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Buchbesprechungen

Published/Copyright: May 3, 2016

Menschsein im Informationszeitalter. Informationswissenschaft mit Leidenschaft und missionarischem Eifer. Norbert Henrichs. – Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch, 2014 [Pioniere der Informationswissenschaft | Norbert Henrichs; Schriften zur Informationswissenschaft; Bd. 64; ISSN 0938–8710]. XVII, 387 S., ISBN 978-3-86488-061-2, 33,90 Euro.

Sieht man sich die Literaturverzeichnisse von Beiträgen unseres informationswissenschaftlichen Nachwuchses an, so fällt regelmäßig auf, dass die zitierte Literatur fast ausschließlich höchstens zehn Jahre alt ist, meistens deutlich jünger, und – abgesehen von den üblichen Zitaten von Mitgliedern der eigenen Arbeitsgruppe und von Selbstzitaten – aus dem angloamerikanischen Raum stammt. Oft fragt man sich als Redakteurin, warum höchst einschlägige Arbeiten deutscher Pioniere der Informationswissenschaft einfach nicht vorkommen. Sind sie unbekannt oder werden sie als nicht zitierwürdig erachtet?

Ähnliche Überlegungen mögen auch für das vorliegende Buch Pate gestanden haben, den ersten Band einer geplanten Reihe „Pioniere der Informationswissenschaft“ im Rahmen der Schriften zur Informationswissenschaft des Hochschulverbands für Informationswissenschaft (HI). Im Geleitwort zu diesem Band stellt Rainer Kuhlen fest: „Wer nicht weiß, woher er kommt, hat Probleme auszumachen wohin er oder sie in der Zukunft gehen soll.“

In seiner Einleitung macht Henrichs klar, dass der Titel des Buchs als Postulat zu verstehen sei. Er schildert den verschlungenen Weg von den tastenden Anfängen beim praktischen Aufbau einer benutzerorientierten Bibliothek mit internationalem Bestand, die sich bald zu einer „Forschungsabteilung für philosophische Information und Dokumentation des Philosophischen Instituts“ entwickelte und bereits Ende der 1960er-Jahre ein computerisiertes Datenbanksystem verwendete, bis zur Etablierung der Informationswissenschaft in Düsseldorf als eigenständigem Fach. Auch während seines beruflichen Intermezzos als wissenschaftlicher Geschäftsführer der Bund-Länder-Infrastruktureinrichtung GID von 1980 bis 1985 in Frankfurt am Main behielt Henrichs stets seine Basis in der Düsseldorfer Informationswissenschaft, nicht ohne Unterstützung seiner langjährigen Sekretärin Anneliese Volkmar, der er in der Einleitung ausdrücklich dankt.

Besondere Authentizität erhält der Band dadurch, dass Henrichs die 24 Beiträge aus den Jahren 1975 bis 2005 selbst ausgewählt hat. Sie sind nicht chronologisch aneinander gereiht, sondern in fünf inhaltlichen Kapiteln zusammengestellt. Im zwei Beiträge umfassenden Kapitel 1 Anfänge und Anstöße wird u. a. auf die hellsichtigen Visionen von Paul Otlet und Henri LaFontaine eingegangen und die anfänglich unterschiedlichen Sichten von Bibliothek und Dokumentation auf die Informationsbereitstellung sowie das teilweise bis heute spürbare Spannungsverhältnis ausführlich dargestellt.

Es folgen in Kapitel 2 Paradigmen einer humanen Informationsgesellschaft sieben Beiträge. Dabei werden u. a. Informationsethik, Informationskultur und die Ende der 1980er-Jahre stark diskutierte Weltinformationsordnung beleuchtet. Deutlich wird in den Beiträgen, wie stark sich die Informationswissenschaft seinerzeit in gesellschaftliche, informationspolitische Diskussionen eingemischt oder diese zu befeuern versucht hat. „Wir müssen in der Profession ein höheres Selbstwertgefühl entwickeln, das sich gründet in der Größe der Verantwortung, die wir tatsächlich für die Gesellschaft, für die Informationsgesellschaft, tragen.“ (S.164), hatte Henrichs 1998 anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der DGD appelliert.

