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Javier Burguillo/María José Vega (Hgg.), Épica y conflicto religioso en el siglo XVI. Anglicanismo y luteranismo desde el imaginario hispánico, Woodbridge, Tamesis 2021. xii+226 Seiten.

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Published/Copyright: December 8, 2022
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Javier Burguillo, María José Vega (Hgg.), Épica y conflicto religioso en el siglo XVI. Anglicanismo y luteranismo desde el imaginario hispánico, Woodbridge, Tamesis 2021, xii+226 Seiten.


Im vorliegenden Band sind in zwei Sektionen acht Beiträge zu spanischen Texten der frühen Neuzeit versammelt, in denen der religiöse Konflikt der Habsburger mit den mitteleuropäischen Protestanten thematisch wird. Fünf Beiträge gelten historiografischen und epischen Texten und drei, vergleichend dazu, performativen Phänomenen, nämlich zum einen dem Inszenierungscharakter von frühneuzeitlichen Begräbnisriten im konfessionellen Kontext sowie zum anderen den Texten von autos sacramentales. Der im Titel benannte epische Kern des Bandes umfasst damit vier der Beiträge, während die anderen einen diskursiven Kontext dazu konturieren.

In der Einführung markieren die Herausgeber María José Vega und Javier Burguillo zunächst die zeitlichen und räumlichen Grenzen des Bandes und stellen zudem die Einzelbeiträge vor. In ihrer Gesamtschau konstatieren sie, dass der religiöse Konflikt auf der Theaterbühne als solcher ausgeblendet und zudem in der Epik dem Publikum unter dominant politischem Vorzeichen präsentiert wird (S. 6). Von den hier betrachteten Textgattungen ist also keine inhaltliche Auseinandersetzung mit protestantischen Glaubenspositionen zu erwarten. Ohnehin liegt aber das Interesse des Bandes zunächst in der Kenntnisnahme eines aus hispanistischer, aber auch europäischer Perspektive hoch interessanten Textkorpus.

Die Sektion zur Epik zeichnet ein klarer Zuschnitt auf ein prägnant definiertes Zeitfenster aus, das beginnend beim Tod des Thomas Morus 1535 über die Schlacht bei Mühlberg bis zur Eroberung von Antwerpen 1585 und den Untergang der Armada 1588 reicht; im zweiten Teil greift die Analyse des religiösen Theaters zudem auch perspektivisch bis in das 17. Jahrhundert aus. Durch diese vergleichsweise enge Limitierung im ersten Teil liegt das vermutlich bekannteste spanische Epos mit protestantischem Gegner außerhalb des zeitlichen und räumlichen Fokusfeldes dieses Bandes: Lope de Vegas La Dragontea über den spanischen Kampf gegen Francis Drake in der Karibik und auf dem amerikanischen Isthmus. Vielmehr liegt der Schauplatz der hier analysierten Epen in Mitteleuropa; im Einzelnen umfasst er Flandern mit der Eroberung von Antwerpen durch Alejandro Farnesio, sodann England mit der Verfolgung der einheimischen Katholiken und schließlich das mitteldeutsche Mühlberg mit dem Sieg Karls V. gegen die protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg.

Im ersten Artikel dieser Sektion analysiert Cesc Esteve die Darstellung der Schlacht von Mühlberg in der frühneuzeitlichen spanischen Historiografie. Sie wurde bleibend geprägt durch den Comentario de la Guerra de Alemania (1548) von Luis de Ávila und später mit zum Teil providenzialistischen Zügen ausgebaut in den Chroniken von Juan Ginés de Sepúlveda und Prudencio de Sandoval. Vor diesem historiografischen Hintergrund entsteht die epische Dichtung, die den Kernteil des Bandes ausmacht. Während in den frühen spanischen Ritterepen in der Tradition der italienischen romanzi seit den 1550er Jahren erste Hinweise auf den Krieg Karls V. in Deutschland zu finden sind – etwa in Form einer Prophezeiung –, widmet Jerónimo de Urrea sein Gedicht El victorioso Carlos V vollständig dem Schmalkaldischen Krieg und verewigt die Schlacht von Mühlberg in einer Ekphrase eines geschnitzten Tisches, wie sich dem Aufsatz von Lara Vilà entnehmen lässt.

Álvaro Alonso widmet seinen Artikel dem Gedicht in sechs Gesängen Historia de los santos mártires (1584) von Cristóbal Tamariz, in dem der Foltertod von englischen Kartäusermönchen in London geschildert wird. Die intertextuellen Referenzen dieses Märtyrerepos weisen auf die Aeneis und auf Girolamo Vidas Christias, zudem aber auch in die Predigtliteratur. Die christliche maravilla bei Tamariz lässt dagegen auch Eigenentwicklungen erkennen.

Der Herausgeber Javier Burguillo stellt in seinem Beitrag in vorbildlicher Weise textgeschichtlich und inhaltlich das bislang wenig bekannte Versepos Historia del glorioso martirio de Edmundo Campiano vor, das um 1588 im kolonialen Peru entstand und an den Jesuitengeneral Claudio Acquaviva gerichtet war. Die Darstellungen der Folter und Hinrichtung von Edmund Campion und seinen Gefährten im Londoner Tower, hier auch illustriert mit Graphiken aus der zeitgenössischen Historiografie, ist auffällig deutlich auf das Erregen von Mitleid (compasión) in der Leserschaft angelegt und mündet im zwölften Gesang in eine Darstellung des himmlischen Paradieses.

