Zusammenfassung
Im Zusammenhang mit den neuen KRINKO-Empfehlungen über Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen wurde eine neue Multiresistenz-Definition, die MRGN-Klassifikation, eingeführt. Dies war nötig geworden, da bisherige Definitionen für krankenhaushygienische Zwecke wenig geeignet erschienen. Die MRGN-Klassifikation unterscheidet zwei Ausprägungsgrade der Multiresistenz, die als 3MRGN und 4MRGN bezeichnet werden und unterschiedliche hygienische Konsequenzen nach sich ziehen können. Sie beruht ferner darauf, dass Antibiotika unterschiedlich gewichtet werden und vor allem Resistenzen bei therapeutisch besonders bedeutsamen Gruppen wie Cephalosporinen, Carbapenemen und Fluorochinolonen in die Definition einfließen. Die MRGN-Klassifikation basiert weitestgehend auf Resistenzkategorien, nicht auf Resistenzmechanismen. Aufgrund der hohen epidemiologischen Bedeutung werden jedoch Carbapenemase-produzierende Enterobacteriaceae unabhängig vom restlichen Antibiogramm durchweg als 4MRGN klassifiziert. Die MRGN-Klassifikation erfordert Expertise und eine zuverlässige Carbapenemase-Detektion und ist daher ausdrücklich Aufgabe des mikrobiologischen Labors.
Abstract
New recommendations for infection control in the case of infection or colonization by multidrug-resistant Gram-negative bacteria were published by the Commission for Hospital Hygiene and Infection Prevention (KRINKO) at the Robert Koch-Institute, Germany. In this context, a new definition for multidrug-resistance, the so-called MRGN classification, was introduced. This was necessary because previous definitions did not seem suitable for the purpose of hospital hygiene. The MRGN classification grades multidrug-resistance by severity distinguishing 3MRGN and 4MRGN, resulting in different recommendations for infection control. In addition, not all antibiotics are regarded equally important in the classification, but only most relevant classes, such as ureidopenicillins, extended-spectrum cephalosporins, carbapenems, and fluoroquinolones, are taken into account. The MRGN classification is mainly based on resistance categories, not on resistance mechanisms. An exception has been made for carbapenemase-producing Enterobacteriaceae, which are always classified as 4MRGN irrespective of their antibiogram due to their importance. The correct MRGN classification should only be performed by experienced microbiological laboratories and requires a reliable detection of carbapenemases.
Rezensierte Publikation:
Schimanski S.
Neue MRGN-Klassifikation
Im Jahr 2012 sind erstmals KRINKO-Empfehlungen über Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen veröffentlicht worden [1]. Solche Empfehlungen wurden dringend benötigt, denn die Ausbreitung Carbapenemase-produzierender gramnegativer Bakterien wird auch in Deutschland beobachtet [2] und muss mit allen Anstrengungen eingedämmt werden. Infektionen mit derartigen Bakterienstämmen lassen sich nur noch durch wenige Antibiotika therapieren und gehen mit einer erhöhten Letalität einher [3]. Im Zusammenhang mit den neuen KRINKO-Empfehlungen wurde auch eine neue Klassifikation der Multiresistenz bei gramnegativen Erregern eingeführt.
Die MRGN-Klassifikation ist eine Operationalisierung des unscharfen Konzeptes ’Multiresistenz’ und entscheidet letztlich über die Umsetzung von Hygienemaßnahmen wie der Einzelzimmerisolierung. Die Einzelzimmerisolierung ist jedoch eine Intervention mit etlichen nachteiligen Effekten, die von psychischen Auswirkungen auf die betroffenen Patienten, schlechterer pflegerischer oder medizinischer Betreuung und erhöhtem Arbeitsaufkommen des medizinischen Personals bis zu finanziellem Mehraufwand reichen können. Daraus ergibt sich bereits die große Bedeutung der MRGN-Klassifikation: sie muss eindeutig sein und soll die unterschiedliche hygienische Bedeutung verschiedener Konstellationen von Multiresistenz gut widerspiegeln, damit die einschneidende Maßnahme der Einzelzimmerisolierung möglichst zielgenau eingesetzt werden kann.
