Startseite Phonologische Kompetenz beim auditiven Dekodieren – ein konkretes Beispiel aus dem Bereich der Prosodie
Artikel Öffentlich zugänglich

Phonologische Kompetenz beim auditiven Dekodieren – ein konkretes Beispiel aus dem Bereich der Prosodie

  • Miriam Morf

    studierte Germanistik und Anglistik in Perugia. 2008 spezialisierte sie sich auf die Lehrtätigkeit im Bereich DaF an der Universität Modena und Reggio Emilia und war bis 2019 als Deutschlehrerin in der Sekundarstufe II in Italien tätig. Zurzeit promoviert sie an der Universität Macerata, an der sie von 2014 bis 2019 als Lehrbeauftragte für Deutsch als Fremdsprache gearbeitet hat. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Mündlichkeitsdidaktik und Hörverstehensdidaktik im Fach Deutsch als Fremdsprache.

    EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 16. August 2022
Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill

Zusammenfassung

Ausgehend von der Rolle des Hörverstehens im Fremdsprachenunterricht soll in diesem Beitrag die Bedeutung der phonologischen Kompetenz im Allgemeinen und die der Prosodie im Besonderen für die Erleichterung des auditiven Dekodierungsprozesses veranschaulicht werden. Anschließend wird die neue Skala der phonologischen Kontrolle im Begleitband des GER vorgestellt, die im Gegensatz zur bisherigen Skala auch die suprasegmentalen Aspekte der Sprache betont. Diese spielen in der rezeptiven Phase eine entscheidende Rolle bei der Zerlegung des Sprachstroms in kleinere Bedeutungseinheiten, die im Kurzzeitgedächtnis leichter zu verarbeiten sind und somit den Dekodierungsprozess unterstützen. Schließlich werden Mikro-Hörübungen vorgestellt, die mit authentischem Material erstellt wurden und die rezeptive prosodische Kompetenz in Deutsch als Fremdsprache fördern sollen.

Abstract

Starting from the role of listening comprehension in foreign language teaching, this paper illustrates the importance of phonological competence in general and prosody in particular in facilitating the auditory decoding process. Subsequently, the new phonological control scale in the companion volume of the CEFR is presented, which, in contrast to the previous scale, also emphasises the suprasegmental aspects of language. These are crucial in the receptive phase to break down the flow of language into smaller units of meaning, which are easier to process in short-term memory and thus support the decoding process. Finally, micro listening exercises are shown, created with authentic material and designed to promote receptive prosodic competence in German as a foreign language.

1 Die Bedeutung des Hörverstehens im Fremdsprachenunterricht

In der alltäglichen Kommunikation ist das Hörverstehen die wichtigste Sprachfertigkeit, da sie am häufigsten verwendet wird, und zwar zu schätzungsweise 45 Prozent im Vergleich zum Sprechen (30 %), Lesen (16 %) und Schreiben (9 %) (Hedge 2000: 228). Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass sich das auditorische System in der pränatalen Phase fertig entwickelt, sodass die Sprachwahrnehmung bereits vor der Geburt vorhanden ist (Klann-Delius 2016: 25–29) und allen anderen Sprachfertigkeiten zeitlich vorangeht (Rost 2016: 109).

Das Hörverstehen ist jedoch nicht nur für den Erwerb der Erstsprache von entscheidender Bedeutung, sondern auch für das Fremdsprachenlernen, da es den ersten Zugang zur Sprache sowohl innerhalb als auch außerhalb eines strukturierten Kontextes wie dem Unterricht ermöglicht (Solmecke 2010: 969). Darüber hinaus setzt die Entwicklung produktiver Fertigkeiten diejenige von rezeptiven Fertigkeiten voraus (Hirschfeld/Reinke 2018: 21–24), da „Sprecher nur das phonetisch korrekt produzieren können, was sie auch zielsprachengerecht perzipieren“ (Richter 2011: 177).

Trotz seiner grundlegenden und vorrangigen Rolle wurde das Hörverstehen von der Fremdsprachendidaktik erst relativ spät als eigenständige sprachliche Fertigkeit entdeckt (Field 2008: 1). Sie ist daher auch die am wenigsten erforschte (Vandergrift 2007: 191) und eine der am meisten unterschätzten Kompetenzen in der Ausspracheschulung. Der Grund dafür besteht darin, dass die Sprachperzeption ein innerer, unsichtbarer und schwer fassbarer Prozess ist (Albano Leoni 2001: 45), eine „sperrige Fertigkeit“ (Dietz 2021 a: 67), die sich einer eindeutigen Beobachtung entzieht. Die Unsichtbarkeit des Hörverstehens hat häufig zu der falschen Annahme geführt, dass es sich dabei um einen passiven Prozess handelt. Das Gegenteil ist der Fall: Das Hörverstehen ist ein komplexer und interaktiver Konstruktionsprozess (Rossa 2012: 3), der gleichzeitig datengesteuerte und wissensgesteuerte Teilprozesse umfasst (Field 2019: 285–288). Erstere sind aufsteigend (bottom up) und umfassen das sprachliche Wissen in den Bereichen Phonetik und Phonologie, Lexik, Syntax und Semantik, da die Bedeutungen von Wörtern und Sätzen aus dem sprachlich-auditiven Material abgeleitet werden. Letztere sind absteigend (top down) und beruhen auf dem Weltwissen, da das Verstehen durch das Vorwissen und die Sinnerwartungen des Hörers bestimmt wird.

