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Bewertung und Vermittlung gendergerechter Sprache durch DaZ/DaF-Lehrkräfte

Evaluation and teaching of gender-sensitive language by GSL/GFL teachers
  • Katharina Sophie Stark

    studierte Deutsch als Zweit- und Fremdsprache und Interkulturelle Kommunikation sowie Anwendungsorientierte Interkulturelle Sprachwissenschaft an der Universität Augsburg und schloss ihr Studium mit dem M. A. in Anwendungsorientierter Interkultureller Sprachwissenschaft mit den Schwerpunkten DaF und Englisch ab. Sie arbeitet zurzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg – Forschungsschwerpunkte: gendergerechte Sprache in DaZ/DaF; Einsatz von interaktiven videobasierten Lehr-Lern-Szenarien in der universitären DaZ/DaF-Ausbildung.

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Published/Copyright: April 28, 2022

Zusammenfassung

Untersucht werden die Emotionen von DaZ/DaF-Lehrkräften zu verschiedenen Varianten der nominalen Personenreferenz, ihre Bewertung gendergerechter Sprache (ggS) sowie Sprachverwendungsweisen im privaten und unterrichtlichen Kontext. Die Befragung zeigt, dass ggS teilweise Eingang in den DaZ/DaF-Unterricht findet. Die Bewertung von ggS polarisiert, obwohl insgesamt keine starken Emotionen durch einzelne Varianten hervorgerufen werden. Es zeigt sich die begründete Vermutung eines erheblichen Einflusses der persönlichen Positionierung auf den Einbezug von ggS im Unterricht.

Abstract

The emotions of GSL/GFL teachers regarding different options of nominal person reference, their evaluation of gender-sensitive language and language use in private and classroom contexts are investigated. The survey shows that gender-sensitive language is partly introduced in GSL/GFL lessons. Its evaluation polarises, even if overall no strong emotions are evoked by individual options of person reference. The results give justified reason to assume a considerable influence of personal positioning on the involvement of gender-sensitive language in teaching.

1 Einleitung

Gendergerechte Sprache (ggS) ist kein akademisches Randthema mehr, sondern inzwischen „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ (Lautenschläger 2020: 34). Nicht zuletzt um Verständnisschwierigkeiten vorzubeugen, sollte ggS deshalb in der Vermittlung von Deutsch als Zweit- und Fremdsprache berücksichtigt werden. Gender wird dabei analog zu Peuschel und Schmidt (2022: 53) „als Konstrukt verstanden, das sich in konkreten, sich verändernden Sprachgebrauchsvarianten wie z. B. in Personenbezeichnungen zeigt.“[1] Zu ggS in DaZ/DaF gibt es aktuell wenig Forschung. Die hier vorgestellte Untersuchung ist deshalb eine exemplarische Bestandsaufnahme des aktuellen Stellenwerts von ggS bei DaZ/DaF-Lehrkräften. Dafür wird eine Online-Befragung durchgeführt, in der untersucht wird, wie DaZ/DaF-Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung zu ggS stehen sowie ob und inwiefern ggS bereits Bestandteil des DaZ/DaF-Unterrichts ist.

2 Gendergerechte Sprache und DaZ/DaF

„Sprache ist sexistisch, wenn sie Frauen und ihre Leistung ignoriert, wenn sie Frauen nur in Abhängigkeit von und Unterordnung zu Männern beschreibt, wenn sie Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt und ihnen so über das Stereotyp hinausgehende Interessen und Fähigkeiten abspricht und wenn sie Frauen durch herablassende Sprache demütigt und lächerlich macht“ (Trömel-Plötz et al. 1980: 15).

Mit dieser Definition sexistischer Sprache in den Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs manifestierte sich 1980 der Diskurs um geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Deutschen. In den über 40 Jahren, die seitdem vergangen sind, brachte der Diskurs unterschiedliche Definitionen für ggS hervor. Je nach Kontext soll mittels ggS sprachliche Gleichberechtigung für Frauen und Männer (vgl. Diewald/Steinhauer 2019: 7) oder für alle Geschlechter (vgl. Diewald 2020: 4) hergestellt werden. Das kann durch explizite Nennung aller adressierten Geschlechter oder durch Neutralisierung der Kategorie Geschlecht in der Sprache umgesetzt werden. Für die vorliegende Studie wird gendergerechte Sprache definiert als die Verwendung von Sprachformen, in denen die Gleichberechtigung aller Geschlechter durch explizite Benennung oder bewusste Neutralisierung der Kategorie Geschlecht in der Sprache umgesetzt wird.

Die verschiedenen Varianten zur Umsetzung von ggS lassen sich im Alltag wiederfinden. Zahlreiche Hochschulen und Institutionen haben ihre eigenen Leitfäden für ggS (vgl. AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin 2014/2015; Universität zu Köln 2017; RWTH Aachen 2021), auch in verschiedenen Medien wird auf ggS zurückgegriffen.