Diese Klassifikation dient ausschließlich krankenhaushygienischen Zwecken und hat keinerlei Bedeutung für die Therapie. Die KRINKO-Empfehlungen äußern sich nicht dazu, wie Antibiogramme auf dem Befund erscheinen sollen. Welche Grenzwerte anzuwenden sind, ob und wie ein gemessener Wert für den Befund zu interpretieren ist, ist Gegenstand der Tätigkeit von EUCAST sowie des Nationalen Antibiotika-Sensitivitätstest-Komitee NAK (http://www.p-e-g.org/econtext/NAK). In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass mikrobiologische Befunde mindestens zwei unterschiedliche Ziele haben: sie sollen die Therapie leiten und Grundlage für krankenhaushygienische Empfehlungen sein.
Eine Definition von Multiresistenz bei gramnegativen Erregern ist aus vier Gründen schwierig.
Erstens spielt Multiresistenz bei gramnegativen Bakterien in ca. einem Dutzend unterschiedlicher Bakterienspezies eine nennenswerte Rolle. Allein dies macht einfache Regeln zur Definition einer Multiresistenz unmöglich. Während beispielsweise eine Resistenz gegen Cefotaxim und Ertapenem bei Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii eine normale Spezieseigenschaft darstellt und damit krankenhaushygienisch unbedeutend ist, wäre der gleiche Resistenzphänotyp bei Klebsiella pneumoniae hinweisend auf eine ESBL und/oder eine Carbapenemase und müsste damit umfangreiche krankenhaushygienische Maßnahmen nach sich ziehen.
Zweitens erschwert die Vielzahl unterschiedlicher Resistenzmechanismen einfache Definitionen. So gibt es z. B. Hunderte unterschiedlicher Betalaktamasen. Aufgrund von Unterschieden im Hydrolysespektrum werden unterschiedlich umfangreiche Resistenzen verursacht, die die therapeutischen Möglichkeiten verschieden stark einschränken und somit hygienisch von ganz unterschiedlicher Bedeutung sein können.
Drittens erscheint es nicht sinnvoll, für eine Multiresistenz-Definition für krankenhaushygienische Zwecke alle Antibiotika gleich zu gewichten. In eine Definition sollten stattdessen die Antibiotika eingehen, die einen hohen Stellenwert für die Therapie schwerer Infektionen besitzen. Resistenzen bei solchen Antibiotika beeinträchtigen nämlich die therapeutischen Möglichkeiten ganz besonders und daher sind krankenhaushygienische Maßnahmen zur Vermeidung der Übertragung entsprechender Stämme zu rechtfertigen. Beispielsweise dürfte Konsens bestehen, dass bei K. pneumoniae-Stämmen mit Resistenz gegen Meropenem oder auch Cefotaxim strengere Hygienemaßnahmen erforderlich sind als bei K.pneumoniae-Stämmen mit Resistenz gegen Sulfamethoxazol-Trimethoprim.
Viertens ist es sinnvoll, unterschiedliche Schweregrade der Multiresistenz bei gramnegativen Erregern abzugrenzen, um Hygienemaßnahmen besser steuern zu können. So sind die therapeutischen Möglichkeiten bei einer K.pneumoniae mit Carbapenemase deutlich eingeschränkter als bei einem Stamm mit ESBL, was sich in unterschiedlichen Hygienemaßnahmen niederschlagen sollte.
