Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
das vorliegende InfoDaF-Heft, das aus den ausgewählten Beiträgen der 49. Jahrestagung Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Kassel mit dem Motto „Kassel – mittendrin in DaF und DaZ“ entstanden ist, trägt den Titel „Transformationen in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: ‚mittendrin‘ in Theorie, Praxis und Digitalisierung“ und spiegelt unser Anliegen wider, den Blick auf neue Horizonte im Bereich des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache zu richten sowie aktuelle Forschung und Praxis zusammenzubringen.
Die einzelnen Beiträge repräsentieren die facettenreiche thematische Retrospektive des Faches DaF/DaZ, die in der aktuellen Forschungs- und Unterrichtspraxis, unter anderem angesichts zunehmender digitaler Transformationen und veränderter gesellschaftlicher Bedingungen, relevant sind. Sie adressieren sowohl theoretische Überlegungen als auch praktische Ansätze und betonen die Bedeutung der Digitalisierung im Kontext DaF/DaZ: von den Anforderungen und Chancen, die Krisen für das Theorie- und Praxisfeld DaF/DaZ mit sich bringen, über die Agilität in der DaF/DaZ-Ausbildung in Zeiten der Digitalisierung, die Professionalisierung der Lehre im digitalen Raum, die Didaktik des Schreibens oder die Rolle der gesprochenen Wissenschaftssprache in der Studienvorbereitung sowie die Untersuchung mündlicher Phänomene in der Wissenschaftssprache und die Beurteilung mündlicher Kompetenzen im DaF/DaZ-Unterricht bis zu gendersensiblen Ansätzen in der Grammatikvermittlung. In dieser Themenvielfalt findet sich die Dynamik des DaF/DaZ-Feldes wieder, das von kontinuierlicher Entwicklung und Veränderung geprägt ist. Jeder Beitrag fördert einen offenen Dialog, der auf den Austausch von Wissen und Erfahrungen setzt. Dabei beschäftigen sich die Beiträge aus verschiedenen theoretischen Perspektiven samt unterschiedlichen methodischen Zugängen mit Fragen der Forschung und Praxis in DaF und DaZ. Im Folgenden ein zusammenfassender Blick auf die einzelnen Beiträge.
Bärenfänger eröffnet das Heft mit einem Debattenbeitrag und der Frage, wie das Theorie- und Praxisfeld DaF/DaZ auf Krisen reagieren kann und in Zukunft reagieren sollte. Er gibt zunächst einen historischen Umriss, zeigt konkrete Beispiele und daraus resultierende schicksalhafte Entwicklungen sowie massive Auswirkungen auf jede und jeden Einzelnen. Anschließend werden exemplarisch Kernelemente für eine diesbezügliche Positionierung herausgearbeitet, unter anderem unter Einbezug einzelner Ansatzpunkte für die übergeordnete Maxime der Agilitätstheorie, die von den SIPRI-Autorinnen und -Autoren angesichts ihrer Zeitdiagnose in drei Worten formuliert wurde: „Expect the Unexpected.“
Wulff und Häusler greifen in ihrem Diskussionsbeitrag den bereits von Bärenfänger eröffneten Diskurs auf. Sie resümieren den fachlichen Austausch über digitale Medien und digitale Kompetenzen, ziehen eine Zwischenbilanz erster Erfahrungen und Erkenntnisse aus der pandemiebedingten Online-Lehre und skizzieren abschließend mögliche Handlungsschritte im Sinne einer agilen DaF/DaZ-Ausbildung im Kontext der zunehmenden Digitalisierung.
Drumm berichtet ebenfalls über die ausnahmebedingte Herausforderung, Inhalte des DaZ-Moduls online und asynchron an die heterogene Studierendenschaft zu vermitteln, und fokussiert daraus entstandene Lernpfade (LP), eine Kombination aus internetbasierten, sequenzierten Lerninhalten und Selbstlernaufgaben. Des Weiteren werden im Beitrag die Ergebnisse einer Studie diskutiert: Wie setzen sich die Studierenden mit den digitalen Inhalten auseinander, welche Lernmöglichkeiten nehmen sie wahr und wie nutzen sie diese?
Marx diskutiert auf der Grundlage einer kritischen Analyse von Schreibaufgaben ausgewählter moderner DaF-Lehrwerke und -Prüfungen ein Versäumnis der kommunikativen Schreibdidaktik – Vernachlässigung der Sprache der Distanz – und somit die Gefahr einer unzureichenden Vorbereitung auf akademische und berufliche Kontexte.
Peyer, Lüthi und Ravazzini beleuchten in ihrem Beitrag formative Beurteilungspraktiken der DaF-Lehrpersonen der Sekundarstufe I in Bezug auf die Sprechkompetenz und ihre Begründung. Aus Unterrichtsbeobachtungen und retrospektiven Interviews geht hervor, dass die Lehrpersonen aus Zeitgründen kaum individuelle Rückmeldungen auf Sprechleistungen geben, implizite Korrekturen wie Recasts vorziehen und sich bemühen, Peer-Feedback und Selbstkorrekturen zu fördern, da diese als weniger demotivierend erachtet werden.
