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20 Jahre FaMI

Aktualisierung des Berufsbildes in Sicht
  • Barbara Müller-Heiden

    Barbara Müller-Heiden ist freiberufliche Dozentin und seit mehr als 20 Jahren in der Ausbildung von Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste tätig. Sie ist seit 2017 Mitglied des DGI-Vorstands

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Published/Copyright: October 9, 2021

1 Einführung

„Information und Dokumentation“ heißt eine der fünf Fachrichtungen des Berufsbildes Fachangestellte/r für Medien und Informationsdienste[1], das seit Ende der 1990er Jahre besteht. Auch im Archiv- und Bibliotheksbereich, bei Bildagenturen und in der medizinischen Dokumentation hat das Berufsbild Fuß gefasst. Zwanzig Jahre, in denen ein starker Wandel in der Berufswelt stattgefunden hat: Massive Veränderungen in Arbeits- und Kommunikationsprozessen, nicht zuletzt durch deren Digitalisierung, kennzeichnen die aktuelle Lage. Auch traditionell analoge Medien – Bücher, Bild- und Tondokumente und Archivalien – sind längst dem Digitalisierungstrend unterworfen.

Nun hat das Bundesinstitut für Berufsbildung, zuständig für das duale Ausbildungssystem in Deutschland einen Prozess der Neuordnung in Gang gesetzt, um zu überprüfen ob und wie die gegenwärtig für den Ausbildungsberuf gültigen Rechtsvorschriften, Rahmenpläne und Prüfungsordnungen, noch Bestand haben, um gleichermaßen für den Arbeitsmarkt als auch für Jugendliche eine attraktive Ausbildung zu bieten.

2 DGI und Berufsbildung

FaMI, Fachrichtung Information und Dokumentation (IuD)? Wir kennen noch die Wissenschaftlichen und Diplomierten Dokumentare, vor allem aber Informationsfachleute, Information Specialists, Informationsvermittler, an die sich die DGI eher pauschal wendet – dabei nicht im Fokus ist bislang der Ausbildungsberuf des FaMI. Die folgende Skizze der Schulungs-Aktivitäten der Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI), bis 1998 noch als Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) bekannt, zeigt die Änderungen im Laufe der Jahrzehnte auf.

Anfänge der Berufsbildung innerhalb der Fachgesellschaft

Seit den 1950er Jahren war die DGD der Fort- und Weiterbildung im Berufsfeld verpflichtet. Fortbildungen im Dokumentationsbereich fanden statt, seit 1953 unterstützt durch das Kuratorium für Nachwuchsbildung der DGD, und schließlich 1963 die Gründung des Lehrinstituts für Dokumentation (LID) in Frankfurt am Main innerhalb der DGD. Die Kurse richteten sich an Praktiker in Dokumentationsstellen, die bereits ein Fachstudium absolviert hatten. Inhaltlich boten sie einen Querschnitt dokumentarischer Themen, meist durch Fachreferenten aus etablierten Dokumentationseinrichtungen ergänzt. Die Teilnehmenden der Jahreslehrgänge mit der Zusatzqualifikation „Wissenschaftliche/r Dokumentar/in“ wurden in Wirtschaft und im Medienbereich stark nachgefragt. Neben den einjährigen Fortbildungskursen für Wissenschaftliche Dokumentare fanden im LID auch zweijährige Ausbildungskurse für Diplomierte Dokumentare sowie für Dokumentationsassistenten statt. In den 1970er Jahren hatte das Berufsfeld weiteren Aufschwung durch das „IuD-Programm der Bundesregierung. 1974-1977“ erhalten, Fachinformationszentren und Dokumentationseinrichtungen waren in allen Wissenschaftsdisziplinen entstanden, und bildeten einen interessanten Arbeitsmarkt für alle Berufsbilder.

Verstaatlichung auf allen Ausbildungsebenen

1991 wurde das LID geschlossen – Kürzung von öffentlichen Zuschüssen, unklare Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern setzten dem Lehrbereich ein Ende. Allerdings entsprach dieser Einschnitt auch der lang geforderten staatlichen Anerkennung der verschiedenen Berufsbilder, welche Berufs- und Fachverbände nicht zu leisten imstande sind. Die Forderung nach staatlicher Anerkennung setzte ihrerseits eine Ansiedlung an staatlichen Ausbildungseinrichtungen voraus.

Die Fortbildung zum Wissenschaftlichen Dokumentar fand ihren Weg an die Fachhochschule Potsdam, in das Institut für Information und Dokumentation (IID) ab 1992 als zentrale wissenschaftliche Einrichtung. Seit 2016 ist es die Hochschule Darmstadt (h_da), welche die akademische Phase eines postgradualen und kooperativen Volontariats mit dem Zertifikat zum/zur „wissenschaftlichen Dokumentar/in / Information Specialist“ anbietet, mit Kooperationspartnern aus dem Medienbereich, zahlreichen Rundfunk- und Presseeinrichtungen sowie dem DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und dem FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur. Das Studium für den gehobenen Dienst mit dem Abschluss „Diplomierter Dokumentar“ ist an verschiedenen Fachhochschulen möglich – etwa in Hamburg, Hannover, Köln, Stuttgart. Die Ausbildung von Dokumentationsassistenten wurde Bildungsträgern in den Bundesländern zugedacht. In Berlin konnte dies durch die Initiative von DGD-Mitglied Robert Funk realisiert werden, der damals die Gründung der indisoft GmbH förderte, die bereits in den 1990er Jahren Kurse in Informationsmanagement und Online-Recherchen durchführte.