Kapitel 3 Informationswissenschaft aus anthropologischer Perspektive vereinigt vier Beiträge, die den theoretischen und humanistischen Kern der Düsseldorfer Informationswissenschaft verdeutlichen, in denen Henrichs aber auch in einem bisher unveröffentlichten Beitrag von 2005 konkrete Vorschläge macht, um die Stellung des Fachs Informationswissenschaft an den Hochschulen zukunftsfähig zu machen. Er ruft die Nachfolgenden auf, „nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre kreativ zu sein und Angebote zu entwickeln, die nicht allein den Standardstudiengängen [...] zugute kommen, sondern die Außenwirksamkeit des Faches stärken und neue Zielgruppen gewinnen, um damit jedenfalls auch für die (hochschul-)politisch Verantwortlichen die Frage: „Wozu und zu welchem Zweck studiert man Informationswissenschaft?“ spontan und konkret und überzeugend beantwortbar zu machen.“ (S. 224). Dass erfolgreiche Informationsdienste an den Bedürfnissen von Menschen ausgerichtet sein müssen und nicht an den technischen Möglichkeiten, entdecken Wissensmanager und CIO auch heutzutage immer wieder aufs Neue, wenn sie als hoch dotierte Referenten in teuren Seminaren für Wirtschaftsvertreter darauf hinweisen, dass die technisch perfekte Implementierung nicht ausreicht, um interne Wikis oder kommunikationsorientierte Arbeitsplattformen erfolgreich zu machen. Henrichs erläutert, dass es der Informationswissenschaft vor allem um die kommunikative Dimension des Wissens geht. Er schlug anstelle von Dokumentation die Bezeichnung Wissensverwertungsorganisation vor (S. 193–194), einen Terminus, der sich aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen ließ, wie es generell dem Bereich bis heute an breit angelegter systematischer terminologischer Arbeit fehlt. Einer Wissenschaft ist zumeist auch eine spezifische Fachsprache eigen. In der deutschen Informationswissenschaft begnügt man sich allzu häufig aus Bequemlichkeit mit Adaptionen amerikanischen Firmensprechs, anstatt treffende eigene eingängige Bezeichnungen zu prägen. Ein jüngeres Beispiel ist etwa die sprachliche Verballhornung von social media als „soziale Medien“, aber auch das immer wieder auftauchende Wort Konzept, wenn es Begriff heißen müsste.

Für das Kapitel 4 Informationswissenschaftliche Appelle an die Informationspraxis wählte Henrichs fünf Beiträge, in denen er sich mit dem Informationsbegriff der Informationswissenschaft auseinandersetzt, den Leistungsanspruch der KI-Forschung untersucht, die spezifischen Anforderungen der Geisteswissenschaften an eine gelingende Informationsversorgung sowie den Einsatz von Informationstechnologien in den Geistes- und Sozialwissenschaften behandelt und schließlich die Auswirkungen der elektronischen Medien auf die Zukunft der Bibliotheken, die er als Kommunikationszentren sieht, „in denen nicht nur berühmte Dokumente, sondern auch illustre Leser und Benutzer versammelt sind“ (S. 296), beschreibt.

Das 5. Kapitel enthält sechs Methodische Beiträge zur wissenschaftlichen Informationspraxis, wobei ein Schwerpunkt auf dem Kern der Informationswissenschaft, nämlich Methoden der inhaltlichen Erschließung und speziell den Anforderungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften liegt. Im letzten Beitrag von 2004 befasst sich Henrichs mit dem von Kuhlen geprägten Ansatz des handlungsorientierten Wissens und formuliert Anforderungen an die Informationsprofession, die noch immer aktuell sind.

Henrichs Beiträge sind in einer Zeit entstanden, als sich die zwischenzeitlich eingetretene Ökonomisierung des Informationssektors und die Kopplung von kommerziellen Interessen der Werbewirtschaft mit der fachlichen Informationsversorgung von Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit gerade erst formierten. Vorausgesehen wurde diese Entwicklung durchaus. Ein Muster, das uns auch in anderen Bereichen begegnet, etwa der Umweltwissenschaft. (Fehl)Entwicklungen werden von einschlägigen Wissenschaftlern früh diagnostiziert, in Fachkreisen vorgetragen und beklatscht, in Sammelwerken und Zeitschriften publiziert, doch wirkmächtig werden die Mahnungen in der Gesellschaft und Öffentlichkeit nicht oder erst viel später, wenn die prognostizierten Entwicklungen eingetreten sind.

