturen eingebunden und der Produktionsgenossenschaft dort eine herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung eingeräumt wurde (Münkner 1990). Seit der Wiedervereinigung gilt: „Genossenschaften verfolgen privatwirtschaftliche Ziele ihrer Mitglieder, sie haben keinen unmittelbaren sozialen oder sozialpolitischen Auftrag, sie sind deshalb auch keine Hilfeeinrichtungen, um gemeinnützige Bestrebungen zu verfolgen, oder gar Instrumente zur Bewältigung von Problemen der Sozial-, Arbeitsmarkt-, Regional- oder Entwicklungspolitik.” (Wülker 2000, S. 58).
Ex ante widerspricht die Strategie zur Förderung sozialer Innovationen und gemeinwohlorientierter Unternehmen dem nicht. Zum einen ist sie als prozesspolitische Strategie angelegt, welche die bisherige ordnungspolitische Verankerung sowie das privatwirtschaftliche Selbstverständnis von Genossenschaften nicht antastet, und alle Rechts- und Organisationsformen gemeinwohlorientierten Unternehmertums in einen gleichberechtigten Wettbewerb zueinander stellt.
Zum anderen gab es geschichtlich gesehen die Gemeinwohlorientierung bei Genossenschaften von Anbeginn. Sie muss nicht staatlich veranlasst sein, sondern kann auf der Willensbildung der Mitglieder beruhen, ungeachtet dessen, ob sie sozial- oder wirtschaftspolitischen Zielen entspricht. An beides erinnerte Blome-Drees unter Bezugnahme auf und Würdigung des wissenschaftlichen Schaffens von Werner Wilhelm Engelhardt zuletzt in Heft 1/2023 der ZfgG (Blome-Drees 2023). Dies anerkennend hat auch der DGRV als Mitglied im Internationalen Genossenschaftsbund den 1995 verabschiedeten Genossenschaftsprinzipien zugestimmt. Das siebte Prinzip umfasst die Sorge für die Gemeinschaft: „Cooperatives work for the sustainable development of their communities through policies approved by their members” (ICA 1995).
Hans-H. Münkner lehnte eine staatliche Instrumentalisierung von Genossenschaften stets entschieden ab (Münkner 1994 und 1995, S. 34). Dank seiner Viel-Sprachigkeit konnte er sich vertieft mit Politik- und Gesetzgebungsprozessen sowie den resultierenden Entwicklungsprozessen in fast allen Erdteilen auseinandersetzen. Im Ergebnis kam er immer wieder zu der Überzeugung zurück, dass unabhängig von Kultur und Rechtskreis die Grundlagen eines im Sinne der Verbesserung gesellschaftlicher Lebensbedingungen gelingenden Genossenschaftswesens auf den Kernprinzipien der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung beruhen (zuletzt Münkner 2023a, S. 251).
Vor dem Hintergrund seines in der deutschen Genossenschaftsforschung wohl einmaligen internationalen Erfahrungsschatzes sah er gleichwohl eine entwicklungspolitisch motivierte Förderung von Genossenschaften, auch wenn sie ggfs. eines oder mehrere dieser Kernprinzipien stutzt, als vertretbar, solange kulturell unterschiedliche Kooperationskulturen berücksichtigt würden (Münkner 1995a, S. 34f.; ders. 2023b, S. 979).
Zur öffentlichen Förderung von Genossenschaften, ihren Verbünden und Verbänden entwickelte er eine differenzierte Haltung. So sah er es als zentral an, dass eine solche Förderung auf einem soliden Verständnis seitens der zuständigen Behörden für die spezifischen Governance-Bedingungen und Wissen um intakte Anreiz-Beitrags-Verhältnisse für die Mitglieder sowie dem Vorhandensein geeigneter Promotoren beruhte (Münkner 1971, 1982, 2023a). Seine Erkenntnisse waren und sind auch für die Förderung in Europa und Deutschland wegweisend, insbesondere wenn er darauf verweist, wie bedeutsam die gemeinschaftsbildenden Werte und Regeln für die genossenschaftliche Governance und damit den Erhalt der Essenz und Resultate genossenschaftlichen Wirtschaftens sind (zuletzt Münkner 2023b, S. 979).