In der Fremdsprachendidaktik wurde die Kategorie Geschlecht bisher „relativ wenig intensiv behandelt“ (vgl. Rösler 2012: 8). Vor über einem Jahrzehnt stellte Moghaddam (2010: 281) fest, dass dies auch für das Fach Deutsch als Zweit- und Fremdsprache gilt; bis heute sind keine fundamentalen Forschungsfortschritte zu verzeichnen. Mittlerweile gibt es einige Untersuchungen zu Sexismus und Geschlechterstereotypen in DaZ/DaF-Lehrwerken (vgl. Elsen 2018; Freudenberg-Findeisen 2004; Peuschel/Dirim 2019). Wenig Forschung gibt es zum Einbezug von ggS in die DaZ/DaF-Lehre. Erste Untersuchungen lieferten Peuschel und Schmidt (2022), die Einstellungen von DaZ/DaF-Studierenden zu ggS und ihrem universitären Gebrauch sowie ihrer unterrichtlichen Praxis erhoben. Sie stellen fest, dass Studierende unterschiedlichen Varianten nominaler Personenbezeichnungen vorwiegend gleichgültig bis skeptisch gegenüberstehen; starke Emotionen werden nicht hervorgerufen. In der häufig genannten Emotion Überforderung sehen sie eine Chance, durch Unsicherheiten Lernprozesse anzustoßen. Dafür sei jedoch eine „intensivere [...] Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Gender und den daran anknüpfenden, konkreten Gebrauchsweisen gendergerechter Sprache in verschiedenen Bereichen des Curriculums“ (ebd. 67) im DaZ/DaF-Studium nötig.

In curricularen Vorgaben für die DaZ/DaF-Vermittlung liegt in der Regel keine explizite Forderung nach der Thematisierung von ggS vor (vgl. Eichhoff-Cyrus 2009: 127). Die Notwendigkeit, „verschiedene Vorschläge der sprachlichen Gleichbehandlung auch im [DaZ/]DaF-Unterricht [zu] diskutier[en]“ (ebd. 134) wird jedoch an folgenden Punkten deutlich:

  1. Im Rahmencurriculum für Integrationskurse wird vorgesehen, dass Lernende die Gleichberechtigung der Geschlechter in Deutschland kennenlernen (vgl. BAMF 2017: 29) sowie „hinsichtlich der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen (LGBTI)“ (ebd. 53) sensibilisiert werden sollen. Gemäß GER soll ferner „die Fähigkeit, mit ,Anderssein‘ umzugehen, um Ähnlichkeiten und Unterschiede zu identifizieren und auf bekannten oder unbekannten kulturellen Eigenschaften aufzubauen, um Kommunikation und Zusammenarbeit zu ermöglichen“ (Europarat 2020: 145) seitens der Lernenden ausgebaut werden.

  2. Die Verwendung von ggS ist je nach Kontext bereits soziale Konvention im deutschsprachigen Raum; diese kann allerdings mangels (allgemeingültiger) Regelungen Verständnisschwierigkeiten bereiten (vgl. Eichhoff-Cyrus 2009: 127; Ortner 2009: 242). So können zum Beispiel Sonderzeichen zu Irritation führen, da die Bedeutung von Unterstrichen und Sternchen in diesem Kontext nicht inhärent ist. Ihre Funktion muss aktiv thematisiert werden, damit sie entsprechend ihrer Wirkungsintention verstanden werden (vgl. Kotthoff 2017: 99).

  3. Personen, die keine gendergerechte Ausdrucksweise verwenden, müssen in manchen Kontexten „damit rechnen, einen negativen Eindruck zu hinterlassen“ (Bülow 2017: 253).

Der Anspruch einer Thematisierung von ggS ist nicht etwa, den Lernenden ein bestimmtes Weltbild oder eine bestimmte Gesinnung zu vermitteln, sondern sie zur Reflexion anzuregen (vgl. König/Surkamp/Decke-Cornill 2015: 6; Ortner 2009: 246). Damit sollen die notwendigen Voraussetzungen für eine reflektierte und mündige Entscheidung geschaffen werden. Gleichzeitig soll eine Sensibilisierung hinsichtlich des Tradierens impliziter Botschaften durch gewisse Sprachverwendungsweisen stattfinden (vgl. Linke 2007: 141–142).[2] Dafür ist es wichtig, den Lernenden aufzuzeigen, welche und wie hegemoniale Strukturen in der Sprache verankert sind, um sie dazu zu befähigen, „auch in der neuen Sprache ‚heimliche‘ oder auch ‚offene‘ Botschaften zu erkennen“ (Peuschel/Dirim 2019: 164–165). Nicht nur trotz fehlender Regelungen, sondern gerade deshalb empfiehlt sich eine intensive und systematische Auseinandersetzung mit ggS im DaZ/DaF-Unterricht (vgl. Schneider 2018: 182). Damit ist eine Thematisierung von ggS unabhängig von der Einstellung Lehrender relevant für den DaZ/DaF-Unterricht.

3 Die Studie

3.1 Instrument, Analysevorgehen und Stichprobe

Ziel der Untersuchung ist eine exemplarische Bestandsaufnahme des aktuellen Stellenwerts von ggS bei DaZ/DaF-Lehrkräften. Zentrale Forschungsfragen dabei sind:

  1. Welche Emotionen empfinden DaZ/DaF-Lehrkräfte bezüglich verschiedener Varianten zur nominalen Personenreferenz?

  2. Wie bewerten die Lehrkräfte ggS und ihren Einbezug in den DaZ/DaF-Unterricht?

  3. (Inwiefern) Wird gendergerechte Sprache in den DaZ/DaF-Unterricht einbezogen?