Im Vergleich zu den anderen Sprachfertigkeiten ist das Hörverstehen mit einigen Herausforderungen verbunden, die sich aus den Besonderheiten der gesprochenen Sprache ergeben. Diese stellt sich als ein Kontinuum zwischen zwei entgegengesetzten Polen dar. Zum einen gibt es die Hyperartikulation, bei der alle Wörter in ihrer „Zitatform“ (Field 2008: 141) deutlich ausgesprochen und durch Pausen voneinander getrennt werden. Auf der anderen Seite gibt es die Hypoartikulation, die mit ihren verschiedenen Abstufungen der spontan gesprochenen Sprache entspricht (Albano Leoni/Maturi 2018: 23–26). Beim hypoartikulierten Sprechen, das sich als „schnell, hektisch und unordentlich“ (Cauldwell 2018: 13) erweist, gehen Wörter ineinander über; einige Laute werden weggelassen und andere eingeführt, was zu Reduktionsphänomenen wie Assimilationen und Elisionen führt. Die Hörenden sind daher einem schnellen, kontinuierlichen, variablen und mehrdeutigen sprachlichen Input ausgesetzt (Cutler 2012: 33), aus dem sie in Sekundenbruchteilen Wörter oder Bedeutungseinheiten unter Verwendung segmentaler und suprasegmentaler Informationen extrahieren sollen. Während jedoch kompetente Hörende auf der Bedeutungsebene arbeiten und Top-down-Prozesse verwenden, um Äußerungen auf der Grundlage einer automatischen und hocheffektiven Bottom-up-Verarbeitung zu verstärken und zu erweitern, haben Fremdsprachenlernende die Teilprozesse der Bottom-up-Verarbeitung in der Fremdsprache noch nicht automatisiert und setzen daher inferenzielle Strategien ein, um ihre auditiven Dekodierungsdefizite zu kompensieren. Diese sind primär phonetischer und phonologischer Natur (Slembek 1995: 27) und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Schwierigkeiten bei der Nutzung rhythmischer und phonotaktischer Regelmäßigkeiten in der Zielsprache zur Segmentierung des Sprachflusses

  2. Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung von unbetonten Silben und Wörtern sowie bei der Erkennung von reduzierten Formen

  3. Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung und Erkennung von Phonemen der Zielsprache, teilweise aufgrund von Interferenzen mit der Erstsprache, die den Worterkennungsprozess stark beeinträchtigen und verlangsamen

Vor diesem Hintergrund ist es daher notwendig, eine phonologische Kompetenz in der Fremdsprache zu entwickeln, wobei klare Lehr- und Lernziele erforderlich sind.

2 Die Skala der Beherrschung der Phonologie im Begleitband zum GER

Im GER werden die im Fremdsprachenunterricht zu entwickelnden phonologischen Kenntnisse und Fertigkeiten in den Bereichen Rezeption und Produktion in Bezug auf die folgenden Lehr- und Lerninhalte beschrieben (Europarat 2001: 117):

  1. lautliche Einheiten der Sprache (die Phoneme) und ihre Realisierung in bestimmten Kontexten (Allophone)

  2. phonetische Merkmale, die Phoneme voneinander unterscheiden (d. h. distinktive Merkmale wie stimmhaft, nasal, plosiv usw.)

  3. phonetische Zusammensetzung von Wörtern (Silbenstruktur, Phonemfolge usw.)

  4. Prosodie (Akzent, Rhythmus, Intonation)

  5. Reduktionsphänomene (Vokalabschwächungen, starke und schwache Formen, Assimilationen und Elisionen)

Diese Ziele sollten dann auf der Grundlage einer Skala zur phonologischen Kontrolle (vgl. Abb. 1) überprüft werden, die jedoch zahlreiche Schwächen aufwies.

Abb. 1 
					Skala der Beherrschung der Aussprache und Intonation im GER (Europarat 2001: 117)
Abb. 1

Skala der Beherrschung der Aussprache und Intonation im GER (Europarat 2001: 117)

Ein erstes Manko der Skala liegt im Titel (Beherrschung der Aussprache und Intonation), der sich im Vergleich zur viel allgemeineren englischen Version (Phonological Control) als irreführend erweist. Darüber hinaus werden die Begriffe „Aussprache“ und „Intonation“ pleonastisch als Oberbegriffe verwendet, die sich sowohl auf segmentale als auch suprasegmentale Phänomene beziehen (Chudoba 2011: 25). Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Deskriptoren, die sich nur auf die mündliche Produktion der Lernenden und deren Wirkung auf muttersprachliche Hörende beziehen, während die Wahrnehmungsseite der Lernenden völlig ausgeklammert wird (Hirschfeld/Reinke 2018: 15). Dies verstärkt die Vorstellung, dass es im Bereich der Phonetik und Phonologie vorwiegend um die Aussprache und um das Sprechen geht (Dieling/Hirschfeld 2000: 29).

Anzumerken ist auch die Progression zwischen den Sprachniveaus, die unrealistisch erscheint, insbesondere beim Übergang vom B1- zum B2-Niveau. Ab dieser Kompetenzstufe bezieht sich die Skala nicht mehr auf den fremden Akzent der Lernenden, sondern auf eine klare und natürliche Aussprache. Abgesehen von den Implikationen, die die Begriffe „Klarheit“ und „Natürlichkeit“ mit sich bringen und auf einem Modell der muttersprachlichen Kompetenz beruhen, ist anzumerken, dass der fremde Akzent in dieser Skala als Defizit wahrgenommen wird, obwohl empirisch nachgewiesen wurde, dass sein Vorhandensein die Verständlichkeit des Gesagten in den meisten Fällen nicht beeinträchtigt (Harding 2017: 21). Dies führt auf die Kohärenz der Skala zurück, die verschiedene prosodische Phänomene vermischt, ohne klare Hinweise auf die Terminologie zu geben. Es ist nämlich nicht klar, ob der Begriff „Aussprache“, der in den Stufen A1 bis B2 vorkommt, auf die Artikulation von Vokalen und Konsonanten (einzeln und in Gruppen) beschränkt wird. Ebenso ist nicht klar, warum er in den späteren Niveaus nicht mehr erwähnt wird. Die terminologische Unsicherheit betrifft auch den Begriff „Intonation“, der erst ab der Stufe B2 auftritt, während er auch in den vorherigen Niveaus von grundlegender Bedeutung ist. Schließlich ist das Niveau C2 völlig gleichwertig mit dem Niveau C1, während man zumindest in Bezug auf die Wahrnehmung und Entschlüsselung der verschiedenen Varietäten einer Sprache erhebliche Unterschiede erwarten würde.