Über all die Jahre der Ausbildungsaktivitäten war der Verein deutscher Dokumentare (VDD) Partner des Lehrinstituts innerhalb der DGD. Der 1952 in Bonn gegründete Berufsverband der Dokumentare verschiedener Ebenen und Ausbildungsformen (Gehilfe, Assistent, Diplomdokumentar, wiss. Dokumentar, Fachdokumentar) löste sich 1993 endgültig auf. Die Zentralstelle für Dokumentation (ZDOK) mit dem beachtlichen Bestand auch an internationaler Fachliteratur wurde in das Informationszentrum für Informationswissenschaft und -praxis der Gesellschaft für Information und Dokumentation überführt, das 1992 an die FH Potsdam übergeben wurde. Heute nimmt die DGI über die KIBA, die Konferenz der informations- und bibliothekswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge, an den Entwicklungen teil.

Zertifikatskurse für Informationsassistenten

Ende der 1990er Jahre, nach dem Auslaufen der fachverbandseigenen Schulungsaktivitäten, engagierte sich die DGD im Rahmen des European Council of Information Associations (ECIA) um die Tätigkeitsprofile von Informationsspezialisten. Dies führte zum Europäischen Zertifizierungshandbuch für den Bereich Information und Dokumentation (IuD), dem Euroguide. Dieser gliedert in vier Kompetenzgruppen: Fachkenntnisse im Informationsbereich, in Kommunikation und Präsentation, Informationstechnologie sowie Organisation und Management. Darin wurden Tätigkeitsbereiche auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus definiert.

Diese Zertifizierungsmöglichkeiten wurden bald auch für die Weiterbildung genutzt. Unter der Bezeichnung Zertifikationskurse führt die DGI seit Jahren Kurse für Informationsassistenten durch. Die Teilnehmenden kommen vorwiegend aus deutschen Unternehmen und Behörden. Aktuell werden die Informationsassistentenkurse als vierwöchige Fortbildungskurse durchgeführt, Zielgruppe bilden Interessierte mit dem beruflichen Aufgabenbereich von Dokumentations- und Informationsaufgaben in Unternehmen und Behörden.

Weiterbildungsangebote durch Veranstaltungen und Seminar-Reihen

Weiterbildung allgemeiner Art bieten – wie bei allen Fachverbänden üblich – die Jahrestagungen. Als „Dokumentartage“ von 1948 bis 1998, meist mit Fachausstellungen durchgeführt, ab Ende der 1970er Jahre durch die Online-Tagungen mit dem Schwerpunkt Information Retrieval/ Datenbanken ergänzt, boten sie immer ein vielfältiges Programm.

Nach 1989 wurden die Ilmenauer DDR-Aktivitäten im Informationsbereich durch das Oberhofer Kolloquium integriert. Ab 2013 wurden diese Veranstaltungen zu den im Wechsel stattfindenden „DGI-Praxistage“ in Frankfurt am Main und dem „DGI-Forum“ in der Leucorea, dem Wittenberger Universitätsstandort der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg nahe Berlin, zusammengeführt. 2020 wurden Corona bedingt die Praxistage erstmals als virtuelle Veranstaltung durchgeführt. Diese Aktivitäten der DGI werden ergänzt durch ein breitgefächertes Seminar-Angebot, derzeit alle als Online-Veranstaltungen, die von der Geschäftsstelle der DGI in Frankfurt am Main organisiert werden.

Darüber hinaus bieten verschiedene thematische Arbeitskreise die Möglichkeit, eigene Interessensgebiete zu vertiefen und laden zur aktiven Mitarbeit ein, z. B. der Arbeitkreis Terminologie und Sprache oder der Arbeitskreis Bildung und Informationskompetenz. Hinzu kommen regionale Arbeitskreise in verschiedenen Großstädten, zum Beispiel der Berliner Arbeitskreis Information und Dokumentation (BAK), mit ihren aktuellen Angeboten.

3 Zum Berufsbild des FaMI

Im Rahmen der Verstaatlichung von Ausbildungen wurden auch die Assistentenberufe in „Gedächtniseinrichtungen“ und Informationsbereichen zusammengeführt und als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste in das duale Ausbildungssystem überführt. 1998 trat die Verordnung zum „FaMI“ auf der rechtlichen Grundlage des Berufsbildungsgesetzes in Kraft.

FaMI im dualen Ausbildungsystem

Bei den Vorbereitungen zum neuen Berufsbild des Ausbildungsberufs waren Vertreter von Berufsverbänden und den Sozialpartnern vertreten. Auf Seiten der Dokumentation waren Helga Gudacker (Wiss.Dok., Sondershausen, Thüringen) sowie Hartmut Müller (Dipl-Soz., Deutsches Institut für Pädagogische Forschung, Frankfurt/M., DIPF) beteiligt, ebenso Wolfgang Hempel (Leiter der Dokumentation des damaligen Südwestfunks Baden-Baden), der für die Neu-Verortung der für den Medienbereich sehr wichtigen Berufsbilder im Dokumentationsbereich auf allen Ebenen aktiv war.

Das Berufsbild wurde 1998 verabschiedet und hat sich – trotz seines Charakters als Nischenberuf – gut etabliert. Kennzeichen sind die dreijährige Ausbildungszeit, Orientierung an Gedächtniseinrichtungen als Ausbildungsbetriebe und als Arbeitsmarkt, das Fachrichtungsmodell und das Lernfeldkonzept für die Berufsschule. Die Erläuterungen zur entsprechenden Verordnung beschreiben die betrieblichen Ausbildungspläne für jede der Fachrichtungen und den gemeinsamen schulischen Rahmenlehrplan. Die Prüfungen werden lt. Berufsbildungsgesetz von den „zuständigen Stellen“ durchgeführt, also staatlichen Stellen bzw. Industrie- und Handelskammern, je nach Zugehörigkeit der Ausbildungseinrichtung zum Öffentlichen Dienst oder der Privatwirtschaft.