Das alphabetische Personenregister irritiert; listet es doch neben den in den Texten behandelten Personen, wie etwa Diemer, Eppelsheimer, Kant oder Lafontaine, auch solche auf, die lediglich in Zitaten oder Anmerkungen als Autoren auftauchen, wie etwa Dahlberg, Kunz, Nacke oder Pietsch. Dennoch liefert die Liste der Namen ein hinreichend treffendes Abbild des Personenkreises, der zu den geistigen oder persönlichen Wegbegleitern des Informationswissenschaftlers Henrichs zählt.

Hingegen ist das Sachregister eine tatsächlich sachkundig und mit Verstand zusammengestellte Suchhilfe. Es unterscheidet sich wohltuend von den in jüngerer Vergangenheit immer häufiger anzutreffenden sogenannten Sachregistern, die in Wirklichkeit nur Fundstellenverzeichnisse ausgewählter Textwörter sind.

Das Buch ist sorgfältig ediert und hochwertig mit Lesebändchen ausgestattet, kleinere Fehler (etwa das Erscheinungsjahr 1955 für eine Veröffentlichung von Kuhlen, S. 71) oder die Verwechslung von dass und das (z. B. S. xii) lassen einen zwar kurz stolpern, trüben das Lesevergnügen aber keineswegs.

Wünschenswert wäre es, dass jüngere Leserinnen und Leser durch die Lektüre erkennen, dass Wissenschaftlichkeit sich in klarer Gedankenführung und präziser Formulierung ausdrückt, ohne dass Amerikanismen als vermeintliche Fachtermini herhalten müssen. Doch interessiert ein solches Kompendium unsere jungen Kolleginnen und Kollegen überhaupt, muss es sie interessieren? Demotiviert es vielleicht sogar den einen oder die andere, zu lesen, dass das, was man als neuen Einfall zu haben glaubt, schon Dekaden zuvor beschrieben worden ist? Bisweilen beschlich die Rezensentin beim Lesen der Verdacht, dass sich ihre Begeisterung für diesen Band aus ihrer Zeitzeugenschaft speist. Doch Zukunft braucht Herkunft, heißt es, und die Informationswissenschaft kann aus solchen Büchern sicherlich Selbstvergewisserung gewinnen, zumal in Zeiten, wo sie ausgerechnet in Düsseldorf einer unsicheren Zukunft entgegen sieht.

Den Herausgebern und dem Verlag gebühren Lob und Anerkennung für diese mutige Initiative, in Vergessenheit geratene Veröffentlichungen neu zugänglich zu machen. Dem Buch wünsche ich eine große Leserschaft, gerade in der jungen Generation von Informationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie in der Wissensorganisation Tätigen – und den notwendigen Verkaufserfolg.

Die Googleisierung der Informationssuche. Suchmaschinen zwischen Nutzung und Regulierung. Birgit Stark, Dieter Dörr, Stefan Aufenanger (Hrsg.). – Berlin; Boston: de Gruyter Saur, 2014. (Medienkompetenz; Bd. 10) VI, 327 S., ISBN 978-3-11-033821-8, 79,97 Euro.

Was für ein sperriger Titel für ein schmerzlich bekanntes Phänomen – und das noch zu einem beim Verlag DeGruyter gewohnt gehobenen Preis! Hält der Titel was er verspricht, ist das Werk für eine Rezeption zu empfehlen? Ist dessen Preis den Kauf wert? Bevor diese Fragen beantwortet werden: Worum geht es eigentlich in dem vorliegenden Sammelwerk?

Bestandsaufnahme

Auf gut 300 Seiten betrachten die Autoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen die „Gatekeeperfunktion“ von Suchmaschinen und deren Auswirkungen auf die Benutzer und die Gesellschaft. Ausgehend von der Analyse des Verhaltens verschiedener Nutzergruppen werden mögliche Regulierungsoptionen und eine Einordnung aus medienpädagogischer Sichtweise unternommen. Das Maß aller Suchmaschinen ist dabei Google. Untersucht wird, welche Auswirkungen die Firmenpolitik auf das freie Mediensystem hat und welches Gefahrenpotenzial für den freien Informationszugang besteht. Wie verhält sich Suchmaschinenkompetenz zu den allgemein anerkannten Prinzipien der Informationskompetenz? Damit bewirbt der Verlag die Zielrichtung des vorliegenden Werkes.