Der teilweise innerhalb der EU den Diskurs dominierenden, sozialistisch geprägten Hoffnung, mit der Économie Sociale sehr diverse Unternehmenstypen mit ihren je eigenen Zielsystemen und Management-Logiken zusammenzufassen, um einen besonderen (solidarwirtschaftlichen) Sektor neben Staat und Markt zu schaffen und diesen ggfs. mit Privilegien und Steuerbefreiungen staatlich zu unterstützen, stand er für Deutschland ablehnend gegenüber (Münkner 1995b, S. 33-35). Diese Haltung begründete sich zum einen darin, dass es in Deutschland „[...1 keine Tradition der Zusammenarbeit von Genossenschaften, Vereinen auf Gegenseitigkeit und Vereinen mit sozialer Zielsetzung und mit Tätigkeiten auf kulturellem Gebiet oder im Bereich des Gesundheitswesens“ gibt. Zum anderen sah Münkner die in Deutschland rechtlich gut fundierte soziale Marktwirtschaft mit gutem Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Stellung der Arbeitnehmer*innen (ebd. S. 27) als geeigneten wirtschaftspolitischen Rahmen nicht nur für mitgliederförderlich orientierte Genossenschaften (ebd.). Er meinte zudem, dass Unternehmen zur Integration benachteiligter Randgruppen in die Wirtschaft und Gesellschaft eine zu kleine Gruppe darstellten, um derart fundamentale Politiken zu rechtfertigen (ebd. S. 35). Was würde er wohl angesichts der gegenwärtigen Transformationsbestrebungen und rasch steigender Zahlen gemeinwohlorientierter Start-ups von der jüngst veröffentlichen Strategie halten?
4 Schnittmengen der Genossenschafts- und Sozialunternehmensforschung
Durch die neue Strategie ist jetzt der Begriff des Gemeinwohlorientierten Unternehmens politisch eingeführt. Der seit Jahren auch in der Wissenschaft gängige Begriff des Sozialen Unternehmens (im Folgenden mit SU abgekürzt) als Übersetzung des englischen ,Social Enterprise' wird jedoch vermutlich deshalb nicht gleich aus der deutschsprachigen wissenschaftlichen Debatte verschwinden, weshalb er im Rest dieses Beitrags auch weiter benutzt werden soll.
Das Phänomen Soziales Unternehmen gibt es weltweit (Nyssens 2006). Es kommt in Ländern des ,Globalen Südens' genauso vor, wie im ,Globalen Norden'. In der internationalen Wissenschaft der Begriff ,Social Enterprise' vermutlich Ende der 1990er-Jahre in Italien geprägt worden (Nyssens, Defourny and Adams 2023, S. 2). Als SU gelten nicht nur Integrationsunternehmen, oft als „Work integration social enterprises“ (WISEs) bezeichnet, obgleich diese in einigen europäischen Ländern auch jüngst noch deutlich zahlreicher vorhanden sind und eine wichtigere sozialpolitische Rolle spielen, als Münkner es ihnen zubilligte (Borzaga et al 2020, u.a. S. 44, S. 59-61). Vielmehr werden schon seit etwa 20 Jahren alle jene bedarfs- und förderwirtschaftlichen Unternehmen, einschließlich solcher in genossenschaftlicher Verfasstheit, so bezeichnet, deren primärer Zweck die Lösung gesellschaftlicher Probleme ist, seien es ökologische, soziale oder ökonomische (Raith 2023, Defourny und Nyssens 2001). SU kennzeichnet, dass sie sich zur Problemlösung unternehmerischer Herangehensweisen bedienen. D.h. sie entwickeln neue Produkte, Dienstleistungen, Vertriebsstrukturen, gewinnen Geldgeber und bedienen einen oder mehrere Zielmärkte. Dazu gehen sie beachtliche Risiken ein, schütten jedoch ggfs. entstehende Überschüsse nur sehr bedingt an die Kapitalgeber aus, sondern verwenden sie, um ihre Ideen zu skalieren. Häufig haben sie auch den Anspruch, sich mit der Beseitigung des Problems selbst überflüssig zu machen (Jansen 2013, S.69).