  4. Welchen Einfluss hat die Bewertung durch die Lehrkräfte bzw. ihr privater Sprachgebrauch auf den Einbezug von ggS in den Unterricht?

Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurden DaZ/DaF-Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Bewertung und Verwendungsweise von unterschiedlichen Varianten der nominalen Personenreferenz mithilfe des Befragungsinstruments BeBuVggS (Befragung zur Bewertung und Verwendung gendergerechter Sprache) online befragt. Um Aussagen abseits des Kontexts Schule mit der Bindung an amtliche Rechtschreibregeln treffen zu können, wurden ausschließlich Lehrkräfte aus der Erwachsenenbildung befragt.

Das Befragungsinstrument BeBuVggS besteht aus 14 geschlossenen und zwei offenen Fragen und ist eine Adaption und Ergänzung der Befragung von Peuschel und Schmidt (2022). Neben demografischen Daten (Alter, Geschlecht, Ausbildung, Ort und Kontext der Lehrtätigkeit) werden die Emotionen bezüglich verschiedener Varianten zur nominalen Personenreferenz – generisches Maskulinum[3] (die Lerner), generisches Femininum (die Lernerinnen), ausführliche Beidnennung (die Lernerinnen und Lerner), verkürzte Beidnennung (die Lerner/-innen), Klammerschreibweise (die Lerner[innen]), Binnen-I (die LernerInnen), Partizipien (die Lernenden), Gendergap (die Lerner_innen), Genderstern (die Lerner*innen) – erhoben. Die untersuchten Varianten der nominalen Personenreferenz wurden ausgewählt, da sie frequent in aktuellen Leitfäden für ggS diskutiert werden (vgl. Diewald/Steinhauer 2020; Gesellschaft für deutsche Sprache 2020).[4] Als Stimulus dient eine fiktive Arbeitsanweisung eines Lehrbuchs. Diese Modifikation soll es den Lehrkräften durch einen für sie alltäglichen Kontext erleichtern, einen Bezug zum Thema zu finden.

Wie in Abbildung 1 gezeigt, werden die Teilnehmenden dazu aufgefordert, ihre Emotionen bezüglich der Verwendung verschiedener Varianten der nominalen Personenreferenz in einer solchen Arbeitsanweisung zu nennen. Zur Auswahl stehen elf Emotionen, die analog zu Peuschel und Schmidt (2022: 57) in positive (Begeisterung, Freude, Zufriedenheit, Interesse), neutrale (Gleichgültigkeit, Langeweile, Skepsis) und negative Emotionen (Verlegenheit, Druck, Überforderung, Wut) unterteilt werden (vgl. hierzu Gebauer/McElvany/Klukas 2013; Gebauer/McElvany 2013). In einem Freifeld gibt es die Möglichkeit, weitere Emotionen zu nennen.

Abb. 1 
						Item 1 von BeBuVggS
Abb. 1

Item 1 von BeBuVggS

Im Anschluss sollen die in den Abbildungen 2 und 3 gezeigten Aussagen auf einer Skala mit zehn Stufen von stimme nicht zu (Wert 1) bis stimme voll zu (Wert 10) bewertet werden.

Abb. 2 
						Zu bewertende Aussagen zu ggS, Item 11 von BeBuVggS
Abb. 2

Zu bewertende Aussagen zu ggS, Item 11 von BeBuVggS

Abb. 3 
						Zu bewertende Aussagen zu ggS in DaZ/DaF, Item 12 von BeBuVggS
Abb. 3

Zu bewertende Aussagen zu ggS in DaZ/DaF, Item 12 von BeBuVggS

Nachfolgend wird die Verwendung von ggS im Unterricht erhoben. Zu diesem Zweck wird nach der Benennung von Personen im Rahmen der Lehrtätigkeit[5], nach der Thematisierung verschiedener Varianten zur Personenreferenz[6] sowie der privaten Verwendung gefragt. Antwortmöglichkeiten sind jeweils die zuvor genannten Varianten zur nominalen Personenreferenz. Die Befragung wurde außerdem durch qualitative Daten ergänzt, auf welche im Rahmen dieses Artikels aus Platzgründen jedoch nicht weiter eingegangen wird.

Die Daten werden mittels statistischer Datenanalyse mit SPSS ausgewertet. Zusammenhänge zwischen zwei nominalskalierten Items sowie Zusammenhänge zwischen einem nominal- und einem ordinal- bzw. intervallskalierten Item werden mittels Kontingenztabellen und Chi2-Tests ermittelt.[7] Zusammenhänge zwischen zwei ordinalskalierten Items bzw. einem ordinal- und einem intervallskalierten Item werden mit dem Kendall’s Tau-Koeffizient-b (τb) errechnet.