Für die Ausbildungseinrichtungen heißt es in den Beschreibungen: „Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste sind im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft tätig, z. B. bei – Stadt- und Staatsarchiven – Kirchen- und Wirtschaftsarchiven – Medien- und Pressearchiven – Rundfunk und Fernsehen – öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken – Firmenbibliotheken – Informationsvermittlern – Informations- und Dokumentationsstellen – Fachinformationszentren und bei anderen Datenbankanbietern – Bildagenturen – Bildstellen – Museen – Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens – pharmazeutischen Unternehmen – Hochschulen und Forschungseinrichtungen.“ Umfassende Information für Interessierte am Berufsbild, unabhängig von den Fachrichtungen, bietet der Berufsverband Information Bibliothek e.V. (BIB), Reutlingen auf seiner Website.

Kennzeichen: Berufsschulunterricht

Bestandteil der Ausbildung im dualen System ist der Berufsschulunterricht mit dem Ziel der Allgemeinbildung und der Förderung der jeweiligen fachlichen Bildung. Wegen der vergleichsweisen geringen Zahlen im Vergleich etwa mit kaufmännischen Berufsbildern gibt es in jedem Bundesland nur eine einschlägige Berufsschule oder eine Bundesland übergreifende Kooperation.

Tabelle 1

Berufsschulen nach Bundesländern.

Baden-Württemberg/Rheinland-Pfalz/Saarland: Hermann Gundert Schule.Kaufmännische und hauswirtschaftliche Berufsschule, Calw
Bayern: Städtische Berufsschule für Medienberufe, München
Berlin/Brandenburg: Oberstufenzentrum Louise-Schröder-Schule, Berlin
Bremen: Städtische Berufsschule für Medienberufe. Zentrum SII Utbremen, Bremen
Hamburg: Staatliche Handelsschule Holzdamm, Hamburg
Hessen Stauffenbergschule, Frankfurt/M.
Mecklenburg-Vorpommern: Berufliche Schule des Landkreises Müritz, Waren
Niedersachsen: Multimedia Berufsbildende Schulen, Hannover
Nordrhein-Westfalen: Karl-Schiller-Berufskolleg, Dortmund; Städtisches Berufskolleg Bachstraße, Düsseldorf; Robert-Schmidt-Berufskolleg, Essen; Joseph-DuMont-Berufskolleg, Köln
Rheinland-Pfalz: siehe Baden-Württemberg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen
Saarland: siehe Baden-Württemberg, länderübergreifende Fachklassen
Sachsen: Gutenbergschule. Berufliches Schulzentrum der Stadt Leipzig, Leipzig
Sachsen-Anhalt: siehe Thüringen
Schleswig-Holstein: siehe Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern
Thüringen/Sachsen-Anhalt: Thüringische Bibliotheksschule Sondershausen, Sondershausen

Jährliche FaMI-Lehrertagungen, im Wechsel von den Schulen organisiert, bieten Vernetzung und die Möglichkeit zum Austausch unter den Lehrenden. Die schulische Ausbildung richtet sich nach den üblichen Stundentafeln und beinhaltet damit neben dem Fachunterricht auch Englisch, Sport, Wirtschaftslehre. Als feste Bestandteile haben sich Teamarbeit und fächerübergreifende Projekte für die Auszubildenden bewährt. Je nach Einbettung in die jeweilige Berufsschule und deren Strukturen haben sich unterschiedliche Organisationsformen entwickelt: Durchführung des Unterrichts wöchentlich oder in Blockform (drei- bis sechs-wöchig), auch um dem großen Einzugsgebiet Rechnung zu tragen.

Kennzeichen: Fachrichtungsmodell

Wesentliches Kennzeichen des dreijährigen Ausbildungsberufes ist die Ausrichtung als Fachrichtungsmodell. Das Berufsbild des Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste wurde mit fünf Fachrichtungen installiert: Archiv, Bibliothek, Bildagentur, Information und Dokumentation sowie Medizinischer Dokumentation. Solche Aufsplitterung war bei der Neuordnung von Ausbildungsberufen in den 1990er Jahren häufig, z. B. auch bei den Mediengestaltern. Neben der Zusammenlegung bislang verschiedener Berufsbilder galt es auch die Mobilität zwischen den Arbeitsbereichen zu fördern.

Das Fachrichtungsmodell wirft verschiedenartige Probleme auf:

  1. Die Verteilung der Ausbildungsstellen auf die Fachrichtungen ist bundesweit sehr unterschiedlich. Bildagenturen, Dokumentationsstellen sind eher in Großstadtbereichen zu finden – Bibliotheken dagegen flächendeckend anzutreffen!

  2. Berufsschulen, die ja dem Aufkommen an Auszubildenden folgen, müssen sich auf jährlich schwankende Einstiegszahlen und Klassenbildungen einlassen, Personal mit entsprechenden Fachkenntnissen für den jeweiligen fachlichen Unterricht vorhalten oder per Kooperationsvertrag hinzu engagieren – möglicherweise für nur einige wenige Auszubildende jeder Fachrichtung. In der Folge haben manche Schulen einzelne Fachrichtungen zur Beschulung ausgeschlossen.

  3. Prüfungsausschüsse bedienen gelegentlich aufgrund der variierenden Auszubildenden-Zahlen in den Regionen und Fachrichtungen mehrere Fachrichrichtungen, mittels der meist kostenpflichtigen „Überstellung“ durch die eigentlich zuständige Stelle.