Seit den 1990er Jahren haben sich drei distinkte ,Denkschulen' der Sozialunternehmensforschung entwickelt: Dees (USA) arbeitete seit ca. 1988 zum innovativen Charakter solcher Arten von Unternehmen, es entstand eine sogenannte Social Innovation School of thought. Borzaga beforschte mit Kolleginnen am European Research Institute on Cooperative and Social Enterprises (EURICSE, Trient, Italien) seit 1990 verschiedene Unternehmenstypen in der allgemeinen Daseinsvorsorge und zur Integration am Arbeitsmarkt benachteiligter Menschen. Hieraus entwickelte sich zum einen eine Denkschule, die sich vorrangig mit den Effekten von Work Integration Social Enterpises (WISEs) befasste (Income Generation School of Thought). Zum anderen beteiligte sich Borzaga auch an einem 1996 von Defourny und Nyssens (Liège und Louvain/Belgien) ins Leben gerufenen europäischen Studie, dem sogenannten Emergence of Social Enterprises Projekt, das auch maßgeblich an der Entdeckung anderer Sozialunternehmen als der WISEs beteiligt war. Dieses Projekt gab dem später als Verein institutionalisierten, schnell wachsenden Netzwerk von Forschungsinstituten und individuellen Forscherinnen verschiedenster Disziplinen seinen Namen – EMES.[5] Der Fokus der forschenden EMES Mitglieder lag seither neben den ökonomischen und sozialen Zielstrukturen und Geschäftsmodellen insbesondere auf der unternehmensinternen Partizipation in Entscheidungs- und Eigentumsstrukturen. Daher werden Arbeiten aus dem EMES Netzwerk auch als „Governance School of thought“ bezeichnet. Hier treten ganz offensichtliche Überschneidungen zur Genossenschaftsforschung auf.
Die neunte internationale Wissenschaftstagung des Forschungsnetzwerkes EMES fand vom 11. bis 14. September 2023 an der Frankfurt University of Applied Sciences statt. Sie stand unter dem Motto „Act locally, change globally – Social Enterprises and Cooperatives for more resilient economies and societies” und wurde von 60 Praktiker*innen und 250 Wissenschaftler*innen aus 40 Ländern besucht (EMES 2023, S. 6).