Die befragten Lehrkräfte (n=203) sind 22 bis 68 Jahre alt, das Durchschnittsalter liegt bei 42,2 Jahren. 91,6 % der Lehrkräfte beschreiben sich als weiblich (n=186), 6,9 % als männlich. Eine Lehrkraft beschreibt sich als divers. Zwei Lehrkräfte machen keine Angabe zu ihrem Geschlecht. Die Lehrkräfte sind zu 12,2 % an Volkshochschulen, zu 45,3 % an privaten Sprachschulen, zu 6,4 % ehrenamtlich, zu 22,2 % bei einem Bildungsträger/Verein sowie zu 28,6 % in einem anderen Rahmen tätig, vor allem in der universitären Lehre (Mehrfachauswahl möglich). Ort der Berufstätigkeit ist zu 48,3 % Deutschland, zu 12,3 % ein anderes deutschsprachiges Land (hauptsächlich Österreich) und zu 39,4 % ein nicht deutschsprachiges Land (38 verschiedene Länder). Ihre DaZ/DaF-Ausbildung erwarben die Lehrkräfte zu 14,8 % im Rahmen eines Bachelor- und zu 36 % im Rahmen eines Masterstudiums. 27,1 % absolvierten ein anderes Studium sowie 22,2 % eine Aus- oder Fortbildung.

3.2 Ergebnisse und Diskussion

3.2.1 Emotionen hinsichtlich verschiedener Varianten zur nominalen Personenreferenz

Die verschiedenen Varianten zur nominalen Personenreferenz rufen bei den Befragten unterschiedliche Emotionen hervor.

Abb. 4 
							Prozentuale Verteilung der genannten neutralen, positiven und negativen Emotionen für die Varianten zur nominalen Personenreferenz
Abb. 4

Prozentuale Verteilung der genannten neutralen, positiven und negativen Emotionen für die Varianten zur nominalen Personenreferenz

Insgesamt nehmen neutrale Emotionen den prozentual größten Anteil ein (46,3 %). Bei sieben der neun Varianten werden neutrale Emotionen am häufigsten genannt (vgl. Abb. 4). Ausgehend von den einzelnen Emotionen ist Gleichgültigkeit vorherrschend, welche mit 23,8 % mit Abstand den größten Anteil aller Nennungen einnimmt. Zusätzlich ist sie bei fünf Varianten (gM, verkürzte Beidnennung, Binnen-I, Gendergap, Genderstern) die meistgenannte Emotion[8] und steht bei drei weiteren an zweiter Stelle (generisches Femininum, Klammerschreibweise, Partizipien). Lediglich bei der ausführlichen Beidnennung findet sich Gleichgültigkeit an dritter Stelle.

Die Nennung neutraler Emotionen ist beim gM sowie beim generischen Femininum besonders hoch (vgl. Abb. 4). Beim gM ist dieser Umstand wahrscheinlich auf seine traditionelle Verwendung als Personenreferenz im Deutschen zurückzuführen (vgl. Braun et al. 1998: 265). Verglichen mit anderen Varianten wird hier mit Abstand am häufigsten Gleichgültigkeit genannt (39,4 %), was auf eine Wahrnehmung des gM als gewöhnliche Sprachverwendungsweise hindeutet, die keine starken Emotionen evoziert. Passend dazu gibt knapp die Hälfte der befragten Lehrkräfte an, das gM privat zu gebrauchen. Trotz des polarisierenden Mediendiskurses rund um das gM (vgl. Diewald/Steinhauer 2020: 20) ist keine auffällige Polarisierung in dieser Befragung erkennbar. Zwischen den unterschiedlichen Altersklassen gibt es keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Emotionen zum gM oder seiner Verwendung sowie seiner Einführung. Auch beim generischen Femininum liegt eine überdurchschnittliche Nennung neutraler Emotionen vor (hier 66,1 %; ∅ 46,3 %). Der Großteil entfällt hier auf die Emotion Skepsis (40,9 %). Dieses Ergebnis ähnelt der in den Massenmedien verbreiteten Einschätzung der letzten Jahre, wonach das generische Femininum eher skeptisch begutachtet wurde (vgl. bspw. Hentsch 2014). Zudem trägt seine seltene Anwendung wahrscheinlich zu diesem Empfinden bei. Das könnte auch die anteilsmäßig größere Nennung negativer als positiver Emotionen erklären. Eine solche ist auch bei der Klammerschreibweise festzustellen (vgl. Abb. 4). Daneben ist hier, analog zum generischen Femininum, Skepsis die meistgenannte Emotion (23,2 %). Dies hängt möglicherweise mit der auffällig seltenen Gebräuchlichkeit dieser Variante sowohl im privaten als auch im unterrichtlichen Kontext seitens der befragten Lehrkräfte zusammen (vgl. Tab. 1). Bezüglich des auffällig hohen Anteils von Wut (hier 10,3 %; ∅ 4,6 %) lässt sich mutmaßen, dass diese durch die Darstellung der femininen Endung als verzichtbares Anhängsel ausgelöst wird. Weiter fällt auf, dass die Verteilung der neutralen, positiven und negativen Emotionen einzig bei der ausführlichen Beidnennung ziemlich ausgewogen ist (vgl. Abb. 4). Dies konnte ähnlich bei Peuschel und Schmidt (2022: 60) für DaZ/DaF-Studierende festgestellt werden, in der die drei häufigsten und beinahe gleich häufig genannten Emotionen (Überforderung, Skepsis, Zufriedenheit) aus allen drei Emotionsklassen stammen. Im Unterschied zu den vorliegenden Daten wird von den DaZ/DaF-Studierenden bezüglich dieser Variante als neutrale Emotion vorwiegend Skepsis genannt, während die hier befragten Lehrkräfte verstärkt Gleichgültigkeit empfinden. Möglicherweise ist dieser Unterschied auf das Alter der Befragten zurückzuführen. So kann eine leicht positive Korrelation zwischen einer positiveren Bewertung dieser Variante und dem Alter der Lehrkräfte festgestellt werden (τb=,122; p=,048). Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Bewertung der ausführlichen Beidnennung ist folglich umso größer, desto älter die befragten Lehrkräfte sind. Der große Anteil der Emotion Überforderung (hier 19,2 %; ∅ 6,2 %) könnte auf die Länge dieser Variante zurückzuführen sein (ebd.). Die Emotion Zufriedenheit (18,7 %) dürfte auf die simple Umsetzbarkeit im Rahmen der amtlichen Rechtschreibregeln und die leichte Verständlichkeit der Variante zurückzuführen sein. So lässt sich auch der große Anteil von Zufriedenheit (26,1 %) bei der verkürzten Beidnennung erklären. Als weitverbreitete und zugleich sprachökonomische Form rufen Partizipien überwiegend Zufriedenheit hervor (28,1 %). Trotz der zwei meistgenannten Emotionen Gleichgültigkeit und Zufriedenheit (24,6 % und 19,2 %) löst der Gendergap einen überdurchschnittlichen Anteil negativer Emotionen aus (hier 18,8 %; ∅ 14,8 %), was potenziell mit seiner geringen Gebräuchlichkeit seitens der Befragten zusammenhängt. Der Genderstern wird hingegen sehr positiv bewertet und weist mit vorwiegender Zufriedenheit (26,6 %) eine erheblich größere Zustimmung als die anderen Varianten auf. Das ist möglicherweise auf die derzeit häufige Verwendung dieser Form in akademischen sowie in journalistischen Kontexten zurückzuführen. Dieselben Gründe lassen sich für die Bewertung des Binnen-I anführen, welches in gewisser Weise die Vorgängerform des Gendersterns darstellt (vgl. Diewald/Steinhauer 2020: 125). Dieses löst eine ähnlich positive Bewertung mit einem hohen Grad an Zufriedenheit aus (21,2 %).