Angesichts all dieser kritischen Punkte wurde eine Überarbeitung der Skala vorgeschlagen (vgl. Piccardo 2016), da es notwendig war, genaue phonologische Kategorien zu identifizieren, die für jedes Sprachniveau explizit gemacht werden sollen, um so die Festlegung geeigneter Lehr- und Lernziele zu erleichtern. Unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse im theoretischen Bereich und nach Beratung durch Expertinnen und Experten wurden folgende zentrale Bereiche ermittelt, die für die Erstellung der Deskriptoren der neuen Skala von grundlegender Bedeutung sind (Europarat 2020: 158):

  1. Artikulation (d. h. die Aussprache von einzelnen Lauten und Phonemen einschließlich des Grads der Klarheit und Präzision)

  2. Prosodie, die multiparametrische Merkmalskomplexe wie Gliederung, Rhythmus und Betonung umfasst

  3. Akzentuierung (d. h. Betonung in der Aussprache und Abweichungen von einer „Norm“)

  4. Verständlichkeit, die sich aus der Anstrengung der Hörenden ergibt, Äußerungen zu entschlüsseln

Da sich jedoch einige dieser Bereiche teilweise überschneiden (ebd.), haben die durchgeführten Arbeiten zur Erstellung einer neuen Skala geführt, bei der die ersten beiden Bereiche als Grundkategorien der neuen Skala dienen, während die Konzepte der Verständlichkeit und der Akzentuierung Schlüsselfaktoren bei der Unterscheidung der Sprachniveaus darstellen. In der neuen Skala lassen sich drei verschiedene zentrale Kategorien erkennen: Beherrschung der Phonologie im Allgemeinen, Aussprache der einzelnen Laute und prosodische Merkmale (vgl. Abb. 2).

Abb. 2 
					Die ersten Sprachniveaus in der neuen Skala zur Beherrschung der Phonologie im Begleitband zum GER (Europarat 2020: 159)
Abb. 2

Die ersten Sprachniveaus in der neuen Skala zur Beherrschung der Phonologie im Begleitband zum GER (Europarat 2020: 159)

Die erste Kategorie ersetzt die alte Skala vollständig, während mit der Hinzufügung der beiden anderen Kategorien versucht wurde, das Problem der alten Skala zu lösen, die die Teilbereiche der segmentalen und suprasegmentalen Kompetenz uneinheitlich behandelte. Die neue Skala bekräftigt die Bedeutung der Prosodie bereits auf A1-Niveau und beseitigt den in der alten Skala entstandenen Eindruck, dass die Prosodie erst auf höheren Kompetenzniveaus behandelt werden sollte.

Obwohl die neue Skala insgesamt viel umfassender ist, weist sie einige Unstimmigkeiten auf. So richtet sich der Fokus immer noch auf die Produktion und nicht auf die Rezeption der Lernenden, obwohl sich die verwendeten Begriffe auf die Formulierungen beziehen, die in den Skalen zu den verschiedenen Hörmodalitäten verwendet werden (vgl. Europarat 2020: 58–63). Des Weiteren ist anzumerken, dass auf den Sprachniveaus A1 und A2 der Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin nicht als solche/r fungiert, sondern als Modell, als eine kooperierende Person, die den Lernenden unterstützen muss, indem sie Fragen stellt oder die zu imitierenden Laute in angemessener Weise ausspricht (vgl. Abb. 2). Darüber hinaus wird in der Skala für segmentale Kompetenz auf dem Sprachniveau B2 angegeben, dass die Lernenden in der Lage sind, die phonologischen Merkmale unbekannter Wörter aus ihrem Vorwissen zu erschließen. Als Beispiel wird hier die Wortbetonung angeführt (vgl. Abb. 3), die jedoch eindeutig zu den suprasegmentalen Merkmalen gehört (Dahmen 2019: 202).

Abb. 3 
					Auszug aus der Beschreibung des B2-Niveaus (Europarat 2020: 159)
Abb. 3

Auszug aus der Beschreibung des B2-Niveaus (Europarat 2020: 159)

Insgesamt fällt auf, dass es in der neuen Skala im Begleitband wesentlich mehr Kann-Beschreibungen und weniger eindeutig negative Formulierungen gibt als in der alten Skala. Dies vermittelt den Eindruck einer eher kompetenz- als defizitorientierten Einschätzung. Darüber hinaus tragen detailliertere Kategorien für segmentale und suprasegmentale Kompetenzen dazu bei, Lern- und Lehrziele klarer zu formulieren und eine Progression entsprechend der kommunikativen Relevanz bestimmter phonetischer und phonologischer Aspekte zu skizzieren.

Ausgehend von den prosodischen Merkmalsdeskriptoren für die Niveaustufen A1 und A2, die eine verständliche Verwendung prosodischer Merkmale von Alltagswörtern und einfachen Äußerungen vorsehen, wäre es wünschenswert, sich in der auditiven Rezeptionsphase auf Aspekte zu konzentrieren, die das Erkennen solcher Alltagswörter und einfacher Äußerungen ermöglichen. Dazu gehören die Wahrnehmung von Pausen und Rhythmusgruppen, das Erkennen von Intonationsmustern und die Akzentuierung (vgl. Kapitel 4).

3 Suprasegmentalia vor Segmentalia

Obwohl keine Progression der phonologischen Kompetenz festgestellt werden kann, da alle phonetischen Aspekte von Anfang an in der Fremdsprache verwendet werden, gibt es dennoch Aspekte, die eine bestimmte Reihenfolge nahelegen. Das gilt insbesondere zugunsten suprasegmentaler Elemente. Die Prosodie ist nicht nur für die Entwicklung der Sprechfähigkeit wichtig, sondern auch ein Schlüsselfaktor für das Hörverstehen (Richter 2011: 178). Prosodische Elemente übernehmen eine Art „Schaltfunktion“ (Paschke 2000: 10) zwischen Top-down- und Bottom-up-Teilprozessen des Hörverstehens, denn sie vermitteln Informationen über Wortgrenzen, syntaktische Strukturen, Sprecherannahmen und Sprechervoraussetzungen wie auch über Sprechereinstellungen. Darüber hinaus wirken suprasegmentale Elemente regulierend auf einzelne Segmente und sind für die Sprachwahrnehmung notwendig, um die Verständlichkeit zu gewährleisten (Hirschfeld/Reinke 2016: 74). Dies zeigt sich auch daran, dass Abweichungen im segmentalen Bereich von den Hörenden eher toleriert werden als prosodische Abweichungen, da sie im Gegensatz zu Letzteren das Verstehen nicht beeinträchtigen (Dieling/Hirschfeld 2000: 32). Außerdem ist zu bedenken, dass die Konzeptualisierung von Phonemen und Silben immer jener von Wörtern oder Sätzen folgt (Fraser 2014: 30).

