„EU Governance“ und Staateninsolvenz: Optionen jenseits der Kommissionsvorschläge / “EU Governance“ and Insolvency of Governments: Options beyond the Commission Proposals
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Ansgar Belke
Zusammenfassung
Das am 29. September 2010 von der Europäischen Kommission vorgestellte und dem Europäischen Parlament vorgelegte umfangreiche Maßnahmenpaket stellt die umfassendsten Versuch einer Verstärkung einer europäischen „Economic Governance“ seit Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion dar. Angesichts der Mängel der existierenden Gesetzgebung werden dabei eine weiter reichende und verbesserte Überwachung der Fiskalpolitiken, aber auch makroökonomischer Politiken sowie Strukturreformen angestrebt. Neue Durchsetzungsmechanismen für Mitgliedsstaaten, die gegen die Regeln handeln, sind ebenfalls geplant. Im Hinblick auf das sehr wichtige und entscheidende Paket der Kommission, das 6 Gesetzes-Dossiers umfasst, wird in diesem Beitrag versucht, fehlende oder überflüssige und/oder gar nicht verwendbare Elemente zu identifizieren. Weiterhin wird überprüft, was außerhalb und über diese Vorschläge hinaus (überhaupt) noch fehlt, um das gesamte Paket der Governance-Reformen vollständig und durchführbar zu machen. Dies können potenziell Mechanismen zur Krisenlösung und Umschuldung, ein Europäischer Währungsfonds, Projekt-Bonds und/oder Euro-Bonds sein. Der Schwerpunkt der Analyse liegt dabei auf dem Europäischen Währungsfonds, der als Mittel der Wahl bezeichnet wird.
Schließlich erweitert der vorliegende Beitrag seinen Fokus auf aktuelle Ereignisse wie die EU-Gipfel bis einschließlich März 2011, die die institutionellen Grundlagen des Europäischen Stabilitätsmechanismus schufen. Es wird ausführlich erörtert, ob die sich abzeichnende Perspektive eines ab 2013 existierenden permanenten Rettungsmechanismus (ESM) in Verbindung mit der vorher installierten Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) einen Teufelskreis drohender weiter steigender Zinsdifferenzen und steigender Schulden in der Eurozone auslösen kann. Zu diesem Zweck wird aus ordnungspolitischer Perspektive skizziert, wie eine langfristige Strategie gegen Überschuldungskrisen im Euroraum aussehen sollte. Darauf aufbauend werden Gründe für anhaltende Marktspannungen in der Eurozone herausgearbeitet und institutionelle Mängel der gefundenen institutionellen Lösung zum Umgang mit der Illiquidität und der Insolvenz von Eurostaaten abgeleitet. Der Beitrag endet mit einem Ausblick und liefert eine Einschätzung darüber, ob die Eurozone ihre Schuldenkrise in den kommenden Jahren in den Griff bekommen wird.
Summary
The comprehensive package of measures proposed by the European Commission on 29 September 2010, and presented to the European Parliament provides the most comprehensive attempt to create a European "economic governance" since the introduction of the Economic and Monetary Union. In view of the shortcomings of existing legislation they aim at a wider and improved monitoring of fiscal policies but also of macroeconomic policies and structural reforms. New enforcement mechanisms for member states which act against the rules are also planned. With an eye on the very important and decisive package of the Commission which includes six legislative dossiers, this paper attempts to identify missing or superfluous and / or unusable items. Furthermore, it is checked what measures beyond these proposals out are, if at all, still missing to make the whole package of governance reforms and overall feasible. These potentially include mechanisms for crisis resolution and debt restructuring, a European Monetary Fund, Project Bonds and / or Euro-bonds. The main focus of the analysis, however, is on the European Monetary Fund, which is called the preferred method.
Finally, this paper expands its focus on current events such as the sequence EU summits in 2010 and 2011, which laid the institutional foundations of the European stability mechanism. It is discussed at length whether the looming prospect of a permanent rescue mechanism (ESM) from 2013 on in conjunction with the previously- installed European Financial Stability Facility (EFSF), have the potential to trigger a vicious circle of imminent further increases in interest rate differentials and rising debt in the euro zone. For this purpose, it is sketched from an “Ordnungspolitik” perspective, how a long-term response to crises indebtedness in the euro area should look like. Taking this as a starting point, the paper identifies the reasons for continuing market pressures in the euro zone and derives institutional deficiencies of the found institutional solutions for dealing with the illiquidity and the insolvency of euro area member states. The paper concludes with an outlook and provides an assessment of whether the euro zone debt crisis in their coming years will get a grip.
© 2011 by Lucius & Lucius, Stuttgart
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