Es gab zwar schon vor den KRINKO-Empfehlungen Definitionen für Multiresistenz, die aber die oben genannten Schwierigkeiten häufig nicht gut berücksichtigten. Nach der vorläufigen Multiresistenz-Definition einer internationalen, vom CDC und ECDC berufenen Expertengruppe [4] würde ein E. coli mit Resistenz gegen Ampicillin, Gentamicin und Sulfamethoxazol/Trimethoprim genauso als multiresistent gewertet werden wie eine KPC-produzierende K.pneumoniae, die noch sensibel auf Tigecyclin, Colistin und Fosfomycin wäre. Dies ist aus infektiologischer Sicht fragwürdig. Für krankenhaushygienische Zwecke wäre diese Definition nicht sehr geeignet, da sie Antibiotikaklassen in keinster Weise gewichtet und damit nicht in der Lage ist, solche Erreger zu kennzeichnen, bei denen verstärkte hygienische Anstrengungen wirklich geboten sind. Aus diesem Grund wurde für die KRINKO-Empfehlungen eine neue Multiresistenz-Definition erarbeitet.
Die MRGN-Klassifikation beruht auf folgenden Prinzipien:
Für die MRGN-Klassifikation wird eine intermediäre Empfindlichkeit gleich gewertet wie Resistenz. In diesem Text ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit ebenfalls immer die intermediäre Empfindlichkeit mitgemeint, wenn von Resistenz die Rede ist.
Für die Klassifikation werden besonders therapierelevante Antibiotikagruppen herangezogen: Piperacillin als Penicillinderivat, Cephalosporine mit erweitertem Spektrum, Carbapeneme und Fluorochinolone. Dadurch soll erreicht werden, dass krankenhaushygienische Anstrengungen gerade bei solchen Erregern erfolgen, bei denen eine Übertragung auf einen weiteren Patienten therapeutisch besonders gravierende Konsequenzen hätte.
Es werden nicht zwei Kategorien (normal vs. multiresistent), sondern drei Ausprägungsgrade der Multiresistenz (normal >3MRGN>4MRGN) unterschieden. Dies erlaubt eine feinere Abstufung der resultierenden Hygienemaßnahmen. Vereinfacht dargestellt würde ein Isolat als 3MRGN klassifiziert, wenn drei der vier oben genannten Antibiotikagruppen resistent sind. Es würde als 4MRGN klassifiziert, wenn alle vier Antibiotikagruppen resistent sind. Für die jeweiligen Antibiotikagruppen gibt es jeweils Indikatorsubstanzen.
Die Begrifflichkeiten 3MRGN und 4MRGN sind neu und noch nicht belegt. Dies fördert die Eindeutigkeit in der Kommunikation zwischen Labor und Klinik.
Die Einteilung erfolgt fast durchweg nach phänotypischen Kriterien und nicht nach Resistenzmechanismen. So wird nicht unterschieden, ob bei Enterobacteriaceae eine Resistenz gegen Cephalosporine durch eine ESBL oder AmpC-Betalaktamase bedingt ist. Es wird auch nicht unterschieden, ob der Mechanismus auf einem Plasmid oder chromosomal kodiert ist. Bewusst abgewichen wird von diesem Prinzip allerdings in einem Punkt: Der Nachweis von Carbapenemasen fließt direkt in die MRGN-Klassifikation ein. Dies ist in der enormen Gefahr begründet, die von einer weiteren Ausbreitung Carbapenemase-produzierender Stämme ausgeht [5]. Zudem wird bei derartigen Stämmen nicht immer für alle Carbapeneme eine MHK gemessen, die im resistenten Bereich liegt; von gravierender hygienischer Bedeutung wären diese Stämme dann aber dennoch. Daraus ergibt sich, dass jedes mikrobiologische Labor Carbapenemase-produzierende Stämme zuverlässig erkennen muss!
Die MRGN-Klassifikation beruht auf den Resistenzbewertungen entsprechend der MHK-Grenzwerte. Dies ist von Bedeutung, da in vielen mikrobiologischen Laboratorien in Deutschland Antibiogramme interpretierend abgelesen werden, also bei bestimmten Konstellationen ein sensibel gemessenes Antibiotikum aufgrund bestimmter Regeln als resistent interpretiert wird. Für die MRGN-Klassifikation soll in solchen Laboratorien die Resistenzkategorie vor der Interpretation herangezogen werden. Diese Regelung soll dazu dienen, dass die MRGN-Klassifikation unabhängig vom jeweiligen Vorgehen des Labors bzgl. einer Interpretation der Antibiogramme möglichst einheitlich erfolgt. Es kann für Labore, die Resistenzen interpretieren, im Einzelfall sinnvoll sein, dies bei bestimmten Konstellationen auf dem Befund anzugeben, damit transparent wird, wieso kein 3MRGN vergeben wurde, obwohl das interpretierte Antibiogramm auf dem Befund eigentlich eine solche Klassifikation fordern würde.