Der erste Tagungstag war dem Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft gewidmet. Entlang größtenteils aus der Praxis generierter aktueller Themen wurden zwölf Workshops mit Inputs aus der Praxis und Wissenschaft in verschiedenen Formaten von der Paneldiskussion bis zur Zukunftskonferenz angeboten. Obgleich es für die Organisatorinnen schwierig war, Vertreter*innen aus der deutschen Genossenschaftspraxis bzw. Genossenschaftsverbänden zur Teilnahme oder für Inputs zu gewinnen, waren schließlich vier Workshops ausdrücklich nach genossenschaftlichen Prinzipien wirtschaftenden Gemeinwohlunternehmen gewidmet und fanden unter maßgeblicher Beteiligung von Genossenschaftspraktiker*innen statt. Italienische, deutsche, dänische, österreichische, belgische, irische und schottische Genossenschaftsorganisationen widmeten sich Themen wie Energy Sharing, Gründungsgeschehen, Inklusion im ländlichen Raum oder Fair Trade. In anderen Workshops wurden Querschnittsthemen wie geeignete Finanzierungsinstrumente, Strategien zur Überwindung von Fachkräftemangel und Netzwerkbildung bearbeitet. Dabei spielte die Frage nach geeigneten wirtschaftspolitischen Flankierungen immer wieder eine Rolle. Die Resonanz der Praxis auf diesen Tag des Austausches mit der Forschung war überwältigend positiv.[6]
In der Kernkonferenz hatten 27 von 170 Referaten schon am Thema erkennbare genossenschaftliche Inhalte. In zahlreichen thematisch nicht ausschließlich auf Genossenschaften ausgerichteten Vorträgen wurden Forschungsergebnisse zu den volkswirtschaftlichen Effekten, wirtschaftspolitischen Flankierungen und betriebswirtschaftlichen Merkmalen in der Breite des gemeinwohlorientierten Unternehmertums dargestellt. Dabei stammten ca. 60% der Vorträge von Doktorand*innen. Bezeichnenderweise ging nach einem triple-blind-Review Verfahren die Auszeichnung für den besten Konferenzbeitrag in der Kategorie Doktorand*innen an einen wissenschaftlichen Mitarbeiter der TU Braunschweig für einen Vortrag zum Thema “Human Resource Management in Co-operatives – A Systematic Literature Review“.
5 Einige Gedanken zum Ab- und Anschluss
Weder Genossenschaften noch Soziale Unternehmen werden kurzfristig die Welt retten. Dennoch können sie als Kern einer ökonomisch aktiven Zivilgesellschaft betrachtet werden, deren Bedeutung für den Erhalt intern wie extern herausgeforderter Demokratien (noch) unterschätzt wird. An dieser Stelle möchte ich ganz eklektisch einige Anregungen für eine Genossenschaftsforschung zur Diskussion stellen, die dies nicht befriedigt.
Eine politische Förderung Gemeinwohlorientierter Unternehmen und Genossenschaften sollte von der Wirtschafts- und Sozialforschung kritisch begleitet werden. Wie das aussehen könnte, zeigt beispielhaft die Grounded Theory basierte, qualitativ-empirische Dissertationsforschung von Rüdiger Hein, die 2021 unter dem Titel „Typisch Social Entrepreneurship“ erschienen ist (Hein 2021). Der Verfasser liefert viele methodische und inhaltliche Anhaltspunkte, die auch für die empirische Betrachtung gemeinwohlorientierter Genossenschaften Relevanz besitzen. Im Ergebnis wird deutlich, wie Politik, Gesetzgebung, öffentliche wie privatwirtschaftliche Unterstützungs-, Beratungs- und Finanzierungsangebote das Denken und Handeln von Sozialunternehmer*innen beeinflussen.
Geht die Förderung mit öffentlichen Handlungsaufträgen einher, so besteht die Gefahr koerzitiver Isomorphie-Erscheinungen, wie DiMaggio und Powell schon 1983 den Zwang von Organisationen zur Übernahme gleicher Strukturen bezeichneten (DiMaggio und Powell 1983), oder es kann gar zu einer Veränderung der Zielsetzung kommen (Stichwort Mission Drift). Eine interessante Frage könnte es sein, ob und unter welchen Bedingungen genossenschaftliche Entscheidungsstrukturen hier eine gewisse Immunisierung bieten.
Es könnte sich z.B. lohnen, noch einmal neu auf genossenschaftliche Diskurse zu blicken, die schon zu den Voraussetzungen nachhaltigen mitgliedschaftlichen Engagements und solider Leistungsbeziehungen zwischen Mitglied und Genossenschaftsbetrieb geführt wurden (z.B. Dülfer 1984). In diesem Zusammenhang könnte die Genossenschaftswissenschaft auch einmal wieder (selbst-)kritisch betrachten, warum es anscheinend bisher nicht gelungen ist, hinsichtlich der Förderberichterstattung bzw. Bilanzierung der Mitgliederförderung voranzukommen (CoopGo 2019). Vielleicht ist der Feldzugang ja in der jüngeren Generation ausdrücklich gemeinwohlorientierter Genossenschaften einfacher. Wenn nämlich die Politik jetzt die Entwicklung eines monetarisierten und standardisierbaren Impact Measurement Instrumentariums fordert, könnten sich hier wertvolle methodische und inhaltliche „lessons learned“ verbergen.