Das seit zwei Jahrzehnten bestehende Berufsbild des FaMI ist in den verschiedenen Fachrichtungen unterschiedlich angenommen worden. Insbesondere der Bibliotheksbereich hat sich das neue Berufsbild zunutze machen können, sowohl im Angebot an Ausbildungsplätzen als auch um seinen Personalbedarf zu decken. Förderlich ist das bundesweit breite Angebot von Ausbildungsstellen, bedingt durch die Struktur des Öffentlichen Bibliotheksbereiches mit seinen Stadt- und Stadtteilbibliotheken sowie den Wissenschaftlichen Bibliotheken an allen Hochschulen. Die Verortung der Berufsschul-Ausbildung an bisherigen bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen erleichterte die Suche nach Berufsschullehrenden für den fachlichen Teil des neuen Ausbildungsberufs. Im Laufe der Zeit manifestierte sich dies zu einer allseits anerkannten Bibliothekslastigkeit des Berufsbildes.

Die anderen Fachrichtungen wurden zu den zumindest zahlenmäßig „kleinen Fachrichtungen“: Archiv, Information und Dokumentation, Bildagentur und Medizinische Dokumentation. Die Gründe für die längere Anlaufzeit sind vielfältig – der mangelnde Bekanntheitsgrad des neuen Berufsbildes mit der umständlichen Berufsbezeichnung, das geografisch punktuelle Angebot an Ausbildungsstellen, die oft erst geschaffen werden mussten, die sehr unterschiedlichen Tätigkeitsprofile in den individuellen Einrichtungen. Das duale Ausbildungssystem erforderte die Anerkennung als Ausbildungsbetrieb, Mitarbeiter mussten die Ausbilderprüfung ablegen. Auch die fachliche Abdeckung des Berufsschulunterrichts muss für die Ausbildungsstelle auf Dauer gewährleistet erscheinen.

Kennzeichen: Inhaltliche Breite

Der bundesweit gültige schulische Rahmenlehrplan ist inhaltlich breit aufgestellt. Dies entspricht dem Verständnis der 1990er Jahre, und Themen wie Nutzerorientierung sowie Marketingaspekte schienen geeignete kompetenzorientierte Ergänzungen des Berufsbildes.

Tabelle 2

Lernfelder des schulischen Rahmenlehrplans (drei Ausbildungsjahre).

1. Die eigene Berufsausbildung aktiv mitgestalten
2. Aneignen von Medienkompetenz
3. Beschaffen von Medien und Informationen
4. Erfassen und Erschließen von Medien und Informationen
5. Informieren und Anleiten von Kunden/Nutzern
6. Bearbeiten der Bestände
7. Fachrichtungsspezifisches Erschließen von Medien und Informationen
8. Recherchieren, Aufbereiten und Bereitstellen von Informationen und Medien
9. Herstellen und Gestalten von Informationsdiensten
10. Fachrichtungsspezifisches Erschließen und Recherchieren spezieller Medien und Informationen
11. Beraten und Betreuen von Kunden/Nutzern
12. Mit internen und externen Partnern kooperieren
13. Anwenden von Marketingstrategien und Marketinginstrumenten

Der Rahmenlehrplan sieht gemeinsame Inhalte für alle Fachrichtungen vor einschließlich der Wirtschaftslehre als prüfungsrelevantem Fach. Die Vermittlung der Grundlagen aller Fachrichtungen bereits im ersten Ausbildungsjahr mag die Auszubildenden möglicherweise überfordern, zumal sie sich ins Arbeitsleben überhaupt als auch in den Ausbildungsbetrieb einfinden müssen. Andererseits sollte dies die Mobilität zwischen den Fachrichtungen auf dem Arbeitsmarkt fördern.

Die fachlichen Abschlussprüfungen sind speziell auf die jeweilige Fachrichtung der Auszubildenden ausgerichtet, die dann auch im Unterricht Berücksichtigung finden muss. Der Anteil der fachrichtungsspezifischen Kenntnisse und zu erwerbenden Kompetenzen war zunächst auf ein Drittel festgelegt, hat sich aber zwischenzeitlich je nach der Anzahl von Auszubildenden der verschiedenen Fachrichtungen in Hinblick auf die fachliche Abschlussprüfung höher einpendeln müssen.

4 Ausbildungssituation der Fachrichtung IuD in Berlin

Im Zeitraum 2000–2020 haben in Berlin insgesamt 416 Personen ihre FaMI-Abschlussprüfung in der Fachrichtung Information und Dokumentation abgelegt, davon die Hälfte im Rahmen des dualen Ausbildungssystems am Oberstufenzentrum Louise-Schröder-Schule, darunter 18 Blinde bzw. Sehbehinderte, die in der Johann-August-Zeune-Schule für Blinde und Fachschule Dr. Silex unterrichtet wurden, sowie zweihundert Umschüler (Fa. Indisoft 2000–2019).

Die von Beginn an hohen Auszubildenden-Zahlen führten zur Eröffnung mehrerer Berufsschulklassen. Die Ausbildungsoffensive der Bundesregierung 2003 gab einen weiteren zahlenmäßigen Schub. Trotz der in Berlin erlaubten Klassenstärke von 33 Schülern sind über die Jahre vier Klassen nötig, drei zur Fachrichtung Bibliothek, sowie eine Klasse mit Auszubildenden der Fachrichtungen Archiv, Information und Dokumentation, Bildagentur und Medizinischer Dokumentation. Der schulische Ausbildungsplan wurde integrativ erstellt, für die Fachrichtungen IuD und Medizinische Dokumentation wurden 2008 eigene, interne Rahmenlehrpläne erstellt, die dann teilweise Eingang in den gemeinsamen schulischen Plan für das Land Berlin fanden.