Wie die Konzeptualisierung der mündlichen Sprache abläuft, lässt sich an dem Bild Kaninchen und Ente (vgl. Abb. 4) aus der Wochenzeitschrift Fliegende Blätter (1892: 145) verdeutlichen (vgl. Fraser 2014: 30).

Abb. 4 
					Das Bild Kaninchen und Ente mit Details
Abb. 4

Das Bild Kaninchen und Ente mit Details

Sieht man das Bild an, stellt man fest, dass zwei verschiedene Dinge dargestellt sind: ein Kaninchen bzw. eine Ente. Betrachtet man jedoch nur einen Teil des Bildes, wie den im nebenstehenden Rechteck dargestellten, kann man nur auf der Grundlage der zuvor vorgenommenen Konzeptualisierung des Ganzen sagen, dass es sich um die Ohren eines Kaninchens bzw. den Schnabel einer Ente handelt. Das Gleiche geschieht bei der Wahrnehmung gesprochener Sprache, in der das durch das Detail dargestellte segmentale Merkmal erst erkennbar wird, nachdem das ganze Wort oder die ganze Wortgruppe (z. B. Redewendungen oder Chunks) wahrgenommen und konzeptualisiert wurde. Dies spiegelt sich auch in der Theorie wider, wonach sich das phonologische Bewusstsein allmählich von größeren, bedeutungsvollen zu kleineren, bedeutungslosen Einheiten entwickelt (Gillon 2018: 58). Daraus folgt, dass die Hörenden bei der Dekodierung gesprochener Sprache dazu neigen, den Lautstrom in kleinere Bedeutungseinheiten, die einzelnen Wörtern oder Wortgruppen entsprechen, zu zerlegen.

Um die Lautkette in „Phrasierungseinheiten“ (Korth 2018: 13) zu zerlegen, ist es jedoch notwendig, dass die Lernenden das basale phonetisch-phonologische Hören in der Fremdsprache entwickeln (Hirschfeld/Reinke 2018: 132) und damit zunächst sprachspezifische suprasegmentale Elemente, die zur Sprachsegmentierung beitragen, ausreichend erkennen können (Fischer 2007: 10).

4 Dekodierungstraining auf der Grundlage suprasegmentaler Phänomene

Im Folgenden werden einige praktische Übungsbeispiele zum auditiven Dekodierungstraining vorgestellt, die prosodische Aspekte berücksichtigen, die für die Sprachsegmentierung von Bedeutung sind. Dazu gehören insbesondere Gliederung, Rhythmus und Akzentuierung.

Die vorgeschlagenen Aufgaben basieren auf Mikro-Hörübungen (Field 2008: 88), wobei sich das Wort „Mikro“ auf mehrere Faktoren bezieht, wie die Dauer der Aufgabe, die zwischen fünf und maximal zehn Minuten liegt, den begrenzten Umfang des verwendeten Audiomaterials, in dem die zu übenden Phänomene wiederholt auftreten sollen, und die Fokussierung auf einen bestimmten Aspekt des Hörprozesses.

Die Übungen wurden unter Verwendung von authentischem Material erstellt, das aus verschiedenen Quellen ausgewählt wurde. Die erste ist die Website Audiolingua (http://www.audio-lingua.eu), die von der Experimentiergruppe der Abteilung für digitale Pädagogik und Medien (DANE) der Académie de Versailles erstellt wurde. Die Website enthält Audiodateien im MP3-Format, die von muttersprachlichen Sprechenden in verschiedenen Sprachen aufgenommen wurden und nach Sprachniveau gruppiert sind. Alle Tondateien sind für Unterrichtszwecke und private Nutzung lizenzfrei nutzbar und können online angehört oder heruntergeladen werden. Die zweite Quelle ist das Forschungs- und Lehrkorpus Gesprochenes Deutsch (FOLK), das in der Datenbank für gesprochenes Deutsch (DGD) des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim enthalten ist (https://dgd.ids-mannheim.de/dgd/pragdb.dgd_extern.welcome) und 422 Audioaufnahmen mit insgesamt 314 Stunden umfasst (Stand: März 2022). Obwohl die Vorteile der Nutzung des Korpus vielfältig sind (Vorhandensein von Transkriptionen und verschiedenen Suchoptionen), muss gesagt werden, dass die Einschränkungen bei den Nutzungsbedingungen der herunterladbaren Audiodaten, ihre Länge und das Vorhandensein von Maskierungen die Verwendung des Korpus in der DAF-Didaktik erschweren (vgl. Dietz 2021 b: 102).

Zur Bearbeitung der Audiodaten wurde die Software Audacity verwendet, die kostenlos unter https://www.audacityteam.org/download/ heruntergeladen werden kann. Die Bearbeitung der Audiodateien betraf vorwiegend die Länge und damit die Auswahl von Passagen mit einem dem gewählten Sprachniveau entsprechenden Wortschatz.

4.1 Gliederung

Längere Äußerungen werden in der Regel nicht in einem Zug gesprochen, sondern in kleinere Sinneinheiten unterteilt, die als rhythmische Gruppen erkennbar sind (Hirschfeld/Reinke 2018: 65). Dazu verwendet der Sprechende verschiedene Gliederungssignale wie Pausen (still oder gefüllt), melodische Konturen (d. h. steigende und fallende Melodieverläufe) und Änderungen der Geschwindigkeit und Lautstärke.