Wallner und Schwendemann untersuchen Mündlichkeit in wissenschaftlichen Vorträgen von Sprecherinnen und Sprechern mit Deutsch als L1 aus dem GeWiss-Korpus und vergleichen diese mit Interaktionsdomänen aus dem Forschungs- und Lehrkorpus Gesprochenes Deutsch (FOLK). Zudem analysieren sie ausgewählte Mündlichkeitsphänomene wie Abweichungen von der Standardlautung und die Verwendung von Modalpartikeln in wissenschaftlichen Vorträgen.
Stezano Cotelo und Schilling setzen sich in ihrem Beitrag zum einen auf der Grundlage der Datenbank Gesprochenes Deutsch (DGD) mit der Frage auseinander, welche diskursiven Merkmale charakteristisch für die Wissensvermittlung in Einführungsvorlesungen sind, um daraus die sprachlichen Anforderungen an die Rezeption abzuleiten. Zum anderen werden diese Charakteristika mit Lehr-LernMaterialien zum Hörverstehen aus der Studienvorbereitung verglichen.
Lipsky legt in ihrem Beitrag den Fokus auf gendersensible Grammatik und zeigt abschließend, wie zahlreiche für die Personenreferenz relevante Grammatikthemen im DaF/DaZ-Unterricht so vermittelt werden können, dass die Rolle von Genus beim Verweis auf Geschlecht (Sexus) und auf Gendervorstellungen erkennbar wird.
Mit den hier vorgestellten Beiträgen möchten wir einen vielfältigen Diskurs anregen, der sowohl den wissenschaftlichen Austausch als auch die Unterrichtspraxis bereichert und zu einer kritischen Reflexion anregt. Wir laden Sie herzlich zur Lektüre ein und hoffen, dass die hier diskutierten Perspektiven dazu beitragen, den DaF/DaZ-Bereich in Theorie und Praxis weiterzuentwickeln und die Digitalisierung als Chance zu begreifen.
Mit dieser Vielfalt an Beiträgen wird ein weiterer Schritt unternommen, empirische und theoretische Forschung auf den Praxisalltag der Lehrenden und Lernenden in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zu beziehen, die entsprechende Forschung erneut zu durchleuchten und so den wissenschaftlichen Diskurs um Prinzipien und daraus abgeleitete Operationalisierungsschritte kritisch zu hinterfragen und gezielt zu modifizieren.
Wir danken allen Autorinnen und Autoren herzlich für das Engagement und die Unterstützung bei der Arbeit an dem Heft und wünschen den Texten einen breiten Leserkreis!
Nadja Wulff, Anja Häusler und Irina Völz
Freiburg, Bochum und Kassel im Oktober 2023
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Frontmatter
- Vorwort
- Allgemeiner Beitrag
- „Expect the Unexpected“: Wie kann das Theorie- und Praxisfeld DaF/DaZ auf Krisen reagieren? Ein Debattenbeitrag
- Agilität in der DaF/DaZ-Ausbildung im Kontext der Digitalisierung
- Asynchrone Lernpfade in der Lehrkräftebildung Deutsch als Zweitsprache
- Schreiben im DaF-Unterricht – kommunikative Ziele auf dem Prüfstand
- Formative Beurteilung des Sprechens im DaF-Unterricht: Praktiken und Überzeugungen von Lehrpersonen der Sekundarstufe I
- Mündlichkeitsphänomene in der gesprochenen Wissenschaftssprache: Korpuslinguistische Befunde und didaktische Perspektiven
- Gesprochene Wissenschaftssprache: Die Vorlesung als Gegenstand der Studienvorbereitung?
- Gendersensible Grammatik: Vorschläge zur Vermittlung von Genus und Personenbezeichnungen
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Frontmatter
- Vorwort
- Allgemeiner Beitrag
- „Expect the Unexpected“: Wie kann das Theorie- und Praxisfeld DaF/DaZ auf Krisen reagieren? Ein Debattenbeitrag
- Agilität in der DaF/DaZ-Ausbildung im Kontext der Digitalisierung
- Asynchrone Lernpfade in der Lehrkräftebildung Deutsch als Zweitsprache
- Schreiben im DaF-Unterricht – kommunikative Ziele auf dem Prüfstand
- Formative Beurteilung des Sprechens im DaF-Unterricht: Praktiken und Überzeugungen von Lehrpersonen der Sekundarstufe I
- Mündlichkeitsphänomene in der gesprochenen Wissenschaftssprache: Korpuslinguistische Befunde und didaktische Perspektiven
- Gesprochene Wissenschaftssprache: Die Vorlesung als Gegenstand der Studienvorbereitung?
- Gendersensible Grammatik: Vorschläge zur Vermittlung von Genus und Personenbezeichnungen