Das Berufsbildungsgesetz sieht auch die Umschulung vor, die in Berlin von dem Bildungsträger Indisoft seit Start der Berufsbildung für die Fachrichtung Information und Dokumentation angeboten wurde und an die Kurse für Dokumentationsassistenten anknüpfte.

Regelmäßig wurden zweijährige Umschulungskurse zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung bei der IHK Berlin angeboten. Das Curriculum orientierte sich an den Anforderungen des schulischen Rahmenlehrplans, durch die höhere Stundenzahl der Umschulung und Wahl der Fachdozenten aus der Praxis bestanden jedoch mehr Freiheiten zur Schwerpunktbildung bei IuD-spezifischen Themen wie Datenbankaufbau, Online-Retrieval und nutzerorientierten Informationsdienstleistungen. Bestandteil der Umschulung war ein halbjähriges Praktikum in einer frei gewählten Einrichtung im Bereich der Gedächtniseinrichtungen. Die Kurse wurden 2019 eingestellt. Administrative Auflagen der JobCenter zu Umschulungen, z. B. die Einführung von zeitlich begrenzten Bildungsgutscheinen, führten im Wesentlichen zu einer uneffektiven Organisation. Die Kurse wurden daher zugunsten geförderter medizinischer Ausbildungen und IT-Orientierung vom Bildungsträger eingestellt.

Die Situation der Prüfungsausschüsse in der Region Berlin/ Brandenburg ist komplex. Zuständige Prüfungsstellen für IuD sind die Industrie- und Handelskammer Berlin (IuD, Bildagentur, Medizinische Dokumentation), sowie für Auszubildende in Bundesbehörden der Bundesausschuss Bund III, der für die Fachrichtungen IuD und Bildagentur zuständig ist. Hinzu kommen Prüfungsausschüsse des Bundes für die Fachrichtung Bibliothek und vom Land Berlin, außerdem Kooperationen mit den jeweiligen Stellen in Brandenburg, falls Ausbildungseinrichtungen dort ihren Standort haben. Die im Berufsbildungsgesetz festgelegte Möglichkeit der Verkürzung um ein halbes Jahr für Abiturienten führt zu zwei Prüfungszyklen im Jahr. Gründe für einen vorzeitigen Abschluss liegen meist im Angebot einer Festanstellung mit besserem Verdienst durch den Ausbildungsbetrieb, oder dem Wunsch, ein Studium aufzunehmen.

Einrichtungen haben sich für die FaMI-Ausbildung der Fachrichtung IuD auch entschieden, wenn sie keine Bibliothek haben oder sich nicht dem Archivsektor zugehörig fühlen. Von zentraler Bedeutung ist immer die Verzeichnung von Objekten in Datenbanken – seien es Rundfunkproduktionen, Pressebeiträge, Musikstücke, Bauwerke oder Produktinformationen.

Beispiele für Einrichtungen mit Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung IuD in Berlin sind:

Radio Berlin-Brandenburg (RBB) innerhalb der ARD, Abt. Archive und Information – Bundesanstalt für Bau und Raumordnung – Berlin, Abt. Parlamentsarchiv, Dokumentation – Pressedienstleister Landau Media GmbH – Der Tagesspiegel, Pressedokumentation – Verwertungsgesellschaft GEMA – Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, Potsdam – Berliner Wasserbetriebe – Kommerzielle Unternehmen: Producto/Testberichte – Gedächtniseinrichtungen: Akademie der Künste, Akademie der Wissenschaften, Deutscher Museumsbund u.a.

Unterschiedliche Modelle der Ausbildung lassen sich hier feststellen: das „Konsekutivmodell“ – die Einrichtung ist Ausbildungsstelle für Auszubildende über drei Jahre, dann folgt erst die Neueinstellung; das „Jahresmodell“ – jährliche Einstellung eines neuen Auszubildenden, sodass es in der Einrichtung alle Ausbildungsgenerationen gibt. Diese Modelle können verknüpft werden mit dem „Tandemmodell“, bei dem jeweils zwei oder mehrere Azubis pro Ausbildungsjahrgang eingestellt werden. Diese Modelle unterscheiden sich im Aufwand der Ausbildungsbetreuung und der Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung. Welches Ausbildungsmodell gewählt wird, ist abhängig von einrichtungsinternen Vorgaben, der Stellenverfügbarkeit für Auszubildende, der Konkurrenz mit anderen Ausbildungsberufen, dem Vorhandensein und Bereitschaft von Ausbildern (AEVO-Prüfung), und der Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes! Bewerber durchlaufen meist ein Auswahlverfahren.

Die Arbeitsmarktchancen für Auszubildende mit der Fachrichtung IuD sind beobachtbar gut. Auszubildende im dualen System werden in der Regel übernommen, wenn auch in vielen Fällen zunächst befristet, und wechseln später häufig auf feste Stellen innerhalb der Ausbildungseinrichtung. Umschüler müssen sich auf dem freien Arbeitsmarkt umsehen, und die Hürden der „Praktikantengeneration“ überwinden. Dabei kommt ihnen oft ihre Berufserfahrung, wenn auch in anderen Bereichen zu Hilfe. Etwa 20 Prozent der Umschüler konnten auf ein wenn auch meist nicht abgeschlossenes Studium zurückblicken. Stellenanzeigen für FaMIs der Fachrichtung IuD sind selten, ergiebiger sind Stellenangebote als Sachbearbeiter in den verschiedensten Branchen. Die Datenbasis für repräsentative Verbleibstudien ist leider schlecht, da weder die Berufsschulen noch die Prüfungsausschüsse die Daten nachführen.