Die Wahrnehmung von Gliederungssignalen sollte von Anfang an geschult werden, um den Lernenden bewusst zu machen, dass eine Pause an verschiedenen Stellen innerhalb eines Satzes auftreten kann, je nachdem, was ausgedrückt werden soll. Gliederungssignale sind daher für die Bedeutung des Satzes verantwortlich und ihre fehlerhafte Wahrnehmung kann zu Missverständnissen führen. Ein Beispiel dafür ist der folgende Satz, dessen Bedeutung sich je nach den Gliederungssignalen (d. h. Pausen oder aufsteigenden melodischen Konturen, die jeweils mit den Symbolen | und ↑ gekennzeichnet sind) unterscheidet:

  1. Der Schüler grüßt die Lehrerin nicht |

  2. Der Schüler grüßt | die Lehrerin nicht

  3. Der Schüler grüßt die Lehrerin | nicht

Eine erste Übung, die mit Lernenden des Sprachniveaus A1 durchgeführt werden kann, betrifft die Wahrnehmung von Pausen, die die Grenzen von Sinneinheiten markieren (vgl. Abb. 5). Diese können entweder leer oder gefüllt sein, wobei Letztere durch Ein- oder Ausatmen oder durch Füllwörter und Verzögerungsphänomene (z. B. äh, ähm, ja) gekennzeichnet sind (Schwitalla 2012: 87–88).

Abb. 5 
						Übung mit Audiodaten aus der Audio-Lingua-Website
Abb. 5

Übung mit Audiodaten aus der Audio-Lingua-Website

Die Übung besteht darin, dass sich die Lernenden zunächst alle Vorstellungen ohne jegliche visuelle Unterstützung anhören. Dann erhalten sie die Verschriftlichungen und werden gebeten, sich die Audiodateien ein zweites Mal anzuhören und jedes Mal einen senkrechten Strich zu machen, wenn sie eine Pause wahrnehmen. Obwohl die Audiodateien authentisch sind, weisen sie keine übermäßig hohe Sprechgeschwindigkeit auf. Darüber hinaus können Pausen von unterschiedlicher Dauer wahrgenommen werden. Genau aus diesem Grund kann die Übung verfeinert werden, indem die Audiodateien ein drittes Mal abgespielt werden, wobei die Lernenden aufgefordert werden, die längsten Pausen mit einem doppelten vertikalen Strich zu markieren. Anschließend können die Lernenden gebeten werden, Wortgruppen beziehungsweise Sinneinheiten zu identifizieren und über deren melodische Kontur nachzudenken. In Bezug auf Letztere können auch spezifische Übungen durchgeführt werden (vgl. Abb. 6).

Abb. 6 
						Übung zu melodischen Konturen am Ende jeder Wortgruppe
Abb. 6

Übung zu melodischen Konturen am Ende jeder Wortgruppe

Je nach Sprachniveau der Lernenden kann die vorgeschlagene Übung auch als Diktat durchgeführt werden. In diesem Fall sollte die Audiodatei mehrmals abgespielt werden, um die Lernenden dazu zu bringen, alle Sinneinheiten aufzuschreiben. Sie werden dann gebeten, die melodische Kontur für jede Wortgruppe anzugeben. Mikro-Hörübungen dieser Art erweisen sich als besonders nützlich, wenn auf die Übungsphase eine Bewusstmachungsphase folgt, in der die Regel von den Lernenden induktiv formuliert wird (vgl. Abb. 7). Denn Pausen als Gliederungssignale treten an bestimmten Stellen im Text auf, zum Beispiel bei Themenwechseln, nach Begrüßungen, innerhalb einer Aufzählung zur Abtrennung einzelner Punkte, neben sprachlichen Elementen wie äh oder ähm und vor Konjunktionen wie und.

Abb. 7 
						Arbeitsblatt zur Regelformulierung in der Phase der Bewusstmachung
Abb. 7

Arbeitsblatt zur Regelformulierung in der Phase der Bewusstmachung

Da Pausen wichtige Markierungspunkte für die Melodisierung sind (Hirschfeld/Reinke 2018: 214), könnte ein einziges Arbeitsblatt erstellt werden, das auch einen Abschnitt über melodische Konturen enthält. Dies soll die Regelformulierung erleichtern, dass eine fallende oder steigende Melodie vor der Pause eine abgeschlossene Äußerung kennzeichnet, während eine gleichbleibende Kontur eine unabgeschlossene Äußerung signalisiert.

Hörübungen zur Schulung der Gliederung der gesprochenen Sprache können auch mit Audiodateien durchgeführt werden, die andere lexikalische Gliederungselemente enthalten, die die Lernenden erkennen lernen sollten, um den auditiven Dekodierungsprozess besser zu automatisieren. Dazu gehören Konjunktionen und Konnektoren (z. B. aber, dann, also), Partikeln mit Bezug zur Vorgängeräußerung (z. B. okay, na gut, genau) oder Kurzformeln wie ich meine, ich glaube usw.

4.2 Rhythmus

Eng mit der Gliederung verbunden ist auch der Rhythmus, der dafür sorgt, dass Laute, Silben und Wörter zu Sinneinheiten zusammengefasst werden und Wichtiges hervorgehoben wird. Der Sprechrhythmus ist Teil der prosodischen Gestaltung und beschreibt die zeitliche Struktur von Ereignisfolgen. Das Ohr kann die geordnete Aufeinanderfolge von Ereignissen wahrnehmen – falls der zeitliche Abstand zwischen einem Ereignis und dem anderen gleich zu sein scheint, spricht man von Isochronie. Nach der Isochronie-Hypothese (Auer/Uhmann 1988: 216–219) weisen alle Sprachen eine rhythmisch-isochrone Struktur auf, die sich in drei große Kategorien einteilen lässt: akzentzählende, silbenzählende und morenzählende Sprachen[1]. Jede Sprache wird daher einer bestimmten Kategorie zugeordnet, je nachdem, ob die regelmäßig auftretenden Ereignisse Silben, Akzente oder Moren sind. Das Deutsche gehört zu den akzentzählenden Sprachen, in denen sich die Hauptakzente der einzelnen Bedeutungseinheiten in regelmäßigen Abständen abwechseln. Dies hat zur Folge, dass betonte Silben in Wörtern und Sätzen präziser, lauter, länger und höher oder tiefer ausgesprochen werden als unbetonte Silben. Dadurch werden die unbetonten Endungen völlig verändert und die Sprache erhält ihren typischen Stakkato-Rhythmus.