Ausnahmen müssen beachtet werden. Beispielsweise ist eine erhöhte MHK für Imipenem bei Proteus spp., Morganella morganii und Providencia spp. normal und soll für die MRGN-Klassifikation ignoriert werden.
In Fußnote 2 von Tabelle 5 auf S. 1344 der KRINKO-Empfehlungen [1] ist dargelegt, dass in der Neonatologie bereits eine alleinige Resistenz gegenüber Drittgenerations-Cephalosporinen bei bestimmten Erregern interdisziplinäre Überlegungen zur Notwendigkeit einer krankenhaushygienischen Intervention nach sich ziehen kann. Dies ist damit begründet, dass in diesem Patientenkollektiv Ciprofloxacin üblicherweise nicht verwendet wird. Das Labor sollte bei entsprechendem Geburtsdatum des Patienten bzw. entsprechender Station auf dem Befund auf solche Keime hinweisen, indem sinngemäß mitgeteilt wird, dass zwar kein 3MRGN im Sinne der Definition vorliege, dass aber für dieses Isolat in diesem Bereich Hygienemaßnahmen wie bei 3MRGN erwogen werden sollen.
Die MRGN-Klassifikation ist sehr komplex. Eine korrekte MRGN-Klassifikation erfordert die sichere Erkennung von Carbapenemasen, die Kenntnis der Resistenzbewertungen entsprechend der MHK-Grenzwerte und nicht zuletzt mikrobiologische Expertise. Sie kann daher nur vom mikrobiologischen Labor selber durchgeführt werden. Die besondere Rolle des mikrobiologischen Labors wird auch in den KRINKO-Empfehlungen betont: das diagnostische Labor soll auf dem Befund die Klassifizierung als 3MRGN oder 4MRGN mitteilen und zudem den Nachweis von 4MRGN telefonisch mitteilen. Es empfiehlt sich, Textbausteine zu benutzen, die sinngemäß die folgenden Informationen geben:
3MRGN! (s. entsprechende Empfehlung der KRINKO)
4MRGN! (s. entsprechende Empfehlung der KRINKO)
Isolat mit speziellen Resistenzen. In bestimmten Bereichen (z.B. der Neonatologie) sollte es wie ein 3MRGN behandelt werden (z. B. bei K.pneumoniae mit ESBL aber Empfindlichkeit gegenüber Ciprofloxacin
Labore, die Antibiogramme interpretieren und damit unter bestimmten Voraussetzungen ein formal sensibles Ergebnis als resistent befunden, können dies durch Textbausteine kenntlich machen, damit transparent ist, warum z. B. keine Klassifikation als 3MRGN erfolgte.
Die MRGN-Klassifikation erfolgt grundsätzlich nach Tabelle 2 der KRINKO-Empfehlungen. Da eine einzige Tabelle die Komplexität der MRGN-Klassifikation nur schwerlich abbilden kann, finden sich in den KRINKO-Empfehlungen zusätzliche Hinweise auf Seite 1313–1316 und in der Tabelle 3 [1]. In Absprache mit dem RKI wurde zudem ein Dokument über häufig gestellte Fragen zur MRGN-Klassifikation auf die Homepage des NRZ für gramnegative Krankenhauserreger gestellt (http://memiserf.medmikro.ruhr-uni-bochum.de/nrz/), das ebenfalls zu berücksichtigen ist. Die folgenden Anmerkungen sollen weitere Hilfestellungen zur korrekten MRGN-Klassifikation bieten:
Dort, wo im Abschnitt zur MRGN-Klassifizierung Acinetobacter baumannii steht, ist eigentlich Acinetobacter baumannii-complex gemeint. Das heißt bei Acinetobacter pittii (früher Acinetobacter genomospecies 3) und Acinetobacter nosocomialis wird genauso verfahren. Andere Acinetobacter spp. hingegen werden nicht mit einer MRGN-Klassifikation versehen.