Eine informelle Umfrage im Jahr 2020 unter 240 ehemaligen Auszubildenden der Fachrichtung IuD ergab einen sehr hohen Anteil an Aufwärtsqualifizierungen. Genutzt wurden:

  1. Fortbildungen zum Ausbilder (AEVO-Prüfung) mit anschließender Übernahme dieser Tätigkeit im früheren Ausbildungsbetrieb

  2. Aufnahme eines Fachhochschulstudiums im informationswissenschaftlichen Bereich mit der FaMI-Ausbildung als Basis

  3. Fortbildungen in den Bereichen Social Media, Marketing und Informationstechnologie sowie anschließender Tätigkeit in diesen Bereichen

  4. Aufnahme eines Studiums − Betriebswirtschaft bis Sozialpädagogik

  5. Teilnahme an Weiterbildungen, extern und intern

Anreize für Fort- und Weiterbildung sind die erhoffte selbstständige Arbeitsweise, das Interesse an anderen Themen und vor allem bessere Verdienstmöglichkeiten. Es bestätigt sich der Eindruck, dass für die jungen Menschen innerhalb der dualen Ausbildung die Breite der FaMI-Ausbildung, die in den Lernfeldern zutage tritt, auch gleichzeitig eine weitere Entscheidung zum beruflichen Weg reifen lässt und genügend Ansatzpunkte für eine Weiterqualifizierung gibt.

Die Fachwirtausbildung zur berufsbegleitenden Fortbildung „Fachwirt/in für Informationsdienste“, die 2004 von dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unter dem Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“ entwickelt wurde, spielt im Berliner Raum keine Rolle. Gründe liegen in den seitdem gestiegenen alternativen Angeboten von berufsbegleitenden Studienmöglichkeiten an Berliner Hochschulen, sowie den von der nahegelegenen Fachhochschule Potsdam angebotenen informationswissenschaftlichen Studienmöglichkeiten sowie dem Angebot des Fernstudienganges im Archivbereich.

5 Zukunft des Berufsbildes FaMI

Durch die Projektgruppe des Berufsverbandes Bibliothek Information (BIB) für die Neuordnung der FaMI-Ausbildungsordnung der Fachrichtung Bibliothek angestoßen, wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die mögliche Neuordnung des 1998 eingeführten Berufs überprüft. Das Procedere für das Neuordnungsverfahren einer Berufsausbildung ist genau geregelt: Durchführung einer Voruntersuchung als Entscheidungsgrundlage für die Sozialpartner, Antrag auf Neuordnung, Verfahren zur Neuordnung. Falls alle Schritte positiv und zeitgerecht ablaufen, kann frühestens im Herbst 2023 mit einem Abschluss der Neuordnung gerechnet werden.

Notwendigkeit einer Neuordnung

Auch aus Sicht der Fachrichtung „Information und Dokumentation“ kann eine Neuordnung begrüßt werden. Von den vielfältigen Gründen sollen drei sollen hier hervorgehoben werden:

  1. Ausbildungseinrichtungen benötigen eine adäquate rechtliche und inhaltliche Grundlage für ihre Ausbildungstätigkeiten. Einrichtungen, die derzeit ausbilden, haben die Inhalte des betrieblichen Rahmenplans oft bereits intern betrieblichen Veränderungen anpassen müssen. Neu hinzukommende Ausbildungseinrichtungen müssen verlässliche und zeitgemäße Informationen vorfinden. Dies gilt auch für interessierte Jugendliche vor der Wahl ihres Ausbildungsberufes.

  2. Die Inhalte des schulischen Rahmenlehrplans orientieren sich an der Arbeitswelt der 1990er Jahre. Der Wandel der Arbeitswelt gilt auch für die Gedächtniseinrichtungen. Umwälzungen vom EDV-Bereich zu einer alle Lebens- und Arbeitsbereiche umfassenden Informationstechnologie (IT), Restrukturierung von Einrichtungen, Digitalisierung der Arbeitsprozesse und deren Workflows und last not least das Arbeiten in Projektteams stehen im Vordergrund. Solche Veränderungen erfordern eine Anpassung der nötigen Qualifikationen von Mitarbeitenden auf allen Ebenen.

  3. Die Digitalisierung ist für Gedächtniseinrichtungen doppelt relevant: Bestände im Arbeitsbereich der FaMI, seien es Archivalien, Bibliotheksmedien oder Verwaltungsunterlagen, bislang überwiegend analog, papiergebunden oder audiovisuell, werden digitalisiert. Das Zusammenfließen von auditiven, visuellen und Textmedien in Informationsprodukten, Datenbanken und Verzeichnissen erfordert neue Kompetenzen.

Terminologie des schulischen Rahmenlehrplans – Basis für fachlichen Austausch

Die jetzige Terminologie entspricht nicht dem prinzipiell als Fachrichtungsmodell angelegten Berufsbild, gleicht eher einer Stichwortsammlung, die bibliothekslastig mit kleinen Ergänzungen aus den anderen Fachrichtungen ist. Es ist sicher schwierig bei fünf Fachrichtungen, eine gemeinsame Sprache zu finden − die es (noch) nicht gibt. Der grundsätzliche, gemeinsame Ansatz von „Medienkompetenz“, Beschaffung, Erschließung und Nutzungsmöglichkeiten hat in den beteiligten Fachrichtungen unterschiedliche Schwerpunkte sowie abweichende Bezeichnungen.

Auszubildende werden in ihrem Ausbildungsbetrieb mit den jeweils gebräuchlichen Bezeichnungen konfrontiert und verinnerlichen diese. Selbst vermeintlich verständliche Begriffe sind in den verschiedenen Fachdisziplinen unterschiedlich definiert. Allerdings muss nach der Tiefe der theoretischen Kenntnisse gefragt werden, inwieweit diese für den FaMI–Beruf notwendig sind.