Kern des Sammelbandes bilden Beiträge und Ergebnisse des Forschungsschwerpunkts Medienkonvergenz der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz aus dem Jahr 2013. Ziel des interdisziplinären Vorhabens war es, „die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Medienevolution, ihre kulturellen Potenziale und kreativen Möglichkeiten kritisch zu erfassen und wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die durch die Medienkonvergenz induzierten Veränderungsprozesse könnten nur im interdisziplinären Verbund adäquat erforscht werden.“ Beiträge lieferten das Team um Prof. Stefan Aufenanger aus der Erziehungswissenschaft sowie Vertreter weiterer geistes- und sozialwissenschaftlich orientierter Medienfächer der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Abgerundet wurde der Band durch einige Gastautoren.

Das Buch umfasst sieben Beiträge zum Themenbereich Such- und Auswahlverhalten im Internet und vier Beiträge, die die gesellschaftlichen und medienrechtlichen Randbedingungen untersuchen und konkrete Handlungsempfehlungen aussprechen.

Die Richtung des Buches gibt Birgit Stark vor. „Die Macht von Google und die Ohnmacht der Nutzer und Regulierer“ steht im Zentrum ihres Eröffnungsbeitrags. Anhand einschlägiger Fälle illustriert sie die Monopolstellung von Google bei der Suche im Web. Dies legitimiere, von der Googleisierung der Informationssuche zu sprechen. Aus Nutzersicht ist Google der Türöffner ins Web. Wenig ausgeprägt sei aber die Kompetenz der Nutzer im Umgang mit Suchmaschinen, ja, und kaum Beachtung fände dieses Kompetenz-Defizit in der Forschung! Den Trefferlisten würde „Objektivität und Neutralität“ zugesprochen. Das eigene Suchverhalten mittels Google würde kaum in Frage gestellt, solange „vernünftige“, plausible Resultate erscheinen. Zusammengenommen stellt Stark fest, dass Nutzer aller Alters- und Bildungsschichten ein schwaches Problembewusstsein für die Belange der Informations- und Meinungsvielfalt sowie die Wirkungsmechanismen und Übermacht von Google et al. haben. Diese Machtposition von Suchmaschinen wird aus kommunikationspolitischer Sicht von der Autorin als äußerst kritisch bewertet, eine Neuregulierung wird aus rechtlicher Perspektive unvermeidlich.

Als Ansatzpunkte einer sinnvollen Regulierung – und hier zitiere ich die Autorin im Original – identifiziert die Mainzer Studie drei zentrale Orientierungspunkte: „Neutralität, Transparenz und Kompetenz“. Neutralität bezeichnet gleiche Chancen auf aussichtsreiche Rankingplätze in Trefferlisten für alle Anbieter von Webinhalten. Um den Nutzern eine solche neutrale Auswahl aus dem gesamten Angebotsspektrum zu ermöglichen, dürften nach Birgit Stark Suchmaschinenbetreiber keinen Einfluss auf das Ranking von Suchergebnissen nehmen. Transparenz ziele auf die hinreichende Offenlegung der Funktionsweise von Suchmaschinen, um interne und externe Manipulationen und Verfälschungen der Trefferlisten erkennen zu können. Die Manipulationsgefahr müsse auch stärker in das Bewusstsein der Nutzer rücken. Kompetenz ziehe in Betracht, dass die größtmögliche Vielfalt im Internet wirkungslos bleibt, wenn Nutzer keinen Gebrauch von ihr machen. Die Stärkung der Medienkompetenz könne dieses Risiko mindern, indem Nutzer auf ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und ihre Eigenverantwortung hingewiesen werden. Dafür müssten die Suchmaschinenanbieter in die Pflicht genommen werden. Diese drei Kriterien solle der Gesetzgeber bei der Erarbeitung entsprechender Handlungsoptionen berücksichtigen. Anspruch einer künftigen Regulierung müsse es sein, die Meinungsvielfalt zu sichern, ohne unverhältnismäßig in den Wettbewerb und die dynamischen Entwicklungsprozesse der digitalen Medien einzugreifen.

Diese zentralen Thesen werden durch die weiteren Beiträge des Sammelbandes beleuchtet:

Birgit Stark et. al. zeichnen mit den Ergebnissen von standardisierten Gesprächen und einer repräsentativen Befragung deutscher Internetnutzer zwischen 16 und 82 Jahren das Bild des Nutzerverhaltens im Such- und Auswahlprozess sowie die Erwartungen an Suchmaschinen. Dirk Lewandowski et al. beschreiben, wie Nutzer im Suchprozess zwischen technischer Unterstützung und interessengeleiteter Darstellung gelenkt werden. Pascal Jürgens et al. analysieren die Personalisierung von Suchergebnissen und der „Filter Bubble“ (Die Nutzer bekommen nur das zu sehen, was zu ihrem Profil passt). In einem englischsprachigen Beitrag aus Kanada untersuchen Anabel Quan-Haase und Lori McCay-Peet die Rolle der zufälligen, unerwarteten Rechercheergebnisse („serendipity“) im Rahmen intendierter zielgerichteter Informationssuchen.