Damit die Lernenden mit dem Rhythmus der deutschen Fremdsprache vertraut gemacht werden, sollten Übungen mit rhythmischen Sprachsequenzen angeboten werden, wie im folgenden Beispiel (vgl. Abb. 8).

Abb. 8 
						Hörübung mit Visualisierung des rhythmischen Musters
Abb. 8

Hörübung mit Visualisierung des rhythmischen Musters

Diese Übung, die für das Sprachniveau A2 konzipiert ist, besteht darin, die Lernenden aufzufordern, sich Audiodaten mit rhythmischen Wortgruppen anzuhören und jede Tonspur mit Hilfe von Pfeilen dem entsprechenden orthografischen und rhythmischen Muster zuzuordnen. Die Visualisierung des rhythmischen Musters durch Punkte, die eine betonte Silbe (großer Punkt) bzw. eine unbetonte Silbe (kleiner Punkt) darstellen, ist eine Möglichkeit, den Rhythmus weiter zu verdeutlichen. Eine weitere Möglichkeit, die in der Produktionsphase genutzt werden kann, besteht in der Verwendung von Gesten. Die Sätze der Übung können von den Lernenden im Chor wiederholt werden, wobei die betonten Silben durch Händeklatschen hervorgehoben werden, während die unbetonten Silben durch Berühren der Handfläche einer Hand mit den Fingern der anderen wiedergegeben werden. Auf A1-Niveau sind solche Übungen mit ritualisierten Formulierungen wie Wie geht’s dir? und einfachen Grußformeln wie Guten Tag oder Auf Wiedersehen empfehlenswert, da sie sich auch sehr stark memorierend auswirken. Außerdem existiert bei Wörtern und ritualisierten Redewendungen in der Regel nur ein einziges rhythmisches Muster, dies im Gegensatz zu vielen anderen syntaktischen Einheiten, die je nach dem kommunikativen Kontext mehrere mögliche rhythmische Muster aufweisen (Hirschfeld/Reinke 2018: 216–217).

Eine weitere Übung, um die Lernenden für das Dekodieren der rhythmischen Wortgruppen zu sensibilisieren, besteht darin, nur wenige Sekunden dauernde Audioausschnitte abzuspielen und die Lernenden aufzufordern, die Anzahl der Wörter anzugeben und eine orthografische Verschriftlichung vorzunehmen (vgl. Abb. 9).

Abb. 9 
						Übung zu rhythmischen Gruppen
Abb. 9

Übung zu rhythmischen Gruppen

Die Übung kann ergänzt werden, indem man das rhythmische Muster jeder Wortgruppe hinzufügt und dann die Lernenden auffordert, andere Sätze mit dem gleichen rhythmischen Muster zu bilden.

In der Bewusstmachungsphase werden die Lernenden gebeten, zu beobachten und anzugeben, bei welcher Wortart der Akzent in der Rhythmusgruppe liegt. Dies dient der Einführung des Unterschieds zwischen Funktions- und Inhaltswörtern, die der Akzentuierung zugrunde liegen.

4.3 Akzentuierung

Die Akzentuierung erfolgt durch die Hervorhebung von Silben und innerhalb von Silben von Vokalen mittels suprasegmentaler Merkmale. Typisch für das Deutsche ist die starke, zentralisierende Betonung, die eine schwere versus leichte rhythmische Struktur schafft, die sich beim Sprechen als unregelmäßiger, aber nicht regelloser Wechsel von betonten und unbetonten Silben zeigt. In der deutschen Standardaussprache werden Akzentsilben genau artikuliert und melodisch von den benachbarten Silben abgesetzt. Außerdem werden sie im Gegensatz zu nicht akzentuierten Silben lauter, mit mehr Sprechspannung und gedehnt realisiert.

Die Akzentuierung kann sowohl auf der Ebene einzelner Wörter als auch auf der Ebene von Wortgruppen oder Sätzen erfolgen. Im ersten Fall handelt es sich um einen Wortakzent, im zweiten um einen Satzakzent. Während der Wortakzent im Deutschen durch bestimmte Regeln festgelegt ist, hängt der Satz- oder Wortgruppenakzent stark von den Absichten des Sprechenden ab und kann je nach Kontext variieren. Eine Grundregel lautet, dass der Wortgruppenakzent auf das letzte akzentuierbare Wort fallen sollte, wobei akzentuierbar hier ein Inhaltswort bedeutet, das lexikalischen Elementen wie Substantiven, Verben, Zahlwörtern, Adjektiven und Adverbien entspricht (Bühler 1934: 281). Diesen werden Funktionswörter gegenübergestellt, die mit grammatischen Elementen wie Artikeln, Präpositionen, Konjunktionen, Konnektoren, Deiktika, Partikeln, Modal- und Hilfsverben identifiziert werden können, die in der Regel nicht betont werden.

Eine erste Übung, die den Lernenden helfen soll, zwischen Inhalts- und Funktionswörtern zu unterscheiden, besteht darin, drei kurze Audiodateien abzuspielen, die nur ein gemeinsames Wort enthalten. Die Lernenden sollen erkennen, um welches Wort es sich handelt, es aufschreiben und dann angeben, ob es ein Funktions- oder ein Inhaltswort ist (vgl. Abb. 10). Im Folgenden werden die Transkripte der ersten drei Audiodateien der Übung vorgestellt, die nach den Konventionen für das Minimaltranskript nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem GAT2 (Selting et al. 2009) durchgeführt wurden:

  1. FOLK_E_00169: der bus kommt

  2. FOLK_E_00130: ich ähm komme jeden tag mit dem bus zur schule

  3. FOLK_E_00203: die klimaanlage im bus war kaputt

Abb. 10 
						Übung zur Unterscheidung zwischen Funktions- und Inhaltswörtern
Abb. 10

Übung zur Unterscheidung zwischen Funktions- und Inhaltswörtern

In der Reflexionsphase können die Lernenden gefragt werden, ob es ihnen leichter fällt, Inhaltswörter oder Funktionswörter zu erkennen, und warum. Als weitere Option können den Lernenden reine Transkriptionsaufgaben gestellt werden, bei denen jeweils nur Funktions- oder Inhaltswörter entfernt werden.