Im Anschluss klassifiziert Paolo Pintacuda in seinem Beitrag über El sitio y toma de Amberes (1587) das Gedicht des aragonischen Soldaten Miguel Giner als ein spanisches Beispiel für ‚Schießpulverepik‘ (gun powder epics, nach M. Murrin), bei der auffällig wird, wie gering die Rolle der konfessionellen Differenz der Kriegsparteien für die Darstellung bleibt – im Gegensatz zu den militärischen Aspekten der Kampfhandlungen. Anders als in dem für den hispanischen Raum vorbildlichen Gattungsvertreter, Alonso de Ercillas La Araucana, geraten die Gegner der Spanier bei Giner ohnehin kaum in den Fokus. Zwei weitere Beispiele der spanischen Flandernepik sind dagegen anders ausgerichtet: Während Baltasar de Vargas den Konfessionskonflikt stärker macht als Giner, legt Cristóbal Rodríguez Alba ein episches Gedicht aus der Perspektive des Augenzeugen vor, das sich, etwa in der Figur eines Zauberers, eng an die bei Ercilla erprobten textuellen Strategien hält. Im Gesamtbild der Kriegs-, aber auch der Märtyrerepik fällt mithin auf, dass der Auseinandersetzung mit den Glaubensvorstellungen der Protestanten wenig Raum zukommt.

Der zweite Teil des Bandes fokussiert drei Themen, die nicht unmittelbar mit der epischen Tradition in Bezug stehen, sondern ein diskursives Umfeld für sie aufmachen. Zunächst wird die propagandistische Dimension zeitgenössischer Begräbnis- und Trauerriten des Hochadels anhand der entsprechenden Berichte und Bildzeugnisse analysiert. Jesús Pascual Molina verfolgt dabei die Wechselhaftigkeit der ideologischen Botschaften, wie sie vor und nach der Herrschaft von Maria Tudor sowie in zwei Fällen auch in Spanien unter anglikanischem und katholischem Vorzeichen ausgesandt werden.

In den beiden abschließenden Beiträgen wird die Darstellung der Protestanten in der ideologisch hochgradig aufgeladenen Gattung des auto sacramental untersucht. Zwar sind Figuren protestantischer ‚Ketzer‘ (herejes) im auto sacramental nicht allzu frequent. Das von Jimena Gamba Corradine untersuchte Hauptbeispiel, die Farsa sacramental de la moneda, weist jedoch eine bemerkenswerte Bildhaftigkeit auf: Die sakramentale Hostie wird hier mit vellones, also Geldstücken, sowie deren angeblich von Lutheranern in Umlauf gebrachten Fälschungen in allegorischen Bezug gestellt. Erst in späteren autos sacramentales taucht dazu auch die personifizierte Figur der Heresía auf, während sich das Bild der Münze noch bei Calderón findet. In jeglichem Fall ist in den gewöhnlich antiintellektuell positionierten autos sacramentales keine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit Glaubenspositionen der Protestanten zu verzeichnen. Vielmehr steht im Vordergrund die affirmative Feier der Eucharistie. In seinem den Band abschließenden Beitrag interpretiert Miguel García-Bermejo Giner eines der 96 dramatischen Stücke aus dem Códice de autos viejos, das durch seine Darstellung der Heiligen Antonius und Paulus hagiografisch orientiert erscheinen könnte, sich jedoch vor dem Hintergrund einer entsprechenden Dürer-Graphik als sakramental und damit antiprotestantisch entpuppt.

Der Blick auf den frühneuzeitlichen Glaubenskonflikt und seine Darstellung ist, wie der Titel des Bandes ankündigt, mithin ein genuin hispanischer. In allen hier betrachteten Beispielen bleibt er – mit der genannten Ausnahme bei Rodríguez Alba – ohne Fissuren in seiner ideologischen Positionierung. Der gattungsüberspannende Vergleich der Historiografie und Epik mit dem religiösen Theater erweist sich dabei als hilfreich, zumal der Beitrag von Jimena Gamba Corradine einen weiten Blick auf die Präsenz von Häretikerfiguren in der dramatischen Literatur der spanischen frühen Neuzeit eröffnet.

Außerhalb des Fokus bleibt hier der für die habsburgische Mitteleuropa-Epik nächstliegende Vergleichskontext, nämlich die weitaus besser erforschte Epik in Amerika mit den Indigenen und im Mittelmeer mit den Osmanen und der islamischen Welt als Gegner. Dort würde sich wohl der hier getroffene mitteleuropäische Befund bestätigen, dass es in der Epik aller Schauplätze nicht die religiösen Überzeugungen der Gegner sind, die die Hauptrolle spielen. Als nächster Schritt wäre wohl die Erarbeitung einer übergreifenden, in diesem Fall europäischen Perspektive auf die Ereignisse und ihre Darstellung anzustreben, indem die entsprechenden Texte der Gegenseite aus Mitteleuropa in den Vergleich einbezogen würden, wie es in Bezug auf den amerikanischen und den mediterran-orientalischen Schauplatz ja gelegentlich schon versucht wurde. Das Verdienst dieses interessanten Bandes liegt in der Erschließung eines bislang weitgehend ignorierten Korpus, in dem neben dem Mittelmeer und Amerika ein dritter Schauplatz der habsburgischen Epik eröffnet wird, welcher der Eposforschung bislang entgangen ist. Das Potenzial für ein noch umfassender angelegtes Projekt ist schwerlich zu übersehen. Zudem wird ein Beitrag zur Erforschung dessen geleistet, was in Mitteleuropa frühneuzeitliche Literatur im konfessionellen Kontext heißt, sich dagegen vom Standpunkt der hispanischen Epik gesehen aber eher als ein weiterer in der Reihe der epischen Konflikte mit Muslimen und Indigenen liest. Für beide Kontexte ist dieser neue Band eine entscheidende Bereicherung.

Online erschienen: 2022-12-08
Erschienen im Druck: 2022-11-08

© 2022 Roger Friedlein, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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