In den beiden folgenden Beiträgen untersuchen Stefan Aufenanger und Tabea Siebertz – aufbauend auf dem Konzept der Informationskompetenz – in einer Experimentalstudie anhand konkreter Suchaufgaben die kognitiven Fähigkeiten der Nutzer. Es tritt der Zwiespalt zwischen der Selbsteinschätzung der Teilnehmer und den tatsächlich vorhandenen Kompetenzen zutage. Friederike Siller und Jasmin Bastian analysieren das Suchverhalten von Kindern und Jugendlichen und machen Vorschläge zur Verbesserung ihrer Informationskompetenz.

„Ideologie des Algorithmus – Wie der neue Geist des Kapitalismus Suchmaschinen formt“, Astrid Mager betrachtet die „enge Verknüpfung von Suchtechnologie und kapitalistischer Gesellschaft“ und das „heterogene Netzwerk an Akteuren und Interessen, die an der Verhandlung von Suchtechnologie beteiligt sind“.

„Gibt es ein öffentliches Interesse an einer alternativen Suchmaschine?“ Hans Hege und Eva Flecken diskutieren die Frage, ob Suchmaschinen (insbes. Google) reguliert werden müssen. Gibt es vielleicht einen „Markt“ für eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine? Der Berliner Anwalt Ansgar Koreng betrachtet in seinem Beitrag „Netzneutralität und Meinungsmonopole“ Erstere und Sicherung von Vielfalt als informationsrechtliche Prinzipien.

Der letzte Beitrag von Dieter Dörr und Simon Schuster nimmt die Aufgabenstellung von Birgit Stark und den Untertitel des Sammelbandes „Suchmaschinen im Spannungsfeld zwischen Nutzung und Regulierung“ auf. Er unternimmt die rechtliche Bestandsaufnahme und zeichnet die Grundstrukturen einer Neuregelung. „Dont’t be evil“: Der vorliegende Sammelband hinterfragt mit seinen Befunden diesen Anspruch von Google – letztlich mit einem kritischen Fazit des Geschäftsgebarens.

Bewertung und Lese/r-Empfehlung

Sowohl in der fachlichen Breite als auch der inhaltlichen Tiefe spannen die Beiträge den Bogen der „Suchmaschinen zwischen Nutzung und Regulierung“ und erfüllen damit die Erwartungen der interessierten Leser. Obwohl schon drei Jahre alt – im schnelllebigen Webzeitalter schon fast eine Ewigkeit – sind die Inhalte und Botschaften dieses Bandes höchst aktuell: Googles zahllose Interventionen in der analogen Welt mit Drohnen, selbstfahrenden Autos, Nano-Pillen (FAZ, 1.11.2015) und der möglichen Kooperation mit Pharmafirmen oder das Engagement mit Verlagen im Online-Journalismus (FAZ, 27.04.2015) zeigen, dass der amerikanische Internet-Konzern schon weit über das Informationsmonopol hinausgreift, zum Meinungsbildner zwischen Fachinformation und Verschwörungstheorie wird und damit tief in die Lebenswelt und die Alltagswahrnehmung jedes Bürgers hineindenkt. Umso wichtiger und wertvoller die Analysen und Empfehlungen des vorliegenden Bandes und die Schlüsse für den aufgeklärten „Digitalisten“.

Und trotzdem: Das World Wide Web hat wie kein anderes Medium die Art und Weise beeinflusst, wie wir recherchieren und uns informieren. Google wurde zum Synonym für Suchen im Internet in Wissenschaft und Wirtschaft, in Bildung und im Alltagsleben! Mit keiner anderen Innovation ist in den letzten Jahren eine so durchschlagende Schaffung von Wahrnehmung und Interesse an Suchthemen im Web gelungen!