Bereits die Nutzung von Oberbegriffen kann zu einer terminologischen Bereinigung des bestehenden Rahmenlehrplans führen: zum Beispiel die bibliothekarische „Fernleihe“. Würde man diesen Themeninhalt durch die heute gängige Bezeichnung „Dokumentlieferung“ ersetzen, könnten sich Archivare mit der Bereitstellung von Archivalien, der Bibliotheksbereich mit der Ausleihe und auch Onleihe und der Dokumentationsbereich mit der Vermittlung gespeicherter Dokumente darin wiederfinden.

Eine integrative Beschulung im Theorieunterricht muss diese Unterschiede zwischen den Fachrichtungen, die sich zumindest im Sprachgebrauch manifestieren, thematisieren. Für die Mehrdeutigkeit der Bezeichnungen seien einige Beispiele genannt:

Beispiel: „Medien“ – Sie unterscheiden sich typischerweise in den verschiedenen Bereichen – Archivgutarten im Archivbereich, Bibliotheksmedien analog oder digital, Dokumenttypen jeder Art. Im Dokumentationsbereich hatte man früh damit begonnen, allgemein von Dokumenten zu sprechen, die je nach Tätigkeitsbereich konkretisiert werden: Plakate, Fotos, Patente, Pressetexte usw. Die Digitalisierung schafft einen neuen, gemeinsamen Wortschatz, unabhängig von der primären, analogen Darstellungsform, bei dem sich alle Beteiligten wiederfinden können: Digitalisat oder genuin digital entstandene Dateien, Dateiformate, Server-Lösungen, Repositories, Masterfile usw. Unabhängig davon stehen Medien im Sprachgebrauch für Massemedien.

Beispiel: „Erschließung“ weckt unterschiedliche Vorstellungen: Der Auszubildende in einer Dokumentationsstelle erkennt darin die „Inhaltliche Erschließung“, also die Beschreibung des Dokumentinhalts durch Abstract, Indexat und oder Fachklassifikation, welche die „Formale Erfassung“ also die identitätsbeschreibenden Angaben eines Dokuments oder Objektes ergänzt. Für den bibliothekarisch Ausgebildeten umfasst die „Erschließung“ durchaus beides, die Katalogisierung und die Sacherschließung. Für Archiv-Auszubildende beinhaltet die Erschließung wiederum den gesamten Ablauf der Übernahme und Verzeichnung, vergleichbar zum „Dokumentationsprozess“.

Beispiel: „Fachinformationssystem“

Für den Archivbereich ist ein Fachinformationssystem das individuelle Anwendungssystem (z. B. Augias, Star). Im Dokumentationsbereich wird hier die komplexe, kooperative Infrastruktur eines Fachgebiets verstanden, meist in institutionalisierter Form, wie sie für eine Wissenschaftsdisziplin vorhanden ist.

6 Zum zukünftigen Profil des FaMI–IuD

Die Ausbildungspraxis zeigt, dass das Berufsbild vielfach verankert werden kann – der FaMI, ein Verwaltungsberuf, ein Bildungsberuf, ein Medienberuf?

Kaum wird man von der im Bereich Gedächtnisinstitutionen gut eingeführte Bezeichnung des Berufsbildes abweichen wollen. Sinnvoller Weise sollte jedoch „Mediendienste“ durch Wegfall des Bindestrichs auf Medien reduziert werden: Fachangestellte für Medien und Informationsdienste. Die Bezeichnung für die Fachrichtung „Information und Dokumentation“ (IuD) sollte auf „Dokumentation“ reduziert werden – der Aspekt der Information im Sinne einer nutzerorientierten Handlungsweise steht auch in den Arbeitsbereichen Archiv und Bibliothek an vorderster Stelle. Das Kürzel „IuD“ hat sich zudem überholt – fast 50 Jahre seit seiner breiten Einführung durch das „IuD-Programm der Bundesregierung“ sind vergangen, und ist seit langem durch den Begriff der Fachinformation abgelöst.

Der schulische Rahmenlehrplan sollte alle beteiligten Fachrichtungen berücksichtigen, die Terminologie abstrakter sein, um die Nachhaltigkeit des Rahmenlehrplans zu sichern. Als Ergebnis einer Analyse von einschlägigen Stellenanzeigen für Dokumentare aus dem Jahr 2020 sind die folgenden Arbeitsbereiche wichtig: Kenntnisse der Infrastrukturen (einschl. Kooperationsnetzwerke), Bestandsaufbau einer Sammlung einschl. Materialmanagement, Verzeichnung einschl. formaler Erfassung und inhaltlicher Beschreibung („Metadatenmanagement“), Audio- und Textmining, Sprach- und Bilderkennung, automatische Deskriptorenvergabe, Nutzung/Information/Vermittlung durch Informationsangebote (einschl. Recherche) und Rahmenbedingungen (Marketing, extern und intern), Qualitätssicherung, Projektarbeit, Methodenkenntnisse (Projektarbeit, Brainstorming, Ablaufprozesse, Flussdiagramme u. a.). Grundkenntnisse in Datenbanknutzung für die Bestandsverzeichnung in allen Fachrichtungen sowie Rechtsfragen – Urheberrecht, Persönlichkeitsrechte, Lizenzrechte – sind berufsrelevant.