Nur Enterobacteriaceae, P.aeruginosa und Spezies des A.baumannii-complex werden mit einer MRGN-Klassifikation versehen. Demnach bekommen Pseudomonas spp. außer P.aeruginosa, Stenotrophomonas maltophilia, Burkholderia cepacia, Achromobacter xylosoxidans und andere Nonfermenter keine MRGN-Klassifikation. Das heißt nicht, dass dort niemals besondere krankenhaushygienische Maßnahmen indiziert sein können, aber diese Spezies sind nicht Gegenstand der KRINKO-Empfehlungen.
In Tabelle 2 der KRINKO-Empfehlungen ist die Art der logischen Verknüpfung bei den Leitsubstanzen offen gelassen („und/oder“). Bei Enterobacteriaceae und Acinetobacter baumannii-complex sollte es als Oder-Verknüpfung angewandt werden, bei Pseudomonas aeruginosa als Und-Verknüpfung.
Häufig stellt sich Laboratorien die Frage, ob zur Klassifikation Piperacillin oder Piperacillin/Tazobactam als Leitsubstanz für Acylureidopenicilline herangezogen werden solle, da in einer Ankündigung der neuen MRGN-Klassifikation noch Piperacillin/Tazobactam aufgeführt war (Epidemiologischen Bulletin 36/2011). Richtig ist, dass nach Tabelle 2 der aktuellen KRINKO-Empfehlungen Piperacillin berücksichtigt werden soll. Von dem Prinzip, dass besonders therapierelevante Antibiotika für die Klassifikation herangezogen werden, wurde an dieser Stelle ganz bewusst abgewichen, da es hierfür sehr gute Gründe gab:
Piperacillin/Tazobactam ist bei vielen ESBL-Stämmen in vitro sensibel. Es wird aber in Deutschland bei solchen Bakterienstämmen nicht einheitlich befundet. Während einige Labore es entsprechend EUCAST-Empfehlungen als sensibel berichten, interpretieren andere Labore es als resistent. Für beide Vorgehensweisen gibt es Argumente und ein einheitliches Vorgehen in dieser Frage ist in Kürze nicht zu erwarten.
Die Resistenztestung für Piperacillin/Tazobactam und damit auch die Ermittlung der Resistenzkategorie ist stark methodenabhängig [6, 7].
Würde man für die Klassifikation das Testergebnis für Piperacillin/Tazobactam nach den in vitro-Ergebnissen ohne etwaige Interpretation heranziehen, würde das bedeuten, dass von allen ESBL-K. pneumoniae und -E.coli lediglich 10–30% als 3MRGN klassifiziert würden [7]. Angesichts der Tatsache, dass für die Klassifikation als 3MRGN bereits die Fluorochinolon-Resistenz gefordert wird und damit nur ca. 80% aller ESBL-K. pneumoniae und -E.coli in diese Kategorie fallen und unter Berücksichtigung, dass bei diesen Stämmen nur in Risikobereichen des Krankenhauses besondere hygienische Maßnahmen ergriffen werden, würde eine weitere Einengung der Kategorie 3MRGN durch Berücksichtigung des in vitro-Ergebnisses von Piperacillin/Tazobactam der Grundaussage der Empfehlungen zuwiderlaufen und sich auch zu stark von Empfehlungen anderer europäischer Länder unterscheiden.