Grundsätzlich sind starke Ähnlichkeiten zwischen den hervorgerufenen Emotionen in der vorliegenden Untersuchung und der Studie von Peuschel und Schmidt (2022) zu erkennen. Größere Unterschiede ergeben sich allein für die Varianten Genderstern und Gendergap, die DaZ/DaF-Lehrkräfte etwas positiver bewerten als DaZ/DaF-Studierende, sowie für das Binnen-I, gegenüber welchem die Lehrkräfte mehr Gleichgültigkeit empfinden. Zudem nennen Lehrkräfte deutlich seltener die Emotion Überforderung. Insgesamt herrschen eher neutrale bis leicht positive Emotionen gegenüber den genannten Varianten vor, während Peuschel und Schmidt „überwiegend neutrale bis negative Gefühle“ (ebd. 60) verzeichnen.

3.2.2 Bewertung von ggS und Sprachverwendungsweisen

In der Befragung wurden acht Aussagen zu gendergerechter Sprache und ihrer Verwendung im Unterricht auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet. Die Bewertung der verschiedenen Aussagen zu ggS zeigt eine starke Polarisierung unter den befragten DaZ/DaF-Lehrkräften. Die meisten Angaben sind in Extrempositionen zu finden. Oftmals lassen sich lediglich wenige Anteile im Mittelfeld verordnen. Die Polarisierung ist in den meisten Fällen so stark, dass eine eher einheitliche Tendenz bei lediglich drei der acht zu bewertenden Aussagen zu ggS erkennbar ist: So wird den Aussagen Gendergerechte Sprache ist für mich eine Frage der Routine (M=6,73; SD=3,1) und Gendergerechte Sprache sensibilisiert aus meiner Sicht für Diversität (M=6,66; SD=3,6) vermehrt zugestimmt. Überwiegende Ablehnung herrscht bezüglich der Aussage Gendergerechte Sprache ist irrelevant für DaZ/DaF-Lernende (M=3,44; SD=3,2).