Auch in Sachen „Hybridisierung“ von Organisationsmustern, in denen von manchen eine Art „neuer Normalität“ in vielen Sektoren und Unternehmen erkannt wird (Evers 2017), lassen sich in der und für die Genossenschaftswissenschaft vermutlich noch weitere Anschlüsse finden (z.B. Blome-Drees und Moldenhauer 2021).
Zum dritten Strategie-immanenten konstitutiven SU-Merkmal, nämlich den Organisationsstrukturen und Eigentumsverhältnissen, die das gemeinwohlorientierte Ziel „widerspiegeln“ und „auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet“ sein sollen (BMWK und BMBF 2023, S. 4) bietet die Genossenschaftswissenschaft ohnehin einiges. Hier würden sich Feldforschungen zum Vergleich mit anders organisierten SU anbieten. Auch zum Erhalt von wirtschaftlich nutzbaren Gemeingütern (Commons) kann die Genossenschaftswissenschaft manches beisteuern (z.B. Micken und Moldenhauer 2021).
Anlässlich der Tagung forderte Sven Giegold einmal mehr die Entwicklung gemeinsamer Positionen, da nur hierdurch politische Veränderungen motiviert werden könnten. Wie schwierig dies in der Realität für die auf Sekundär- und Tertiärebene sehr unterschiedlich verfassten traditionellen gemeinwohlorientierten Unternehmen in Deutschland ist, klang schon an. Allerdings entstehen derzeit nicht nur viele neue SU, sondern auch neue Allianzen und Netzwerke wie z.B. das Social Enterprise Netzwerk Deutschlands (SEND e.V.), das mit seinem Monitor schon politikwirksam ist (Giegold in Kiefl et al 2022, S. 8). Eine Funktion der (Genossenschafts-)Wissenschaft kann und sollte es sein, bestimmten Subgruppen mittels objektiver Daten dabei zu helfen, ihre Anliegen für die weitere Politikentwicklung zu formulieren und damit Kooperationspartner*innen zu gewinnen. Auch zwischen genossenschaftlich und anders organisierten und verfassten SU wird es absehbar bestimmte Interessenkongruenzen geben. Das vielleicht kritischste Thema wird wohl der Ruf nach standardisierten und monetarisierbaren Verfahren des Impact Measurements sein. Andere sich aufdrängende Themen sind die Zulässigkeit digitaler Verfahren der Gremienwahl und anderer einzelbetrieblicher Entscheidungsprozesse, aber auch der Zugang zu Krediten und verdingungsrechtliche Bedingungen.
Jedenfalls ist die Verfasstheit der „ökonomisch aktiven Zivilgesellschaft“ noch im Werden. Diese Dynamik sollten Genossenschaftspraxis wie -forschung engmaschig beobachten, wenn die „ökonomisch aktive Zivilgesellschaft“ nicht eine weitgehend ,genossenschaftsfreie Zone' bleiben soll.
Literatur
Blome-Drees, J. und Moldenhauer, J. (2021). Die Genossenschaft als hybride Organisation – Eine morphologisch-typologische Analyse, Zeitschrift für Gemeinwirtschaft und Gemeinwohl, 44 (2), 259-280. DOI:10.5771/2701-4193-2021-2-25910.5771/2701-4193-2021-2-259Search in Google Scholar
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- Rechtsprechung zum Genossenschaftsrecht im Jahr 2022
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