Eine weitere nützliche Übung zum Einüben der Wortakzentuierung kann darin bestehen, den Lernenden eine Audiodatei vorzuspielen, in der sie die vorgegebenen Wörter entsprechend der Reihenfolge ihres Auftretens nummerieren und dann das rhythmische Muster aufschreiben sollen, um ihnen zu helfen, den lexikalischen Akzent zu verinnerlichen (vgl. Abb. 11).

Abb. 11 
						Übung zur Wortakzentuierung
Abb. 11

Übung zur Wortakzentuierung

In diesem Fall ist es wichtig, Audiodateien auszuwählen, die verschiedene Wortkategorien enthalten (Abkürzungen, Komposita, Wörter mit trennbaren und nicht trennbaren Präfixen usw.), sodass in der abschließenden Bewusstmachungsphase grundlegende Regeln formuliert werden können. Eine Übung wie die oben vorgeschlagene kann auch für das Training der Satzakzentuierung nützlich sein. In diesem Fall würde es genügen, die Lernenden die vorgegebenen Wörter mit dem bestimmten oder unbestimmten Artikel aussprechen zu lassen und die betonte Silbe durch Bewegungen zu betonen. Eine zweite Möglichkeit wäre, das Audio noch einmal abzuspielen und die Lernenden aufzufordern zu erkennen, mit welchen Wörtern die angegebenen Substantive kombiniert werden (z. B. ich habe zwei Brüder/schulterlange braune Haare), um die rhythmischen Gruppen zu identifizieren.

Obwohl die suprasegmentalen Elemente einzeln gelernt und trainiert werden können, tragen sie gemeinsam zur Strukturierung der gesprochenen Sprache bei. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Lernenden in der Bewusstmachungsphase lernen, dass suprasegmentale Merkmale eng miteinander verbunden sind und zusammenwirken, um grundlegende Funktionen für die mündliche Kommunikation zu gewährleisten.

5 Fazit

Der Beitrag beschreibt die Bedeutung suprasegmentaler Elemente bei der auditiven Dekodierung und zeigt, wie bestimmte prosodische Aspekte rezeptiv trainiert werden können. Die Erwartungen und Kompetenzanforderungen im perzeptiven Bereich übersteigen zwangsläufig auf allen Stufen die produktiven, da die Lernenden von Anfang an gezwungen sind, sich mit der Fremdsprache perzeptiv auseinanderzusetzen (Hirschfeld/Reinke 2018: 21). Allerdings lässt sich nicht darauf vertrauen, dass sich unbekannte Hörmuster in einer Fremdsprache von selbst entwickeln und festigen, da die in der Erstsprache verwendeten hoch automatisierten Hörverarbeitungsprozesse in der Regel auch in der Fremdsprache verwendet werden. Es ist daher notwendig, solche Hörmuster in der Fremdsprache mit entsprechender methodisch-didaktischer Unterstützung aufzubauen. Dies bedeutet, dass der Schwerpunkt der Wahrnehmung sowohl auf bestimmten segmentalen als auch suprasegmentalen Aspekten liegen muss, die sich aus der phonologischen Kontrollskala ergeben. Beim Vergleich der alten Skala der phonologischen Kontrolle im GER mit der neuen Skala im Begleitband wurde die Bedeutung der Prosodie hervorgehoben. In der neuen Skala wird bereits auf den untersten Sprachniveaus auf Rhythmus, Intonation und Akzentuierung Bezug genommen, die auf der Wahrnehmungsebene dazu beitragen, Wortgrenzen und syntaktische Grenzen zu erkennen und somit den auditiven Entschlüsselungsprozess zu erleichtern.

About the author

Miriam Morf

studierte Germanistik und Anglistik in Perugia. 2008 spezialisierte sie sich auf die Lehrtätigkeit im Bereich DaF an der Universität Modena und Reggio Emilia und war bis 2019 als Deutschlehrerin in der Sekundarstufe II in Italien tätig. Zurzeit promoviert sie an der Universität Macerata, an der sie von 2014 bis 2019 als Lehrbeauftragte für Deutsch als Fremdsprache gearbeitet hat. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Mündlichkeitsdidaktik und Hörverstehensdidaktik im Fach Deutsch als Fremdsprache.

Literaturverzeichnis

Albano Leoni, Federico (2001): „Il ruolo dell’udito nella comunicazione linguistica: Il caso della prosodia“. In: Rivista linguistica 13 (1), 45–68.Suche in Google Scholar

Albano Leoni, Federico; Maturi, Pietro (2018): Manuale di fonetica. 3. Auflage. Roma: Carocci.Suche in Google Scholar

Auer, Peter; Uhmann, Susanne (1988): „Silben- und akzentzählende Sprachen“. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 7 (2), 214–259.10.1515/ZFSW.1988.7.2.214Suche in Google Scholar

Bühler, Karl (1934): Sprachtheorie: Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart: Fischer.Suche in Google Scholar

Cauldwell, Richard (2018): A Syllabus for Listening – Decoding. Birmingham, UK: Speech in Action. Suche in Google Scholar

Chudoba, Gregor (2011): „Aussprache greifbar machen: Niveaubeschreibungen für Aussprachefertigkeiten nach dem GER/CEF“. In: Babylonia 2, 24–28.Suche in Google Scholar

Cutler, Anne (2012): Native listening: Language experience and the recognition of spoken words. Cambridge, MA: The MIT Press.10.7551/mitpress/9012.001.0001Suche in Google Scholar

Dahmen, Silvia (2019): „Die Skalen zu Phonetik/Phonologie im GeR und seinem Begleitband“. In: Deutsch als Fremdsprache 56 (4), 195–204. DOI: https://doi.org/10.37307/j.2198–2430.2019.04.0210.37307/j.2198-2430.2019.04.02Suche in Google Scholar

Dieling, Helga; Hirschfeld, Ursula (2000): Phonetik lehren und lernen. Berlin: Langenscheidt.Suche in Google Scholar