Die Frage nach der Verwendung der unterschiedlichen Varianten im privaten sowie im unterrichtlichen Kontext liefert folgendes, in Tabelle 1 dargestelltes Ergebnis:

Tab. 1

Absolute Nennung der Varianten bzgl. ihrer Verwendung in verschiedenen Kontexten

Variante Gebrauch im Unterricht Einführung im Unterricht Privater Gebrauch
Gen. Maskulinum 62 59 100
Gen. Femininum 18 34 27
Ausf. Beidnennung 90 108 88
Verk. Beidnennung 30 45 16
Klammerschreibweise 3 11 4
Binnen-I 35 61 35
Partizipien 77 11 66
Gendergap 6 18 6
Genderstern 41 54 41

Privat wird von knapp der Hälfte der Lehrkräfte und damit am häufigsten das gM verwendet. Darauf folgen die ausführliche Beidnennung und Partizipien. Der Genderstern wird von etwa jeder fünften befragten Lehrkraft verwendet, von jeder sechsten das Binnen-I. Seltener werden das generische Femininum, die ausführliche Beidnennung, der Gendergap und die Klammerschreibweise verwendet. Dieses Ergebnis unterscheidet sich vor allem in der Verwendung der drei meistverwendeten Varianten deutlich vom Ergebnis einer ähnlichen Befragung im Rahmen der Deutschland-Erhebung 2017, in der ein Querschnitt der deutschen Gesamtbevölkerung zur präferierten Sprachverwendungsweise befragt wurde. So präferierten in der Deutschland-Erhebung 2017 lediglich 16,5 % (hier 49,3 %) der Befragten das gM und 17 % die ausführliche Beidnennung (hier 43,3 %), während 46 % (hier 32,5 %) angaben, die Partizipialform zu verwenden (vgl. Adler/Hansen 2020: 57). Diese immensen Abweichungen könnten allerdings auf das in der Deutschland-Erhebung abgefragte Lemma Student zurückzuführen sein, dessen Partizipialform sehr gut etabliert ist (vgl. Adler/Plewnia 2019: 150).

Im Unterricht verwenden die befragten Lehrkräfte vor allem die ausführliche Beidnennung, Partizipien, das gM und den Genderstern. Darauf folgen das Binnen-I und die verkürzte Beidnennung. Selten werden das generische Femininum, der Gendergap sowie die Klammerschreibweise verwendet. Für die Einführung der unterschiedlichen Varianten ergibt sich dieselbe Rangordnung. Die verhältnismäßig frequente private sowie unterrichtliche Verwendung und Einführung der Partizipien sowie des Gendersterns spiegelt die überwiegend positiven Emotionen bezüglich dieser Varianten wider (vgl. Abb. 4). Analog dazu rufen die ungebräuchlicheren Varianten generisches Femininum, Gendergap sowie Klammerschreibweise einen überdurchschnittlichen Anteil negativer Emotionen bei den befragten Lehrkräften hervor.

Diese Ergebnisse zeigen, dass ggS bereits Eingang in den DaZ/DaF-Unterricht gefunden hat. Auch wenn sich das gM in allen Fällen unter den drei meistgenannten Varianten befindet, nimmt es im unterrichtlichen Kontext offensichtlich einen geringeren Stellenwert als die ausführliche Beidnennung und Partizipien ein. Möglicherweise lässt sich hier eine Tendenz hin zu einem Bewusstsein für eine gendersensiblere Sprachverwendungsweise im Unterricht ausmachen.

3.2.3 Zusammenhänge zwischen Verwendungsweisen und Bewertung

Die Befragungsdaten zeigen Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Sprachverwendungsweisen in verschiedenen Kontexten sowie Zusammenhänge zwischen ihrer Verwendung und Bewertung. Ein hochsignifikanter Zusammenhang besteht zwischen der unterrichtlichen Einführung und der privaten Verwendung von Varianten im Unterricht.[9]

Varianten werden vermehrt eingeführt, wenn sie privat verwendet werden (p=,001 für alle Varianten). So führen beispielsweise lediglich 14,8 % der Lehrkräfte, die den Genderstern privat nicht verwenden, diese Variante im Unterricht ein, während rund 73,2 %, die den Genderstern privat verwenden, diesen auch im Unterricht einführen. Die Einführung aller Varianten erfolgt damit signifikant häufiger, wenn sie privat verwendet werden.[10] Ein relativ hoher Wert für eine Einführung im Unterricht ohne private Verwendung ergibt sich lediglich bei der aus

Abb. 5 
							Einführung der verschiedenen Varianten von ggS im Unterricht abhängig von ihrer privaten Verwendung durch die Lehrkraft
Abb. 5

Einführung der verschiedenen Varianten von ggS im Unterricht abhängig von ihrer privaten Verwendung durch die Lehrkraft

führlichen Beidnennung (34,8 %; vgl. Abb. 5). Eine mögliche Erklärung für die Thematisierung der ausführlichen Beidnennung im DaZ/DaF-Unterricht ohne private Verwendung ist ihre standardmäßige Verwendung im Rahmen von Berufsbezeichnungen (vgl. Peuschel 2018: 352). Da die entsprechenden Singular- und Pluralformen ohnehin im Unterricht eingeführt werden, kommt die Verwendung dieser Variante ohne eine Konfrontation der Lernenden mit unbekannten Sprachformen aus. Auch dieser Faktor spielt sicherlich eine Rolle bei der vermehrten Verwendung dieser Variante.