Troika „Archiv, Bibliothek, Dokumentation“ (ABD)

Die traditionelle Verbindung der drei Fachbereiche besteht auch weiterhin, Archiv für die Bewahrung kultureller Dokumente der relevanten Provenienzen, Bibliothek für die Verlags-Veröffentlichungen und die Dokumentation mit dem Schwerpunkt Grauer Literatur und Fachinformation und der nutzerorientierten Aufbereitung von Informationsprodukten. Allerdings sind die Abgrenzungen fließend – der Archivbereich ergänzt seine Überlieferung mit vielfältigen Sammlungen, die dokumentarisch aufbereitet werden, der Bibliotheksbereich hält zunehmend nicht nur die Zeitschriften vor, sondern stellt diese auch mit ihren Einzelbeiträgen zur Nutzung bereit. Große Archive verfügen über Bibliotheken, Bibliotheken haben mit der Pflichtablieferung Archivcharakter. Die Digitalisierung der jeweiligen Gegenstandsbereiche und die Zugänglichkeit verbindet diese zusätzlich.

In der Fremdsicht ist der Bereich der Dokumentation traditionell IT-affin – waren doch die ersten Literaturdokumentationen mit den seit 1950er Jahren üblichen Abstract-Journals bald als Datenbanken verfügbar und vermittelten mit dem Online-Retrieval Fachinformation viele Jahrzehnte bevor dies über das Internet möglich war.

Leider hat sich die Sichtbarkeit von IuD-Stellen in den letzten Jahrzehnten stark vermindert, Abteilungen haben sich umstrukturiert und wurden umbenannt − etwa in Rechercheabteilungen oder in Repositories. Andererseits hat sich Dokumentation „vergesellschaftet“ – Dokumentationstätigkeiten sind, zum Teil aufgrund rechtlicher Regelungen, in allen Arbeitsbereichen relevant.

Darüber hinaus gibt es betriebliche Arbeitsbereiche, in denen die Mitarbeit von FaMI mit dem Schwerpunkt Dokumentation sinnvoll ist. Es sind Fachabteilungen zur Sachbearbeitung, mit datenbankgestützten Arbeitsprozessen – Verzeichnung von Kundendaten bis Produktinformationen. Die Bereiche interne Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, bieten Möglichkeit der Mitarbeit an Publikationsservern und Kundeninformationen oder in der Unternehmensregistratur. Gefragt sind Mitarbeitende mit IT-Affinität, sorgfältiger Arbeitsweise, gutem Gefühl für Rechtschreibung und Interesse an zeitgeschichtlichen Themen.

Die Neuordnung − Herausforderung für die DGI

Eine Neuordnung der Berufsausbildung sollte auch von der DGI als Möglichkeit eines verstärkten Engagements aufgegriffen werden. Dabei bieten sich folgende Aktivitäten an:

  1. Werbung für Ausbildungsplätze in Mitgliedereinrichtungen und in Unternehmen der Informationsbranche, in der Mediendokumentation, Museumsdokumentation und anderen Bereichen. Vermutlich besteht an jedem Arbeitsplatz eines Dokumentars oder Informationsspezialisten auch Bedarf an einem FaMI der Fachrichtung IuD.

  2. Einrichtung einer Plattform zum Austausch der Ausbildungseinrichtungen untereinander, sei es real bei DGI-Veranstaltungen oder virtuell, z. B. zur Unterstützung bei der Erstellung betrieblicher Ausbildungspläne.

  3. Integration der FaMI-Ausbildung in den Fokus der KIBA, die bislang auf akademische Zielgruppen ausgerichtet ist.

  4. Unterstützung der Berufsschulen in der Schulung des Lehrpersonals für die Fachrichtung Dokumentation. Die bestehende Seminarreihe der DGI bietet hier mit den jeweiligen Einführungsveranstaltungen einen guten Einstieg.

  5. Koordination in der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien für den Berufsschulunterricht insbesondere „Grundlagen der Fachrichtung Dokumentation“.

Möglicherweise ist – neben der Neuordnung – die Einführung eines dualen Studiums für Interessierte sinnvoll. Die hohe Rate der Weiterqualifikation unter den FaMI der Fachrichtung sowie die gestiegenen Anforderungen an Fachpersonal sprechen für diese Möglichkeit. In jedem Fall ist die Förderung von Nachwuchskräften eine wichtige Investition für die Zukunft und hilft dem Fachkräftemangel vorzubeugen. Darüber hinaus hilft ein Blick über die Grenzen auf die entsprechenden Berufsentwicklungen in Österreich und der Schweiz. Für die Qualifikationsanforderungen zumindest im IT-Bereich sollten die Erkenntnisse im europäischen Kontext des European Centre for the Development of Vocational Training (CEDEFOP) berücksichtigt werden.

Deskriptoren: Ausbildung, Ausbildung Dokumentationswesen, Fachangestellte für Medien und Informationsdienste, Terminologie, Berufsbild, Zertifizierung, DGI

Über den Autor / die Autorin

Barbara Müller-Heiden

Barbara Müller-Heiden ist freiberufliche Dozentin und seit mehr als 20 Jahren in der Ausbildung von Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste tätig. Sie ist seit 2017 Mitglied des DGI-Vorstands

Literatur

Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Verordnung über die Berufsausbildung zur/zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste vom 03.06.1998 mit Änderung vom 15.03.2000. Erläuterungen und Praxishilfen zur Ausbildungsordnung. 2. erw. Aufl., Nürnberg 2001. Search in Google Scholar

Müller-Heiden, Barbara: Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste. Ein anspruchsvoller Serviceberuf. In: Information, Wissenschaft und Praxis 57 (2006)1, 19–22. Search in Google Scholar

Samulowitz, Hansjoachim: Geschichte des Lehrinstituts für Dokumentation (LID). Von den Anfängen bis zu seiner Auflösung 1991. Frankfurt am Main: DGD, 1993. Search in Google Scholar

Online erschienen: 2021-10-09
Erschienen im Druck: 2021-10-05

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 11.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2021-2175/html
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