Für die MRGN-Klassifikation ist es nicht immer notwendig, dass alle Leitsubstanzen vom Labor auch tatsächlich getestet werden:
Piperacillin kann bei allen Enterobacteriaceae mit Resistenz gegen Cefotaxim oder Ceftazidim für die Zwecke der Klassifikation als resistent betrachtet werden, denn Betalaktamasen, die Cephalosporine mit erweitertem
Spektrum hydrolysieren (ESBL oder AmpC), richten sich auch gegen Piperacillin. Bei Spezies des Acinetobacter baumannii-complex kann Piperacillin grundsätzlich als intrinsisch resistent angenommen werden.
Cefotaxim kann bei Spezies des Acinetobacter baumannii-complex für die Zwecke der Klassifikation als intrinsisch resistent angenommen werden.
Cefepim kann bei P.aeruginosa zur MRGN-Klassifikation berücksichtigt werden. Cefepim ist in Tabelle 2 der KRINKO-Empfehlungen [1] zwar nicht explizit erwähnt, aber implizit als’ 4. Generations-Cephalosporin’. Bei einem P.aeruginosa-Isolat, das Ceftazidim intermediär, aber Cefepim sensibel gemessen wurde, würde man also die Antibiotikagruppe der 3./4. Generations-Cephalosporine bezüglich der MRGN-Klassifikation noch als wirksam betrachten. Dies ergibt sich daraus, dass bei P.aeruginosa die Verknüpfung mit einem logischen Und erfolgt. Ob bei Enterobacteriaceae oder A.baumannii-complex Cefepim berücksichtigt wird, ist in der Praxis unerheblich: bei Enterobacteriaceae dürfte eine Resistenz bei Cefepim bei gleichzeitiger Sensibilität bei Cefotaxim und Ceftazidim de facto nicht vorkommen, beim A.baumannii-complex ist die Gruppe der 3./4. Generations-Cephalosporine für die Zwecke der MRGN-Klassifikation per se als unwirksam zu betrachten.
Es muss mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass die KRINKO-Empfehlungen nur dann richtig umgesetzt werden können, wenn das Labor Carbapenemase-produzierende Enterobacteriaceae sicher erkennen kann. Gemäß KRINKO-Empfehlungen (Seite 1315 unter Punkt B) [1] werden Enterobacteriaceae als 4MRGN klassifiziert, wenn eine Carbapenemase nachgewiesen wurde und zwar unabhängig vom Antibiogramm. Carbapenemase-produzierende Enterobacteriaceae zeigen bei Imipenem und Meropenem nicht immer MHKs, die in den intermediären oder resistenten Bereich fallen. Um bei K.pneumoniae, K.oxytoca, E.coli und Proteus spp. eine Carbapenemase mit ausreichender Sensitivität finden zu können, empfiehlt sich die Testung von Ertapenem! Für die MRGN-Klassifikation wurde bewusst darauf verzichtet, Ertapenem als Leitsubstanz in die Tabelle 2 aufzunehmen, da Ertapenem-Resistenz bei E.cloacae, E.aerogenes, C.freundii und anderen Enterobacteriaceae mit chromosomaler AmpC eine zu geringe Spezifität für die Carbapenemase-Detektion hat. Zudem ist es bei P.aeruginosa und A.baumannii-complex intrinsisch resistent. Umso wichtiger ist es daher, dass jedes Labor Carbapenemasen sicher detektieren kann. Auf der Homepage des NRZ für gramnegative Krankenhauserreger (http://memiserf.medmikro.ruhr-uni-bochum.de/nrz/)finden sich detaillierte Hinweise zur rationellen Carbapenemase-Diagnostik, die für jedes Labor umsetzbar sind. Das NRZ bietet auch die Untersuchung verdächtiger Isolate an.