Zwischen den unterschiedlichen Altersklassen und der Verwendung bzw. Thematisierung der verschiedenen Varianten können im Gegensatz zur vorig genannten Deutschland-Erhebung 2017, in welcher das Alter neben der politischen Einstellung ein Prädikator für die Verwendung verschiedener Varianten ist (vgl. Adler/Hansen 2020: 59), keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Ebenso ergeben sich keine Zusammenhänge zwischen der Verwendung bzw. Thematisierung und der institutionellen (Un-)Gebundenheit der Lehrkräfte. Für eine Unterscheidung nach dem Land der Berufstätigkeit ergibt sich lediglich ein signifikanter Unterschied bezüglich des Binnen-I. Dieses wird vornehmlich in Österreich unterrichtlich thematisiert (52,0 %; ∅ 30,0 %; p=,003), wie auch hauptsächlich von Lehrkräften mit Arbeitsort Österreich privat verwendet (36,0 %; ∅ 17,2 %; p=,029). Daraus wird deutlich, dass sich der Umgang mit ggS und die Bewertung derselben in der vorliegenden Studie weitestgehend nicht an unabhängigen Faktoren wie Alter, institutionelle (Un-)Gebundenheit und Arbeitsort festmachen lassen. Folglich nehmen andere, möglicherweise persönlichere Faktoren Einfluss auf die Bewertung und Verwendung bzw. Vermittlung von ggS. Inwiefern es sich dabei um die politische Einstellung handelt, welche sich in der Deutschland-Erhebung 2017 als maßgeblicher Prädikator herausstellte (ebd.), muss in weiteren Studien überprüft werden.

Enge Zusammenhänge zwischen der Bewertung von Aussagen zur persönlichen Meinung zu ggS und der Bewertung von Aussagen zu ggS im DaZ/DaFUnterricht weisen ebenfalls auf einen Einfluss persönlicher Faktoren auf den Einbezug von ggS in den Unterricht hin. So lehnen Lehrkräfte, die ggS aufwendig finden, ihre Thematisierung eher ab (τb=-,128; p=,019), während Lehrkräfte, die von einer positiven Auswirkung von ggS bezüglich der Sensibilisierung für Diversität oder der Gleichstellung der Lernenden im Kurs ausgehen, ihre Thematisierung vermehrt befürworten (τb=0,405 bzw. τb=,426; je p=,001).

Bei der Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen der Bewertung von ggS und der Einführung bzw. unterrichtlichen sowie privaten Verwendung wird deutlich, dass Dreh- und Angelpunkt der Debatte um ggS weiterhin das gM ist. So ergeben sich hauptsächlich signifikante Zusammenhänge zwischen dem gM und der Bewertung einiger der in der Befragung zu bewertenden Aussagen bezüglich ggS, während für die meisten Varianten keine Zusammenhänge festgestellt werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte, die das gM unterrichtlich verwenden, ggS tendenziell aufwendiger finden (χ2[9]=27,25; p=,001), diese eher nicht als Frage der Routine beurteilen (χ2[9]=27,50; p=,001) und keine Sensibilisierung für Diversität durch ggS erwarten (χ2[9]=38,13; p=,001). Ferner sehen sie in ggS eher keinen Beitrag zur Gleichstellung der Lernenden im Kurs (χ2[9]=38,44; p=,001) und lehnen ihre Thematisierung im Unterricht vermehrt ab (χ2[10]=25,13; p=,005). Die Einführung des gM im Unterricht deutet ebenfalls darauf hin, dass keine Erwartungshaltung bezüglich einer Sensibilisierung für Diversität durch ggS besteht (χ2[9]=21,87; p=,009) und diese als nicht wichtig für die Gleichstellung der Lernenden im Kurs beurteilt wird (χ2[9]=19,16; p=,024). Die private Verwendung des gM hängt mit einer Auffassung von ggS als eher aufwendig (χ2[9]=20,25; p=,016) und ebenfalls unwichtig für die Gleichstellung der Lernenden im Kurs zusammen (χ2[9]=27,70; p=,001). Die signifikanten Zusammenhänge zwischen den subjektiven Bewertungen von ggS und der Verwendung des gM deuten darauf hin, dass die Einstellung zu dieser Variante einen entscheidenden Faktor in der persönlichen Bewertung von ggS einnimmt.

Wenige Zusammenhänge ergeben sich zudem zwischen den Bewertungen der Aussagen und dem Genderstern. Bei der unterrichtlichen Verwendung des Gendersterns wird von einer Sensibilisierung für Diversität (χ2[9]=28,77; p=,001) und einem Einfluss auf die Gleichstellung der Lernenden im Kurs ausgegangen (χ2[9]=29,65; p=,001). Dasselbe Ergebnis bietet sich für die unterrichtliche Einführung (χ2[9]=22,08; p=,009 bzw. χ2[9]=26,63; p=,002) und die private Verwendung des Gendersterns (χ2[9]=19,86; p=,019 bzw. χ2[9]=27,87; p=,001). Zusätzlich halten Lehrkräfte, die den Genderstern privat verwenden, ggS für eine Frage der Routine (χ2[9]=24,05; p=,004). Diesen Ergebnissen zufolge scheint neben dem gM auch der Genderstern ein Indikator für die Bewertung gendergerechter Sprache bei DaZ/DaF-Lehrkräften zu sein.