Über einzelne Inhalte des Buches ließe sich streiten: Für Stefan Aufenanger und Tabea Siebertz kann in ihrem Beitrag Informationskompetenz als Teil von Medienkompetenz verstanden werden. Der Rezensent dieses Buches sieht es differenzierter: Die miteinander konkurrierenden Begriffe entwickelten sich in unterschiedlichen Arbeitsfeldern, einmal der Medienpädagogik und zum anderen in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Während Medienkompetenz sich vor allem pädagogisch akzentuiert und dabei Identitätsbildungs- und Sozialisationsprozesse ebenso in den Mittelpunkt stellt wie Konzepte zur Gestaltung eigener Medienproduktionen, betont das Konzept der Informationskompetenz die souveräne Nutzung von Informationsangeboten, insbesondere des Internets.

Sehr hilfreich sind für den Leser die Literaturhinweise nach jedem Kapitel und das Autorenverzeichnis zum Schluss. Im Stil sind die Beiträge verständlich und gefällig geschrieben. Die einzelnen Beiträge sind in sich abgeschlossen und im Einzelvergleich weitgehend „wiederholungsfrei“. Die Hardcover-Version ist ansprechend gestaltet und liegt gut in der Hand.

Den Genuss trübt der Verzicht auf die deutsche Übersetzung des kanadischen Beitrages. Schmerzlich vermisst wird zudem ein Sachregister– ein Muss, gerade vor dem Hintergrund, dass eine interdisziplinäre Lesergemeinschaft effizient an die Thematik des Bandes herangeführt werden soll. Es ist für den Rezensenten unerklärlich, dass solche Qualitätsmerkmale professioneller Lektoratsarbeit bei einem renommierten Fachverlag und bei diesem stolzen Preis nicht erwartet werden können.

Zusammenfassend und um eine der Eingangsfragen zu klären: Es lohnt die intensive Beschäftigung mit diesem Werk! Das Buch wird den größeren Fachbibliotheken sowie den Fakultäten an Hochschulen oder weiteren Forschungseinrichtungen, die sich mit den sozialen, kulturellen, politischen, ökonomischen und rechtlichen Folgen der Digitalisierung der Medien und des Nutzungsverhaltens beschäftigen, zum Erwerb empfohlen.

Das Sketchnote Handbuch: Der illustrierte Leitfaden zum Erstellen visueller Notizen. Mike Rohde. Übersetzung aus dem Englischen von Claudia Herling – Heidelberg u. a.: mitb, 2014. XIV, 207 S. zahlreiche Abb. ISBN 978-3-8266-8203-2, 24,99 Euro.

Im Kern ist dieses durch und durch anschaulich bebilderte Buch ein Plädoyer dafür, Vorträgen und Präsentationen gut vorbereitet und hoch konzentriert zu folgen, die wesentlichen Gedanken und Aussagen herauszufiltern und diese als Kombination aus kleinen Zeichnungen, strukturierenden Bild-Elementen und typographisch gestalteten handschriftlichen Texten in Druckschrift festzuhalten. „Sie müssen sich (...) voll und ganz auf die Präsentation konzentrieren, um entscheiden zu können, welche Schlüsselinformationen es wert ist, festgehalten zu werden“ (S. 125), besser könnte man das Postulat an jeden Informationsprofi, die Dokumentationswürdigkeit von Informationen zu bestimmen, bevor man sie speichert, kaum allgemeinverständlich formulieren. Das in sieben Kapitel didaktisch gut gegliederte Buch präsentiert seinen Inhalt nicht in herkömmlichem Satz, sondern als Abfolge von Illustrationen. Es ist gespickt mit zahlreichen anregenden Beispielen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Zeichnen und zur Gestaltungen von Schriftzügen, die an Graffiti denken lassen. Eine Sketchnote erinnert ein wenig an verbreitete Präsentationsformen in den 1970er und 1980er Jahren, den Zeiten vor PC und PowerPoint, bei denen am FlipChart parallel zum Vortrag wesentliche Gedanken und ihre Zusammenhänge sukzessive in Wort und Bild dokumentiert und visualisiert wurden. Das Wort „Sketchnotes“ ist eine 2006/2007 vom Autor Mike Rohde geprägte Bezeichnung für den Prozess, bei dem Rezipienten ihre persönliche Interpretation der wesentlichen Essenz einer Präsentation in kreativer Weise mit einem Mix aus Wörtern, Zeichnungen und Typografie notieren und dieses Kritzel-Blatt ggf. anderen zugänglich machen, vielleicht generell eine bedenkenswerte Form der Informationsvermittlung. Inzwischen hat die Bewegung eine weltweite Anhängerschaft, für deren Austausch der Autor eine Flickr-Gruppe eingerichtet hat und den Blog The Sketchnote Army unterhält. Mike Rohde selbst ist als Grafik-Designer beruflich im Bereich User Interfaces, User Experience, Visual Design und Icon Design für mobile und Web-Anwendungen tätig, alles Bereiche, die für Information Professionals kein unbekanntes Terrain sein sollten.