Gemäß KRINKO-Emfpehlungen (S. 1313, Punkt A) [1] sollte ein Isolat von Enterobacteriaceae oder A.baumannii-complex als 4MRGN klassifiziert werden, wenn eine Carbapenem-Resistenz vorliegt. Da für den Zweck dieser Klassifikation intermediär wie resistent gewertet wird und bei Enterobacteriaceae eine Oder-Verknüpfung angewandt wird, wäre ein solches Isolat somit formal als 4MRGN zu werten. Hier liegt insofern ein Grenzfall vor, als die meisten Experten ein solches Isolat als hygienisch weniger bedeutsam einschätzen würden als einen Carbapenemase-produzierenden Stamm mit dem gleichen Phänotyp. Aus mikrobiologischer Sicht könnte aber immerhin trotz der 4MRGN-Klassifikation ein vereinfachtes Vorgehen bei der Entisolierung des Patienten im weiteren Verlauf empfohlen werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die neue MRGN-Klassifikation dem Ziel recht nahe kommt, hygienisch besonders relevante Erreger zu kennzeichnen und für die verantwortlichen Personen im Krankenhaus erkennbar zu machen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die MRGN-Klassifizierung komplex ist. Stark vereinfachende Multiresistenz-Definitionen sind nicht in der Lage, krankenhaushygienische Interventionen wie die Einzelzimmerisolierung sinnvoll zu steuern. Für eine korrekte MRGN-Klassifikation ist die Expertise des mikrobiologischen Labors unverzichtbar, insbesondere muss eine Detektion von Carbapenemasen zuverlässig erfolgen. Bei der Bewältigung der heraufziehenden Krise durch multiresistente gramnegative Bakterien spielen mikrobiologische Labore eine entscheidende Rolle.
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
1. Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2012; 55:1311–54.10.1007/s00103-012-1549-5Suche in Google Scholar PubMed
2. Kaase M. Carbapenemasen bei gramnegativen Erregern in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2012;55:1401–4.10.1007/s00103-012-1552-xSuche in Google Scholar PubMed
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6. Pitout JD, Le P, Church DL, Gregson DB, Laupland KB. Antimicrobial susceptibility of well-characterised multiresistant CTX-M-producing Escherichia coli: failure of automated systems to detect resistance to piperacillin/tazobactam. Int J Antimicrob Agents 2008;32:333–8.10.1016/j.ijantimicag.2008.04.023Suche in Google Scholar PubMed
7. Titelman E, Iversen A, Kahlmeter G, Giske CG. Antimicrobial susceptibility to parenteral and oral agents in a largely polyclonal collection of CTX-M-14 and CTX-M-15-producing Escherichia coli and Klebsiella pneumoniae. APMIS 2011;119:853–63.10.1111/j.1600-0463.2011.02766.xSuche in Google Scholar PubMed
©2013 by Walter de Gruyter Berlin Boston
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Artikel in diesem Heft
- Masthead
- Masthead
- Editorial
- Editorial “Infektiologie und Mikrobiologie (Schwerpunkt Bakteriologie)”
- Infektiologie und Mikrobiologie (Schwerpunkt Bakteriologie)/Infectiology and Microbiology (Focus Bacteriology)
- Erfahrungen mit der Einführung der EUCAST Antibiotika-Richtlinien durch die schweizerischen Laboratorien (2011–2013)
- MRGN: neue Klassifikation für multiresistente gramnegative Bakterien
- MRGN: New classification for multidrug-resistant Gram-negative bacteria
- Molekulargenetische und zytogenetische Diagnostik/Molecular-Genetic and Cytogenetic Diagnostics
- Applications and data analysis of next-generation sequencing
- Der Über-Code der DNA: epigenetische Mechanismen und deren Bedeutung für die Entstehung von Krankheiten
- Developments and insights into the analysis of the human microbiome
- 12. Jahrestagung der Sektion Molekulare Diagnostik der DGKL am 6. und 7. Juni 2013 in der Evangelischen Akademie Tutzing / Report on the 12th Annual Meeting of the Section of Molecular Diagnostics of the DGKL on 6th/7th June 2013 in Tutzing
- Labormanagement/Laboratory Management
- Stellung und Aufgaben der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS): Informationen zur Akkreditierung im Bereich der Laboratoriumsmedizin
- Neue Entwicklungen in der Laboranalytik für Klinische Studien zur Zulassung von Arzneimitteln– Good Clinical Laboratory Practice (GCLP)
- Buchbesprechung/Book Review
- Transfusion Medicine and Patient Safety
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