Die Zusammenhänge zwischen der subjektiven Bewertung und der Thematisierung von ggS im Unterricht lassen einen Einfluss der persönlichen Bewertung der DaZ/DaF-Lehrkräfte auf die Thematisierung von ggS im Unterricht vermuten. Entsprechend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass DaZ/DaF-Lernenden häufig die Haltung der jeweiligen Lehrkraft vermittelt wird. Da die Haltung der Lehrkraft im Unterricht zwangsweise gegenwärtig ist, ist ihre Reflexion förderlich, denn diese sollte den Lernenden nicht aufgezwungen werden; vielmehr sollten umfassende Informationen zur Thematik angeboten werden, um den Lernenden eine selbstbestimmte, bewusste und mündige Entscheidung im Diskurs zu ermöglichen. Was Irvine/Gal (2009: 402) für die Betrachtung sprachlicher Ideologien konstatieren, gilt zweifelsfrei auch für die Positionierung im Diskurs um ggS: „There is no ‘view from nowhere’, no gaze that is not positioned“. Den Umstand, dass auch sie selbst einer subjektiven Positionierung im Diskurs um ggS unterliegen, sollten Lehrkräfte deshalb eingehend reflektieren, um ihren Lernenden weder durch Nicht-Thematisierung noch durch erzwungene Verwendung von ggS ihre eigene Haltung unreflektiert aufzuzwingen und ihnen damit die Möglichkeit einer selbstbestimmten Entscheidung zu verwehren (vgl. Ortner 2010: 195–196).

4 Limitationen

Im Artikel werden die Ergebnisse einer Studie zur Bewertung und Vermittlung von ggS durch DaZ/DaF-Lehrkräfte vorgestellt. Eine Limitation der vorliegenden Studie liegt im Forschungsdesign. Für eine differenziertere Klassifikation der Emotionen in neutrale, negative sowie positive Emotionen wäre eine weiterführende diesbezügliche Untersuchung nötig. Dennoch geben die hier erhobenen Emotionen und ihre Klassifikation einen ersten Eindruck hinsichtlich der Bewertung von ggS durch die befragten Lehrkräfte. Darüber hinaus wird keine Unterscheidung zwischen mündlichem und schriftlichem Sprachgebrauch getroffen. Ob und inwiefern hier Unterschiede bestehen, bleibt ein Desiderat für anschließende Studien. Ferner wurden ausschließlich Emotionen zu weiterhin gendernden Varianten abgefragt; diese wurden in Form von Gruppenreferenzen verwendet. Vermeintlich kompliziertere Konstruktionen könnten möglicherweise negativere Emotionen hervorrufen – dies gilt es in weiteren Befragungen zu überprüfen.

5 Fazit und Ausblick

Die Untersuchung der Bewertung und Vermittlung von ggS durch DaZ/DaF-Lehrkräfte zeigt, dass verschiedene Varianten zur nominalen Personenreferenz keine starken Emotionen hervorrufen. Dennoch herrscht eine starke Polarisierung bei der Bewertung von ggS vor. Es zeigt sich, dass das Thema ggS in der DaZ/DaF-Erwachsenenbildung bereits einen nennenswerten Stellenwert einnimmt, allerdings kein unstrittiger Bestandteil dessen ist. Ob und inwiefern ggS einbezogen wird, hängt nicht von unabhängigen Faktoren wie dem Alter oder dem Arbeitsort ab, sondern vermutlich von der persönlichen Bewertung durch die jeweilige Lehrkraft und ihrer persönlichen Verwendung von ggS. Damit DaZ/DaF-Lernenden durch eine aufgeklärte Vermittlung im Sinne eines wertfreien Aufzeigens aller Varianten und deren Für und Wider ihre eigene Mündigkeit im Diskurs zugestanden wird, sollte unabhängig von der Positionierung der Lehrkräfte eine Vermittlung und Erläuterung von ggS stattfinden. Das erfordert eine ständige Reflexion der eigenen, subjektiven Positioniertheit seitens der DaZ/DaF-Lehrkräfte. Hierfür muss das Bewusstsein der Lehrkräfte für die Thematik und eine adäquate Thematisierung im DaZ/DaF-Unterricht geweckt werden bzw. gilt es zu fragen, warum der rund 40-jährige Diskurs im Kontext DaZ/DaF bisher so gering rezipiert wurde. Ferner werfen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung die Frage auf, inwiefern seitens DaZ/DaF-Lehrkräften ein reflektierter Sprachgebrauch auch auf weiteren Ebenen und bezüglich weiterer Kategorien im DaZ/DaF-Unterricht verwendet wird.

About the author

Katharina Sophie Stark

studierte Deutsch als Zweit- und Fremdsprache und Interkulturelle Kommunikation sowie Anwendungsorientierte Interkulturelle Sprachwissenschaft an der Universität Augsburg und schloss ihr Studium mit dem M. A. in Anwendungsorientierter Interkultureller Sprachwissenschaft mit den Schwerpunkten DaF und Englisch ab. Sie arbeitet zurzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg – Forschungsschwerpunkte: gendergerechte Sprache in DaZ/DaF; Einsatz von interaktiven videobasierten Lehr-Lern-Szenarien in der universitären DaZ/DaF-Ausbildung.

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Published Online: 2022-04-28
Published in Print: 2022-11-24

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 30.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2022-0055/html
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