Das für den German Design Award 2016 nominierte Buch ist ursprünglich in den Vereinigten Staaten von Amerika in englischer Sprache erschienen und enthält daher wie im angloamerikanischen Raum üblich ein erfreulich ausführliches und gut strukturiertes Sachregister. Angenehm, dass die Übersetzerin nicht dem vielfach beobachteten Missverständnis erlegen ist, das englische you mit du zu übersetzen, sondern korrekt mit Sie. Etwa die Hälfte der abgebildeten Kritzel-Notizen enthalten Texte in englischer Sprache. Auf etlichen Übungsseiten im Buch kann man einfach anfangen und sich eine kleine Bibliothek aus einfachen Zeichnungen und Druckschriftproben anlegen. Mit 24,99 Euro ist das Buch durchaus erschwinglich und sollte in keiner Bibliothek eines informationswissenschaftlichen Fachbereichs fehlen.

Die ersten Suchmaschinen. Adressbüros, Fragämter, Intelligenz-Comptoirs. Anton Tantner. – Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 2015. 176 S., ISBN 978-3-8031-3654-1, 19,90 Euro.

Das Bedürfnis Informationen zu ordnen und Verzeichnisse anzulegen und die Überzeugung, dass sich das, was man gerade sucht, doch bestimmt irgendwo finden ließe, begleitet die Menschheit schon viele Jahrhunderte, aber auch die sich daraus ergebende Chance, Informationsvermittlung als Geschäftsmodell zu erkennen und aufzuziehen. Dies erzählt uns der Historiker Anton Tandler in der gekürzten und überarbeiteten Fassung seiner 2012 an der Universität Wien angenommenen Habilitationsschrift in flüssigem, anschaulichem Stil. Es geht um die Vorläufer von Vermittlungs- oder Nachweisdiensten jedweder Art, von Messen und Börsen, Tausch- und Verkaufsplattformen, Innovationsberatungsstellen und Maklern. Insofern ist der Titel „Die ersten Suchmaschinen“ etwas zu eng geführt, es geht eher um die Vorläufer von Diensten wie Helping, ebay, Blablacar, Airbnb oder Dating Plattformen. Die Bezeichnung „Intelligenz“ im Untertitel wird hier nicht im Sinne geistiger Stärke oder Denkfähigkeit, sondern wie das Intelligence im Angloamerikanischen für Nachrichtendienst und Markt-Aufklärung verwendet. So waren denn auch die Intelligenzblätter, die bald von den ersten Adressbüros herausgegeben wurden, um potentielle Kunden unabhängig von einem Besuch des Comptoirs über Angebote und Gesuche in Kenntnis zu setzen, frühe Formen der Anzeigenblätter. Die Vermittlung selbst basierte auf kostenpflichtig geführten Registern in den Niederlassungen selbst.

Es ist erhellend zu lesen, wie auch schon die frühen Informationsvermittler versucht haben, einen Gebietsschutz durchzusetzen und wie sie ihre Wertschöpfung im Laufe der Zeit von reinen Adressauskünften in der frühen Neuzeit zu umfangreichen Beratungs- und Vermittlungsinstanzen, sogar gepaart mit Verkaufsaktivitäten, in den europäischen Metropolen und Handelsplätzen entwickelt haben.

Das Buch ist reichlich gespickt mit 568 Anmerkungen und Quellenbelegen, die kompakt am Ende des Textes abgedruckt sind und den Lesefluss daher nicht beeinträchtigen. Im 13-seitigen Literaturverzeichnis finden alle, die sich in das Thema weiter vertiefen möchten, vielfältige Anknüpfungspunkte.

Wer wieder einmal entspannt in einem bibliophil gestalteten handlichen Buch schmökern möchte und dabei noch allerhand Interessantes und Kurioses über die Anfänge von kommerzieller Informationsvermittlung, Erfinderberatung, Auskunftsdiensten, Amtsblättern, Handelsregistern, Referraldiensten und Vermittlungs-Apps entdecken will, dem sei dieses preiswerte Buch als dem Verlag Klaus Wagenbach wärmstens empfohlen.

