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Konferenz Mittelstand 4.0 in Darmstadt
  • Marlies Ockenfeld EMAIL logo
Published/Copyright: May 3, 2016

Rund 200 Geschäftsführer, IT-Leiter, Produktionsleiter und Wissenschaftler nahmen am 15. und 16. Februar 2016 an der ersten Konferenz Mittelstand 4.0 (KonM 4.0) in Darmstadt teil. Ähnliche Veranstaltungen finden mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministers nach und nach in allen Bundesländern statt. Sie sollen den Mittelstand als Rückrat der deutschen Wirtschaft Deutschlands aufrütteln, sich stärker mit den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse auseinander zu setzen. 99 Prozent der Firmen in Deutschland sind KMU, sie stellen 60 Prozent der Arbeitsplätze und sorgen für 30 Prozent des Umsatzes. Aber nur fünf Prozent haben bislang die Produktion wenigstens teilweise digitalisiert, 25 Prozent konnten mit dem Begriff Industrie 4.0 einer Umfrage zufolge gar nichts anfangen.

Eröffnet wurde die Konferenz von Goodarz Mahbobi, Geschäftsführer der axxessio GmbH und Vorstand des IT-Kompetenznetzwerks IT for Work e. V., einem Verein, dem sich inzwischen etwa 70 IT-Unternehmen der Region Darmstadt Rhein Main Neckar angeschlossen haben und der zu den Veranstaltern zählte. IT for Work zeigt eindrucksvoll, dass man unabhängig von Informations- und Kommunikationstechniken immer engagierte Menschen braucht, um lebendige Kommunikationsstrukturen zu schaffen. Für Mahbobi ist die Region das Silicon Valley Deutschlands, Die Präsidentin der IHK Darmstadt Prof. Dr. Kristina Sinemus sieht ebenfalls große Chancen für die Metropolregion mit ihren 7,6 Millionen Einwohnern und 250 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung, weil sich hier neben namhaften Softwarefirmen wie der Software AG und SAP, renommierte Universitäten und Forschungseinrichtungen befinden sowie eine wachsende Anzahl KMU, die sich teilweise als Ausgründungen aus den Fraunhofer-Instituten oder der TU-Darmstadt entwickelt haben.

Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrum an der TU Darmstadt

Weitere Eröffnungsredner waren unter der Vormittagsmoderation von Reinhard Karger der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Das hessische Wirtschaftsministerium treibt den Breitbandausbau voran und erarbeitet ein Konzept „digitales Hessen“. Der weltgrößte Internetknoten in Frankfurt am Main und die beeindruckende Anzahl regionaler Rechenzentren – in Frankfurt entfallen 20 Prozent des Stromverbrauchs auf sie – sind Startpunkt einer „Innovationsallianz Rechenzentren“. Gabriel überbrachte die Nachricht, dass der Projektantrag des Konsortiums um die Prozesslernfabrik CiP unter Leitung des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt mit sechs Millionen Euro bewilligt wurde. Als eines von bundesweit zehn Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren soll es in den kommenden drei Jahren kleinen und mittleren Unternehmen die Chancen aufzeigen, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Hierfür müssen sich KMU mit Themen wie der Vernetzung von Produktionsprozessen, neuen Geschäftsmodellen oder IT-Sicherheit intensiv auseinandersetzen. Unternehmen soll beispielsweise gezeigt werden, wie sie ihre Mitarbeiter praxisgerecht qualifizieren können. Ein weiteres Ziel ist es, KMU auf ihrem eigenen Weg zu effizienteren Geschäftsprozessen oder neuen Leistungsangeboten zu unterstützen. Der Projektstart wurde denn auch wenig später am 11. März in Anwesenheit der Darmstädter SPD-Abgeordenten und Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Brigitte Zypries gefeiert. Im Lauf des Jahres 2016 sollen u. a. Zusatzqualifikationen für bestehende Berufe entwickelt werden, mit denen Auszubildende und Fachkräfte gezielt für die Anforderungen von Industrie 4.0 und der Digitalisierung fit gemacht werden.

Vernetzung mit Kunden

Bei der Darmstädter KonM 4.0 traten Hochschullehrer und Unternehmer auf, um den versammelten Mittelständlern Denkanstöße zu geben und die Möglichkeit zu eröffnen, von Best-Practice-Beispielen zu lernen. Dazu gehörte auch eine Exkursion in die „Effiziente Fabrik 4.0“ der TU Darmstadt, in der es vor allem um Energieeffizient geht. Bei den vorgestellten Beispielen geht es im Kern darum, dass Kunden immer stärker nach maßgeschneiderten individuellen Lösungen verlangen und deshalb in den Design- oder Konfigurationsprozess einbezogen werden müssen, indem sie etwa Konstruktionsdaten liefern. Nach erfolgter Konfiguration steuert das Produkt mithilfe der vorgegebenen Daten und Sensoren seinen eigenen Produktionsprozess und kommuniziert mit den Werkzeugmaschinen. Die Beschäftigten erhalten an den einzelnen Produktionsstationen individuelle computergestützte Anleitungen. Sie können z. B. über QR-Codes Datenblätter oder Wartungsinformationen aufrufen und einsehen. Eingesetzt werden dabei aber auch Verfahren der erweiterten oder der virtuellen Realität. So entwickelte ein Start-up etwa eine Datenbrille, in der eine Support App installiert wird. Tritt ein technisches Problem auf, betrachtet der Kunde mit der Datenbrille die betroffenen Maschinenteile und die Herstellerfirma bekommt die Daten direkt übermittelt und kann in vielen Fällen Unterstützung leisten, ohne dass ihre Mitarbeiter vor Ort zugegen sein müssen.

In sechs Kurzpräsentationen wurden umsetzungsreife Forschungsprojekte vorgestellt, über die man im Ausstellungsbereich mit den Referenten aus der Forschung anhand von Postern und Demonstratoren weiter diskutieren konnte. Das Publikum war zugleich Jury und kürte Alexander Lemken von der ioxp GmbH in Kaiserslautern, der mit Cognitive AR selbstlernende Augmented Reality Handbücher für Training und Service vorgestellt hatte, zum Sieger.

Fachkräfte für IT-Sicherheit gesucht

Am zweiten Tag fanden Workshops statt, in denen Methoden präsentiert und gemeinsam erprobt wurden, mit denen Umsetzungsprozesse im Unternehmen eingeleitet werden können. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion, die noch einmal verdeutlichte, dass Industrie- und Innovationspolitik nicht ohne Ordnungspolitik auskommen können, um den Wandel in der globalisierten und digitalisierten Arbeitswelt auch durch passende Gesetzgebung zu begleiten. Neben der Produktion wird auch der Vertrieb durch die Digitalisierung erheblich verändert. Kooperationen, auch zwischen Wettbewerbern, werden deshalb eine wachsende Bedeutung gewinnen, sofern sichere Datenübertragungswege und sichere Serverfarmen gewährleistet sind. Das Thema Sicherheit, und besonders auch die Schwierigkeit, finanzierbare kompetente Mitarbeiter in diesem Sektor zu finden, begleitete allerdings die gesamte Veranstaltung.

Deskriptoren: Tagung, Klein- und Mittelbetriebe, Automation, Darmstadt, KonM4.0

Online erschienen: 2016-5-3
Erschienen im Druck: 2016-5-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 22.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2016-0032/html?lang=en
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