Dietz, Gunther (2021a): „Fremdsprachliches Hörverstehen: Schwächen der traditionellen Hörverstehensdidaktik – Perspektiven der Vermittlung für Deutsch als Fremdsprache“. In: Deutsch als Fremdsprache 58 (2), 67–75. DOI: https://doi.org/10.37307/j.2198–2430.2021.02.0210.37307/j.2198-2430.2021.02.02Suche in Google Scholar

Dietz, Gunther (2021b): „Korpora gesprochener Sprache als Quelle für die Erstellung von Mikro-Hörübungen mit authentischen Hörmaterialien im DaZ-/DaF-Unterricht“. In: Korpora Deutsch als Fremdsprache (KorDaF) 1 (1), 97–123. DOI: https://doi.org/10.48694/tujournals-41Suche in Google Scholar

Europarat (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Stuttgart: Klett.Suche in Google Scholar

Europarat (2020): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Klett.Suche in Google Scholar

Field, John (2008): Listening in the Language Classroom. Cambridge: University Press.10.1017/CBO9780511575945Suche in Google Scholar

Field, John (2019): „Second Language Listening: Current Ideas, Current Issues“. In: Schwieter, John W.; Benati, Alessandro G. (Hrsg.): The Cambridge Handbook of Language Learning. Cambridge: University Press, 283–319. DOI: https://doi.org/10.1017/9781108333603.01310.1017/9781108333603.013Suche in Google Scholar

Fischer, Andreas (2007): Deutsch lernen mit Rhythmus: Der Sprechrhythmus als Basis einer integrierten Phonetik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Leipzig: Schubert.Suche in Google Scholar

Fliegende Blätter (1892): 2465, 145. DOI: https://doi.org/10.11588/diglit.2137#0147Suche in Google Scholar

Fraser, Helen (2014): „When teaching phonology isn’t enough: insights from mondegreens“. In: Speak out! 50, 29–33.Suche in Google Scholar

Gillon, Gail T. (2018): Phonological Awareness: from Research to Practice. 2. Auflage. New York: Guilford Press.Suche in Google Scholar

Harding, Luke (2017): „What Do Raters Need in a Pronunciation Scale? The User’s View“. In: Isaacs, Talia; Trofimovich, Pavel (Hrsg.): Second Language Pronunciation Assessment: Interdisciplinary Perspectives. Multilingual Matters/Channel View Publications, 12–34. Online: http://www.jstor.org/stable/10.21832/j.ctt1xp3wcc.6 (18.03.2022).Suche in Google Scholar

Hedge, Tricia (2000): Teaching and Learning in the Language Classroom. Oxford: University Press.Suche in Google Scholar

Hirschfeld, Ursula; Reinke, Kerstin (2016): „Phonetik in Deutsch als Fremd-/Zweitsprache“. In: Bose, Ines; Hirschfeld, Ursula; Neuber, Baldur; Stock, Eberhard (Hrsg.): Einführung in die Sprechwissenschaft: Phonetik, Rhetorik, Sprechkunst. 2. Auflage. Tübingen: Narr, 69–80.Suche in Google Scholar

Hirschfeld, Ursula; Reinke, Kerstin (2018): Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. 2. Auflage. Berlin: Erich Schmidt.Suche in Google Scholar

Klann-Delius, Gisela (2016): Spracherwerb: Eine Einführung. Stuttgart: J. B. Metzler.10.1007/978-3-476-05473-9Suche in Google Scholar

Korth, Manuela (2018): Das Syntax/Prosodie-Interface: Die Entwicklung der Forschung an der Schnittstelle zwischen Syntax und Prosodie. Tübingen: Stauffenburg.Suche in Google Scholar

Paschke, Peter (2000): Fremdsprachliches Hörverstehen: Grundlagen, Lernziele und Probleme der Leistungsmessung. MA-Thesis. Dublin: University College Dublin. DOI: https://doi.org/10.13140/RG.2.2.10806.40007Suche in Google Scholar

Piccardo, Enrica (2016): Phonological Scale Revision Process Report. Strasbourg: Council of Europe. Online: https://rm.coe.int/phonological-scale-revision-process-report-cefr/168073fff9 (23.03.2022).Suche in Google Scholar

Richter, Regina (2011): „Ausspracheabweichungen chinesischer Deutschlerner und ihre kommunikative Relevanz“. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht. Didaktik und Methodik im Bereich Deutsch als Fremdsprache 16 (2), 176–184. Online: https://zif.tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/article/id/2403/ (15.03.2022).Suche in Google Scholar

Rossa, Henning (2012): Mentale Prozesse beim Hörverstehen in der Fremdsprache: Eine Studie zur Validität der Messung sprachlicher Kompetenzen. Frankfurt am Main: Peter Lang.10.3726/978-3-653-01393-1Suche in Google Scholar

Rost, Michael (2016): Teaching and Researching Listening. 3. Auflage. Harlow: Longman.10.4324/9781315732862Suche in Google Scholar

Schwitalla, Johannes (2012): Gesprochenes Deutsch: Eine Einführung. 4. Auflage. Berlin: Erich Schmidt.Suche in Google Scholar

Selting, Margret; und Autorengruppe (2009): „Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem 2 (GAT 2)“. In: Gesprächsforschung – Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 10, 353–402. Online: http://www.gespraechsforschung-ozs.de/heft2009/px-gat2.pdf (06.06.2022).Suche in Google Scholar

Slembek, Edith (1995): Lehrbuch der Fehleranalyse und Fehlertherapie. 2. Auflage. Heinsberg: Agentur Dieck. Suche in Google Scholar

Solmecke, Gert (2010): „Vermittlung der Hörfertigkeit“. In: Krumm, Hans-Jürgen; Fandrych, Christian; Hufeisen, Britta; Riemer, Claudia (Hrsg.): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Ein internationales Handbuch. Berlin: De Gruyter, 969–975.Suche in Google Scholar

Vandergrift, Larry (2007): „Recent developments in second and foreign language listening comprehension research“. In: Language Teaching 40 (3), 191–210. DOI: https://doi.org/10.1017/S026144480700433810.1017/S0261444807004338Suche in Google Scholar

Published Online: 2022-08-16
Published in Print: 2022-11-24

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Heruntergeladen am 29.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2022-0062/html
Button zum nach oben scrollen