Schule der Indexierung: eine lehrpraktische Unterweisung. Eduard Rubenowitsch Sukiazjan. Übersetzt und für das Deutsche bearbeitet von Thomas Weinhold. – Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2016, 142 S. ISBN 978-3-945610-30-5, eBook 14,90 Euro

Der Titel resultiert aus der monographisch überarbeiteten Zusammenfassung von aufeinander aufbauenden Zeitschriftenartikeln aus den Jahren 2004 bis 2005. Der Autor Eduard Rubenowitsch Sukiazjan zählt zu den führenden Bibliothekswissenschaftlern der Sowjetunion / GUS.[1]

Es muss hervorgehobenen werden, dass Weinhold die Übersetzung als wissenschaftlich sehr nützliche „Freizeitbeschäftigung“ realisiert hat. Zum Einen, um an notwendige Aufmerksamkeit für die russische Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu erinnern, zum anderen, um der Indexierung in ihrer vielfältigen Komplexität größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auch der Rezensent ist der Meinung, dass in einer umfassenderen Indexierung heute und auch morgen beachtliche Reserven für eine bessere Informationserschließung liegen. Speziell an der Thematik interessierte Studenten können sich in dem – allerdings nicht leicht zu lesenden – Text einen Überblick zu den vielfältigen relevanten Aspekten verschaffen. In folgenden neun Kapiteln wird die Thematik umfassend abgehandelt:

  1. Einführung in die Indexierung von Dokumenten

  2. Standardisierung in der Indexierung

  3. Allgemeine Anforderungen an Dokumentationssprachen

  4. Klassifikationsbezogene Dokumentationssprachen. Die Tabellen einer Klassifikation

  5. Klassifikationssprachen. Reglementiert nach dem (russischen) Staatlichen Standard 7.59–2003

  6. Dokumentationssprachen des Schlagworts: Wörterbücher und Listen; Schlagwortrubriken

  7. Dokumentationssprachen der der koordinierenden Indexierung: Deskriptorenwörterbücher und Thesauren

  8. Technologische Prozesse der Indexierung

  9. Dokumentationssprachen in Modellen

In Anhängen wird u. a. der Staatliche Standard der UdSSR 7.66–92 ebenso aufgeführt wie andere einschlägige Standards zum Informations-, Bibliotheks- und Verlagswesen.

Von besonderem Interesse könnten die Tabellen der Bibliothekarisch-Bibliographischen Klassifikation sein. Diese wurden zwar einst vom Methodischen Zentrum für wissenschaftliche Bibliotheken beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (MZ) der DDR übersetzt, dürften aber heute in deutschen Bibliotheken kaum noch vorhanden sein. Die Bibliothekarisch-Bibliographische Klassifikation wurde seit 1959 in der UdSSR eingeführt und wird auch heute noch in den russischen Bibliotheken, z. B. der Russischen Staatsbibliothek Moskau (ehemalige Lenin-Bibliothek) in einer überarbeiteten Form genutzt. Die durch die gesellschaftlichen Veränderungen bewirkten Überarbeitungen der BBK sind interessante Beispiele für den Einfluss unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen auf die inhaltliche Erschließung. Die BBK verstand sich als eine auf marxistisch-leninistischer Theorie erarbeitete Klassifikation. Heute steht Marxismus-Leninismus nicht mehr an der ersten Position, sondern ist der Philosophie untergeordnet worden. Nun, in alten bibliothekarischen Sachkatalogen kann man die Religion auch noch an erster Stelle finden.

Interessierte Kolleginnen und Kollegen können die besprochene Monographie als aktuellstes deutschsprachiges Nachschlagewerk zu russischen Fachstandards nutzen. Der Übersetzer hat zudem ein in der russischen Ausgabe fehlendes Stichwortregister neu erarbeitet. Für den Rezensenten ist es ein alter Wunschtraum, die Titel von Büchern und Artikeln mit Hilfe von Klassifikationen sehr aussagekräftig zu gestalten. Auf das Informationsangebot im heutigen Internet übertragen, wäre dies der Wunsch, dort ebenfalls Indexierungen vorzunehmen. Sie sind jedenfalls durch das Internet nicht obsolet geworden.

Online erschienen: 2016-5-3
Erschienen im Druck: 2016-5-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 22.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/iwp-2016-0027/html
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